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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.06.2005
Aktenzeichen: VI-Kart 24/04 (V)
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 23 Abs. 2 Nr. 1 a.F.
GWB § 36
GWB § 36 Abs. 1
GWB § 37 Abs. 1
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2 a)
GWB § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2
GWB § 40
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I.

Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1. - 4. wird der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 (Az.: B6 - 026/04) aufgehoben.

II.

Das Bundeskartellamt hat die im Beschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten sowie die den Beteiligten zu 1. - 4. zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu tragen.

III.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30 Mio. EUR festgesetzt.

Gründe:

A.

Anfang März 1999 schloss die Beteiligte zu 4. mit den Beteiligten zu 1. und 3. als gemeinschaftliche Lizenznehmer mit Wirkung zum 1. Februar 1999 für die Dauer von zehn Jahren einen Lizenzvertrag über die erstmalige Herausgabe des deutschsprachigen Magazins "N. G.". Der Lizenzvertrag gestattet die Nutzung der Marke "N. G.", sowie der Urheberrechte, die der Beteiligten zu 4. am Inhalt des Magazins zustehen, insbesondere die Rechte, die für die Übersetzung aller Magazinbeiträge in die deutsche Sprache notwendig sind.

Eine vorherige Anmeldung dieses Vertragsschlusses beim Bundeskartellamt ist nicht erfolgt.

Herausgeber des seit September 1999 erscheinenden deutschsprachigen Magazins ist das paritätische Gemeinschaftsunternehmen G. GmbH & Co. KG, H., an dem die Beteiligte zu 1. und die R. G. GmbH - hierbei handelt es sich um eine 100 %ige Tochter der Beteiligten zu 2. - jeweils einen Anteil von 50 % halten.

Nachdem das Bundeskartellamt im Zusammenhang mit der von der Beteiligten zu 1. angemeldeten Übernahme des von R. G. GmbH gehaltenen Anteils von 50 % an dem Gemeinschaftsunternehmen G. GmbH & Co. KG, H., Kenntnis vom Abschluss des Lizenzvertrages erlangt hatte, leitete es wegen dieses Vorgangs ein Verwaltungsverfahren ein.

Mit Beschluss vom 2. August 2004 untersagte das Bundeskartellamt den Zusammenschluss "durch den Erwerb der Lizenz für die Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N. G." durch die G. + J. AG & Co. KG, H., aufgrund der Verträge zwischen der N. G. S., G. & J. AG & Co. KG und R. P. I., S.A., unterzeichnet Anfang März 1999 mit Wirkung zum 01. Februar 1999 (sog. "Germany-Magazine Agreement" und "Master Agreement")".

Nach Ansicht des Bundeskartellamtes handelt es sich bei dem in Rede stehenden Lizenzvertrag um einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB, der zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Beteiligten zu 1. auf dem Lesermarkt für populäre Wissensmagazine geführt habe und deshalb gemäss § 36 GWB zu untersagen sei. Die Lizenz sei ein "wesentlicher Vermögensteil" im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, da sie tragende Grundlage der Stellung der Beteiligten zu 4. auf dem relevanten Markt in Deutschland sei. Dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein Umsatz mit der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift erzielt worden sei, sei unerheblich. Der bereits vor dem Lizenzerwerb bestehende hohe Bekanntheitsgrad der Marke "N. G." habe es der Beteiligten zu 1. ermöglicht, hieran unmittelbar anzuknüpfen und das Käuferpotential bereits mit der ersten Ausgabe des Magazins zu erschließen. Die Beteiligte zu 1. habe letztlich keinen neuen, unbekannten Titel in den Markt einführen müssen. Dies erkläre auch ihre ansonsten kaufmännisch nicht nachvollziehbare Bereitschaft, sich über zehn Jahre zur Zahlung vergleichsweise hoher Lizenzgebühren zu verpflichten.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1. - 4. jeweils mit der sofortigen Beschwerde. Ihrer Meinung nach liegt schon kein Zusammenschlusstatbestand vor. Die Lizenz zur Herausgabe der Zeitschrift "N. G." in deutscher Sprache sei kein wesentlicher Vermögensbestandteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, da ihr zum Übergangszeitpunkt keine Umsätze hätten zugerechnet werden können und die Beteiligte zu 4. daher keine übernahmefähige Marktstellung habe vermitteln können. Darüber hinaus scheitere ein Kontrollerwerb gemäss § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB aber auch daran, dass die Beteiligten zu 1. und 3. nach dem Inhalt des Lizenzvertrages nicht die Kontrolle über die Nutzung der Titel- und Herausgaberechte erhielten und auch die weiteren Voraussetzungen des § 36 GWB nicht erfüllt seien. Hilfsweise berufen sich die Beschwerdeführerinnen auf eine Freigabefiktion gemäss § 40 GWB analog.

Die Beteiligten zu 1. - 4. beantragen,

den Beschluss des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 (Az.: B6 - 026/04) aufzuheben.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Das Bundeskartellamt verteidigt seinen Beschluss und tritt dem Beschwerdevorbringen im einzelnen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Amtsakte Bezug genommen.

B.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. - 4. gegen die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamtes vom 2. August 2004 ist begründet. Das Bundeskartellamt hat zu Unrecht den Erwerb der Lizenz für die Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N. G." auf der Grundlage des sog. "Germany-Magazine Agreement" und "Master Agreement" zwischen den Beteiligten zu 1. und 3. und der Beteiligten zu 4. aus März 1999 untersagt.

Der Erwerb der Lizenz für die erstmalige Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N. G." durch die Beteiligten zu 1. und 3. unterliegt nicht der Zusammenschlusskontrolle des § 36 Abs. 1 GWB. Es fehlt an einem Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 GWB, ohne den eine Fusionskontrolle nicht stattfindet.

Nach § 37 Abs. 1 GWB liegt ein Zusammenschluss vor, wenn ein Unternehmen entweder das Vermögen eines anderen Unternehmens ganz oder zu einem wesentlichen Teil (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) oder die Kontrolle über die Gesamtheit oder Teile eines anderen Unternehmens erwirbt (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB). Die Mittel der Kontrolle werden in § 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 GWB definiert. Die Kontrolle wird danach durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben, insbesondere durch Eigentums- und Nutzungsrechte an einer Gesamtheit oder an Teilen des Vermögens des Unternehmens (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 a) GWB).

Keiner der beiden Zusammenschlusstatbestände ist durch den Erwerb der Nutzung der Titel- und Herausgaberechte für die deutschsprachige Ausgabe der Zeitschrift "N. G." erfüllt.

1.

Die hier zu beurteilenden Lizenzverträge begründen keinen Vermögenserwerb im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB.

Der Erwerbsbegriff setzt voraus, dass das erwerbende Unternehmen Eigentümer der Sachen oder Inhaber der Rechte werden muss, die das Vermögen oder einen wesentlichen Teil desselben bilden. Vermögenserwerb bedeute Übergang des Vollrechts. Der Erwerb lediglich von Verwertungs- und Nutzungsrechten genügt nicht (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 37 Rn. 15; Ruppelt in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 37 Rn. 12; Schütz in Gem.Ktr., 5. Aufl., § 37 Rn. 19; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 37 Rn. 4).

Durch die Lizenzverträge werden die den Titel- und Herausgaberechten zu Grunde liegenden Urheber-, Marken- und andere gewerblichen Schutzrechte nicht auf die Beteiligten zu 1. und 3. übertragen. Sie erhalten lediglich die Befugnis, diese bei der Beteiligten zu 4. verbleibenden Rechte während der Vertragslaufzeit zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." zu nutzen. Ein Vollrechtserwerb scheidet daher aus.

2.

Durch die Einräumung der Nutzung der Titel- und Herausgaberechte für die deutschsprachige Ausgabe von "N. G." erwerben die Beteiligten zu 1. und 3. entgegen den Ausführungen des Bundeskartellamtes auch nicht die Kontrolle über die Beteiligte zu 4. oder einen Teil ihres Unternehmens. Das lizenzierte Recht zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." ist kein wesentlicher Vermögensteil im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB.

Der Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB knüpft an Eigentums- und Nutzungsrechte am Vermögen eines anderen Unternehmens an. Damit besteht weitgehend Übereinstimmung mit dem Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Zwar fehlt nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB die Beschränkung auf einen "wesentlichen" Teil des Vermögens. Es besteht jedoch Einigkeit, dass für den Begriff des Vermögensteils nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB der gleiche Maßstab wie bei § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzulegen ist und sich daher der Erwerb auf wesentliche Teile des Vermögens beziehen muss (Ruppelt in Langen/Bunte, aaO., § 37 Rn. 17).

Zum Vermögen eines Unternehmens gehört die Gesamtheit aller geldwerten Güter und Rechte des Unternehmens. Hierzu zählen obligatorische Nutzungsrechte (KG WuW/E OLG 3591, 3594 - Coop Schleswig-Holstein/Deutscher Supermarkt) sowie Kundenbeziehungen und ähnliche Geschäftschancen, soweit dafür ein Entgelt gezahlt wird. Auch die Überlassung der ausschließlichen Nutzung von Herausgeber- und Titelrechten ohne Übertragung der Rechte selbst stellt ein geldwertes Gut dar (KG WuW/E OLG 4095, 4102 - W+ i Verlag/Weiss-Druck). Wesentliche Teile eines Unternehmensvermögens sind dem gesamten Vermögen hinsichtlich der Zusammenschlussdefinition gleichgestellt, ohne dass der Gesetzgeber das Tatbestandsmerkmal "zu einem wesentlichen Teil" näher präzisiert hat. Ob ein Vermögensteil im Sinne dieser Vorschrift als wesentlich anzusehen ist, muss daher nach der Zielsetzung der Zusammenschlusskontrolle bestimmt werden. Diese soll eine Unternehmenskonzentration verhindern, die die strukturellen Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt derart verändert, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs nicht gewährleistet ist oder von einer bestimmten Schwelle ab der Wettbewerb noch mehr eingeschränkt wird (BGH WuW/E BGH 1501 - Kfz-Kupplungen; BGH WuW/E BGH 1711 - Mannesmann/Brueninghaus). Unter diesem Gesichtspunkt kann ein Teil eines Unternehmens wesentlich sein, wenn der erworbene Teil im Verhältnis zum Gesamtvermögen des Veräußerers quantitativ ausreichend hoch ist oder wenn er unabhängig davon qualitativ von Bedeutung ist, insbesondere, weil es sich bei ihm um eine wirtschaftliche Funktionseinheit für ein spezielles Produktions- oder Vertriebsziel handelt, durch das die Stellung des Veräußerers auf dem betreffenden Markt begründet wurde (BGH WuW/E BGH 1379 - Zementmahlanlage I -; BGHZ 74, 172, 178 - Kettenstichnähmaschinen -; BGH WuW/E 2783, 2785 - Warenzeichenerwerb -; Paschke in FK, Kartellrecht, § 23 Rn. 41). Bei der qualitativen Beurteilung kommt es nicht auf die Marktstellung dessen an, der im konkreten Fall den Vermögensteil erwirbt, sondern auf die abstrakte Eignung des Vermögensteils, die Stellung eines Erwerbers, der bereits auf dem relevanten Markt tätig ist, zu verändern (BGH WuW/E 2783, 2785 - Warenzeichenerwerb). Eine solche Eignung ist zu bejahen, wenn der Vermögensteil tragende Grundlage der Stellung des Veräußerers auf dem für die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt ist und dem Erwerber die Möglichkeit bietet, in dessen Marktstellung einzutreten und dadurch die Stellung des Erwerbers auf dem relevanten Markt spürbar zu stärken (BGH WuW/E BGH 2783, 2786 f. - Warenzeichenerwerb).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Titel- und Herausgaberechte für die deutschsprachige Ausgabe von "N. G." kein wesentlicher Vermögensteil der Beteiligten zu 4., über den die Beteiligten zu 1. und 3. aufgrund der Lizenzverträge Kontrolle ausüben könnten.

a.

Eine quantitative Abgrenzung kommt nicht in Betracht. Das Bundeskartellamt hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Verhältnis die Titel- und Herausgaberechte für die deutsche Ausgabe im Verhältnis zum Gesamtvermögen der Beteiligten zu 4. stehen. Dass es sich bei den genannten Rechten in quantitativer Hinsicht um einen wesentlichen Unternehmenswert handelt, ist auch sonst nicht zu erkennen.

b.

Auch nach dem qualitativen Ansatz ist ein wesentlicher Vermögensteil zu verneinen. Die der Beteiligten zu 4. zustehenden Verwertungsrechte, die die Beteiligten zu 1. und 3. auf der Grundlage der Lizenzverträge zeitlich begrenzt zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe von "N. G." nutzen dürfen, sind nicht geeignet, eine Marktstellung der Beteiligten zu 4. auf diesem Markt zu übertragen und dadurch die Stellung der Beteiligten zu 1. und 3. auf dem relevanten Markt spürbar zu stärken. Die Beteiligten zu 1. und 3. erhalten durch die Lizenzverträge vielmehr nur die Möglichkeit/Chance, durch die erstmalige Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift eine Markstellung zu gewinnen.

Die Titel- und Herausgaberechte sind nicht tragende Grundlage einer bereits vorhandenen Marktstellung der Beteiligten zu 4. auf dem für das Zusammenschlussvorhaben relevanten Markt, denn die Beteiligte zu 4. hat bis zum Abschluss der Lizenzverträge Anfang März 1999 von ihrem Recht zur Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift "N. G." keinen Gebrauch gemacht. Sie hat es unternehmerisch nicht genutzt. Sie selbst und auch kein anderer Lizenznehmer hat bis dahin die Zeitschrift in deutscher Sprache herausgegeben. Die Ausgabe des englischsprachigen Magazins "N. G." ist dem relevanten Markt aufgrund der unterschiedlichen Sprache nicht zuzurechnen. Zutreffend hat das Bundeskartellamt ausgeführt, dass die beiden Magazine verschiedenen Märkten zuzuordnen und keine Substitute sind, wie sich auch insbesondere dadurch gezeigt hat, dass nach Erscheinen der ersten deutschsprachigen Ausgabe die Leserzahl der englischsprachigen nahezu unverändert bei etwa 50.000 geblieben ist.

Soweit das Bundeskartellamt die Ansicht vertritt, es sei im Hinblick auf die Bekanntheit und das Renommée der Marke "N. G." unerheblich, dass im Zeitpunkt des Lizenzerwerbs noch keine Umsätze mit der deutschsprachigen Ausgabe erzielt worden seien, weil sich die Beteiligten zu 1. und 3. für die deutschsprachige Ausgabe von Anfang an die Marktgeltung der Marke "N. G." habe zunutze machen und neue Leser und Anzeigenkunden gewinnen können, vermag der Senat diese Ansicht nicht zu teilen. Folgende Erwägungen sprechen dafür, dass allein die potentielle Marktrelevanz eines bisher - auch unternehmensintern - nicht genutzten Vermögensteils nicht ausreichend ist, um einen der Zusammenschlusskontrolle unterliegenden Vermögensgegenstand im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzunehmen.

aa.

Die Entscheidung "Warenzeichenerwerb" ( BGH WuW/E BGH 2783, 2787) stützt die Ansicht des Bundeskartellamts nicht.

Der Bundesgerichtshof hat in der genannten Entscheidung einen wesentlichen Vermögensteil des Veräußerers im Sinne von § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. (= § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB n.F.) nicht (allein) deshalb bejaht, weil das ohne einen produzierenden Geschäftsbetrieb übertragene Warenzeichen einen bestimmten Bekanntheitsgrad hatte. Er hat vielmehr maßgebend darauf abgestellt, "ob der betreffende Vermögensteil" - hier also das Warenzeichen - "tragende Grundlage der Stellung des Veräußerers gerade auf dem für den Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt ist und geeignet, diese auf den Erwerber zu übertragen". Der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich klargestellt, dass nicht jeder Vermögenserwerb von der Fusionskontrolle erfasst wird, sondern nur solche Vorgänge, mit denen - in gleicher Weise wie bei einem Vermögenserwerb im Ganzen - die Gelegenheit verbunden ist, in die Marktstellung des Veräußerers einzutreten. Dies setzt aber denknotwendig voraus, dass der Veräußerer auf dem für die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt überhaupt tätig ist und der zur Veräußerung stehende Vermögensteil tragende Grundlage seiner Marktstellung ist, so dass der Erwerb geeignet ist, die Marktstellung des Ver-äußerers auf den Erwerber zu übertragen. Werden hingegen Sachen oder Rechte erworben, die in der Hand des Veräußerers keinen Bezug zum Marktgeschehen haben, findet keine Übertragung von Markteinfluss auf den Erwerber statt und es liegt keine einen Konzentrationsvorgang kennzeichnende "Addition von Markteinfluss" vor, die eine Zurechnung unternehmerisch genutzten Vermögens zu Lasten des Erwerbers für die Fusionskontrolle erlaubt (vgl. Paschke in FK, aaO., § 23 Rn. 24).

Ausgehend von diesem Grundgedanken bedeutet dies für den Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 a) GWB als Minus zum Vermögenserwerb nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, dass von dem Zusammenschlusstatbestand nur dann der Abschluss eines Lizenzvertrages erfasst wird, wenn die lizenzierten Rechte tragende Grundlage der Stellung des Lizenzgebers auf dem für die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt sind und der Lizenzvertrag dem Erwerber die Möglichkeit eröffnet, in diese Marktstellung durch steuernden unternehmerischen Einfluss einzutreten.

Der Einwand des Bundeskartellamtes, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sei auf die vorliegende Fallkonstellation nicht in vollem Umfang zu übertragen, weil zusätzlich zu der Lizenz ein Bündel weiterer Rechte übertragen worden sei und insbesondere der Zugriff auf Ressourcen der Beteiligten zu 4. (Archiv mit Bildern, Berichten und Illustrationen) gestattet werde, kann in diesem Zusammenhang nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass die zusätzlichen Rechte die Beteiligten zu 1. und 3. gerade in die Lage versetzen sollen, die deutsche Ausgabe des Magazins "N. G." nach den Vorgaben der Beteiligten zu 4. herauszugeben, ändert die Einräumung dieser Rechte nichts daran, dass die Beteiligte zu 4. bei Abschluss der Lizenzverträge auf dem relevanten Markt für populäre deutschsprachige Wissenszeitschriften keine Marktstellung inne hatte.

bb.

Der Auffassung des Bundeskartellamtes steht zudem der Praxis der Europäischen Kommission entgegen.

§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ist in Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 b) der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 21.12.1989 (nachfolgend: FKVO) konzipiert und in das GWB eingeführt worden. Die beispielhaften Erläuterungen zum Kontrollbegriff in Nr. 2 Satz 2 entsprechen wortgenau Art. 3 Abs. 3 FKVO. Bei richtlinienkonformer Auslegung des Kontrollbegriffs kann deshalb die Auslegungspraxis der EG-Kommission (vgl. auch Reg.Begr. 1997, BT-Drucks. 13/9720, S. 43) nicht unberücksichtigt bleiben. Zutreffend verweist die Beteiligte zu 3. deshalb in diesem Zusammenhang auf die Mitteilung der Europäischen Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der FKVO (Nr. 11) und die Mitteilung der Europäischen Kommission über den Begriff der beteiligten Unternehmen (Nr. 14). Dort heißt es ausdrücklich, dass sich die Kontrolle auch auf Marken und Lizenzen als Teil des Vermögens eines Unternehmens beziehen kann, wenn diese Vermögenswerte ein Geschäft bilden, "dem sich eindeutig ein Marktumsatz zuweisen lässt" bzw. "dem ein Umsatz auf dem Markt eindeutig zugeordnet werden kann". Auch die europäische Kommission geht somit davon aus, dass den lizenzierten Rechten vor Abschluss des Lizenzvertrages eindeutig ein Marktumsatz zugewiesen werden muss, sie also bereits auf dem relevanten Markt unternehmerisch genutzt worden sein müssen.

Nichts anderes ergibt sich aus der in deutscher Übersetzung zu den Akten gereichten Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.04.1999 in Sachen G. + J./F. T./J. (Fall Nr. IV/M. 1455). Gegenstand dieses Verfahrens war die Anmeldung eines Joint-Venture-Vorhabens zwischen der F. T. Group Limited und der G. + J. AG & Co., mit dem Ziel der Entwicklung und Herausgabe einer neuen deutschsprachigen Wirtschafts- und Finanztageszeitung mit Vertrieb in D., Ö. und der S.. In der vom Bundeskartellamt angeführten Randnote 11 der Entscheidung stellt die Kommission bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 b) FKVO fest, dass die volle Funktionsfähigkeit des Unternehmenszwecks nicht deshalb in Frage gestellt ist, weil die neue Zeitung durch die etablierten Schutzmarken der "F." und "F. T." begünstigt ist. Für die hier zu entscheidende Frage, ob der Abschluss eines Lizenzvertrages bereits bei potentieller Marktrelevanz der eingeräumten Nutzungsrechte der Fusionskontrolle unterliegt, enthält die Entscheidung keine Aussage.

cc.

Auch das Argument des Bundeskartellamtes, die Fusionskontrolle könne leicht umgangen werden, wenn eine Marktstellung des Lizenzgebers auf dem relevanten Markt gefordert werde, da der Lizenzgeber die lizenzierten Rechte nicht selbst zu nutzen brauche, sondern nach Beendigung des Lizenzvertrages jeweils einen neuen Vertrag mit anderen Lizenznehmern abschließen könne, ist nicht stichhaltig. Entgegen den Ausführungen des Bundeskartellamtes kann der nach Beendigung des ersten Lizenzvertrages geschlossene neue Lizenzvertrag mit einem anderen Lizenznehmer durchaus den Zusammenschlusstatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfüllen, auch wenn der Lizenzgeber selbst auf dem relevanten Markt nicht tätig ist. Die lizenzierten Urheber-, Marken- und weiteren gewerblichen Schutzrechte können ein wesentlicher Vermögensteil des Lizenzgebers sein, wenn dem neuen Lizenznehmer die Möglichkeit eröffnet wird, in die auf die Nutzung dieser Rechte gegründete Marktstellung auf dem für die Zusammenschlusskontrolle relevanten Markt einzutreten und dadurch seine Stellung auf dem relevanten Markt spürbar gestärkt wird. Dabei macht es für die Zusammenschlusskontrolle keinen Unterschied, ob der Lizenzgeber bis zum Abschluss des Lizenzvertrages selbst auf dem relevanten Markt von seinen Rechten Gebrauch gemacht hat oder ein von ihm autorisierter Dritter. Entscheidend ist, dass die Lizenz Grundlage einer Marktstellung auf dem relevanten Markt ist und der Lizenzerwerb die Möglichkeit eröffnet, in diese Marktstellung einzutreten. Hiervon ist bei der genannten Konstellation auszugehen, weil der bisherige Lizenznehmer nach Beendigung des Lizenzvertrages die lizenzierten Rechte nicht mehr nutzen kann und seine hierauf gegründete Markstellung verliert. Der neue Lizenznehmer kann hieran anknüpfen und hat die Möglichkeit, in die Marktstellung seines Vorgängers einzutreten.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 78 GWB. Das Bundeskartellamt hat als im Beschwerdeverfahren unterlegene Partei die Gerichtskosten zu tragen. Es hat darüber hinaus aus Gründen der Billigkeit den obsiegenden Beschwerdeführerinnen die ihnen in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gemäss § 12 a Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO bemisst sich im Verfahren über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörde der Gegenstandswert nach dem wirtschaftlichen Interesse, welches die beschwerdeführende Partei mit ihrem Rechtsmittel verfolgt. Dieses Interesse haben die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf die bei Untersagung und Rückabwicklung des Lizenzvertrages vergeblich aufgewandten Werbungskosten und die in den vergangenen Jahren eingetretenen Anlaufverluste mit insgesamt 30 Mio. EUR angegeben.

Ende der Entscheidung

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