Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: VI-Kart 8/07 (V) (1)
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 19 Abs. 1
GWB § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
GWB § 36 Abs. 1
GWB § 40 Abs. 1 Satz 1
GWB § 40 Abs. 2 Satz 1
GWB § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1
GWB § 40 Abs. 3
GWB § 130 Abs. 2
1. Die Monatsfrist, die § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB der Kartellbehörde für das fusionskontrollrechtliche Vorprüfverfahren zur Verfügung stellt, ist eine nicht verlängerbare gesetzliche Ausschlussfrist. Das Bundeskartellamt kann sich eine längere Vorprüffrist nicht dadurch verschaffen, dass es den Zusammenschlussbeteiligten nahe legt, ihre Anmeldung zum Zwecke der "Fristverlängerung" zurückzunehmen und sie alsbald erneut einzureichen.

2. Die Mitteilung über die Einleitung des Hauptprüfverfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB ist formlos möglich. Sie erschöpft sich in der tatsächlichen Information an die anmeldenden Unternehmen, dass das angemeldete Fusionsvorhaben nicht binnen Monatsfrist durch Herbeiführen der gesetzlichen Freigabefiktion abgeschlossen werden kann, sondern auf seine kartellrechtliche Unbedenklichkeit näher untersucht werden soll. Ein auf den Eintritt in das Hauptprüfverfahren gerichteter Rechtsfolgenwille der Kartellbehörde ist nicht erforderlich.

3. Das in § 130 Abs. 2 GWB normierte Auswirkungsprinzip ist völkerrechtlich unbedenklich.

a) Dem berechtigten Interesse des ausländischen Veranlasserstaates, dass das nationale Kartellrecht nur bei relevanten Inlandsberührungen zur Anwendung kommt, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass die im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkung aufgrund konkreter Umstände geeignet sein muss, den inländischen freien Wettbewerb unmittelbar und spürbar zu beeinträchtigen.

b) Aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates (sog. Interventionsverbot) folgt die Notwendigkeit, die Interessen des handelnden Staates an der Durchsetzung seiner eigenen Rechtsordnung mit den gegenläufigen Interessen des negativ betroffenen Staates abzuwägen. Nur wenn danach gewichtige wettbewerbliche oder wettbewerbspolitische Belange des ausländischen Veranlasserstaates das berechtigte Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Schutz seiner Wettbewerbsordnung deutlich überwiegen, hat die Anwendbarkeit der nationalen Fusionskontrolle jedenfalls in extremen Fällen zu unterbleiben.

c) Für die Geltung der nationalen Zusammenschlusskontrolle ist nicht erforderlich, dass sich der Schwerpunkt der Fusion im Inland befindet.

d) Die Totaluntersagung eines Auslandszusammenschlusses mit relevanten Inlandswirkungen ist nicht deshalb völkerrechtlich unzulässig, weil der Zusammenschluss unteilbar ist. Für die Frage der Teilbarkeit eines Zusammenschlusses kommt es maßgeblich darauf an, ob sich der den Inlandsbezug ergebende Sachverhalt sinnvoll ohne die Einbeziehung des Auslandssachverhalts regeln lässt. Dies ist nur dann der Fall, wenn die isolierte Untersagung des Inlandsteils genügt, um die Belange der inländischen Wettbewerbsordnung zu schützen, d.h. die fusionsbedingt zu erwartenden Verstärkungswirkungen auf ein kartellrechtlich unbedenkliches Maß zurückzuführen.

4. Wesentlicher Wettbewerb fehlt nicht schon dann, wenn auf einem Markt einzelne der zahlreichen denkbaren Wettbewerbsfaktoren nicht eingesetzt werden. Das gilt selbst beim Fehlen von Preiswettbewerb.

5. Ob wegen der Stillegung eines oder einiger Wettbewerbsparameter wesentlicher Wettbewerb fehlt, richtet sich nach der Bedeutung der betreffenden Parameter aus der Sicht der Marktgegenseite.


Tenor:

I. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 5 gegen des Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007 (B3-33101-Fa-578/06) werden zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beteiligten zu 1 und 5 auferlegt. Zudem haben sie die dem Bundeskartellamt entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Beschwerdewert: 30 Mio. €.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1 (folgend: Phonak) ist ein in der Schweiz ansässiges Unternehmen. Sie beabsichtigte, von der Beteiligten zu 5 (folgend: GN Store) - einem dänischen Unternehmen - sämtliche Geschäftsanteile an den Beteiligten zu 2 bis zu 4 zu erwerben und hierdurch die Unternehmen der GN ReSound-Gruppe (folgend: GN ReSound) zu übernehmen. Sowohl Phonak als auch GN ReSound produzieren und vertreiben Hörgeräte. Forschung und Entwicklung sowie der Vertrieb der Geräte erfolgen in beiden Unternehmen - wie dies im Übrigen auch branchenüblich ist - weltweit. Dementsprechend liefern sowohl Phonak als auch GN ReSound ihre Hörgeräte unter anderem nach Deutschland. GN ReSound erzielt dort weniger als 5 % (.....) seines weltweiten Hörgeräteumsatzes. Die zur Herstellung der Hörgeräte erforderlichen Betriebsstätten unterhält Phonak in der Schweiz, Kanada, China und Vietnam. GN ReSound verfügt über Produktionsstätten in den USA, Dänemark und China. Außerdem unterhält das Unternehmen seit 2005 über ihre Tochtergesellschaft Interton Electronic Hörgeräte GmbH (folgend: Interton) eine Produktionsstätte in Deutschland.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Bundeskartellamt das Zusammenschlussvorhaben gemäß § 36 Abs. 1 GWB untersagt, weil die Fusion auf dem nationalen Markt für den Absatz von Hörgeräten an Hörgeräte-Akustiker die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols, bestehend aus der marktführenden Beigeladenen (folgend: Siemens), die über ihr Tochterunternehmen "Siemens Audiologische Technik GmbH (nachfolgend: SAT) Hörgeräte herstellt und vertreibt, den Zusammenschlussbeteiligten und dem Wettbewerber Oticon, erwarten lasse. Das Vorhaben könne auch nicht unter der von den Beteiligten (u.a.) angebotenen Auflage freigegeben werden, dass GN ReSound - verkürzt ausgedrückt - seine deutschen Unternehmen an einen unabhängigen kleinen Wettbewerber veräußere. Das unternehmerische Potential von GN ReSound liege - so hat das Amt ausgeführt - vor allem im Patentportfolio und dem technischen Know-how des Unternehmens sowie in den weltweiten Produktionskapazitäten. Vor diesem Hintergrund lasse sich durch die Veräußerungsauflage zwar ein Marktanteilszuwachs von Phonak in Deutschland verhindern. Gleichwohl profitiere Phonak aber trotz der Veräußerung des deutschen Konzernteils fusionsbedingt von dem beschriebenen wettbewerblichen Potential des Zielunternehmens. Dieser Zuwachs reiche aus, um die Entstehung eines marktbeherrschenden Oligopols zu begründen. Die mit der Veräußerungszusage verbundene Stärkung eines kleinen Konkurrenten gleiche die Stärkung von Phonak nicht aus.

Gegen diesen Beschluss haben Phonak und GN Store Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihnen es im Wege der einstweiligen Anordnung zu gestatten, den untersagten Zusammenschluss zu vollziehen. Nachdem der Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 8. August 2007 verworfen hatte, gab Phonak das Zusammenschlussvorhaben auf und teilte dies der Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung vom 15. August 2007 mit. Das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache führen die Beteiligten zu 1 und 5 seitdem als Fortsetzungsfeststellungsverfahren weiter.

Phonak ist der Ansicht, dass die angefochtene Untersagungsverfügung schon deshalb rechtswidrig sei, weil das Zusammenschlussvorhaben durch Ablauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB bereits im Dezember 2006 kraft Gesetzes freigegeben gewesen sei. Darüber hinaus wenden sich Phonak und GN Store in zahlreichen Punkten und mit umfangreichen Ausführungen gegen die wettbewerbliche Beurteilung des Amtes und dessen Ansicht, dass die Fusion in vollem Umfang untersagt werden müsse, weil die nationalen und die internationalen Aktivitäten von GN ReSound nicht zu trennen seien. Die Beteiligten zu 1 und 5 machen hierzu unter Vorlage eines Rechtsgutachtens auch geltend, dass das vom Amt ausgesprochene Komplettverbot sowohl gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsgebot als auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlicher Grundrechtseingriffe verstoße. Jedenfalls unter den angebotenen Auflagen, die die Inlandswirkungen der Fusion auf ein Minimum reduzieren, müsse das Zusammenschlussvorhaben freigegeben werden.

Die Beteiligten zu 1 und 5 beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007 unbegründet gewesen ist,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beschluss des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007 insoweit unbegründet gewesen ist, als dieser auch den Erwerb der GN ReSound A/S (Ballerup, Dänemark) der GN US Holding Inc. (Bloomington, USA) und der GNResound A/B (Gothenburg, Schweden) untersagt und nicht die unter der American Hearing Systems Inc. geführten Aktivitäten der Marke Interton betrifft.

Das Bundeskartellamt beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Das Bundeskartellamt verteidigt die angefochtene Untersagungsverfügung und tritt dem Beschwerdevorbringen ausführlich entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

A.

Die Beschwerden von Phonak und GN Store sind als Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB zulässig.

Die Verfügung des Bundeskartellamtes vom 11. April 2007, durch die das Vorhaben von Phonak, sämtliche Anteile an GN ReSound zu erwerben, untersagt worden ist, hat sich im Laufe des Beschwerdeverfahrens erledigt. Phonak hat am 15. August 2007 das Zusammenschlussvorhaben aufgegeben und dies öffentlich mitgeteilt. GN Store hat daraufhin mit Schriftsatz vom 23.10.2007 und Phonak mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 ihren Beschwerdeantrag umgestellt und beantragen nunmehr festzustellen, dass die Untersagungsverfügung rechtswidrig war.

Phonak und GN Store haben ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung.

Für das nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderliche Feststellungsinteresse genügt grundsätzlich jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Dieses Interesse kann zum einen durch Wiederholungsgefahr, zum anderen damit begründet sein, dass die Klärung der durch die erledigte Entscheidung der Kartellbehörde aufgeworfenen unklaren Rechtsfragen für den Beschwerdeführer im Hinblick auf sein künftiges Verhalten von Interesse ist. Die Feststellung muss geeignet sein, dem Beschwerdeführer eine verlässliche Beurteilungsgrundlage für künftige Entscheidungen zu verschaffen. Dafür ist nicht erforderlich, dass derselbe Sachverhalt mit demselben Begehren erneut zur Entscheidung der Kartellbehörde gestellt werden wird. Maßgeblich ist vielmehr, ob zukünftig gleiche tatsächliche Verhältnisse herrschen, ob gleiche Tatbestandsvoraussetzungen gelten werden und ob es um dieselben Personen gehen wird. Dies setzt eine Bewertung danach voraus, ob die Unterschiede, die zwischen dem früheren und dem zukünftigen Sachverhalt bestehen, für die Behörde vermutlich eine unterschiedliche Beurteilung nahe legen werden. Ist zu erwarten, dass die Behörde den zukünftigen Fall nach denselben Kriterien und mit demselben Ergebnis beurteilen wird, die den Sachverhalt, der dem ursprünglichen Freistellungsantrag zugrunde lag, ist das besondere Feststellungsinteresse zu bejahen (Senat, WuW/E DE-R 1839, 1842, 1843 - Springer/ProSiebenSat1 m.w.Nachw.). In Verfahren der Zusammenschlusskontrolle ist ausnahmsweise ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse schon dann zu bejahen, wenn die Beteiligten darlegen können, dass sie an der Klärung der durch die Untersagungsverfügung aufgeworfenen Fragen ein besonderes berechtigtes Interesse haben, das sich auch aus der Präjudizierung eines entsprechenden, wenn auch derzeit noch nicht absehbaren Zusammenschlussvorhabens ergeben kann (vgl. BGH Beschluss vom 25. September 2007 - KVR 30/06 - Rn. 20 = WuW/E DE-R 2221, 2223 -Springer/ProSieben m.w.N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn das Zielunternehmen jederzeit wieder zum Verkauf angeboten werden kann und die frühere Untersagungsverfügung in diesem Fall die Chancen des Beschwerdeführers, als Käufer in Betracht gezogen zu werden, erheblich schmälern würde, weil mit einer erneuten Untersagung des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt zu rechnen wäre.

Ausgehend von diesen Grundsätzen haben Phonak und GN Store darlegen können, dass sie an der Klärung der durch die Untersagungsverfügung des Amtes vom 11. April 2007 aufgeworfenen Fragen ein besonderes berechtigtes Interesse haben. GN Store kann GN ReSound jederzeit wieder zum Verkauf anbieten. GN Store hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2007 dargelegt, dass sie auch künftig an einem Verkauf von GN ReSound an Phonak oder an einen der anderen beiden führenden Anbieter von Hörgeräten (Siemens oder Oticon) interessiert ist. Die Chancen von Phonak als Käufer in Betracht zu kommen, sind durch die streitgegenständliche Untersagungsverfügung erheblich geschmälert. Phonak muss damit rechnen, dass das Bundeskartellamt das neue Zusammenschlussvorhaben aus den in der Untersagungsverfügung dargelegten Gründen erneut untersagt. Phonak hat daher ein berechtigtes Interesse daran, die in der Untersagungsverfügung aufgeworfenen Rechtsfragen gerichtlich überprüfen zu lassen. Auch GN Store als Verkäuferin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne von § 71 Abs. 2 Satz 1 GWB. Ihre Chancen, GN ReSound zukünftig an einen der drei stärksten Hörgeräte-Hersteller (Phonak, Siemens oder Oticon) verkaufen zu können, ist erheblich geschmälert. Es ist davon auszugehen, dass das Bundeskartellamt ein solches Zusammenschlussvorhaben aus den Gründen der Untersagungsverfügung untersagen wird, da nach Ansicht des Bundeskartellamtes bei einer Fusion zwischen GN ReSound und einem der drei marktstärksten Unternehmen die Entstehung eines wettbewerbslosen Oligopols zu erwarten ist.

B.

Die Fortsetzungsfeststellungsbeschwerden von Phonak und GN Store sind nicht begründet. Die angefochtene Untersagungsentscheidung war im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Erledigung formell oder materiell rechtmäßig (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GWB).

I.

Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses ist entgegen den Ausführungen von GN Store nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Beschwerdeinstanz abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache. Die Erledigung der ursprünglich erhobenen Anfechtungsbeschwerden ist am 15. August 2007 eingetreten, als Phonak ihre Absicht zum Erwerb von GN ReSound aufgegeben hat. Bei der Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GWB ist für die rechtliche Beurteilung auf denjenigen Zeitpunkt abzustellen, der ohne den Eintritt der Erledigung maßgebend gewesen wäre. Es ist somit danach zu unterscheiden, ob es sich bei der erledigten Verfügung um eine solche mit Dauerwirkung gehandelt hat - in diesem Fall hat das Gericht zu prüfen, ob die angefochtene Verfügung vor ihrer Erledigung rechtswidrig war (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.07.2007 - VI-Kart 5/07 (V), Umdruck Seite 4; OLG Düsseldorf, WuW/E DE-R 829, 831 - freie Tankstellen) - oder ob es um eine Verfügung ohne Dauerwirkung geht - in diesem Fall kommt es auf den Zeitpunkt der kartellbehördlichen Entscheidung an (vgl. Birmanns in Frankfurter Kommentar, Kartellrecht, § 71 GWB 2005, Rn. 20 m.w.N.).

Die Untersagung eines Zusammenschlussvorhabens ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dementsprechend ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verfügung auf den Zeitpunkt der Erledigung, mithin auf den 15. August 2007, abzustellen.

II. Die Untersagungsverfügung ist nicht wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB formell rechtswidrig.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB darf das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss, der ihm angemeldet worden ist, nur untersagen, wenn es dem anmeldenden Unternehmen innerhalb einer Frist von einem Monat seit Eingang der vollständigen Anmeldung mitteilt, dass es in die Prüfung des Zusammenschlusses (Hauptprüfverfahren) eingetreten ist. Die Monatsfrist ist eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, deren Ablauf das Recht auf Untersagung erlöschen lässt mit der Folge, dass der Zusammenschluss von Gesetzes wegen als freigegeben gilt.

Das Bundeskartellamt ist innerhalb der Monatsfrist in das Hauptprüfverfahren eingetreten und hat das Zusammenschlussvorhaben innerhalb der Hauptprüffrist des § 40 Abs. 2 GWB untersagt.

1.

Der Lauf der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB begann im Streitfall mit dem Eingang der vollständigen Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens am 10. November 2006 und endete in entsprechender Anwendung des § 31 VwVfG i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 10. Dezember 2006. Für den Beginn der Monatsfrist ist die Rücknahme der Anmeldung am 5. Dezember 2006 und die erneute Anmeldung desselben Vorhabens unter vollständiger Bezugnahme auf die ursprüngliche Anmeldung am 13.12.2006 rechtlich ohne Bedeutung. Beides diente allein dem Zweck, die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB zu verlängern und damit die Vorgaben des Kartellgesetzes zu umgehen, da die anmeldenden Unternehmen in Wahrheit zwischenzeitlich weder ihr Fusionsvorhaben noch ihren Willen zur Anmeldung des Zusammenschlusses aufgegeben hatten.

a. Die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB steht nicht zur Disposition der anmeldenden Unternehmen und des Bundeskartellamtes. Sie kann nicht einverständlich verlängert werden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. In § 40 Abs. 2 Satz 4 GWB ist ausschließlich eine Verlängerung der für das Hauptprüfverfahren geltenden 4-Monatsfrist vorgesehen. Für die einmonatige Frist des Vorprüfverfahrens ist eine solche Regelung nicht enthalten (ebenso: Dubberstein in MünchKomm, Europäisches und deutsches Wettbewerbsrecht, Band 2, § 40 Rn. 13; Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, Kommentar zum deutschen Kartellrecht, 4. Auflage, § 40 Rn. 16; Bechtold, Kartellgesetz, 5. Auflage, § 40 Rn. 7; Riesenkampff/Lehr in Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Kartellrecht, Band 2, § 40 Rn. 18; Rieger in Frankfurter Kommentar, § 40 Rn. 23). Auch der Sinn und Zweck des § 40 Abs. 1 GWB spricht für dieses Normenverständnis. Nach der gesetzlichen Konzeption gliedert sich die kartellbehördliche Fusionskontrolle in zwei Abschnitte. In einer ersten Phase (sogenanntes Vorprüfverfahren) ist lediglich zu klären, ob das Zusammenschlussvorhaben schon aufgrund einer summarischen Überprüfung kartellrechtlich unbedenklich ist und deshalb ohne weiteres freigegeben werden kann, oder ob die wettbewerblichen Auswirkungen der beabsichtigten Fusion in einem Hauptprüfverfahren näher untersucht werden müssen. Das Gesetz räumt der Kartellbehörde für diese Vorprüfung einen Zeitraum von einem Monat seit Eingang der vollständigen Anmeldung ein (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB). Innerhalb der Monatsfrist muss sie dem anmeldenden Unternehmen den Eintritt in das Hauptprüfverfahren mitteilen. Unterbleibt diese Mitteilung, darf das Zusammenschlussvorhaben von der Kartellbehörde nicht (mehr) untersagt werden (§ 40 Abs. 1 Satz 1 GWB). In diesem Fall gilt es kraft gesetzlicher Fiktion als freigegeben. In der zweiten Phase (sogenanntes Hauptprüfverfahren) hat das Bundeskartellamt zu untersuchen, ob der angemeldete Zusammenschluss die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt, d.h. ob er die Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung erwarten lässt, ohne dass die Nachteile der Marktbeherrschung durch eine fusionsbedingt eintretende Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen (auf dem beherrschten oder einem anderen Markt) überwogen werden. Für diese nähere Untersuchung des Fusionsvorhabens stellt das Gesetz einen mehrmonatigen - und gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 GWB verlängerbaren - Zeitraum von vier Monaten ab dem Eingang der Anmeldung zur Verfügung. Entsprechend dem Ausgang dieser Prüfung ist das Zusammenschlussvorhaben zu untersagen oder freizugeben (§ 40 Abs. 2 Satz 1 GWB).

Aus der dargestellten Normenlage ergibt sich: Alle diejenigen Zusammenschlussvorhaben, die einen Prüfungszeitraum von mehr als einem Monat erfordern, sind in einem "ordentlichen" Verwaltungsverfahren zu untersuchen und über ihre kartellrechtliche Unbedenklichkeit ist in jedem Fall durch eine anfechtbare (Freigabe- oder Untersagungs-) Entscheidung zu befinden. Die Notwendigkeit eines solchen "ordentlichen" Verwaltungsverfahren knüpft das Gesetz dabei an eine starre Prüffrist. Für Fusionen, deren kartellrechtliche Unbedenklichkeit die Kartellbehörde nicht innerhalb eines Monats zuverlässig beurteilen kann, begründet das Gesetz die unwiderlegliche Vermutung, dass die Sach- und Rechtslage nicht einfach gelagert ist. § 40 Abs. 2 GWB knüpft daran wiederum die zwingende Konsequenz, dass das Vorhaben in einem "ordentlichen" Verwaltungsverfahren zu prüfen und die behördliche Prüfung mit einer anfechtbaren Entscheidung abzuschließen ist.

Die dargestellte Gesetzessystematik würde missachtet, wenn man der Kartellbehörde gestatten wollte, die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB mit Zustimmung der anmeldenden Unternehmen zu verlängern. Denn dann könnte sich die Kartellbehörde ihrer Verpflichtung zum Erlass einer begründeten und gerichtlich anfechtbaren Fusionskontrollentscheidung entziehen; sie wäre zugleich in die Lage versetzt, auch in nicht einfach gelagerten Fällen zum Nachteil drittbeschwerdeberechtigter Unternehmen eine Freigabefiktion herbeizuführen.

b.

Die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB kann auch nicht dadurch verlängert werden, dass die anmeldenden Unternehmen - wie hier - ihre Anmeldung allein zu diesem Zweck zurücknehmen und sie in unveränderter Form später erneut einreichen. Es liegt auf der Hand, dass einer solchen, auf die Umgehung der Monatsfrist des § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB gerichteten Verhaltensweise die rechtliche Anerkennung versagt werden muss (a.A. offenbar Dreyer in Wissemann/Dreyer/Witting, Kartell- und regulierungsbehördliche Ermittlungen in Unternehmen und Risikomanagement, § 3 Rn. 559). Andernfalls wäre es in das mehr oder weniger freie Belieben der Kartellbehörde gestellt, im Zusammenwirken mit den anmeldenden Unternehmen nicht einfach gelagerte Zusammenschlussvorhaben durch Verstreichen lassen der Frist für das Vorprüfverfahren unanfechtbar freizugeben. Dies widerspricht in grobem Maße dem Willen des Gesetzgebers, wie er in § 40 Abs. 1 und 2 GWB zum Ausdruck gekommen ist.

2. Das Bundeskartellamt hat den anmeldenden Unternehmen vor Ablauf der Monatsfrist am 10. Dezember 2006 die Einleitung des Hauptprüfverfahrens mitgeteilt. Die formlos und daher auch mündlich mögliche Mitteilung (vgl. Dubberstein in MünchKomm, a.a.O., § 40 Rn. 16; Riesenkampff/Lehr in Löwenheim/Meessen/ Riesenkampff, aaO., § 40 Rn. 8) ist in dem Telefongespräch erfolgt, das die Berichterstatterin im Auftrag der Beschlussabteilung am 4. Dezember 2006 mit Rechtsanwalt Prof. Dr. Bechtold als Bevollmächtigten sämtlicher anmeldenden Unternehmen geführt hat. In diesem Telefonat ist Rechtsanwalt Bechtold darüber unterrichtet worden, dass die kartellrechtliche Beurteilung nicht innerhalb der Monatsfrist abgeschlossen werden könne, sondern ein darüber hinausgehender Prüfungszeitraum benötigt werde, den man auch in Anspruch nehmen wolle (vgl. S. 121 der Beschwerde). In der Sache war dies die Information an die Anmelder, dass das Vorhaben nicht binnen Monatsfrist durch Herbeiführen der gesetzlichen Fiktion freigegeben werden könne, sondern näher untersucht werden müsse. Dies wiederum war inhaltlich betrachtet die Information nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GWB über die Durchführung eines Hauptprüfverfahrens. Dass weder die Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes noch die Anmelder die damit verbundenen Rechtsfolgen (Wegfall der Möglichkeit einer Freigabefiktion nach § 40 Abs. 1 GWB; Pflicht, das Kontrollverfahren durch eine begründete und anfechtbare Verfügung abzuschließen) wollten, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Zum einen ist - wie festgestellt - der auf Umgehung des Kartellgesetzes gerichtete Wille, die Monatsfrist des § 40 Abs. 1 S. 1 GWB durch Rücknahme und spätere Wiederholung der Anmeldung zu verlängern, unbeachtlich; zum anderen dient der "Monatsbrief" über den Eintritt in das Hauptprüfverfahren ohnehin allein der tatsächlichen Information der Anmelder (vgl. Dubberstein in MünchKomm, a.a.O., § 40 Rn. 16; Riesenkampff/Lehr in Löwenheim/Meessen/ Riesenkampff, a.a.O., § 40 Rn. 8).

3. Das Zusammenschlussvorhaben gilt auch nicht deshalb als freigegeben, weil es nicht innerhalb von vier Monaten nach Eingang der vollständigen Anmeldung (10.03.2007), sondern erst mit Verfügung vom 11. April 2007 untersagt worden ist. Die anmeldenden Unternehmen haben einer Verlängerung der 4-Monatsfrist gemäß § 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1 GWB zugestimmt. Ihr Einverständnis ist darin zu erblicken, dass sie sich in dem Telefongespräch am 4. Dezember 2006 mit dem Vorschlag des Bundeskartellamts einverstanden erklärt haben, die gesetzlich vorgesehene kartellbehördliche Prüfungsfrist durch die Rücknahme und spätere Wiederholung ihrer Anmeldung zu verlängern. Der Fristenlauf nach § 40 Abs. 1 und 2 GWB sollte - vermeintlich - auf den Zeitpunkt des Eingangs der wiederholten (zweiten) Anmeldung beim Bundeskartellamt am 13. Dezember 2006 hinausgeschoben werden. Dies hätte nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB eine Hauptprüffrist bis zum 13. April 2007 zur Folge gehabt, so dass in dem dargestellten Einvernehmen der anmeldenden Unternehmen zwanglos ihr Einverständnis mit einer bis zum 13. April 2007 verlängerten Hauptprüffrist gesehen werden kann.

III.

Das zur Beurteilung stehende Zusammenschlussvorhaben zwischen der in der Schweiz ansässigen Phonak und dem in Dänemark ansässigen Zielunternehmen unterliegt den Bestimmungen der deutschen Fusionskontrolle.

1.

Gemäß § 130 Abs. 2 GWB findet das deutsche Kartellgesetz auf alle Wettbewerbsbeschränkungen Anwendung, die sich im Inland auswirken, auch wenn sie im Ausland veranlasst werden. Das damit gesetzlich normierte Auswirkungsprinzip stellt eine völkerrechtlich unbedenkliche Anknüpfung für die Anwendbarkeit des deutschen Kartellrechts auf Auslandssachverhalte dar (vgl. KG WuW/E OLG 5580, 5592 - Selektive Exklusivität; KG WuW/E OLG 2419, 2420 f. - Synthetischer Kautschuk II; Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Band 2 GWB, 4. Aufl., § 130 Rn. 137; Stadler in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 10. Aufl., § 130 Rn. 119; Bechtold, aaO., § 130 Rn. 14; Lindemann in Frankfurter Kommentar, § 130 Rn. 210, 213; Wertenbruch ZWeR 2008, 109, 111; Meessen ZHR 143 (1979), 273, 276), weil der Schutz der eigenen Wettbewerbsordnung gegen Auslandsbeschränkungen ein legitimes Anliegen des Auswirkungsstaates ist. Dem berechtigten Interesse des ausländischen Veranlassungsstaates, dass das nationale Kartellrecht nur bei relevanten Inlandsberührungen zur Geltung kommt, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass qualifizierte Anforderungen an die Inlandswirkung im Sinne von § 130 Abs. 2 GWB zu stellen sind. Die im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkung muss aufgrund konkreter Umstände geeignet sein, den inländischen freien Wettbewerb unmittelbar und spürbar zu beeinträchtigen (Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, a.a.O. § 130 Rn. 83; Stadler in Langen/Bunte, a.a.O. § 130 Rn. 127 - 129; Bechtold, a.a.O. § 130 Rn. 17 - 19; Lindemann in Frankfurter Kommentar, a.a.O. § 130 Rn. 222 - 224; vgl. auch BGH, WuW/E DE-R 2133, 2134 - Sulzer/Kelmix; BGH WuW/E BGH 1613, 164 - Organische Pigmente).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Phonak und GN ReSound sind beide auf dem bundesdeutschen Hörgerätemarkt tätig. Phonak vertreibt seine im Ausland produzierten Hörgeräte und Zusatzgeräte im Inland über die deutschen Vertriebsunternehmen "Phonak GmbH" und "Unitron". GN ReSound unterhält im Bundesgebiet ebenfalls Vertriebsgesellschaften; über die Tochtergesellschaft "Interton" stellt das Unternehmen in Deutschland außerdem Hörgeräte her. Durch den beabsichtigten Zusammenschluss wären Phonak sämtliche Produktions- und Vertriebsaktivitäten, die GN ReSound im Inland unterhält, zugefallen. Das hätte zu einer spürbaren, d.h. mehr als nur unbedeutenden Veränderung der inländischen Wettbewerbsstruktur geführt. Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes verfügt GN ReSound auf dem bundesdeutschen Angebotsmarkt für Hörgeräte im Vertriebsweg an den Hörgeräte-Akkustikhandel über einen Marktanteil zwischen 5 und 10 %. Ein Marktanteilszuwachs in dieser Größenordnung überschreitet die Bagatellgrenze bei weitem (vgl. BGH WuW/E BGH 1613, 1614 - Organische Pigmente). Das gilt selbst dann, wenn man mit der Beschwerde auch den verkürzten Versorgungsweg, auf dem zwei Wettbewerber der Zusammenschlussbeteiligten ihre Hörgeräte unter Einschaltung des jeweils behandelnden HNO-Arztes über eigene Repräsentanten direkt an den Patienten liefern, in den sachlich relevanten Markt einbeziehen wollte. Denn auf diesen Vertriebsweg entfallen weniger als 10 % des Gesamtumsatzes mit Hörgeräten, so dass sich der vorstehend für GN ReSound genannte Marktanteil allenfalls geringfügig reduzieren würde.

2.

Einer Inanspruchnahme der fusionskontrollrechtlichen Befugnisse stehen weder der völkerrechtliche Grundsatz des Missbrauchsverbots noch das Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates entgegen.

Das Missbrauchsverbot untersagt den Staaten die Anwendung und Durchsetzung ihres nationalen Kartellrechts bei Auslandssachverhalten, sofern der Nachteil, den die Rechtsanwendung dem anderen Staat zufügt, in einem krassen Missverhältnis zu dem eigenen Regelungs- und Rechtsanwendungsinteresse steht. Das Einmischungsverbot verbietet es, durch Ausübung von Druck Einfluss auf die Willensbildung eines fremden Staates zu nehmen. Aus dem Interventionsverbot wird dabei überwiegend die Notwendigkeit abgeleitet, die Interessen des handelnden Staates an der Durchsetzung seiner eigenen Rechtsordnung mit den gegenläufigen Interessen der negativ betroffenen Staaten abzuwägen. Sofern die letztgenannten Belange deutlich überwiegen, müsse - so wird angenommen - die Anwendbarkeit des nationalen Kartellrechts ungeachtet der vorhandenen Inlandswirkungen zumindest in extremen Fällen unterbleiben (zu allem: Rehbinder in Immenga/Mestmäcker, a.a.O. § 130 Rn. 139; Stadler in Langen/Bunte, a.a.O. § 130 Rn. 121 ff.; Lindemann in Frankfurter Kommentar, a.a.O. § 130 Rn. 214 ff.; vgl. auch EuG, Urteil v. 25.3.1999, Rs. T-102/96 Gencor/Kommission, Slg. 1999, II Seite 753 Tz. 102 ff.; a.A. Stockmann in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, aaO., § 130 Rn. 47).

Ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundeskartellamt bei einem Auslandszusammenschluss mit Inlandswirkungen im Sinne von § 130 Abs. 2 GWB aus völkerrechtlichen Gründen gehindert sein könnte, seine fusionskontrollrechtlichen Befugnisse auszuüben, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Es kommt von vornherein keine der genannten Fallkonstellation in Betracht. Es lässt sich schon nicht feststellen, dass die Ausübung der bundesdeutschen Zusammenschlusskontrolle auf das zur Entscheidung stehende Fusionsvorhaben einem gewichtigen ausländischen Regelungs- und Rechtsanwendungsinteresse zuwider läuft. Erst recht fehlen Anhaltspunkte, dass entgegenstehende Belange eines vom Zusammenschluss betroffenen ausländischen Staates das berechtigte Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Schutz seiner eigenen Wettbewerbsordnung überwiegen.

Gegenläufige Interessen ergeben sich im Entscheidungsfall alleine aus der Eingabe des Staatssekretariats für Wirtschaft der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Juli 2007 (Bl. 742 GA). Darin wird der Anwendung des deutschen Fusionskontrollrechts entgegen gehalten, dass sich der Schwerpunkt des Zusammenschlusses im Ausland befinde und das Vorhaben dort entweder kontrollfrei oder kartellbehördlich gestattet worden sei. Bei den zusammenschlussbeteiligten Unternehmen handele es sich - so heißt es in diesem Zusammenhang - um Firmen, die ihren Hauptsitz in der Schweiz und in Dänemark haben, weltweit tätig seien, in der Bundesrepublik Deutschland keine (oder nur einen geringen Teil ihrer) Produktion unterhalten und dort weniger als 10 % ihres weltweiten Umsatzes generieren, weshalb die Auswirkungen der geplanten Fusion vor allem in den beiden Hauptsitzländern anfielen. Dem nationalen Interesse Dänemarks und der Schweiz an dem Zusammenschlussvorhaben, das in beiden Ländern bewilligungsfrei und somit kartellrechtlich unbedenklich sei, gebühre unter diesen Umständen der Vorrang vor dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland, die mit der Fusion verbundenen Inlandswirkungen abzuwehren.

Dem vermag der Senat nicht beizutreten. Die in der genannten Eingabe angeführten Gesichtspunkte tragen nicht die Feststellung, dass die deutsche Fusionskontrolle mit Rücksicht auf die wettbewerblichen oder wettbewerbspolitischen Belange Dänemarks oder der Schweiz zurücktreten müsse. Dabei kann es auf sich beruhen, ob der Schwerpunkt des Zusammenschlussvorhabens tatsächlich in den beiden Hauptsitzländern der Fusionsbeteiligten liegt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, rechtfertigt sich daraus nicht die Forderung nach einer Unanwendbarkeit des deutschen Kartellrechts. Wesentlicher Inhalt des völkerrechtlich anerkannten - und im Übrigen auch von der Schweiz praktizierten - Auswirkungsprinzips ist es, dass eine nationale Kartellbehörde auch Auslandszusammenschlüsse kartellrechtlich überprüfen darf, sofern von ihnen - wie hier - relevante Inlandswirkungen ausgehen. Diese Prüfungskompetenz steht nicht unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass sich der Schwerpunkt des Zusammenschlusses im Inland befindet. Weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht kann die Befugnis eines Staates, seine Wettbewerbsordnung gegen im Ausland veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen, davon abhängen, wo sich der Schwerpunkt des betreffenden Sachverhalts verwirklicht. Dementsprechend hat auch das Gericht Erster Instanz für den Geltungsbereich der europäischen Fusionskontrolle entschieden, dass der Europäischen Kommission die Kontrolle von Zusammenschlussvorhaben nicht deshalb entzogen ist, weil sich die beabsichtigte Fusion nicht nur innerhalb des Gemeinsamen Marktes, sondern darüber hinaus auch (und möglicherweise vor allem) in anderen Teilen der Welt auswirkt (EuG, a.a.O. Tz. 98). Richtigerweise kann sich nur die Frage stellen, ob die nationale Fusionskontrolle von Auslandszusammenschlüssen im Einzelfall deshalb zurücktreten muss, weil sie mit vorrangigen wettbewerblichen oder wettbewerbspolitischen Interessen eines ausländischen Staates kollidiert. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder der Eingabe vom 20. Juli 2007 noch dem sonstigen Akteninhalt ist Näheres zu dem behaupteten nationalen Interesse Dänemarks und der Schweiz an der Durchführung des Zusammenschlussvorhabens zu entnehmen. Insbesondere ist nicht im Ansatz ersichtlich, welche Bedeutung der geplante Zusammenschluss für die dänische und die schweizerische Volkswirtschaft besessen hat und mit welchen konkreten nachteiligen Auswirkungen bei einem Scheitern der Fusion zu rechnen gewesen ist.

3.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die in der Literatur vertretene Ansicht abzulehnen ist, wonach die Totaluntersagung eines Auslandszusammenschlusses mit Inlandswirkungen stets unzulässig sei, und zwar selbst dann, wenn der Zusammenschluss unteilbar sei (Kersten WuW 1979, 721, 728 ff.; von Hahn WuW 1983, 448, 454 ff.; Huber ZGR 1981, 527, 535). Die Auffassung trägt dem legitimen Interesse des Staates, seine Wettbewerbsordnung auch gegen im Ausland veranlasste Beschränkungen wirksam zu schützen, nur unzureichend Rechnung und führt in einer globalisierten Wirtschaft mit einem zunehmend länderübergreifenden Handel zu nicht hinnehmbaren Lücken im Wettbewerbsschutz. In der neueren Literatur hat die Auffassung deshalb zu Recht keine Zustimmung mehr erfahren.

4.

Die Voraussetzungen, unter den das deutsche Kartellgesetz Zusammenschlussvorhaben einer kartellbehördlichen Kontrolle unterwerfen, waren im Erledigungszeitpunkt erfüllt. Der beabsichtigte Unternehmenszusammenschluss erfüllte sowohl die Voraussetzungen eines kontrollpflichtigen Anteilserwerbs nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 a) GWB als auch diejenigen eines Kontrollerwerbs im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist zudem außer Streit, dass die Umsatzschwellen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB erfüllt waren und keiner der Ausnahmetatbestände des § 35 Abs. 2 GWB vorlag.

IV.

Die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB waren erfüllt, als Phonak Mitte August 2007 seine Erwerbsabsichten aufgegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt war von dem angemeldeten Zusammenschlussvorhaben zu erwarten, dass auf dem relevanten inländischen (Angebots-)Markt für den Absatz von Hörgeräten an Hörgeräte-Akustiker (siehe unter 1.) ein aus den Unternehmen Phonak, Siemens und Oticon bestehendes marktbeherrschendes Oligopol (siehe unter 2.) verstärkt wird (siehe unter 3.).

1. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist von dem Zusammenschlussvorhaben in sachlicher Hinsicht der Angebotsmarkt für den Absatz von Hörgeräten betroffen, auf dem sich die Hersteller von Hörgeräten als Anbieter und die Hörgeräte-Akustiker als Nachfrager gegenüber stehen. In räumlicher Hinsicht hat das Bundeskartellamt den relevanten Markt auf Deutschland begrenzt (Rn. 78-124 UV).

Diese Marktabgrenzung begegnet keinen Bedenken.

Ausgangspunkt der Marktabgrenzung ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das sog. Bedarfsmarktkonzept. Hiernach bilden sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht, einen einheitlichen sachlichen Markt (vgl. nur BGH WRP 2004, 1502, 1504 - Staubsaugerbeutelmarkt; BGH WuW/E BGH 3058, 3062 - Pay-TV-Durchleitung). Maßgebend ist die tatsächliche Handhabung durch die Abnehmer, wobei auf den verständigen Durchschnittsnachfrager abzustellen ist (Paschke in Frankfurter Kommentar, Kartellrecht, IV §§ 1-23 GWB, § 19 Rn. 90; KG WuW/E OLG 1983, 1984 m.w.Nachw. - Rama-Mädchen). Eine nur von wenigen Nachfragern angenommene Austauschbarkeit reicht nicht (Paschke in Frankfurter Kommentar, aaO., § 19 Rn. 91; KG WuW/E OLG 1602 - Vitamin B 12; KG Wuw/E OLG 1649 - Valium).

a.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Bundeskartellamt aus zutreffenden Erwägungen sowohl analoge als auch digitale Hörgeräte in den Markt einbezogen und zudem keine weitere Unterteilung danach vorgenommen, ob sich das Hörgerät in einem im Ohr sitzenden Ohrpassstück (ITE-Gerät) oder in einem hinter dem Ohr zu tragenden Gehäuse befindet (BTE-Gerät). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen des Bundeskartellamtes in der Untersagungsverfügung (Rn. 82-86 UV) Bezug genommen werden, die mit der Beschwerde im Übrigen auch nicht angegriffen werden.

b. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerde sind in den sachlich relevanten Markt nicht die Hörgeräte-Hersteller mit einzubeziehen, die ihre Geräte nicht über den Akustik-Handel, sondern über den sogenannten verkürzten Versorgungsweg vertreiben.

aa.

Nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes ist der sog. verkürzte Versorgungsweg dadurch gekennzeichnet, dass der Hersteller seine Hörgeräte unter Mithilfe der HNO-Ärzte unmittelbar an den Endkunden verkauft. Es besteht entweder eine Online-Verbindung von der HNO-Praxis zum Hersteller, mit deren Hilfe der Arzt die Messergebnisse an die Hersteller überträgt, oder die Anpassleistungen werden direkt vom Hersteller bzw. seinem Repräsentanten in der Arztpraxis erbracht. Die Hörgeräte-Hersteller, die ihre Hörgeräte im verkürzten Versorgungsweg absetzen, nehmen den Hörgeräte-Akkustikhandel als weitere Vertriebsschiene - mit Ausnahme ganz seltener und damit zu vernachlässigender Einzelfälle (vgl. Seite 10 Duplik) - nicht in Anspruch. Sie sind daher bisher auf dem relevanten Markt nicht tätig. Umgekehrt nutzen die Hersteller, die ihre Geräte über den Akustik-Handel absetzen, den verkürzten Versorgungsweg nicht.

Nach den Feststellungen des Amtes benutzen vor allem die Hörgeräte-Hersteller Auric Hörsysteme GmbH & Co. KG (folgend: Auric) und Sonic den verkürzten Versorgungsweg. So hat Auric mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 mitgeteilt, dass sie nur in ganz seltenen Einzelfällen ihre Hörgeräte an den Akustikhandel ausliefert (Bl. 1174 GA). Dass auric-Hörgeräte - so das Vorbringen der Beschwerde (Bl. 1054 GA) - dennoch teilweise über den Fachhandel vertrieben werden, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich hierbei ausschließlich um eigene auric-Fachgeschäfte, die von einer selbständigen Schwestergesellschaft geführt werden, und nicht um dritte Akustiker-Fachgeschäfte. Auch sonic vertreibt ihre Geräte fast ausschliesslich im verkürzten Versorgungsweg. Mit e-mail vom 8. Oktober 2008 (Bl. 1175 GA) hat Sonic auf Nachfrage des Bundeskartellamtes bestätigt, im verkürzten Versorgungsweg zu 95 % Geräte aus eigener Produktion zu liefern. Nichts anders ist der von Phonak zitierten Passage aus der sonic Homepage zu entnehmen, wonach Sonic Hörgeräte in Deutschland vor allem direkt in der HNO-Praxis erhältlich seien. Hieraus ergibt sich nicht, dass sonic auch dritte Akustiker mit den von ihr hergestellten Hörgeräten beliefert. Vielmehr scheint auch Sonic selbst teilweise im Akustiker-Geschäft tätig zu sein, weshalb sie auch an dem Kongress der Europäischen Union der Hörgeräte-Akustiker (EUHA) im Jahr 2007 mit ihrem gesamten Produktportfolio teilgenommen hat.

Ohne Erfolg beruft sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang ferner auf die Aktivitäten der focus hören AG. Zwar verkauft das genannte Unternehmen im verkürzten Versorgungsweg (deutlich weniger als 500) Hörgeräte des Herstellers Siemens an den Endverbraucher, während es gleichzeitig auch - und zwar im Wesentlichen - Hörgeräte-Akustiker-Geschäfte betreibt. Für den hier in Rede stehenden Absatzmarkt zwischen Hersteller und Akustikhandel ist dies ohne Bedeutung. Die focus hören AG ist selbst nicht Hersteller von Hörgeräten und beliefert ausschließlich Endkunden. Ihre Vertriebsaktivitäten im verkürzten Versorgungsweg könnten somit allenfalls die Feststellung tragen, dass Siemens zusammen mit Sonic und Auric auf dem Markt der Direktbelieferung der Endkunden in Wettbewerb steht.

Schließlich ist auch ohne Belang, dass die Hörzentrum Rheine GmbH - ein von auric betriebenes Fachgeschäft - im Jahr 2007 knapp 90 Geräte der Marke Phonak erworben hat. Über den Angebotsmarkt zwischen Hersteller und Akustiker besagt die Tatsache, dass in einem auric-Fachgeschäft dem Endkunden auch Phonak Geräte angeboten werden, nichts aus.

bb.

Die Unternehmen Auric und Sonic sind auch nicht nach den Grundsätzen der Produktions- und Angebotsumstellungsflexibilität in den relevanten Angebotsmarkt zwischen Hersteller und Akustik-Handel einzubeziehen.

Das Konzept der Angebotsumstellungsflexibilität beruht auf der Erkenntnis, dass ein die Verhaltsspielräume kontrollierender Wettbewerb auch von Anbietern ähnlicher Produkte ausgehen kann, die ihr Angebot kurzfristig umstellen können, um eine bestehende Nachfrage zu befriedigen. Dies setzt voraus, dass beim hypothetischen Vertrieb der Produkte durch die potentiellen Wettbewerber keine besonderen Probleme zu erwarten sind. Denn eine solche Erwartung würde die Bereitschaft zur Umstellung des Angebots eindeutig negativ beeinflussen. Es kann daher nicht unberücksichtigt bleiben, wenn unbeschadet an sich bestehender Austauschmöglichkeiten tatsächlich kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet, weil die Nachfrager solche Angebote nicht oder praktisch nicht wahrnehmen (BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - KVR 21/07, Rn. 23 = WuW/E DE-R 2268 ff. - SodaClub II; BGH WuW/E DE-R 1206 - Strom und Telefon I; Senat, WuW/E DE-R 1935, 1936 f. - Soda Club).

Zwar sind aus Sicht der Hörgeräte-Akustiker, die bei den Herstellern Hörgeräte zum Wiederverkauf an ihre Endkunden nachfragen, die von Auric und Sonic hergestellten Geräte nach ihren Eigenschaften und ihrem Verwendungszweck ohne weiteres mit denen austauschbar, die ihnen von anderen Hörgeräte-Herstellern angeboten werden. Auch ist es Auric und Sonic nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Bundeskartellamtes kurzfristig und mit zumutbaren finanziellen Aufwand möglich, ihre Geräte auch über den Akustikhandel zu vertreiben. Allerdings steht einem Vertrieb über den Akustikhandel das tatsächliche Nachfragerverhalten der Hörgeräte-Akustiker entgegen. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes war den Hörgeräte-Herstellern, die den verkürzten Versorgungsweg nutzen, ein Vertrieb ihrer Produkte über den Akustiker-Handel bisher verschlossen. Die Hörgeräte-Akustiker waren aus marktstrategischen Gründen nicht bereit, Hörgeräte-Hersteller zu listen, die ihre Geräte (auch) im verkürzten Versorgungsweg vertreiben. Etwaige Lieferungen von Sonic an amplifon stehen diesen Feststellungen nicht entgegen, weil sie - unstreitig - nicht den deutschen Markt betreffen. Überdies sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sich das Verhalten der Hörgeräte-Akustiker zukünftig ändern wird. Es ist im Gegenteil eher unwahrscheinlich, dass die Hörgeräte-Akustiker bei Preiserhöhungen ihrer Lieferanten auf die Hersteller Auric und Sonic ausweichen werden. Hierfür sprechen zwei Gründe. Zum einen fördern Preiserhöhungen der bisherigen Hersteller nicht automatisch die Bereitschaft der Akustiker-Handels, auf die bisher einheitlich abgelehnten Hersteller Auric und Sonic auszuweichen. Der von der Herstellern ausgehende Preisdruck auf die Hörgeräte-Akustiker ist als eher gering einzustufen. Der Hörgeräte-Akustiker kann Preiserhöhungen relativ problemlos an den Endkunden weitergeben, da in diesem Verhältnis keine Preistransparenz besteht. Der Endkunde erhält erst nach Auswahl und Anpassung des Hörgeräts Transparenz über den Endpreis. Nach Abschluss der vergleichenden Anpassung wird der Kunde im Regelfall jedoch keinen Wechsel des Hörgeräte-Akustikergeschäfts mehr vornehmen. Zum anderen ist es aus Sicht der Hörgeräte-Akustiker in kaufmännischer Hinsicht nicht sinnvoll, den Unternehmen Auric und Sonic neben dem verkürzten Versorgungsweg einen weiteren Absatzweg über den Handel zu öffnen, weshalb sich Auric auch entschlossen hat, in den Aufbau eigener Akustiker-Geschäfte zu investieren. Die Absatzschancen der Hörgeräte-Akustiker für die von Sonic und Auric hergestellten Geräte sind gering, weil die gleichen Geräte im verkürzten Versorgungsweg wesentlich preisgünstiger angeboten werden. Die vom Hörgeräte-Akustiker abgerechneten Dienstleistungen fallen im verkürzten Versorgungsweg entweder gar nicht an oder sie sind wesentlich preiswerter. Innerhalb weniger Jahre ist daher der Anteil des verkürzten Versorgungsweges am Handel von Null auf ca. 10 % gestiegen

c. Auch eine weitere Unterteilung des Marktes nach Preissegmenten kommt nicht in Betracht, obwohl zwischen den Hörgeräten zum Teil wesentliche Preisunterschiede in einer Spannbreite von unter 200 € bis weit über 900 € bestehen.

Bei der Feststellung der funktionellen Austauschbarkeit steht der Gesichtspunkt des Verwendungszwecks und damit eng zusammenhängend der Eigenschaften bei Waren ganz im Vordergrund. Der Gesichtspunkt des Preises bzw. der Preisunterschiede tritt demgegenüber regelmäßig zurück. Ausnahmsweise können jedoch insbesondere bei Luxus- und Prestigeartikeln Preisunterschiede auf getrennte Märkte hindeuten, selbst wenn technisch-funktionell keine sachlichen Unterschiede bestehen mögen (KG WuW/E OLG 2182, 2183 - Hydraulischer Scheitausbau; Möschel in Immenga/Mestmäcker, a.a.O., § 19 Rn. 29; Bechtold, aaO., § 19 Rn. 9, 10 jeweils m.w.N.). Zu einem einheitlichen Markt gehören deshalb all diejenigen Waren, auch wenn sie sich in Einzelheiten, wie Konstruktion, Qualität, Preis und dergleichen voneinander unterscheiden, die wegen im wesentlichen gleicher Eigenschaften und Verwendungszwecke geeignet sind, beim Verbraucher einen bestimmten Bedarf trotz dieser Unterschiede in den Einzelheiten auf zumutbare, gleichwertige Weise zu decken (OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 1149, 1153 - trans-o-flex; KG WuW/E OLG 3759 f. - Pillsbury-Sonnen-Bassermann). Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen vermögen die erheblichen Preisunterschiede der Listenpreise von unter 200 Euro bis weit über 900 Euro keine getrennten Märkte zu begründen. Für die nachfragenden Hörgeräte-Akustiker, deren Sicht weitgehend durch die Sicht des von ihm belieferten Endkunden bestimmt wird, sind die Hörgeräte der verschiedenen Preisgruppen funktionell austauschbar.

aa. Der Verwendungszweck und die Eigenschaften der Hörgeräte sind trotz der aufgezeigten Preisunterschiede im wesentlichen deckungsgleich. Die von den Hörgeräte-Akustikern nachgefragten Hörgeräte sind dazu bestimmt, den Bedarf des Endverbrauchers, dessen Gehör beeinträchtigt ist, nach einer technischen Hörhilfe zu befriedigen. Dieses Kernbedürfnis wird durch die Hörgeräte aller Preisklassen gedeckt. Ungeachtet der bestehenden Preisunterschiede sind die Eigenschaften der Hörgeräte im wesentlichen gleich. Zwar werden die technischen Neuerungen zuerst im oberen Preissegment eingeführt, so dass diese "high-end"-Geräte in der Regel über Zusatzfunktionen im Bereich der Spracherkennung und der Störgeräuschunterdrückung sowie über einen verbesserten Tragekomfort (z.B. geringere Größe des Gerätes, geringerer Stromverbrauch) verfügen. Gleichwohl ist auch ein sogenanntes Basisgerät des unteren Preissegmentes in der Lage, das Bedürfnis des Endkunden, wieder besser Hören zu können, auf zumutbare und gleichwertige Weise zu befriedigen.

bb. Bei Hörgeräten handelt es sich auch nicht um ein Prestige- oder Luxusprodukt. Mit hochpreisigen Hörgeräten ist kein besonderes Prestige verbunden, vielmehr empfindet der Kunde, der unter Schwerhörigkeit leidet, das Tragen eines Hörgerätes eher als Makel. Sein Ziel ist es daher vielmehr, dass das Hörgerät so unauffällig wie möglich ist und von anderen gar nicht wahrgenommen wird.

cc. Eine weitere Unterteilung des Marktes nach Listenpreissegmenten ist auch nicht im Hinblick auf die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse geboten. Allerdings ist im unteren Preissegment (Listenpreis bis 200 Euro) ein Preiswettbewerb, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt möglich, weil die gesetzliche Krankenkasse einen Festbetrag erstattet, der sich exakt über den Endpreis für ein Basisgerät (Listenpreis bis 200 Euro) nach Anpassung durch einen Hörgeräte-Akustiker verhält. In den höheren Preissegmenten, insbesondere bei den Listenpreisen über 900 Euro, findet hingegen Wettbewerb vor allem durch die Einführung neuer Produkte statt. Jedoch sind die Segmente weder in preislicher noch in auf Produktmarken bezogener Hinsicht klar voneinander abgrenzbar. Jeder Hersteller bietet für jedes der Preissegmente ein oder zwei Produktfamilien mit jeweils verschiedenen Hörgeräte-Typen an. Die tatsächlich erzielten Hersteller-Abgabepreise zeigen, dass die Preissegmente nicht genau gegeneinander abgrenzbar sind. Nach den Auswertungen des ZVEI liegen die durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise zum Teil ein oder sogar zwei Preissegmente unter dem entsprechenden Listenpreissegment (Rn. 77, 87 UV). Für eine segmentübergreifende Preis- und Marktstrategie der Hersteller spricht überdies, dass sich nach den Feststellungen des Bundeskartellamtes innerhalb von Preissegmenten eine Annäherung der jeweiligen durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise herausgebildet hat und auch die Abstände zwischen den Hersteller-Abgabepreisen der einzelnen Preissegmente im Zeitablauf in etwa gleich geblieben sind.

d.

Der Angebotsmarkt für den Absatz von Hörgeräten vom Hersteller an die Hörgeräte-Akustiker ist in räumlicher Hinsicht auf das Bundesgebiet zu beschränken.

Die räumliche Marktabgrenzung richtet sich auf der Grundlage des Bedarfsmarktkonzeptes nach den tatsächlichen räumlichen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite, wobei die tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten zu berücksichtigen sind (BGH WuW/E DE-R 1206 - Strom und Telefon I; BGH WuW/E DE-R 1301, 1302 - Sanacorp/Anzag). Das tatsächliche Einkaufsverhalten der Hörgeräte-Akustiker spricht hier für einen auf das Inland beschränkten Markt. Zwar haben die Hörgeräte-Akustiker die Möglichkeit, die von ihnen nachgefragten Hörgeräte europaweit oder weltweit einzukaufen, da alle in Deutschland tätigen Hörgeräte-Hersteller europaweit oder sogar weltweit operieren. Nach den Ermittlungsergebnissen des Amtes nehmen die Hörgeräte-Akustiker diese Alternative aber trotz teilweise erheblicher Preisunterschiede nicht wahr. Nur in Ausnahmefällen bzw. nur in sehr geringem Umfang werden Direktkäufe aus dem Ausland getätigt. Ausschlaggebend hierfür ist die herausragende Bedeutung der Vor-Ort-Betreuung für die Hörgeräte-Akustiker (Beratung, Schulung der Anpassungssoftware und des Anpassens des Hörgerätes an das Ohr, schnelle technische Problemlösung im Verwendungszusammenhang), weshalb sie sich auf die Hersteller konzentriert, die über ein nationales Vertriebs- und Servicesystem verfügen. Der Verweis auf die Harmonisierung der an die Produktqualität anknüpfenden Zulassungsvoraussetzungen von Hörgeräten in der EG durch Umsetzung der Richtlinie 93/42/EWG trägt in diesem Zusammenhang nichts zur räumlichen Marktabgrenzung bei. Sie besagt lediglich etwas über die Vergleichbarkeit der Produkte. Nehmen die Hörgeräte-Akustiker aber gleichwohl die Angebote aus dem europäischen Ausland nicht wahr, so besagen die europaweit angeglichenen Zulassungsvoraussetzungen nichts über die tatsächlichen Wettbewerbsverhältnisse aus.

2. Auf dem so abgegrenzten bundesweiten Absatzmarkt für Hörgeräte an den Akustiker-Handel bestand im Zeitpunkt der Erledigung der Anfechtungsbeschwerden Mitte August 2007 ein marktbeherrschendes Oligopol aus den Unternehmen Siemens, Oticon und Phonak. Phonak und GN Store haben die für ein marktbeherrschendes Oligopol sprechende Vermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB nicht widerlegen können.

Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB gilt eine Gesamtheit von Unternehmen als marktbeherrschend, wenn sie aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 von 100 erreichen, es sei denn, die Unternehmen weisen nach, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen (Binnenwettbewerb) oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat (Außenwettbewerb). Die Vorschrift enthält eine echte Umkehr der Beweislast und unterscheidet sich insoweit deutlich von der Einzelmarktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 1 GWB (zu § 23 a Abs. 2 GWB a.F.: BGH WuW/E BGH 1749, 1755 - Klöckner-Becorit; KG WuW/E OLG 3051, 3071 - Morris-Rothmans; Möschel in Immenga/Mestmäcker a.a.O., § 19 Rn. 97; Bechtold, a.a.O., § 19 Rn. 58; Senat, Beschluss vom 7. Mai 2008 - VI-Kart 13/07 (V) Umdruck Seite 21 - Cargotec). Die formelle Beweislast liegt - wie bei § 36 Abs. 1 GWB hinsichtlich der Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen - insgesamt bei den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Gleiches gilt für die materielle Beweislast im Fall der Unaufklärbarkeit. Sie liegt bei denjenigen Unternehmen, zu deren Lasten die Vermutung gilt.

a. Die Voraussetzungen der Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB sind vorliegend erfüllt. Dies gilt unabhängig davon, ob in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Bundeskartellamts von einem Gesamtmarktvolumen für das Jahr 2006 von rund 205 Mio. Euro oder nach dem Vorbringen der Beschwerde der Marktanteilsberechnung ein Gesamtmarktvolumen von rund 238 Mio. Euro zugrunde liegt. In beiden Fällen betragen die Marktanteile der drei Hersteller Siemens, Phonak und Oticon mehr als 50 %. Nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes verfügen die drei genannten Unternehmen vor dem Zusammenschluss über einen gemeinsamen Marktanteil von über 80 % (Rn. 30 UV Tabelle 7, Rn. 131 UV), wobei das Bundeskartellamt die Marktanteile wegen der großen Preisunterschiede zwischen den Hörgeräten völlig zu Recht wert- und umsatzbezogen und nicht anhand der Stückzahlen ermittelt hat. Bei dem von der Beschwerde geltend gemachten Gesamtmarktvolumen von 238 Mio. Euro erreichen die drei Unternehmen einen gemeinsamen Marktanteil von nahezu 70 %. Im Übrigen hat der Senat aber auch keine Zweifel an der Richtigkeit des vom Bundeskartellamt ermittelten Marktvolumens und der daraus abgeleitete Marktanteilsberechnung. Das Bundeskartellamt hat in seiner Replik vom 20. Oktober 2008 noch einmal klar gestellt, dass es hierbei nicht auf die ZVEI-Meldedaten, sondern auf die tatsächlich bei den Hörgeräteherstellern erfragten Größen abgestellt hat (Seite 11 f. Replik vom 20. Oktober 2008, Bl. 1157 GA). Umstände, die die Vollständigkeit und Richtigkeit der ermittelten Marktdaten ernsthaft in Frage stellen könnten, vermag auch die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

b. Die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen Phonak und GN Store haben die Oligopolvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB nicht widerlegen können. Sie haben weder nachgewiesen, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen (siehe unter aa.), noch dass sie im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung besitzen (siehe unter bb.). Die Wettbewerbsanalyse bestätigt vielmehr im Gegenteil die Vermutungsfolgen des § 19 Abs. 3 Satz 2 GWB.

aa. Binnenwettbewerb

Die gebotene Gesamtbetrachtung aller maßgebenden Umstände, insbesondere der strukturellen Wettbewerbsbedingungen und des Wettbewerbsverhaltens der Unternehmen auf dem relevanten Markt, führt hier zu dem Ergebnis, dass bereits vor dem Zusammenschluss zwischen Siemens, Phonak und Oticon kein wesentlicher Wettbewerb herrschte.

Die Vermutung der Marktbeherrschung einer Gesamtheit von Unternehmen ist widerlegt, wenn die Wettbewerbsbedingungen im Innenverhältnis wesentlichen Wettbewerb zwischen den Oligopolisten erwarten lassen. Maßgebend hierfür ist eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände (BGH WuW/E BGH 1824, 1827 f. - Tonolli-Blei- und Silberhütte Braubach; BGH WuW/E BGH 1749, 1754 f. - Klöckner-Becorit; KG WuW/E OLG 3051, 3072 - Morris-Rothmans). Dabei kommt - im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle - den die Marktstruktur bestimmenden Merkmale eine besondere Bedeutung zu (BGHZ 79, 62, 66 f. - Klöckner-Becorit; BGH, Beschluss v. 11. November 2008 - KVR 60/07 - Rn. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). Es ist zu untersuchen, ob aufgrund der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Mitglieder des möglichen Oligopols zu rechnen ist. Das ist anzunehmen, wenn zwischen den beteiligten Unternehmen eine enge Reaktionsverbundenheit besteht. Entscheidende Indizien dafür sind die Markttransparenz und die Abschreckungs- und Sanktionsmittel bei abweichendem Marktverhalten. Es muss ein Anreiz bestehen, nicht von dem gemeinsamen Vorgehen abzuweichen. Davon ist auszugehen, wenn jedes beteiligte Unternehmen weiß, dass eine auf Vergrößerung seines Marktanteils gerichtete, wettbewerbsorientierte Maßnahme die gleiche Maßnahme seitens der anderen Unternehmen auslösen würde, so dass es keinerlei Vorteil aus seiner Initiative ziehen könnte (EuGH, Urt. v. 10.07.2008 - Rs. C-413/06 P -Sony/BMG - Rn. 123, 126; EuGH, Urt. v. 6.6.2002 - T-342/99, Slg. 2002, II-2585 Rz. 61; WuW/E EU-R 559 - Airtours/First Choice; BGH, Beschluss v. 11. November 2008 - KVR 60/07 - Rn. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege). So besteht kein Anreiz für einen Preiswettbewerb, wenn eine Preissenkung durch ein Unternehmen von den anderen Unternehmen des Oligopols sofort erkannt und mit einer ebensolchen Preissenkung beantwortet werden kann, ohne dass sich dadurch die Marktanteile aller beteiligten Unternehmen verändern. In diesem Zusammenhang sind weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen, etwa die Symmetrie der beteiligten Unternehmen hinsichtlich der Produktpalette, der verwendeten Technologie und der Kostenstruktur, etwaige Marktzutrittsschranken, die Nachfragemacht der Marktgegenseite und die Preiselastizität der Nachfrage. Von Bedeutung kann auch sein, ob aufgrund der Homogenität des vertriebenen Produkts ein Produkt- und Qualitätswettbewerb nur eingeschränkt oder gar nicht in Betracht kommt und ob die Mitglieder des möglichen Oligopols gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind (BGH, Beschluss v. 11. November 2008 - KVR 60/07 - Rn. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege - m.w.Nachw.). Daneben ist das tatsächliche Wettbewerbsverhalten der beteiligten Unternehmen auf dem betreffenden Markt zu berücksichtigen (BGH WuW/E BGH 1824, 1827 f. - Tonolli-Blei- und Silberhütte Braubach; BGH, Beschluss v. 11. November 2008 - KVR 60/07 - Rn. 39 - E.ON/Stadtwerke Eschwege).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war bei Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens Mitte August 2007 sowohl aufgrund der Marktstruktur als auch aufgrund des tatsächlichen Wettbewerbsverhaltens von Siemens, Phonak und Oticon nicht mit wesentlichem Wettbewerb zwischen ihnen zu rechnen.

(1) Marktstruktur

(a)

Der von dem Zusammenschlussvorhaben betroffene Angebotsmarkt für den Absatz von Hörgeräten von den Herstellern an den Hörgeräte-Akustikhandel war zum maßgeblichen Zeitpunkt durch eine hohe Markttransparenz gekennzeichnet, die den Anreiz zu Preiswettbewerb entscheidend dämpfte.

Siemens, Phonak und Oticon sind nicht nur die offiziellen Listenpreise der jeweils anderen Hersteller für die von ihnen vertriebenen Hörgeräte bekannt. Über die Hörgeräte-Akustiker - Siemes, Phonak und Oticon sind bei fast allen Akustikern gelistet - erhalten sie zudem in kürzester Zeit Kenntnis von den Preisnachlässen und Konditionen, die die Hörgeräte-Akustiker mit den anderen beiden Unternehmen ausgehandelt hatten. Zwischen den drei führenden Hörgeräte-Herstellern und den Hörgeräte-Akustikern bestehen regelmäßige und ständige Kontakte. Die Frequenz der Kundenbesuche zwecks Kundenbetreuung und Schulung ist im Markt für Hörgeräte aufgrund der kurzen Produktlebenszyklen - insbesondere in den oberen Preissegmenten - in den jährlichen Preisverhandlungen überaus hoch. Über die Hörgeräte-Akustiker kommt es zu einem indirekten Informationsaustausch über Einzelkonditionen, da diese im Regelfall unter Bezugnahme auf die von den anderen Hörgeräte-Herstellern angebotenen Konditionen verhandeln (vgl. Rn. 195 UV). Zwei der vom Bundeskartellamt befragten Hörgeräte-Akustiker (amplifone und Iffland) haben dementsprechend auch ausdrücklich angegeben, dass sie die Hersteller im Rabattwettbewerb untereinander ausspielen). Der indirekte Informationsaustausch über Einzelkonditionen wird durch die von Phonak vorgelegten Monatsberichte (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 8. September 2008, und dort Seite 27) bestätigt. So haben Mitarbeiter von Phonak beispielsweise folgendes notiert:

- "Artis und Acuris Live (Hörgeräte von Siemens) gehen hier bis auf 10 + 3 und unterbieten alles" (Januar 2007)

- In Bezug auf Siemens: "Gehen im direktem Wettbewerb bis auf 10 + 3 und 180 Tage Valuta bei 25 % Grundrabatt herunter. Geraten durch Phonak und Oticon immer mehr unter Druck. Probleme." (Januar 2007)

- In Bezug auf Siemens: "Siemens ist extrem aggressiv, 5 + 1 fast bei jedem Deal, man versucht weiterhin mit großem Druck Beileger und Werbung zu platzieren. Der Kunde fühlt sich unter Druck." (Januar 2007)

- In Bezug auf Oticon, Widex und Hansaton: "Auch hier 5 + 1 keine Seltenheit und wird schon fast zur Normalität." (Januar 2007)

- In Bezug auf Siemens: "Aggressive Rabatte bei einigen HGA/Amplifon-VK Preise bei Siemens um 200 Euro unter PH." (April 2007)

Die somit ohnehin bestehende hohe Markttransparenz war zusätzlich durch das im Jahr 2002 eingerichtete ZVEI-Meldesystem erhöht. An dem Meldesystem waren alle Hersteller beteiligt, die in Deutschland Hörgeräte an den Hörgeräte-Akustikerhandel vertreiben. Anhand der Monatsmeldungen der Unternehmen stellte der ZVEI den am Meldesystem beteiligten Unternehmen folgende Auswertungen zur Verfügung (aggregiert über alle teilnehmenden Unternehmen, Auswertungen für Einzelmonate, Quartale, Gesamtjahre):

- die Gesamtstückzahlen und Umsatzdaten für analoge, analog digital programmierbare und digitale Hörgeräte,

- die Gesamtstückzahlen und Umsatzdaten für BTE- und ITE-Hörgeräte, - die Gesamtstückzahlen für einzelne ITE-Geräte,

- die Gesamtstückzahlen für einkanalige/mehrkanalige Hörgeräte,

- die Gesamtstückzahlen und Umsatzdaten, getrennt für die sechs Preissegmente bei digitalen Hörgeräten und

- die durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise, getrennt für die sechs Preissegmente bei digitalen Hörgeräten.

Die am Meldesystem beteiligten Unternehmen konnten daher anhand der Monatsmeldungen nicht nur ihren eigenen Marktanteil in allen Preissegmenten und bei den unterschiedlichen Hörgerätetypen monatlich genau ermitteln. Sie konnten ihre Erkenntnisse aus dem Vertrieb zudem um Umsatz- und Stückzahlen sowie durchschnittliche Abgabepreise, jeweils aufgeschlüsselt für die einzelnen Hörgerätearten und Preissegmente, ergänzen. Auch wenn die ZVEI-Daten isoliert betrachtet eine Individualisierung, d.h. ein Zuordnung zu den einzelnen Unternehmen nicht ermöglichten, lieferten sie doch zusätzliches Erkenntnismaterial, um etwaige bereits aus dem Markt bekannt gewordene Preisvorstöße "überprüfen" und ihre Qualität abschätzen zu können. So gesehen erhöhte das ZVEI-Meldesystem die sowieso schon bestehende hohe Markttransparenz und damit die Möglichkeit der Wettbewerber, einen Preisvorstoß und seine Folgen im Markt zeitnah zu entdecken und hierauf gleichfalls mit einem Preisvorstoß reagieren zu können. Hinzu kommt der mittelbar individualisierende Charakter der ZVEI-Daten. Ursächlich hierfür ist die hohe Gliederungstiefe der Daten und die Tatsache, dass die drei führenden Unternehmen zusammen über einen Marktanteil von rund 80 % verfügten. Da die Hörgeräte-Hersteller über die Vielzahl der Kundenkontakte auch noch über eine anderweitige Informationsmöglichkeit verfügten, konnten sie in Kombination aus beiden Erkenntnisquellen eine Zuordnung etwaig preisaggressiven Verhaltens vornehmen. In der Gesamtschau war damit die für einen erfolgsversprechenden Wettbewerbsvorstoß notwendige reaktionsfreie Zeit entscheidend verkürzt und demzufolge der Anreiz zu einem Preiswettbewerb beschränkt.

(b)

Das Kräfteverhältnis zwischen Siemens, Phonak und Oticon ist im Hinblick auf die Marktanteilsverteilung und die unternehmensbezogenen Eckdaten (Kostenstruktur, Ertragskennzahl pp.) nicht derart asymmetrisch, dass mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten nicht gerechnet werden kann.

(aa)

Zwar sind die Marktanteile der drei führenden Unternehmen nicht symmetrisch verteilt, da Siemens im Jahr 2006 mit einem Marktanteil von 32,5-37,5 % gegenüber Phonak und Oticon - beide verfügten in diesem Jahr über einen Marktanteil von jeweils bei 20-25 % - einen Marktanteilsvorsprung von 10-15 % hatte (Rn. 130, 135 UV). Jedoch zeigt die Marktanteilsentwicklung seit 2003, dass sich die Marktanteile der drei führenden Unternehmen im Laufe der Zeit angeglichen haben und insbesondere in den Jahren 2005 und 2006 nahezu konstant geblieben sind.

Die vom Bundeskartellamt in der Tabelle 8 und der Grafik 3 dargestellte Marktanteilsentwicklung stellt sich in den Jahren 2003 bis 2006 (Rn. 141 UV) wie folgt dar:

Tabelle 8: Marktanteilsentwicklung 2003-2006

 Deutschland2003200420052006
Marktvolumina (in Mio. €)209197201205
Marktanteilein %in %in %in %
1 Siemens35-4035-4032,5-37,532,5-37,5
2 Phonak12,5-17,512,5-17,520-2520-25
3 Oticon15-2020-2520-2520-25
Summe 1-370,7 %72,7 %78,5 %81,1 %
4 GNReSound10-1510-157,5-12,55-10
5 Widex7,5-12,57,5-12,55-105-10
6 bruckhoff<2,5<2,5<2,5<2,5
7 Starkey<2,5<2,5<2,5<2,5
8 audifon<1<2,5<1<1
9 Acousiticon<1<1<1<1
Summe100,0 %100,0 %100,0 %100,0 %

Graphik 3:

Hiernach ist der Marktanteil von Siemens, der in den Jahren 2003 und 2004 35-40 % betrug, im Jahr 2005 auf 32,5-37,5 %, mithin um 2,5 %, abgesunken und dort im Jahr 2006 stehen geblieben. Phonak konnte hingegen seinen in den Jahren 2003 und 2004 konstant gebliebenen Marktanteil von 12,5-17,5 % im Jahr 2005 auf 20- 25 % steigern. Phonak hat damit seinen Marktanteil um ca. 9 % erhöht und im Jahr 2006 auch gehalten. Oticon hat seinen Marktanteil in 2003 von 15-20 % im Jahr 2004 um etwa 5 % auf 20-25 % steigern können. Sein Marktanteil ist in den Jahren 2005 und 2006 konstant geblieben. Die Marktanteilsgewinne von Phonak und Oticon gingen daher auch zu Lasten von Siemens und nicht nur zu Lasten von GN ReSound und Widex, die beide in den Jahren 2005 und 2006 erhebliche Marktanteilsverluste hinnehmen mussten. So ist der Marktanteil von GN ReSound von 10-15 % im Jahr 2004 auf 7,5-12,5 % im Jahr 2005 und auf 5-10 % im Jahr 2006 gefallen. Auch der Marktanteil von Widex, der in den Jahren 2003 und 2004 bei 7,5-12,5 % lag, ist im Jahr 2005 auf 5-10 % gefallen und im Jahr 2006 konstant geblieben. Insgesamt gesehen haben sich die Marktanteile der drei führenden Unternehmen somit bis 2005 in Richtung einer Angleichung entwickelt. Diese Entwicklung hat sich in 2006 manifestiert.

Auch die Marktanteilsentwicklung in den Listenpreissegmenten 201 bis 600 Euro und über 750 Euro zeigen in den Jahren 2003 bis 2006, dass die Marktanteile von Siemens, Phonak und Oticon zwar in den Jahren 2004 und 2005 Schwankungen unterworfen waren, jedoch über den gesamten Zeitraum gesehen eine Angleichung ihrer Marktanteil festgestellt werden kann.

Ohne Erfolg macht die Beschwerde in diesem Zusammenhang zunächst geltend, dass das Bundeskartellamt die Unterteilung der beiden genannten Listenpreissegmente willkürlich und ohne sachliche Begründung vorgenommen habe. Das Bundeskartellamt hat in dem angefochtenen Beschluss (dort Rn. 150-152) ausführlich und zutreffend begründet, warum es die Einteilung in die Listenpreissegmente 201 bis 600 Euro und über 750 Euro vorgenommen hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen.

Die Marktanteilsentwicklung im Listenpreissegment 201 bis 600 Euro stellt sich so dar, dass der Marktanteil von Siemens im Jahr 2003 in Höhe von 45-50 % zwar im Jahr 2004 auf 50-55 % gestiegen ist, jedoch dann in 2005 auf 40-45 % zurückgefallen ist, um im Jahr 2006 wieder auf 45-50 % anzusteigen. Die Marktanteile von Phonak lagen in den Jahren 2003 und 2004 konstant bei 10-15 %; im Jahr 2005 stieg der Marktanteil um 5 % auf 15-20 % an und blieb dort auch im Jahr 2006. Der Marktanteil von Oticon stieg von 10-15 % im Jahr 2003 auf 20-25 % im Jahr 2005 an und blieb im Jahr 2006 konstant. Während also Siemens im Jahr 2005 Marktanteilsverluste von ca. 10 % hinnehmen musste, konnten Phonak und Oticon Marktanteilszuwächse von 5-10 % im selben Jahr verzeichnen. Die Marktanteilsgewinne von Phonak und Oticon gingen daher wesentlich zu Lasten von Siemens, zumal die Marktanteile der nächstfolgenden Wettbewerber GN ReSound und Widex nahezu konstant geblieben sind. Der Marktanteil von GN ReSound betrug in den Jahren 2003 bis 2006 konstant 7,5 bis 12,5 %. Lediglich der Marktanteil von Widex hat sich von 15 bis 20 % im Jahr 2003 auf 10 bis 15 % im Jahr 2004, im Jahr 2005 auf 7,5 bis 12,5 % und sodann auf weniger als 5 % entwickelt.

Tabelle 9: Marktanteilsentwicklung im Kundensegment 201-600 €

 2003200420052006
 in %in %in %in %
Siemens45-5050-5540-4545-50
Phonak10-1510-1515-2015-20
OTICON10-1510-2020-2520-25
GNReSound7,5-12,57,5-12,57,5-12,57,5-12,5
Widex15-2010-157,5-12,5<5 %

Die Marktanteilsentwicklung im Listenpreissegment über 750 Euro zeigt, dass es zwischen Siemens, Phonak und Oticon in den Jahren 2004/2005 zu Marktanteilsverschiebungen gekommen ist. Der Marktanteil von Siemens lag in den Jahren 2003 und 2004 bei 25-30 %. Im Jahr 2005 erhöhte er sich auf 30-35 %, um im Jahr 2006 auf das Ausgangsniveau von 25-30 % zurückzufallen. Der Marktanteil von Phonak betrug im Jahr 2003 20-25 % und fiel im Jahr 2004 auf 10-15 % ab, um sodann in 2005 auf 30-35 % anzusteigen und dort auch im Jahr 2006 zu verbleiben. Die Marktanteilsentwicklung von Oticon ist im Vergleich zu der Marktanteilsentwicklung von Phonak gegenläufig. Auch Oticon hatte im Jahr 2003 einen Marktanteil von 20-25 %. Diesen konnte Oticon im Jahr 2004 auf 30-35 % steigern, jedoch fiel der Marktanteil im Jahr 2005, zur gleichen Zeit als Phonak seinen Marktanteil um ca. 20 % erhöhen konnte, um ca. 15 % ab. Im Jahr 2006 betrug der Marktanteil von Oticon wiederum 20-25 %.

Tabelle 10: Marktanteilsentwicklung im Kundensegment über 750 €

 2003200420052006
 in %in %in %in %
Siemens25-3025-3030-3525-30
Phonak20-2510-1530-3530-35
OTICON20-2530-3515-2020-25
GNReSound10-1510-1510-155-10
Widex15-2015-205-105-10

(bb)

Das unternehmerische Kräfteverhältnis zwischen SAT, Phonak und Oticon ist ausgeglichen.

So ist die Kostenstruktur bei allen drei Unternehmen ähnlich. Die Produktionskosten für alle verkauften Hörgeräte liegen jeweils bei ...... % des Umsatzes; die Vertriebskosten liegen bei allen drei Unternehmen bei .....%. Alle drei Unternehmen verfolgen eine Mehrmarkenstrategie und verfügen über kostengünstige Produktionsstandorte in China bzw. Polen. Auch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen (Rohertrag und EBITDA) der Unternehmen befinden sich in einer vergleichbaren Größenordnung, auch wenn der Rohertrag von SAT zwischen ..... Prozentpunkten unter dem Rohertrag von Phonak und Siemens liegt (SAT: ..... %, Phonak: .... %, Oticon: .... %) und die EBITDA-Werte von SAT innerhalb der vom Bundeskartellamt festgestellten und für alle drei Unternehmen geltenden Spannbreite von ......% des jeweiligen Umsatzes über denen von Phonak und Oticon liegen. Nicht erforderlich ist, dass die genannten Kennzahlen identisch sind. Ausreichend ist eine in etwa vergleichbare Größenordnung, die im vorliegenden Fall - wie dargestellt - erfüllt ist.

Schließlich sind auch die Gesamtumsatzerlöse von SAT, Phonak und Oticon im weltweiten Hörgeräte-Geschäft vergleichbar, da sie jeweils zwischen 550 und 650 Mio. Euro liegen. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass SAT in den Siemens-Konzern eingebunden ist, der im Geschäftsjahr 2005/2006 weltweit Umsatzerlöse in Höhe von rund 87 Milliarden Euro erzielt hat, während es sich bei Phonak und Oticon um mittelständische Unternehmen handelt, die sich auf das Hörgeräte-Geschäft konzentriert haben. Die aufgezeigten Unterschiede bei den unternehmensbezogenen Ressourcen ist für das Bestehen wesentlichen Binnenwettbewerbs nur dann aussagekräftig, wenn diese Unterschiede die Unternehmen in der Vergangenheit dazu gebracht haben, ihre teilweise Überlegenheit in vorstoßenden Wettbewerb umzusetzen (KG WuW/E OLG 3051, 3078 f. - Morris-Rothmans). Dies ist hier aber gerade nicht der Fall, da SAT seit 2004 Marktanteile verloren und ihre Konzernzugehörigkeit gerade nicht in vorstoßenden Wettbewerb umgesetzt hat.

(c)

Die Zusammenschlussbeteiligten können sich zum Nachweis wesentlichen Binnenwettbewerbs nicht mit Erfolg auf die Nachfragemacht der Hörgeräte-Akustiker berufen. Die Hörgeräte-Akustiker haben nicht die Macht, zwischen Siemens, Phonak und Oticon wesentlichen Wettbewerb zu gewährleisten. Binnenwettbewerb wird im Einzelfall dann in das Oligopol hineingetragen, wenn sich eine hochkonzentrierte Nachfrageseite mit dem strategischen Ziel, neben den Oligopolisten auf mehrere andere Anbieter ausweichen zu können, mit Auftragsangeboten auch gezielt an in- und ausländische Oligopol-Außenseiter wendet und aufgrund eigener Entwicklungskompetenz unkontrollierbare Verhaltensspielräume auf Seiten der Anbieter verhindern kann (Kahlenberg in Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 98; BGH WuW/E BGH 1749, 1752 - Klöckner-Becorit). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

(aa) Auf dem hier relevanten Hörgeräte-Markt besteht keine hochkonzentrierte Nachfrageseite, vielmehr ist die Nachfrageseite stark zersplittert. Der Konzentrationsgrad auf der Angebotsseite übersteigt bei weitem den auf der Nachfragerseite. Auf der Anbieterseite befinden sich insgesamt neun Hörgeräte-Hersteller. Hiervon haben drei Anbieter einen Marktanteil von zusammen über 80 %. Der Hörgeräte-Akustikhandel umfasst insgesamt etwa 3.650 Geschäfte. Es gibt 15 bis 20 überregionale Filialisten mit mehr als zehn Filialen. Hierzu gehören die Ketten Kind und Geers mit zusammen insgesamt 500 Geschäften. Des weiteren existieren sechs Einkaufsgemeinschaften und etwa 1.500 Unternehmen mit 1 bis 3 Filialen. Das Beschaffungsvolumen der beiden Großfilialisten Kind und Geers liegt jeweils weit unter 10 %. Das Beschaffungsvolumen der 15 Großfilialisten und der sechs Einkaufsgemeinschaften zusammen liegt unter 50 %. Die Androhung eines Lieferantenwechsels stellt selbst bei einem der Großlieferanten daher keine erhebliche disziplinierende Wirkung dar.

(bb) Zudem sind keine Anhaltspunkte für ein marktstrategisches Einkaufsverhalten der Hörgeräte-Akustiker vorhanden.

Siemens, Phonak und Oticon sind bei fast allen Hörgeräte-Akustikern in Deutschland gelistet (Rn. 269 UV). Signifikante Zukäufe der Hörgeräte-Akustiker aus dem Ausland sind nach den Ermittlungen des Bundeskartellamtes nicht vorhanden (Rn. 110 UV).

Ein marktstrategisch orientiertes Nachfrageverhalten ist wahrscheinlich, wenn der Beschaffungsmarkt für die beziehenden Unternehmen besonders wichtig ist, z.B. weil die Kosten für das Vorprodukt den Abgabepreis für das weiterverarbeitete Endprodukt wesentlich bestimmen (Kahlenberg in Loewenheim/Meessen/Riesen-kampff, a.a.O, § 36 Rn. 98). Ausgehend hiervon ist die Bedeutung des Beschaffungsmarktes eher gering, weil die Hörgeräte-Akustiker untereinander keinem Preiswettbewerb ausgesetzt sind. Der Endkunde erfährt den Endpreis erst nach Auswahl und Anpassung des Hörgerätes und wird dann in der Regel den Hörgeräte-Akustiker nicht mehr wechseln. Zudem hat der Preis für den Endkunden eher eine nachrangige Bedeutung. Das Leistungsvermögen und der Tragekomfort des Hörgerätes stehen im Mittelpunkt, da es das vorrangige Ziel des Kunden ist, die Beeinträchtigung seines Gehörs durch das Tragen eines Hörgerätes zu überwinden.

(cc) Die Hörgeräte-Akustiker können auch nicht durch eigene Entwicklungskompetenz unkontrollierbare Verhaltensspielräume der Hörgeräte-Hersteller verhindern. Die Eigenentwicklungskompetenz der Nachfrageseite ist seit der Digitalisierung der Hörgeräte gering (vgl. Rn. 272 UV). Nur dem Großfilialisten Kind ist durch den konzerneigenen Hersteller Audifon bisher eine solche Rückwärtsintegration gelungen.

(dd) Soweit das Bundeskartellamt gegen eine Nachfragemacht der Hörgeräte-Akustiker überdies anführt, es gebe eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass ein Lieferantenwechsel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei, da die befragten Hörgeräte-Akustiker fast durchweg erhebliche Umstellkosten, insbesondere im Bereich der Produkt- und Softwareschulung, geltend gemacht hätten, vermag sich der Senat diesen Ausführungen allerdings nicht anzuschließen. Vielmehr haben die Ermittlungen des Amtes ergeben, dass die Umstellkosten nach Einschätzung der Hörgeräte-Akustiker nicht so erheblich sind, von einem Lieferantenwechsel abzusehen oder ihn nur in Ausnahmefällen vorzunehmen. Das Amt hat zu diesem Punkt insgesamt 14 Hörgeräte-Akustiker befragt. 10 davon haben ausdrücklich erklärt, dass nach ihrer Einschätzung die Umstellkosten nicht so erheblich seien, von einem Lieferantenwechsel Abstand zu nehmen oder ihn nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Von den verbleibenden vier Hörgeräte-Akustikern haben zwei lediglich Angaben zur Höhe der Umstellkosten gemacht (......... (Bl. 289 AA), ....................(Bl. 528 AA)). Lediglich die verbleibenden zwei Hörgeräte-Akustiker haben erklärt, dass die Umstellkosten so erheblich seien, dass ein Lieferantenwechsel nur selten in Frage komme (.................. (Bl. 193 AA), ............. (Bl. 374 AA)).

(2) Tatsächliches Wettbewerbsverhalten

Tatsächlich fand bei Aufgabe des Zusammenschlussvorhabens Mitte August 2007 auch kein wesentlicher Wettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon statt.

(a) Preiswettbewerb

Die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen haben nicht nachweisen können, dass zwischen Siemens, Phonak und Oticon wesentlicher Preiswettbewerb herrscht.

(aa)

Die genannten drei Hersteller haben ihre Hörgeräte in eng beieinander liegenden Preisklassen angesiedelt und hierdurch ein gleichförmiges Verhalten gezeigt. Dieses gleichförmige Preisverhalten war weder strukturell bedingt noch durch eine Homogenität der Produkte hervorgerufen.

Nach den Ermittlungsergebnissen des Bundeskartellamtes liegen die Listenpreise und die unternehmensbezogenen durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise von Siemens, Oticon und Phonak eng beieinander. Ihre Listenpreise sind im obersten Preissegment "Listenpreis über 900 Euro" nahezu deckungsgleich. Sie bewegen sich, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, zwischen 1.170 und 1.199 Euro (Rn. 230 UV). Auch die unternehmensbezogenen durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise, die das Bundeskartellamt anhand der Unternehmensdaten des ZVEI-Meldesystems für die Jahre 2003 bis 2006 ermittelt hat, liegen in den Preissegmenten "Listenpreis 200 bis 600 Euro" und "Listenpreis über 750 Euro" relativ nah beieinander (Rn. 240 und 242 UV).

Graphik 6:

So ist für das Preissegment "Listenpreis 201 bis 600 Euro" (Graphik 6) zu erkennen, dass der durchschnittliche Hersteller-Abgabepreis von Siemens, Phonak und Oticon im Jahr 2003 relativ nah beieinander lag, sich aber in den Jahren 2004 und insbesondere 2005 etwas voneinander in der Weise entfernt hat, als Siemens im Preis etwas nachgegeben, Phonak den Preis erhöht und Oticon die Preise nahezu konstant gehalten hat. Im Jahr 2006 liegen die durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise bei allen drei Unternehmen wieder ganz nah beieinander.

Graphik 8:

Auch für das Preissegment "Listenpreis über 750 Euro" (Graphik 8) ist bei gleichem Ausgangspunkt im Jahr 2003 eine zunächst geringe, sodann aber im Jahr 2005 eine größere Preisspreizung zu erkennen. Während die durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise von Oticon und Phonak angestiegen sind, ist der durchschnittliche Hersteller-Abgabepreis von Siemens gesunken. Im Jahr 2006 haben sich die durchschnittlichen Hersteller-Abgabepreise wiederum angeglichen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang geltend macht, es könne nicht auf den durchschnittlichen unternehmensbezogenen Hersteller-Abgabepreis in den genannten Segmenten abgestellt werden, vielmehr sei allein eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen Abgabepreise vergleichbarer Produkte einzelner Hersteller relevant, ist dieses Vorbringen ohne Belang. Zutreffend macht das Bundeskartellamt geltend, dass die Preisentwicklung eines Produktes allein den technischen und preislichen Lebenszyklus im Zeitablauf zeigt und zum Nachweis von Preiswettbewerb nicht geeignet ist. Dies gilt um so mehr, als die "alten" Produkte regelmäßig durch Produktinnovationen ersetzt werden müssen, um das Preisniveau in dem jeweiligen Segment zu halten.

Das dargestellte gleichförmige Preisverhalten ist auch weder strukturell bedingt noch durch eine Homogenität der Produkte hervorgerufen. Hörgeräte sind heterogene Produkte. Ihr wirtschaftlicher Wert hängt entscheidend von dem Leistungsvermögen des Gerätes und seinem Tragekomfort für den Kunden ab. Ob der Kunde ein Gerät akzeptiert, hängt somit von individuellen Aspekten und Praferenzen ab. Sonstige Faktoren der Marktstruktur, die die Hersteller zu einem gleichförmigen Preisverhalten zwingen, sind nicht ersichtlich und werden von der Beschwerde auch nicht geltend gemacht.

(bb)

Phonak und GN Store haben auch nicht nachweisen können, dass zwischen Siemens, Phonak und Oticon wesentlicher Preiswettbewerb durch Preiszugeständnisse in Form von Rabatten oder sonstigen individuellen Preisnachlässen (Boni, Gutschriften, Werbekostenzuschüsse und ähnliches) besteht.

Zwar ist davon auszugehen, dass die Hörgeräte-Hersteller den Hörgeräte-Akustikern erhebliche Rabatte auf die Listenpreise gewähren. Insoweit stimmen die Feststellungen des Amtes (Rn. 244 ff. UV) und das Vorbringen der Beschwerdeführer überein. Diese Rabatte werden individuell mit den einzelnen Kunden ausgehandelt, wobei höhere Mengen nicht mehr oder weniger gleichmäßig zu höheren Gesamtvergünstigungen kommen. Dies belegt ein Schaubild von Phonak, in dem es für seine 15 wichtigsten Kunden die jeweils abgenommenen Stückzahlen den insgesamt gewährten Vergünstigungen gegenüberstellt (Seite 26, Schriftsatz vom 8. September 2008), sowie die Abbildungen 2a und 2b im ESMT-Gutachten (dort Seite 16 u. 17) über die prozentualen Rabatte in Abhängigkeit zu verkauften Stückzahlen von GNReSound und Phonak. Dieses Vorbringen wird nicht durch die lineare Regressionsanalyse von Menge und Mengenrabatt des Bundeskartellamtes widerlegt (Rn. 245 UV). Dies gilt allein schon deshalb, weil das Analyseergebnis nach dem eigenen Vorbringen des Amtes auf einer unvollständigen Datenbasis erstellt worden ist und daher lediglich darauf hindeuten könnte, dass die Hersteller den Mengenrabatt auch tatsächlich an den abgenommenen Mengen ausrichten und sich hierbei im wesentlichen Vergleich verhalten.

Der Rabatt- und Konditionenwettbewerb der Hersteller ist aber nicht wesentlich. Preisnachlässe in Form von individuellen Rabatten, Boni, Gutschriften u.ä. können nur dann einen wesentlichen Preiswettbewerb begründen, wenn die gewährten Preisnachlässe den anderen Unternehmen erst mit einer solchen zeitlichen Verzögerung bekannt werden, dass eine gewisse reaktionsfreie Zeit für einen Vorstoß bleibt, um einen für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlichen Vorsprung zu erlangen. Hinzu kommen muss eine entsprechend intensive Handhabung, weil alle Unternehmen entsprechend vorgehen, und letztlich vorgehen müssen, so dass die effektiv am Markt erzielten Preise die Listenpreise der Wettbewerber häufig ganz erheblich unterschreiten (Paschke in Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 19 Rn. 381). Folgende Erwägungen sprechen hier gegen wesentlichen Rabattwettbewerb.

Seit 2003 ist der Listenpreis und der Netto-Herstellerabgabepreis nahezu konstant geblieben. Spürbare Preissenkungen waren nicht feststellbar.

Keiner der vom Bundeskartellamt befragten Hörgeräte-Akustiker hat von einem Wettbewerbsvorstoß durch Preissenkung durch höhere Rabatte bzw. bessere Konditionen berichtet.Von den insgesamt befragten Hörgeräte-Akustikern haben 13 Angaben zur Preisaggressivität der Hörgeräte-Hersteller gemacht. Sechs der Befragten haben die Preisaggressivität aller Marktteilnehmer gleich bewertet. Nur zwei haben Oticon und ein Händler hat Phonak preisaggressiver als die übrigen Marktteilnehmer bewertet. Die übrigen vier befragten Händler haben GN ReSound am preisaggressivsten eingestuft. Lediglich einer der befragten Händler konnte von einem preislichen Wettbewerbsvorstoß von Oticon berichten. So hat Oticon im Jahr 2005 als erster Hersteller mit Tego ein Hörgerät mit einigen high-end-Qualitäten in ein weit darunter liegendes Preissegment eingeführt. Siemens und Phonak sind allerdings innerhalb von ca. sechs Monaten mit jeweils einem technisch vergleichbaren Gerät nachgezogen, so dass für Oticon ein für die Ausdehnung des Marktanteils erforderlicher Vorsprung nicht erreicht werden konnte.

(b) Wesentlicher Qualitätswettbewerb durch Produktinnovationen

Die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen haben ferner nicht nachweisen können, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen Phonak, Siemens und Oticon Qualitätswettbewerb durch Produktinnovationen von einer solchen Intensität und Bedeutung für den relevanten Markt erwarten ließen, dass insgesamt von einem funktionsfähigen Wettbewerb gesprochen werden konnte.

(aa) Allerdings fand zwischen Phonak, Siemens und Oticon vor dem beabsichtigten Zusammenschlussvorhaben Qualitäts- und Innovationswettbewerb statt.

Entgegen den Ausführungen des Bundeskartellamts befand sich der hier relevante Absatzmarkt für Hörgeräte im Erledigungszeitpunkt (August 2007) nicht in einer "Ausreifungsphase", in der "echte Produktneuentwicklungen" nicht mehr zu erwarten waren. Diese Einschätzung des Amtes wird weder von den Hörgeräte-Herstellern noch vom Hörgeräte-Akustikerhandel geteilt. So machen Phonak und GN Store geltend, dass die Entwicklung im Bereich der digitalen Signalverarbeitung noch längst nicht abgeschlossen sei und zahlreiche Funktionalitäten neu- oder weiterentwickelt werden. Das bedeutendste Innovationspotential ergebe sich aus der Kombination der digitalen Signalverarbeitung mit anderen Innovationsschwerpunkten, wie insbesondere der drahtlosen Kommunikation der Hörgeräte mit anderen Geräten wie Telefon oder Personalcomputer, sowie einer Miniaturisierung der Geräte und ferner einer längeren Akkulebensdauer. In diesem Bereich werden von allen Herstellern insbesondere durch die Weiterentwicklung der Blue-tooth-Technik, der binauralen Signalverarbeitung und der "lernenden Hörgeräte" erhebliche Weiterentwicklungen erwartet (Seite 41 Schriftsatz Phonak vom 4. Mai 2007; Seite 39 Schriftsatz vom 29.05.2007 GN Rn. 125; ESMT-Gutachten S. 21). Diese Einschätzung wird auch von Siemens geteilt, die darauf hinweist, dass insbesondere derjenige Hersteller, der als erster zwei Hörgeräte zu einem echten binauralen Hörsystem verbinden könne, bei dem alle theoretischen Möglichkeiten zur Lokalisierung eines Sprechers genutzt werden und gleichzeitig Störschall sowie die Geräusche von anderen Sprechern ausgeblendet werden, einen erheblichen Marktvorteil erzielen werde, da der damit verbundene Kundennutzen sehr hoch sei (Seite 11 zum Schreiben vom 04.04.2007, Bl. 1715 AA). Auch die befragten Hörgeräte-Akustiker sind in der überwiegenden Mehrzahl der Ansicht, dass die Entwicklung insbesondere im Bereich der digitalen Signalverarbeitung noch längst nicht abgeschlossen ist und insbesondere bei der drahtlosen, digitalen Funkübertragung für Hörsysteme und im Bereich der automatischen Algorithmen in den nächsten Jahren wesentliche Neuentwicklungen zu erwarten sind (so insbesondere ......... (Bl. 15 AA), ............ (Bl. 145 AA), ............ (Bl. 196 AA), ............. (Bl. 251 AA), .......... (Bl. 303 AA), ......... (Bl. 377 AA), .......... (Bl. 416 AA)). Lediglich ein befragtes Unternehmen hat erklärt, dass es sich seiner Meinung nach bei den volldigitalen Hörsystemen inzwischen um ein ausgereiftes Produkt handele (................ (Bl. 334 AA)).

Zudem sind die Forschungs- und Entwicklungsausgaben (FuE-Ausgaben) in den letzten Jahren um ein Vielfaches gestiegen. Die von Phonak in FuE investierten Beträge sind von 2003 bis 2007 um über 30 % (... %) gestiegen. Für Oticon nahmen die Beträge im selben Zeitraum um über 70 % und bei GN über 33 % zu (Abbildung 5 des ESMT-Gutachtens vom 28.06.2007 (dort Seite 20) und Stellungnahme zum ESMT-Gutachten S. 11). Auch Siemens macht in seiner Stellungnahme vom 4. April 2007 geltend, dass die FuE-Ausgaben der Hörgeräte-Hersteller in den letzten Jahren absolut erheblich gestiegen sind, relativ seien sie je nach Anbieter entweder gestiegen oder zumindest auf hohem Niveau verharrt. Ähnlich stellt sich die Situation bei den Investitionen in die Grundlagenforschung dar. Phonak hat in der Beschwerde unwidersprochen vorgetragen, dass in den letzten drei bis fünf Jahren ein klarer Trend erkennbar sei, mehr Mittel in die Grundlagenforschung zu investieren. Oticon habe das Forschungszentrum "Ericsholm" gegründet. Starkey habe 2004 ein Forschungszentrum in Berkeley eröffnet. GN ReSound habe das "Algorithm Research"-Labor in Eindhoven eröffnet. Siemens habe den Forschungsaufwand für digitale Signalverarbeitung in der Konzernentwicklungsabteilung vermehrt und Widex stelle seit 2002 vermehrt Wissenschaftler ein.

Weiteres Indiz für Innovationswettbewerb ist die stark ansteigende Zahl der weltweiten Patenterteilungen der führenden Hörgeräte-Hersteller. Wie sich aus dem ESMT-Gutachten (dort Seite 22) ergibt, ist die Zahl der weltweiten Patenterteilungen insbesondere nach 2002 bei fast allen Herstellern stark angestiegen. Vor allem die Hersteller Siemens und Phonak sind führend im Hinblick auf die Zahl der erteilten Patente. Die hohe Dynamik der Patenterteilungen spricht für rege Produkt-Neuentwicklungen und Produkt-Neuheiten.

Für Innovationswettbewerb der drei führenden Hersteller spricht überdies die hohe Innovationsgeschwindigkeit. Bei den drei führenden Unternehmen findet alle 18 bis 24 Monate eine Produkt-Neueinführung im oberen Preissegment statt.

(bb) Der dargestellte Qualitäts- und Innovationswettbewerb ist aber nicht wesentlich.

Wesentlicher Wettbewerb besteht nicht schon dann, wenn die Unternehmen die vorhandenen Verhaltensspielräume nutzen. Der tatsächliche Parametereinsatz muss insgesamt von einer solchen Intensität und Bedeutung für den Markt sein, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs gegeben ist (BGH WuW/E, BGH 2025, 2028 Texaco-Zerssen; Kahlenberg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, a.a.O., § 36 Rn. 171). Wesentlicher Wettbewerb fehlt auch nicht schon dann, wenn auf einem Markt einzelne der zahlreichen denkbaren Wettbewerbsfaktoren nicht eingesetzt werden. Wesentlicher Wettbewerb kann selbst beim Fehlen von Preiswettbewerb vorliegen (BGH WuW/E, BGH 1824, 1827 f. - Tonolli-Blei- und Silberhütte Braubach; Paschke in Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 19 Rn. 199, 209). Ob wegen der Stillegung eines oder einiger Wettbewerbsparameter wesentlicher Wettbewerb fehlt, richtet sich nach der Bedeutung dieses oder dieser Parameter für den Wettbewerbsprozess im Einzelfall, d.h. danach, ob sie für die Durchsetzung des Unternehmens bei der Marktgegenseite als wesentlich gelten müssen oder nicht. Darüber entscheidet die Sicht der Marktgegenseite. Bei hochspezialisierten Produkten, deren gleichbleibende Qualität von überragender Bedeutung für den Nachfrager ist, weil selbst kleinste Qualitätsabweichungen erhebliche Schäden verursachen können (Präzisionsinstrumente, Arzneimittel etc.), kann daher der Qualitäts-, d.h. auch der Forschungs- und Entwicklungswettbewerb, nicht aber der Preiswettbewerb der entscheidende Parameter sein (Paschke in Frankfurter Kommentar, a.a.O., § 19 Rn. 197, 198). Ausgehend von diesen Voraussetzungen haben die zusammenschlussbeteiligten Unternehmen nicht nachweisen können, dass der dargestellte Qualitätswettbewerb durch Produktinnovationen die Voraussetzungen wesentlichen Wettbewerbs erfüllt.

(aaa)

Die Annahme wesentlichen Wettbewerbs durch Qualitäts- und Innovationswettbewerb scheitert aber nicht bereits daran, dass - wie oben ausgeführt - keine Preiswettbewerb herrscht. Die Eigenschaften des Hörgerätes und sein Leistungsvermögen sind für die Durchsetzung eines Hörgeräteherstellers bei der Marktgegenseite wichtiger als sein Preis. Hiervon geht auch die Beschwerde aus. Phonak bezeichnet den Preis selbst als ein unwesentliches Wettbewerbsparameter.

Die Menschen, die auf ein Hörgerät angewiesen sind, empfinden ihre Schwerhörigkeit als eine Behinderung, die sie im Zusammenleben mit anderen Menschen stark beeinträchtigt. Die Kommunikation mit anderen Menschen ist wesentlich erschwert oder nicht mehr möglich und kann sogar zur gesellschaftlichen Ausgrenzung führen. Zwar bewirken Hörgeräte bei schwerhörigen Menschen, dass die Hörfunktionen durch Verstärkung der eingehenden akustischen Signale verbessert wird. Jedoch hängt die optimal zu erzielende Verstärkungsfunktion des Hörgerätes entscheidend von seinem technischen Leistungsvermögen ab. Hinzu kommt, dass das Tragen eines Hörgerätes von den meisten Menschen in optischer Hinsicht als Makel empfunden wird und deshalb das Design und die Größe des Gerätes von entscheidender Bedeutung ist. Auch ist der mit dem Hörgerät verbundene Tragekomfort wesentlich, da das Tragen eines Hörgerätes schnell als unangenehm und störend empfunden wird. Entscheidend für die Auswahl eines bestimmten Hörgerätes ist daher, dass es die Schwerhörigkeit so optimal wie möglich beseitigt, angenehm zu tragen und möglichst unauffällig ist. Für den Erfolg eines Gerätes am Markt ist daher weniger sein Preis entscheidend als vielmehr seine von individuellen Präferenzen abhängigen Qualitäten. Der Erfolg bzw. Misserfolg innovativer Produkte schlägt sich unmittelbar in Marktanteilsgewinnen/-verlusten nieder. So ist der Markterfolg von GN ReSound in den Jahren 2002 bis 2004 auf die Einführung des Modells "ReSound Air" zurückzuführen, das erstmals eine offene Versorgung angeboten hat. Die Marktanteilszuwächse von Phonak ab 2004/2005 sind im mittleren Preissegment wesentlich auf den Erfolg der Modellfamilie "eXTRA" (2005) und "micro Extra" (2006) zurückzuführen. Im oberen Preissegment sind die Marktanteilszuwächse von Phonak in erster Linie auf den Erfolg des Modells Savia zurückzuführen. Dass der Kunde kein Interesse an einem preisgünstigeren, aber technisch veralteten Gerät hat, wenn er ein technisch weiterentwickeltes zu einem höheren Preis erlangen kann, zeigen die Marktanteilsverluste von GN ReSound, nachdem sie an ihr Erfolgsmodell GN ReSound Air nicht durch weitere Innovationen anknüpfen konnten. Trotz ihrer "selling by price"-Strategie (Niedrigpreisstrategie) konnte GN ReSound ein Abschmelzen ihrer Marktanteile nicht verhindern.

(bbb)

Gleichwohl ist der Qualitäts- und Innovationswettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon aber nicht von einer solchen Intensität, dass sich ein Gesamtbild leistungsbezogener Konkurrenz ergibt, mithin die Möglichkeit besteht, sich durch vorstoßenden Wettbewerb erfolgreich (zeitweilig) von der Konkurrenz abzusetzen und einen möglichen Wechsel in der Marktführerschaft herbeizuführen.

Zwar ist es Phonak durch die Produktneueinführung des Modells Savia gelungen, seinen Marktanteil im Jahr 2005 um ca. 9 % zu steigern und diesen Marktanteilsgewinn in 2006 zu verteidigen. Dennoch kann hieraus nicht auf wesentlichen Innovationswettbewerb zwischen Phonak, Siemens und Oticon im August 2007 geschlossen werden. Die Unternehmen haben Vorkehrungen dafür getroffen, dass zwischen ihnen zukünftig wettbewerbsrelevante Innovationsvorsprünge nicht entstehen können.

Der Innovationswettbewerb zwischen Phonak, Siemens und Oticon wird allerdings nicht durch ihre Beteiligung in den Gemeinschaftsunternehmen HIMSA und HIMPP gedämpft.

Die Zusammenarbeit der Hörgeräte-Hersteller Oticon, Phonak, Widex, und ab 2002 Siemens und Starkey in dem Gemeinschaftsunternehmen HIMSA I und HIMSA II hat auch nach Auffassung des Bundeskartellamtes keine wettbewerbsdämpfenden Wirkungen der Gesellschafter untereinander. Die Hersteller haben mit HIMSA die Software-Lösung NOAH geschaffen, die als Schnittstelle zwischen den audiometrischen Messsystemen und der jeweiligen herstellereigenen Anpassungssoftware verwendet wird. Dies hat insgesamt den Vorteil, dass der Hörgeräte-Akustiker die Kundendaten nicht mehr in jede einzelne Anpassungssoftware eingeben muss, sondern über die Schnittstelle zwischen NOAH und der herstellereigenen Anpassungssoftware immer auf die Kundendaten zurückgreifen kann, und zwar unabhängig davon, mit welcher Anpassungssoftware er gerade arbeitet. Hiermit ermöglicht NOAH die Vergleichbarkeit der Produkte unterschiedlicher Hersteller und fördert den Wettbewerb. Der Hörgeräte-Akustiker hat die Möglichkeit, gemeinsam mit den Endkunden problemlos möglichst viele Hörgeräte miteinander zu vergleichen (Seite 66 Beschwerde vom 4. Mai 2007).

Auch von dem Gemeinschaftsunternehmen HIMPP, das 1996 gegründet worden ist und dem alle namhaften Hörgeräte-Hersteller angehören, geht keine wettbewerbsdämpfende Wirkung aus. Dass HIMPP-Patent Portfolio umfasst unstreitig ausschließlich nur Basispatente und keine Patente bezüglich neuer Funktionen und Algorithmen (Rn. 203 UV). Im Jahr 1996 sind die sogenannten 3-M-Patente erworben worden, im Jahr 2002 weitere grundlegende Patente von Decibel-Instruments und im Jahr 2003 Patente von NEC. Soweit das Bundeskartellamt daher in seiner Beschwerdeerwiderung (dort Seite 25) geltend macht, HIMPP habe bis in jüngster Zeit relevante technische Lizenzen erworben, bleibt unklar, um welche Lizenzen es sich außerhalb der genannten grundlegenden Patente gehandelt haben soll. Zwar ist davon auszugehen, dass die von HIMPP erworbenen Grundlagenpatente den Innovationswettbewerb der Hörgeräte-Hersteller bei der ab 1996 beginnenden Digitalisierung beschränkt haben, da die Hörgeräte-Hersteller die Grundlagenpatente zur Herstellung (einfachster) digitaler Hörgeräte genutzt haben und damit keiner von ihnen bei der Einführung der Digitalisierung einen Wettbewerbsvorsprung erlangen konnte. Die digitale Grundlagentechnologie ist aber seit etwa 2000 ausgereift bzw. abgeschlossen. Seitdem finden Neuentwicklungen nicht mehr in den Grundlagen, sondern in darauf aufsattelnden "Features"/Zusatzfunktionen und Algorithmen statt. Da alle ein bis zwei Jahre technische Neuentwicklungen in den Markt eingeführt werden, sind seit Einführung der Digitalisierung etwa drei bis vier neue Produkt-Generationen entwickelt und am Markt platziert worden. Es kann deshalb ausgeschlossen werden, dass HIMPP für die jetzt aktuellen und über die Marktposition entscheidenden Innovationen noch relevante Bedeutung hat. Dies gilt um so mehr, als jedem interessierten Hörgeräte-Hersteller ein diskriminierungsfreier Zugang zu dem Patent-Portfolio von HIMPP gewährt wird.

Eine relevante wettbewerbsdämpfende Wirkung geht aber von den Kreuzlizenzierungsabkommen aus, die Phonak mit Siemens und Oticon geschlossen hat und die einen wechselseitigen Zugriff auf das Patentportfolio der Vertragspartner ermöglichen bzw. ermöglicht haben.

Phonak hat im Jahr 2004 mit Siemens ein "Patent Cross License and Option Agreement" geschlossen (vgl. Bl. 859 AA, Anl. 1 zum Schriftsatz Phonak vom 1. März 2007), das neben der Erteilung bestimmter konkreter Lizenzen in Ziff. 5.2 Optionsrechte der Vertragspartner beinhaltet, die dazu berechtigten, sich bis zum 31.12.2006 bis zu ...... Patente der jeweils anderen Vertragspartei durch bloße schriftliche Anzeige lizenzieren zu lassen. Siemens hat bis zur Beendigung des Vertrages zum 31.12.2006 von Phonak insgesamt ........ Lizenzen und Phonak von Siemens insgesamt .......... Lizenzen erhalten. Das im Jahr 2006 zwischen Phonak und Oticon geschlossene "Patent Cross License and Option Agreement" sieht sogar ein wechselseitiges Optionsrecht der Vertragspartner für jährlich bis zu ....... Patentfamilien vor. Bis Ende 2006 hat Phonak von Oticon bisher ....... Lizenzen und Oticon von Phonak ....... Lizenzen erhalten.

Die genannten Kreuzlizenzierungsabkommen verschaffen den drei marktführenden Unternehmen untereinander jeweils gebührenfreien Zugriff auf das Patentportfolio der anderen Unternehmen. Die Auswahl der Patente ist lediglich zahlenmäßig auf insgesamt fünf (Vertrag Siemens-Phonak) oder auf jährlich bis zu vier (Vertrag Phonak-Oticon) beschränkt. Die Art des Patents bzw. der Bereich, aus dem das Patent stammt, unterliegt keinen Beschränkungen. Die Vertragspartner haben insoweit ein freies Wahlrecht. Sie können sich die Patente aussuchen, die für sie am erfolgsversprechendsten sind. Gelingt daher einem der beteiligten Unternehmen eine bedeutende Innovation, so können auch die anderen beiden Unternehmen im Rahmen der Kreuzlizenzierungsabkommen hierauf zurückgreifen und diese Neuentwicklung für sich nutzen. Hierdurch wird verhindert, dass ein Unternehmen aufgrund einer patentgeschützten Neuentwicklung einen wesentlichen Technologievorsprung erlangt und sich erfolgreich von der Konkurrenz durch Marktanteilszuwächse absetzen kann.

Ohne Erfolg macht Phonak in diesem Zusammenhang geltend, die Anzahl der lizenzierten Patentfamilien sei im Vergleich zu der Anzahl der insgesamt von ihr gehaltenen rund 270 Patentfamilien und der Anzahl, die beispielsweise für eine Produktfamilie verwendet werden - für die Produktfamilie "Savia" waren es mehr als 40 Patente -, sehr gering. Die in den Kreuzlizenzierungsabkommen vereinbarte Anzahl der maximal zu lizenzierenden Patente sagt nichts über die Wettbewerbsrelevanz der einzelnen Patente aus. Es ist durchaus möglich, dass eine den Hörgeräte-Markt wesentlich beeinflussende Neuentwicklung (beispielsweise die erstmalige Verbindung von zwei Hörgeräten zu einem echten binauralen Hörsystem) nur durch eine oder einige wenige Patentfamilien geschützt ist. Entscheidend ist daher nicht die Anzahl, sondern die Qualität und technische Bedeutung des Patents. Insofern ist aber nichts dafür ersichtlich und von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden, dass sich die Schutzrechte nur auf Randbereiche der technologischen Entwicklung und nicht auf aktuelle und marktrelevante Produkt-Entwicklungen beziehen. Die Verträge enthalten keine inhaltlichen Einschränkungen, vielmehr sind die Unternehmen in der Wahl der Patente völlig frei. Überdies stammen die Patente, die von Siemens Phonak und Oticon aufgrund der Kreuzlizenzierungsabkommen tatsächlich lizenziert worden sind, aus Bereichen, in denen nach den Auskünften der Zusammenschlussbeteiligten und der befragten Hörgeräte-Akustiker zukünftig mit technisch bedeutenden Weiterentwicklungen zu rechnen ist. Hierbei handelt es sich um die Bereiche "okklusionsfreie Klangqualität", "Sound Smoothing", "automatischer Mikrofonabgleich", "Weiterentwicklung von Richtmikrofonen", "Datalearning" und "Drahtlos-Übertragungsverfahren".

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Verträge alleine darauf abzielten, Patentverletzungsverfahren zu vermeiden. Zwar trägt Phonak pauschal vor, es sei im Rahmen der Kreuzlizenzierungsabkommen in der Regel nicht zu einem Technologietransfer gekommen, da die Lizenznehmer nur in die Lage versetzt werden sollten, eigene Technologien ohne Patentverletzungen zu entwickeln, nicht jedoch die lizenzierten Technologien für ihre eigene Herstellung zu verwenden. Dieses Vorbringen ist aber nicht geeignet, die wettbewerbsdämpfende Wirkung der Kreuzlizenzierungsabkommen in Fortfall zu bringen. Es findet in dem Vertragsinhalt keine Stütze. Die Verträge enthalten keine Regelungen darüber, dass die Lizenzierung nur der Vermeidung von Patentverletzungen dienen soll und - was bei einem solchen Vertragszweck nahe gelegen hätte - wie zu verfahren ist, wenn die lizenzierte Technologie gleichwohl zur Herstellung der eigenen Produkte benutzt wird. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob es überhaupt eines Technologietransfers bedarf, um die lizenzierte Technik für die eigene Herstellung von Hörgeräten zu verwenden. Gemäß § 34 Abs. 4 PatG, Art. 83 EPÜ ist die Erfindung in der Patenschrift so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Das patentrechtlich geschützte Wissen wird deshalb im Allgemeinen in der Patentschrift offenbart und die Lizenzierung gestattet es dem Lizenznehmer, hiervon Gebrauch zu machen.

Nach alledem führt eine Gesamtschau der die Marktstruktur kennzeichnenden Umstände insbesondere die hohe Markttransparenz und der damit einhergehende fehlende Anreiz für Preiswettbewerb sowie das tatsächliche Wettbewerbsverhalten von Siemens, Phonak und Oticon (kein Preis- und kein wesentlicher Produkt- und Innovationswettbewerb) zu dem Ergebnis, dass Mitte August 2007 nicht mit wesentlichem Binnenwettbewerb zwischen den drei marktführenden Unternehmen gerechnet werden konnte.

bb. Außenwettbewerb

Die Zusammenschlussbeteiligten haben ferner nicht nachgewiesen, dass das aus Siemens, Phonak und Oticon bestehende Oligopol im August 2006 nicht über eine überragende Marktstellung gegenüber den übrigen Wettbewerbern verfügte, der wettbewerbliche Verhaltensspielraum des Oligopols also durch seine Konkurrenten hinreichend wirksam kontrolliert wurde. Vielmehr spricht für eine marktbeherrschende Stellung des Oligopols die Höhe ihres gemeinsamen Marktanteils von 78,5 % (2005) und 81,1 % (2006) sowie der enorm hohe Marktanteilsabstand zu den beiden nachfolgenden Wettbewerbern GNReSound und Widex (Tabelle 8, Rn. 141 UV). Im Jahr 2005 lag ihr Marktanteil bei 7,5-12,5 % (GNReSound) bzw. 5-10 % (Widex) und im Jahr 2006 bei jeweils 5-10%. Umstände, die auf einen gleichwohl funktionierenden Außenwettbewerb hindeuten könnten, liegen nicht vor.

3. Verstärkungswirkung

Die gemeinsame marktbeherrschende Stellung von Siemens, Phonak und Oticon auf dem bundesweiten Absatzmarkt für Hörgeräte an Akustiker wäre durch die beabsichtigte Fusion von Phonak und GN ReSound verstärkt worden.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung muss die durch den Zusammenschluss zu erwartende Verstärkung einer bereits bestehenden marktbeherrschenden Stellung nicht im Sinne des § 1 GWB spürbar sein. Zur Annahme einer solchen Verstärkungswirkung bedarf es daher weder einer Ausweitung der bestehenden Marktanteile noch ist ein Ressourcenzuwachs erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn die die Marktmacht ausgleichende Wirkung des Wettbewerbs durch eine Veränderung der markt- und unternehmensbezogenen Strukturen in noch höherem Maße eingeschränkt wird, als dies schon vor dem Zusammenschluss der Fall war. Ein trotz Markbeherrschung verbliebener oder potentieller Wettbewerb ist um so nachhaltiger zu schützen, je stärker der Grad der durch Konzentration eingetretenen Beschränkung des Wettbewerbs bereits ist (BGH WuW/E DE-R 1419, 1424 - Deutsche Post/trans-o-flex; BGH WuW/E DE-R 1925 - National Geographic II).

a. Auswirkungen auf den Binnenwettbewerb

Durch die beabsichtigte Fusion wäre die marktanteilsbezogene Symmetrie im Oligopol gewachsen und damit die gemeinsame marktbeherrschende Stellung von Siemens, Phonak und Oticon verfestigt worden.

Führt die Fusion zu einer Verengung des Oligopols und einer größeren Symmetrie, ist regelmäßig von einer Erhöhung der Reaktionsverbundenheit und damit regelmäßig von einer Verstärkungswirkung auszugehen (Bechtold, aaO., § 36 Rn. 21 m.w.Nachw.). So liegt der Fall hier.

Der Marktanteil von Phonak wäre durch den Zusammenschluss von 20-25 % auf 27,5-32,5 % angewachsen, so dass der Marktanteilsabstand zu Siemens (32,5-37,5 %) auf 5 % verringert worden wäre (vgl. Tabelle 13 Rn. 289 UV). Außerdem wäre Phonak das gesamte unternehmerische Potential von GN ReSound zugewachsen (Rn. 299-302 UV).

b. Auswirkungen auf den Außenwettbewerb

Die beabsichtigte Fusion hätte eine weitere Schwächung des verbliebenen Außenwettbewerbs erwarten lassen. Mit GN ReSound wäre der größte Wettbewerber des Oligopols weggefallen. Zudem wäre der gemeinsame Marktanteil des Oligopols auf etwa 90 % angestiegen und auch der Marktanteilsabstand zu dem nunmehr nächst größten Wettbewerber hätte sich vergrößert. Der Marktanteilsabstand zu Widex hätte 80-85 % betragen (Tabelle 13 Rn. 289 UV).

IV.

Das Bundeskartellamt hat das Zusammenschlussvorhaben gemäß §§ 36, 40 Abs. 2 Satz 1 GWB zu Recht in vollem Umfang untersagt. Es war weder verpflichtet, seinen Untersagungsausspruch auf die von der Fusion betroffenen inländischen Gesellschaften des Zielunternehmens zu beschränken (vgl. unter 1.), noch von einer Untersagung abzusehen und das Zusammenschlussvorhaben stattdessen gemäß § 40 Abs. 3 GWB unter den angebotenen Nebenbestimmungen freizugeben (vgl. unter 2.).

1.

Eine Beschränkung der Untersagung auf die inländischen Gesellschaften des Zielunternehmens GN ReSound (Interton Electronic Hörgeräte GmbH, GN ReSound GmbH Hörtechnologie, GN Hearing GmbH) kam nicht in Betracht, weil hierdurch eine fusionsbedingte Verstärkung des marktbeherrschenden Oligopols auf dem inländischen Absatzmarkt für Hörgeräte nicht verhindert worden wäre. Das Zusammenschlussvorhaben ist nicht teilbar.

Für die Frage der Teilbarkeit eines Zusammenschlusses kommt es maßgeblich darauf an, ob der den Inlandsbezug ergebende Sachverhalt sich sinnvoll ohne Einbeziehung des Auslandssachverhalts regeln lässt. Dies ist der Fall, wenn eine Untersagung des Inlandsteils des Zusammenschlusses genügt, um die Belange der innerstaatlichen Wettbewerbsordnung zu schützen und eine Einmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten zu vermeiden (KG WuW/E OLG 3057 f. - Morris/Rothmanns).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der den Inlandsbezug ergebende Sachverhalt lässt sich nicht sinnvoll ohne Einbeziehung des Auslandssachverhalts regeln. Zutreffend ist das Bundeskartellamt davon ausgegangen, dass sich die Marktstellung des Zielunternehmens im Bundesgebiet nicht in den Kapazitäten und Ressourcen seiner inländischen Vertriebsgesellschaften und der in der Hörgeräteproduktion tätigen Tochtergesellschaft "Interton" erschöpft, sondern darüber hinaus maßgeblich auch durch die im Ausland vorhandenen Produktionskapazitäten und das dortige technische Know-how nebst des dazugehörigen umfangreichen Patentportfolios bestimmt wird. Dementsprechend macht die Produktion der "Interton" nach den Feststellungen des Amtes lediglich 20 bis 25 % des inländischen Hörgeräteumsatzes von GN ReSound aus, wobei das Unternehmen ganz überwiegend Hörgeräte im Preissegment zwischen 201 € und 600 € produziert und in dem - für den Innovationswettbewerb wichtigen - Preissegment über 750 € überhaupt nicht vertreten ist. Bereits diese Tatsachen zwingen zu der Annahme, dass die im Bundesgebiet fusionsbedingt eintretende Wettbewerbsbeschränkung durch eine auf das Inland begrenzte Untersagungsentscheidung nur unzureichend abgewehrt werden kann. Denn wie bereits ausgeführt genügt für eine Verstärkungswirkung, dass der Zusammenschluss überhaupt eine - wenngleich geringe - Verbesserung der Wettbewerbssituation für das marktbeherrschende Unternehmen nach sich ziehen kann. Die gemeinsame Stellung des Oligopols wäre durch die Fusion aber auch dann verstärkt, wenn Phonak nur der Erwerb der im Inland gelegenen Unternehmensteile verboten worden wäre. Zwar wäre es dann nicht zum einem Marktanteilszuwachs auf dem deutschen Markt gekommen. Durch den Erwerb der im Ausland gelegenen Unternehmen GNReSound A/S und GN US Holding Inc. wäre Phonak aber die im Ausland vorhandenen Produktionskapazitäten und das dortige technische Know-how nebst des dazugehörigen umfangreichen Patentportfolios mit der Folge zugewachsen, dass die Fähigkeit, nachstoßenden Wettbewerb abzuwehren und die bereits errungene Marktposition zu erhalten und zu sichern, auch auf dem deutschen Markt weiter verstärkt worden wäre.

Einer Volluntersagung des Zusammenschlusses stehen ferner keine völkerrechtlichen Gründe entgegen. Aus dem Missbrauchs- und Einmischungsverbot kann ein Vorrang des ausländischen Rechts nur in Ausnahmefällen hergeleitet werden. Erforderlich ist, dass die Untersagung des Auslandszusammenschlusses zu erheblichen Störungen im Veranlasserstaat führt und bei einer Abwägung der beiderseitigen Belange dessen Interesse eindeutig überwiegt. Das legitime inländische Interesse, die eigene Wettbewerbsordnung mit den Mitteln des Kartellrechts auch gegen wettbewerbsbeschränkende Auslandszusammenschlüsse zu schützen, tritt nicht alleine deshalb zurück, weil der Schwerpunkt des Zusammenschlusses im Ausland liegt. Umgekehrt setzen sich die Belange des Veranlasserstaates nicht schon deswegen durch, weil der beabsichtigte Zusammenschluss mit der ausländischen Rechtsordnung vereinbar oder er dort nach einer kartellbehördlichen Prüfung freigegeben worden ist. Nicht ausreichend ist ebenso, wenn der Unternehmenszusammenschluss im Ausland begrüßt wird, ohne dass mit dem Fusionsvorhaben zugleich wichtige wettbewerbs- oder wirtschaftspolitische Ziele verfolgt werden. Entscheidend ist eine Abwägung der beiderseitigen Betroffenheit. Gegenüber zu stellen sind die Stärke der wettbewerbsbeschränkenden Inlandswirkung sowie die Verbindung der beteiligten Unternehmen zur inländischen Rechtsordnung auf der einen Seite und Art sowie Ausmaß einer Beeinträchtigung legitimer politischer Ziele des betroffenen ausländischen Staates auf der anderen Seite. Nur wenn das Interesse des ausländischen Staates an der Fusion die Schutzbedürftigkeit der inländischen Wettbewerbsordnung eindeutig überwiegt, scheidet die (Total-)Untersagung des Vorhabens aus (vgl. Rehbinder, a.a.O. § 130 Rdnr. 280; Stadler, a.a.O. § 130 Rdnr. 194; Lindemann, a.a.O. § 130 Rdnr. 266).

Vorliegend ist dies nicht der Fall. Zu § 130 Abs. 2 GWB ist bereits ausgeführt worden, dass sich weder aus der Eingabe des Staatssekretariats für Wirtschaft der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 20. Juli 2007 noch aus dem sonstigen Akteninhalt hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die vom Bundeskartellamt ausgesprochene Untersagung gewichtige wettbewerbliche oder wettbewerbspolitische Interessen Dänemarks oder der Schweiz beeinträchtigt haben. Erst recht ist nicht zu erkennen, dass der Zusammenschluss für die Belange der genannten beiden Länder derart bedeutsam ist, dass die Untersagungsbefugnis des Bundeskartellamtes aus völkerrechtlicher Rücksichtnahme dahinter zurücktreten muss.

2.

Das Bundeskartellamt war schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots gehalten, von einer Untersagung abzusehen und das Zusammenschlussvorhaben stattdessen gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 GWB unter den angebotenen Nebenbestimmungen freizugeben.

Ob das Bundeskartellamt den Zusammenschluss untersagt oder von der Möglichkeit einer Freigabeentscheidung unter Beifügung von Bedingungen und Auflagen Gebrauch macht und welche Art der Beschränkungen das Bundeskartellamt wählt, steht nach § 40 Abs. 3 Satz 1 GWB in seinem pflichtgemäßem Ermessen (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 40 Rn. 61). Es hat hierbei zu prüfen, ob sich aufgrund konkreter Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, dass die der Freigabe beigefügte Nebenbestimmung die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB entfallen lässt. Verbleiben bei der notwendigen ex-ante Betrachtung vernünftige Zweifel an der Eignung der Nebenbestimmung, verbleibt es bei der Untersagungspflicht (Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, aaO., § 40 Rn. 51; Senat, Beschluss vom 12.11.2008, VI-Kart 5/08 (V) - Kupferstranggussformate - Umdruck Seite 28).

Wegen des eingeräumten Ermessensspielraums ist die gerichtliche Überprüfung darauf beschränkt, ob das Bundeskartellamt von seinem Ermessen Gebrauch gemacht hat, insbesondere von unrichtigen Vorstellungen ausgegangen ist, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat, durch die konkrete Ermessensentscheidung Sinn und Zweck des Gesetzes verfehlt oder bei der Ermessensentscheidung Interessen eines Beteiligten in erheblicher Weise außer Acht gelassen hat (Senat, Beschluss vom 7. Mai 2008 - VI-Kart 13/07 (V), Umdruck Seite 28 - Cargotec)

Diese Prüfung ergibt im Entscheidungsfall keinen Ermessensfehler.

Die Auflagenvorschläge der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen sind nicht geeignet, die Untersagungsvoraussetzungen entfallen zu lassen. Im einzelnen haben die Fusionsbeteiligten vorgeschlagen:

1. Phonak und GN ReSound stellen sämtliche Meldungen an den ZVEI ein und nehmen an der Auswertung der Daten nicht mehr teil;

2. Phonak kündigt das mit Oticon bestehende Kreuzlizenzabkommen und schließt keine vergleichbaren Abkommen mehr ab;

3. Phonak und GN ReSound beenden ihre Gesellschafterstellung in HIMPP;

4. Phonak wird Interton Electronic Hörgeräte GmbH einschließlich der von ihr abhängigen Unternehmen nicht erwerben oder nach dem Zusammenschluss an einen Dritten veräußern;

5. Phonak wird GN ReSound GmbH Hörtechnologie und alle ihr zuzurechnenden deutschen Vermögenswerte nicht erwerben oder an einen Dritten veräußern. Durch alle insoweit möglichen Vereinbarungen wird sichergestellt, dass die Marktstellung von GN ReSound in Deutschland auf einen Dritten übergeht. Phonak verpflichtet sich zu exklusiver Belieferung und wird dem Erwerber in Deutschland mit GN ReSound Geräten keinen Wettbewerb leisten.

a.

Die Zusagenvorschläge (1)-(3) waren weder allein noch in ihrer Gesamtheit geeignet, die Bedingungen auf dem relevanten Markt so zu verändern, dass zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit wesentlicher Binnenwettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon zu erwarten gewesen wäre, mithin von einem marktbeherrschenden Oligopol nicht ausgegangen werden kann, da die Oligopolvermutung als widerlegt anzusehen ist.

Wenn sich Phonak und GN ReSound zukünftig nicht mehr am ZVEI-Meldesystem beteiligt hätten (Vorschlag (1)), wäre der Markt für sie insoweit intransparenter geworden, als sie insbesondere nicht mehr monatlich über die Gesamtstückzahlen und Umsatzdaten sowie die durchschnittlichen Herstellerabgabepreise in den einzelnen Listenpreissegmenten in Kenntnis gesetzt worden wären. Gleichwohl hätte der Verzicht auf eine Teilnahme am ZVEI-Meldesystem nicht zur Folge gehabt, dass wesentlicher, die Oligopolvermutung widerlegender Preiswettbewerb zwischen Phonak, Siemens und Oticon entsteht. Wie bereits ausgeführt, ist die relativ hohe Markt- und Preistransparenz nicht nur auf das ZVEI-Meldesystem, sondern auch auf die hohe Frequenz der Kundenbesuche, die jährlichen Konditionenverhandlungen und den damit verbundenen (indirekten) Informationsaustausch über die Preise- und Preisverhandlungen zurückzuführen. Darüber hinaus spielt der Preis - wie bereits ausgeführt - nicht die entscheidende Rolle im Wettbewerb der Hörgeräte-Hersteller untereinander; wesentliches Wettbewerbsparameter ist der Qualitäts- und Innovationswettbewerb, da er über den Erfolg am Markt entscheidet.

Soweit Phonak angeboten hat, das Kreuzlizenzierungsabkommen mit Oticon zu kündigen und zukünftig keine weiteren vergleichbaren Abkommen mit Siemens und Oticon zu schließen (Vorschlag (2)), ist diese Zusage gleichfalls nicht geeignet, die Untersagungsvoraussetzungen in Fortfall zu bringen. Es ist zweifelhaft, ob im August 2007 ohne die Kreuzlizenzierungsabkommen wesentlicher Qualitäts- und Innovationswettbewerb zwischen Siemens, Phonak und Oticon zu erwarten gewesen wäre. Der Zeitraum, der einer solchen Zukunftsbetrachtung zur Grunde zu legen ist, beträgt in der Regel 3 bis 5 Jahre. In Anbetracht der Innovationsgeschwindigkeit und der Produkteinführungszyklen auf dem Hörgerätemarkt ist dieser Zeitraum im Entscheidungsfall aber auf maximal drei Jahre zu beschränken. Hiergegen haben die Zusammenschlussbeteiligten in der mündlichen Verhandlung keine Einwände erhoben. Legt man diesen Zeitraum zu Grunde, so konnte im August 2007 nicht davon ausgegangen werden, dass ohne die Kreuzlizenzierungsabkommen in den nächsten zwei bis drei Jahren funktionsfähiger Qualitäts- und Innovationswettbewerb entstehen wird. Im Rahmen der in Rede stehenden Kreuzlizenzierungsabkommen ist es bereits zu einem umfangreichen Patentaustausch gekommen. So haben sich Siemens und Phonak jeweils erst kurz vor Beendigung des Kreuzlizenzierungsabkommens zum 31.12.2006 fünf Patentfamilien wechselseitig lizenziert. Auch Phonak und Oticon haben bis Ende 2006 von ihrem Optionsrecht für jährlich bis zu vier Patenfamilien jedenfalls für 2006 in vollem Umfang Gebrauch gemacht. Dass die lizenzierten Patente von Anfang an keinen Einfluss auf den Innovationswettbewerb hatten oder jedenfalls im August 2007 nicht mehr hatten, ist nicht ersichtlich und im Übrigen von den Zusammenschlussbeteiligten auch nicht geltend gemacht werden. Wenn die Patente für die jeweiligen Lizenznehmer ohne Bedeutung für ihr Produktentwicklung gewesen wären, hätten sie bei vernünftiger Betrachtung von ihrem Optionsrecht keinen Gebrauch gemacht. Überdies bedarf es einer beträchtlichen Verlaufzeit, bis von den Lizenzen Gebrauch gemacht wird und sie am Markt zum Einsatz kommen.

Der Zusagenvorschlag (3), wonach Phonak und GN ReSound ihre Gesellschafterstellung in HIMPP beenden, ist bedeutungslos, weil nach Ansicht des Senates die Beteiligung an HIMPP keine wettbewerbsdämpfenden Wirkungen entfaltet.

b.

Schließlich sind auch die Zusagenvorschläge (4) und (5) nicht geeignet, die durch das Zusammenschlussvorhaben zu erwartende Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Oligopols zu beseitigen. Selbst wenn Phonak die Interton Electronic Hörgeräte GmbH, Münster, und (alternativ oder zusätzlich) die GN ReSound GmbH Hörtechnologie und alle GN ReSound im Hörgerätebereich zurechenbaren und in Deutschland belegenen Vermögenswerte nicht erwerben oder nach dem Zusammenschluss an einen Dritten veräußern würde, wäre gleichwohl eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung des Oligopols zu erwarten gewesen. Allein der Erwerb der im Ausland gelegenen Unternehmensteile von GN ReSound hätte das Wettbewerbspotential von Phonak auch auf dem nationalen Markt verbessert. Das unternehmerische Potential von GN ReSound liegt - neben der Marktposition in Deutschland - insbesondere in seinem Patentportfolio, seinem technologischen Potential im High-End-Bereich und seinen Produktionskapazitäten. All dies würde Phonak auch bei Erfüllung der angebotenen Veräußerungsvorschläge zuwachsen. Phonak könnte nicht nur auf das gesamte Patentportfolio von GN ReSound, sondern auch auf die für 2007 geplanten Produktneueinführungen (vgl. Rn. 300-302 UV) zurückgreifen. Dieses technologische know-how könnte sie sich somit (auch) für die Herstellung ihrer in Deutschland abgesetzten Hörgeräte zunutze machen. Zudem wirkt sich der Erwerb der im Ausland gelegenen Produktionsgesellschaften von GN ReSound infolge der damit verbundenen Synergien im Entwicklungs- und Produktionsbereich auch auf die Entwicklungs- und Produktionskosten der im Inland vertriebenen Hörgeräte positiv aus. Wird aber die Wettbewerbsposition von Phonak - so wie dargestellt - gestärkt, wächst die Symmetrie im Oligopol, da Phonak durch den dargestellten Ressourcenzuwachs von GN ReSound näher an den Oligopolisten Siemens heranrückt. Dies bewirkt wiederum eine noch höhere Reaktionsverbundenheit zwischen Siemens, Phonak und Oticon.

Dass mit einer Veräußerung der im Inland gelegenen Unternehmensteile von GN ReSound an einen Oligopolaußenseiter eine Stärkung des Außenwettbewerbs verbunden gewesen wäre, kann zwar nicht in Zweifel gezogen werden, da hiermit ein Marktanteilserwerb von 5-10 % verbunden ist. Da der Marktanteil des hier von der Beschwerde als Kaufinteressent genannten Unternehmens lediglich auf maximal 10 % angestiegen wäre, kann jedoch ausgeschlossen, dass hierdurch wesentlicher Außenwettbewerb entstanden wäre. Es verbliebe bei einem Marktanteil des Oligopols von über 80 % und einem Marktanteilsabstand zum nächsten Wettbewerber von 70 - 75 %. Dass bei dieser Situation der wettbewerbliche Verhaltensspielraum des Oligopols durch seine Konkurrenten hinreichend wirksam kontrolliert wird, ist nicht ersichtlich und von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt worden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs. 1 GWB.

Die Beteiligten zu 1 und 5 haben als im Beschwerdeverfahren unterlegene Parteien die Gerichtskosten zu tragen sowie dem obsiegenden Bundeskartellamt die ihm in der Beschwerdeinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 74 Abs. 2 GWB.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens war gemäß §§ 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 39 Abs. 2 GKG auf 30 Mio. € festzusetzen.

Ende der Entscheidung

Zurück