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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.05.2008
Aktenzeichen: VI-Kart 9-11/07 (OWi)
Rechtsgebiete: GWB, OWiG, StPO


Vorschriften:

GWB § 1
GWB § 81 Abs. 1
GWB § 81 Abs. 1 Nr. 1
GWB § 81 Abs. 2
GWB § 81 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative
OWiG § 4 Abs. 1
OWiG § 4 Abs. 2
OWiG § 4 Abs. 3
OWiG § 17 Abs. 1
OWiG § 17 Abs. 2
OWiG § 17 Abs. 3
OWiG § 19
OWiG § 30 Abs. 1 Nr. 1
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 249 Abs. 1
StPO § 249 Abs. 2
StPO § 465 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Gegen die G. W. W. M. GmbH (Nebenbetroffene) wird wegen einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 1 GWB, jeweils in der Fassung vom 26.08.1998, begangen durch ihren Geschäftsführer M. S., durch die Pflichten verletzt worden sind, die die Nebenbetroffene trafen, eine Geldbuße in Höhe von 225.000 € festgesetzt.

II. Die Nebenbetroffene hat die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 1 GWB in der Fassung vom 26.08.1998, § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG

Gründe:

I.

1.

Die Nebenbetroffene ist ein Unternehmen der Firmengruppe der belgischen G. W. W. M. N.V. (im folgenden: G. N.V.). Die G. N.V. hält einen Gesellschaftsanteil von .. % an der Nebenbetroffenen. Die Nebenbetroffene wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 29.02.1996 gegründet. Sie war bis zu ihrer Insolvenz im Jahre 2007 u.a. im Umzugsgeschäft für Haushaltsgüter von Mitgliedern der US-amerikanischen Streitkräfte von den USA nach Deutschland und umgekehrt tätig. Ihre Tätigkeit bestand u.a. darin, als sogenannter Lokalagent die Ver- bzw. Entpackungsleistungen am US-Stützpunkt der Soldaten in Deutschland, soweit erforderlich die Lagerung des Umzugsguts sowie dessen Transport zwischen deren Standort in Deutschland, einem eventuellen Lager und dem Seehafen durchzuführen (sog. Code-4 Geschäft). Geschäftsführer der Nebenbetroffenen ist seit Gründung der Gesellschaft Herr M. S.. Dieser hat zumindest in den Jahren zwischen 2000 und 2002 auch die G. N.V. vertreten.

Mit Beschluss vom 29.10.2007 hat das Amtsgericht Ludwigsburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Nebenbetroffenen eröffnet und Rechtsanwalt R. G. aus S. zum Insolvenzverwalter bestellt.

Die wirtschaftliche Tätigkeit der Nebenbetroffenen verlief zunächst gut. Der Gewinnvortrag betrug in den Jahren 2003, 2004 und 2005 jeweils über eine Million Euro. In den Jahren 2005 und 2006 wurden Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter in Höhe von insgesamt rund 1,6 Mio. Euro vorgenommen. Der Gewinnvortrag für 2006 betrug anschließend noch 8.830,29 Euro. Für 2007 betrug er ebenfalls rund 8.800 Euro. Der Zwischenabschluss des Jahres 2006/2007 zeigte eine bilanzielle Überschuldung, die zur Einleitung des Insolvenzverfahrens führte.

In dem Insolvenzverfahren wurden Forderungen in Höhe von insgesamt circa 585.000 Euro angemeldet, von denen im Zeitpunkt der Hauptverhandlung rund 225.000 Euro festgestellt waren. In den bestritten Forderungen sind solche der Finanzbehörden wegen nachzuzahlender Umsatzsteuer in Höhe von etwa 270.000 Euro enthalten, denen eine Schätzung der steuerbaren Umsätze zugrunde liegt. Von den insgesamt angemeldeten Forderungen entfallen 230.000 bis 240.000 Euro auf offene Rechnungen der Konzernmutter G. N.V.. Hinzu kommt eine Reihe kleinerer Forderungen dritter Gläubiger. Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung bestand Uneinigkeit über die Höhe berechtigter Kapitalersatzforderungen der Nebenbetroffenen gegenüber der Konzernmutter G. N.V. in Höhe von circa 406.000 Euro. Rund 200.000 Euro hiervon sind zwischen den Gesellschaften streitig. Die liquiden Mittel der Gesellschaft betrugen im Zeitpunkt der Hauptverhandlung weniger als 140.000 Euro.

Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit der Konzernmutter G. N.V. bestehen nicht.

2.

Die im Code-4-Geschäft nachgefragten Umzugsleistungen werden von der US-Militärverwaltung zweimal jährlich (Sommerzyklus und Winterzyklus) nach Durchführung eines Bieterwettbewerbs unter den sog. ITBL-Carriern (im Folgenden: Carrier) vergeben. Bei diesen Carriern handelt es sich um zugelassene amerikanische Firmen, die die Umzüge als Generalunternehmer durchführen. Sie bedienen sich zur Leistungserbringung ihrerseits Drittfirmen, die sie selbst oder über einen als Vertragsvermittler eingeschalteten Generalagenten beauftragen.

Das Bieterverfahren verläuft in den USA zweistufig: Zunächst werden - bezogen auf jeden US-Bundesstaat - Gebote der Carrier für die jeweilige Route nach Deutschland oder von Deutschland in die USA abgegeben. Die besten fünf Angebote je US-Bundesstaat werden veröffentlicht. Das beste Angebot wird dabei als "Prime Rate" bezeichnet, die weiteren als "Second Low" etc.. Dem Carrier, der für einen Bundesstaat die Prime Rate gesetzt hat, wird ein bestimmtes Auftragsvolumen garantiert. Er ist insoweit aber auch verpflichtet, dieses zu übernehmen. Erst nach einer von den US-Behörden festgelegten Frist darf er sein Angebot zurückziehen. Die übrigen Anbieter haben nach Veröffentlichung der Raten die Möglichkeit, die Prime Rate oder einen der nächstplatzierten Angebotspreise zu übernehmen, die günstiger sind als der eigene Angebotspreis (sog. "Mee-Too-Verfahren"). Hiermit können sie ihre Aussichten auf die Übernahme eines Teils der Tonnage erhöhen.

Seit Mitte der 1990er Jahre boten verschiedene Generalagenten (G. N.V., P., ab 2000 auch I.) eine sog. "Landed Rate" an, innerhalb derer die Leistungen des Seetransports, der Hafenagenten in Deutschland und der Lokalagenten in Deutschland zu einem einheitlichen Preis je 100 lbs. zusammengefasst und angeboten wurden. Vertragspartner der Lokalagenten waren nunmehr nicht mehr die Carrier, sondern der jeweilige Landed Rate-Anbieter, der seinerseits den Lokalagenten beauftragte. Der Vorteil dieses Landed Rate-Systems lag für die Lokalagenten darin, dass ihnen eine feste Rate von dem Landed Rate-Anbieter garantiert und (unabhängig von etwaigen Zahlungsverweigerungen und Ersatzforderungen der Carrier) auch gezahlt wurde. Zudem entfiel das Währungsrisiko, da innerhalb des Landed Rate-Systems die Vergütung für die Lokalagenten in DM/Euro geschuldet wurde, während die Abrechnung zuvor gegenüber den Carriern in Dollar erfolgte. Auch für die Carrier war das System von Vorteil, da sie das in Rede stehende Leistungsbündel nicht mehr mit einer Vielzahl von Unternehmen verhandeln und abwickeln mussten, sondern nur noch mit einem Vertragspartner, dem Landed Rate-Anbieter, zu tun hatten.

Durch die massive Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland nach dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 1990er Jahre kam es zunächst zu einer stark steigenden Nachfrage nach Umzugsleistungen im Code-4 Geschäft. Dies führte dazu, dass sowohl neue Carrier in den USA als auch neue Lokalagenten in Deutschland auf den Markt drängten. Nachdem die Truppenabzüge abgeschlossen waren, ging die Nachfrage deutlich zurück, was zu erheblichen Überkapazitäten im Lokalagentengeschäft führte. Die Carrier nutzten diese Marktlage konsequent aus und setzten die Lokalagenten preislich immer stärker unter Druck. Das führte zu einem erheblichen Preisverfall und in dessen Folge letztlich zu nicht mehr auskömmlichen Raten der Lokalagenten. So stiegen die Raten pro 100 lbs. Transportgut im umsatzstarken sog. Outbound-Geschäft (Transport von Deutschland in die USA) von zunächst 30 DM in den 1970er Jahren auf über 50 DM und fielen anschließend Ende der 1990er Jahre auf unter 40 DM ab. Verschärft wurde die wirtschaftliche und wettbewerbliche Situation für die Lokalagenten dadurch, dass es zu zahlreichen Carrier-Insolvenzen mit Forderungsausfällen kam. Außerdem erwies sich die Durchsetzung der Forderungen gegen die Carrier als schwierig, weil diese - aus der Sicht der Lokalagenten zu Unrecht - immer wieder Zahlungen mit dem Argument von Mängel- oder Schadensrügen zurückhielten. Ein großer Teil dieser einbehaltenen Zahlungen war für die deutschen Lokalagenten uneinbringlich.

3.

Aufgrund dieser Marktsituation kam es anlässlich eines regelmäßigen Kontakttreffens diverser Lokalagenten, Generalagenten, Carriern und anderen im Umzugsgeschäft amerikanischer Soldaten tätigen Personen und Unternehmen am 14. November 2000 in S. zu einer Vereinbarung von insgesamt sechs in Deutschland tätigen Lokalagenten, die einen Marktanteil von mehr als 50 % des deutschen Lokalagentenmarktes repräsentierten. Hierbei handelte es sich um die Nebenbetroffene, vertreten durch ihren Geschäftsführer M. S., die V.-Gruppe, vertreten durch Herrn S., B. G. AG, vertreten durch den Zeugen W., die Spedition C., vertreten durch Herrn B., die I. M. GmbH, vertreten durch den Zeugen G., und schließlich die Spedition D., vertreten durch Herrn D.. Diese Lokalagenten einigten sich darauf, zukünftig nur noch für solche Carrier tätig zu werden, die bereit waren, im Landed Rate-System zu arbeiten; die anderen Carrier sollten also mit einer Liefersperre belegt werden. Ziel der Übereinkunft war es, die Carrier in das Landed Rate-System zu zwingen, um auf diesem Weg zunächst stabile und später steigende Raten zu erreichen. Die vereinbarte Liefersperre sollte für unbestimmte Zeit gelten und erstmals im Sommerzyklus 2001 (01.04. bis 30.09.2001) praktiziert werden. Dabei bestand Einvernehmen zwischen den an der Absprache Beteiligten, dass die übrigen auf dem Markt tätigen Lokalagenten über die Absprache informiert und in diese eingebunden werden sollten.

Jedenfalls M. S. wusste, dass es sich bei der Absprache der Liefersperre um ein wettbewerbsrechtlich verbotenes Verhalten handelte.

Die genannten Lokalagenten setzten in der Folgezeit die getroffene Absprache um. Dazu gab die G. N.V. - vertreten durch ihren Geschäftsführer M. S. und/oder den Mitarbeiter Geurts - vor jedem Zyklus die Landed Rate vor; zugleich bot sie den Lokalagenten eine bestimmte Rate an, die ihnen für ihre Leistungen im Landed Rate-System gezahlt werden sollte. Aus diesem Grund fanden nach November 2000 bis Mitte Juli 2002 zahlreiche Treffen der genannten Lokalagenten - zuweilen ohne Herrn D. oder auch in einem größeren Kreis mit Carriern, weiteren Lokalagenten oder Vertretern der Landed Rate-Anbieter - statt. An den Treffen nahm (u.a.) M. S. sowohl für die G. N.V. als auch in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Nebenbetroffenen teil. Abstimmungen im Kreis der Lokalagenten fanden außerdem statt, wenn Carrier, die das Landed Rate-System ablehnten, in der Ausschreibung eine Prime Rate gesetzt hatten, aus der die bekannt gegebene Landed Rate - und infolge dessen auch die zugesagte Rate der Lokalagenten - nicht in voller Höhe gezahlt werden konnten. Dies betraf die Carrier C. und C..

Der Carrier C. setzte für den Sommerzyklus 2001 in 14 US-Bundesstaaten eine Prime Rate, die die bekannt gemachte Landed Rate und die daraus abgeleitete auskömmliche Vergütung der Lokalagenten nicht abdeckte. Die an dem Beschluss von S. beteiligten Lokalagenten (ohne Herrn D.), darunter auch M. S. für die Nebenbetroffene, kamen am 09.01.2001 in R. überein, von dem Carrier C. im Sommerzyklus 2001 keine Aufträge anzunehmen und ferner die übrigen Carrier zu veranlassen, nur auf die Second Low-Rate einzusteigen. Diese Maßnahme wurde auch durchgeführt. Jeder der beteiligten 5 Lokalagenten informierte "seine" Carrier von der Übereinkunft. Der Carrier C. zog sein Angebot zurück. In keinem der betroffenen Bundesstaaten wurde die Prime Rate zur Grundlage der über das Landed Rate-System abgewickelten Transportverträge.

Ähnlich wurde im Sommerzyklus 2002 verfahren. Der Carrier C. hatte in 12 US-Bundesstaaten eine zur Deckung der Landed Rate unzureichende Prime Rate gesetzt. Die vorgenannten 5 Lokalagenten und jedenfalls die Landed Rate-Anbieter G. N.V. und I. vereinbarten daraufhin, keinen Carrier, der auf die Prime Rate einsteigen würde, zu bedienen, und teilten dies den Carriern mit. Dem Carrier C. wurde gleichzeitig zugestanden, 10 % des Auftragsvolumens abzuwickeln, sofern er sein darüber hinausgehendes Angebot zurückziehen würde. Für C. bot diese Verfahrensweise den Vorteil, dass er den - ansonsten bei Rückzug eines Ratenangebotes üblichen - flächendeckenden Ausschluss vom Ausschreibungsverfahren verhindern und somit in den übrigen US-Staaten weiterhin am Geschäft teilnehmen konnte. Die Abwicklung der 10 %-Marge wurde von dem Zeugen G. (Fa. I. M. GmbH) kontrolliert. Nach Durchführung des zugestandenen Auftragsvolumens zog der Carrier C. absprachegemäß sein Angebot zurück. Kein weiterer Carrier stieg in den 12 US-Bundesstaaten auf die C.-Rate ein.

Die Liefersperre hatte zur Folge, dass die Raten der Lokalagenten nach November 2000 in deutlichen Schritten anstiegen und sich verfestigten. So entwickelte sich die Rate für Transporte von Deutschland nach den USA pro 100 lbs. von unter 40 DM im Winterzyklus 2000/2001 auf über 50 DM im Sommerzyklus 2001, um auf diesem Niveau bzw. leicht darüber bis zum Sommerzyklus 2002 zu verbleiben. Die Rate der Lokalagenten im Transportgeschäft von den USA nach Deutschland entwickelte sich in dem genannten Zeitraum gleichermaßen von unter 10 DM auf 20 bis 30 DM je 100 lbs.

Die an dem S. Beschluss und den Folgetreffen nicht beteiligten Lokalagenten wurden jeweils zeitnah über die abgestimmten Ratenanpassungen und die zur Durchsetzung der Liefersperre beschlossenen Maßnahmen (Carrier C. und C.) informiert. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle schlossen sie sich den verabredeten Maßnahmen an.

Das Kartell endete mit seiner Aufdeckung im Sommer 2002. Die Raten der Lokalagenten blieben zunächst auf dem erreichten hohen Niveau, bevor sie in kleinen Schritten sanken.

II.

Die Nebenbetroffene hat sich dahingehend eingelassen, dass ihr Geschäftsführer M. S. bei den in Rede stehenden Verabredungen nicht für die Nebenbetroffene, sondern ausschließlich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der G. N.V. aufgetreten sei. Die Nebenbetroffene selbst sei außerdem als Lokalagentin nicht tätig gewesen. Sie habe sich lediglich als Fakturierungs- und Kontrollstelle für die Konzernmutter G. N.V. betätigt.

III.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf Zeugenaussagen sowie auf Urkunden, die der Senat gemäß § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 249 Abs. 1, Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Die Einlassung der Nebenbetroffenen ist widerlegt durch das Ergebnis der Beweisaufnahme.

1.

Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Nebenbetroffenen beruhen auf den Angaben des Insolvenzverwalters G. und dem Handelsregistersauszug des Amtsgerichts Stuttgart (HRB ...) vom 05.05.2008 ("Liste der im Wege des Selbstleseverfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OwiG, § 249 Abs. 2 StPO eingeführten Schriftstücke" gemäß Sitzungsprotokoll vom 19.05.2008 - nachfolgend: Urkundenliste 1). Durch den eingeholten Handelsregisterauszug ist nachgewiesen, dass M. S. seit Gründung der Gesellschaft - und somit auch im streitbefangenen Zeitraum von November 2000 bis Sommer 2002 - Geschäftsführer der Nebenbetroffenen war. Der Insolvenzverwalter hat dem Gericht anhand seiner Unterlagen die aktuelle wirtschaftliche Situation der Nebenbetroffenen geschildert. Er hat hierbei insbesondere die festgestellten Gewinnausschüttungen in Millionenhöhe und die danach verbliebenen geringen Gewinnvorträge für die Jahre 2006 und 2007, die im Zwischenabschluss 2006/2007 ausgewiesene bilanzielle Überschuldung der Nebenbetroffenen sowie deren vorstehend wiedergegebene Vermögenslage bekundet, wonach bislang festgestellten Insolvenzforderungen in Höhe von rund 225.000 Euro liquide Mittel von unter 140.000 Euro sowie Ansprüche der Nebenbetroffenen aus Kapitalersatz in Höhe von circa 406.000 Euro gegenüber stehen, die mit einem Teilbetrag von etwa 200.000 Euro von der G. N.V. bereits akzeptiert worden sind.

2.

Den Ablauf des Code-4 Geschäfts, insbesondere das Bieterverfahren in den USA, die Stellung der Lokalagenten in Deutschland und die wirtschaftliche Entwicklung im Zusammenhang mit dem Truppenabzug der US-Streitkräfte in den 1990er Jahren, haben die Zeugen G. und W. übereinstimmend und detailliert geschildert.

3.

Die bis Ende der 1990er Jahre entstandene schwierige Marktlage und der damit einhergehende drastische Verfall der Lokalagentenvergütung im Code-4 Geschäft sowie die daraufhin am 14. November 2000 in S. zwischen insgesamt sechs Lokalagenten verabredete Liefersperre und ihre Durchsetzung sind durch die diesbezüglichen Bekundungen des Zeugen G. bewiesen. Der Zeuge hat insbesondere bestätigt, dass durch die Übereinkunft vom 14. November 2000 ein weiterer Ratenverfall habe gestoppt werden sollen und die 6 Lokalagenten zu diesem Zweck überein gekommen seien, fortan und auf unbestimmte Zeit ausschließlich im Landed Rate-System zu arbeiten und Carrier außerhalb dieses Systems nicht mehr zu bedienen. Diese Liefersperre sei - so hat der Zeuge G. bekundet - in dem S. Beschluss (Urkunde D 2, Urkundenliste 1) festgehalten worden, der u.a. von M. S. unterzeichnet worden sei und in dem es heißt:

"Wir, die unterzeichnenden Firmen, sind einverstanden, ab 1.4.2001 auf der Basis einer "Landed Rate" das US Military Geschäft abzuwickeln."

Der Zeuge G. hat ferner ausgesagt, dass die vereinbarte Liefersperre in der Folgezeit mehrfach bekräftigt und bis zur Aufdeckung des Kartells im Sommer 2002 praktiziert worden ist. Er hat in diesem Zusammenhang auch die festgestellten Maßnahmen gegen die Carrier C. und C. bekundet.

Die Angaben des Zeugen G. sind in jeder Beziehung glaubhaft. Sie sind nachvollziehbar, widerspruchsfrei und werden überdies durch den Inhalt zahlreicher Urkunden bestätigt.

Das gilt zunächst für die Verabredung der Liefersperre im November 2000.

So hat der Möbelspediteur L. die Vereinbarung in einer Telefonnotiz über ein Gespräch mit M. S. und S. G. vom 14.11.2000 (Urkunde D 3, Urkundenliste 1) explizit in diesem Sinne formuliert. In der Urkunde heißt es auszugsweise:

"ab 1/4.01 werden nur noch Carrier bedient, die am landed rate-system teilnehmen.

Folgende Agenten haben sich verpflichtet, nur noch diese Carrier zu vertreten:

I., C., V.-Gruppe, B., D. + G..

...

...

A., C. werden keine niedrigeren Raten finden, mit A. wird noch gesprochen."

Bestätigt wird die vereinbarte Liefersperre ferner durch die Hausmitteilung des Zeugen W. vom 20.11.2000 (Urkunde D 4, Urkundenliste 1). Darin heißt es auszugsweise:

"Als Resultat einiger Gespräche in S. scheint eine Stabilisierung der Raten im US Geschäft möglich.

Nachdem der Service für die Umziehenden nachträglich verbessert werden muß, dies aber nur durch ein besseres Ratengefüge möglich wird, haben wir beschlossen keine eigenen Raten an Carrier oder Generalagenten abzugeben.

Zukünftig soll darauf hin gearbeitet werden, daß alle im US Geschäft tätigen Carrier eine Rate von en Firmen, welche einen Service-Contrakt gezeichnet haben, erhalten. In diesen Raten werden folgende Vergütungen eingebaut sein:

P/U 50,- bis 55,-- Del 25,- bis 28,--

Um diese neue Vorgehensweise nicht zu unterlaufen, bitte ich keine Einzelraten mehr abzugeben und nur noch auf den Full-Service-Contrakt zu verweisen.

Die Vereinbarung, nicht für Carrier zu arbeiten, die nicht bereit sind, innerhalb des Landed Rate-Systems und zu den darin enthaltenen Tarifen zu arbeiten, ergibt sich schließlich aus einer E-Mail des Zeugen W. an einen Herrn W. W. vom 01.12.2000 (Urkunde F 0053, Urkundenliste 1). Darin schreibt der Zeuge:

"Grundlage für die Zusammenarbeit ist das Verständnis, dass wir nur für Carrier arbeiten, welche eine "Landed Rate" mit G./P. vereinbart haben.

...

Sollte ein Agent auch für andere Carrier, d.h. welche die "Landed Rate" umgehen wollen, arbeiten, kann er nicht in dieses System aufgenommen werden und diese Ratengarantie entfällt."

Dass die Liefersperre bis zur Aufdeckung des Kartells Bestand hatte, wird durch die folgenden Urkunden bestätigt:

Aus einer Aktennotiz des Spediteurs H. L. über ein Gespräch mit dem Zeugen G. vom 27.06.2001 (Urkunde D 69, Urkundenliste 1) ergibt sich, dass bei einem "Meeting am 26.06." vereinbart wurde, dass ab 01.10.2001 nur Carrier bedient werden sollten, die im Landed Rate-System sind.

Ferner heißt es in einem Aktenvermerk über ein Gespräch des Spediteurs L. mit dem Zeugen G. vom 20.03.2001 (Urkunde D 46, Urkundenliste 1):

"Anweisung v. P. Me-Too für die 15 Staaten (...) nicht buchen".

In dieselbe Richtung weist die Gesprächsnotiz des Herrn L. vom 19.07.2001 (Urkunde D 70, Urkundenliste 1), die auszugsweise lautet:

"es sollen nur Carrier bedient werden, die im "landed-rate-System sind."

sowie schließlich der Letter of agreement vom 08.01.2002 (Urkunde E 16, Urkundenliste 1), die folgenden Wortlaut hat:

Die Aussage des Zeugen W. steht den Bekundungen des Zeugen G. nicht entgegen. Der - im Senatstermin anwaltlich beratene - Zeuge hat auf den Vorhalt seiner eigenen Hausmitteilung vom 20.11.2000 (Urkunde D 4), der Aktennotiz L. vom 14.11.2000 (Urkunde D 3), der Gesprächsnotiz L. vom 27.06.2001 (Urkunde D 69) und seiner E-Mail vom 01.12.2000 (Urkunde F 0053) zunächst ausweichend geantwortet. Auf die Nachfrage des Gerichts, ob es eine Vereinbarung der Lokalagenten gegeben habe, Carrier außerhalb des Landed Rate-Systems nicht zu beliefern, um die Preise hoch und stabil zu halten, hat der Zeuge sich nach Beratung mit seinem anwaltlichen Beistand sodann unter Hinweis auf ein gegen ihn anhängiges Verfahren in den USA auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen (§ 55 StPO). Dieses Aussageverhalten lässt sich plausibel nur damit erklären, dass der Zeuge W. ohne die Inanspruchnahme des Auskunftsverweigerungsrechts die vom Zeugen G. bekundete und urkundlich vielfach belegte Liefersperre bei einer wahrheitsgemäßen Aussage hätte bestätigen müssen.

b)

Die vom Zeugen G. bekundeten Maßnahmen zur Durchsetzung der Liefersperre gegenüber den Carriern C. und C. in den Sommerzyklen 2001 (C.) und 2002 (C.) werden gleichfalls durch zahlreiche Urkunden belegt:

Das gilt zunächst hinsichtlich des Carriers C.. In einer Übersicht der jeweils fünf besten Carrier-Angebote für alle US-Bundesstaaten für den Sommerzyklus 2001, die bei dem Lokalagenten C. sichergestellt wurde (Urkunde D 14, Urkundenliste 1), sind diejenigen Staaten mit einem Kreuz markiert, in denen der Carrier C. die Prime Rate gesetzt hatte und die mehr als 3 Dollar unter der Second Low-Rate lag. Dies ist in einer Legende unter der Auflistung durch den Mitarbeiter B. der Lokalagentin C. entsprechend notiert worden und entspricht der Aussage des Zeugen G., dass C. in diesen Staaten boykottiert und die übrigen Carrier aufgefordert werden sollten, nicht im Mee-Too-Verfahren diese Rate zu übernehmen.

In einer Notiz des Generalagenten Bungert (Urkunde D 25, Urkundenliste 1) ist ferner niedergelegt, dass für die Transporte "Westbound" (also von Deutschland in die USA) C. seine Ratenangebote zur nächsten Möglichkeit (1. Juni) zurückziehen werde und im Mee-Too-Verfahren das Second Low-Angebot überall dort übernommen werden solle, wo C. Prime-Anbieter war. Dies wird in einem Schreiben vom 10.01.2001 des Herrn B. an die von ihm vertretenen Carrier (Urkunde D27, Urkundenliste 1) ausdrücklich bestätigt. Darin teilt B. den Carriern mit, dass C. sich nicht an die zugesagten Ratenvereinbarung gehalten habe und dessen Agenten dafür sorgen würden, dass sein Angebot zurückgezogen werde. Carrier, die unter der von G. N.V.. angebotenen Landed Rate arbeiten wollten, sollten in diesen Staaten das Second-Low-Angebot im Mee-Too-Verfahren übernehmen.

In einer Aktennotiz des Zeugen G. vom 13.02.2001 (Urkunde D 41, Urkundenliste 1) ist außerdem niedergelegt, dass G. keine Buchungen für C. akzeptieren wird.

In einer von dem Zeugen G. am 23.03.2001 an einen Herrn B. übersandten Nachricht (Urkunde D 47, Urkundenliste 1) bezeichnet der Zeuge Staaten, in denen Carrier für den Sommerzyklus 2001 unterhalb der Second Low-Rate angeboten haben, und teilt sodann mit, dass für diese Carrier durch I. keine Sendungen angenommen werden sollen.

In dieselbe Richtung weist die E-Mail-Korrezpondenz des Zeugen G. mit der Generalagentin A. vom 05.04.2000 (Urkunde D 49, Urkundenliste 1). A. bringt darin ihre Sorge darüber zum Ausdruck, dass der Landed Rate-Anbieter P. für den Sommerzyklus 2001 keine Buchungen von C. akzeptiere. Sie beschwert sich zudem darüber, dass kein Carrier auf die C.-Rate im Mee-Too-Verfahren einschwenken sollte, da kein Agent von solchen Carriern Buchungen akzeptieren würde. In seiner Antwort bestätigt der Zeuge G. den Sachverhalt.

In einer E-Mail-Korrespondenz des Geschäftsführers der Nebenbetroffenen M. S. mit H. L. (Spediteur) vom 09.04.2001 (Urkunde D 51, Urkundenliste 1) bestätigt dieser schließlich auf Anfrage von L., dass in den 14 Staaten, in denen C. die Prime-Rate gesetzt hat, keine Transporte zu diesen Raten stattfinden würden. L. möge ihm, S., insoweit vertrauen ("... and trust, those rates will get cancelled.").

Die vom Zeugen G. geschilderten Maßnahmen zur Umsetzung der Liefersperre gegenüber dem Carrier C. werden gleichfalls durch zahlreiche Urkunden bestätigt. Aus der (undatierten) Notiz des Zeugen G. (Urkunde E 12, Urkundenliste 1) ergibt sich, dass der Carrier C. eine Prime-Rate in 14 Staaten für den Sommerzyklus 2002 gesetzt hat und diese in 12 Staaten für zu niedrig erachtet wird. Im weiteren Verlauf der Aufzeichnung errechnet der Zeuge, in welchem Umfang der Carrier C. zu bedienen ist, damit er die ihm von den Lokalagenten zugestandene Tonnage von 10 % des Auftragsvolumens in diesen 12 Staaten abwickeln kann.

Die vereinbarte Maßnahme zu Lasten des Carriers C. ergibt sich zudem aus der bereits zitierten Vereinbarung vom 08.01.2002 (Urkunde E 16, Urkundenliste 1).

Weiterhin bestätigt wird sie durch eine Mail vom 08.01.2002 (Urkunde E 19, Urkundenliste 1). Darin schlägt M. S. dem Agenten B. eine Mitteilung an die Carrier vor, wonach in 12 US-Staaten nur Carrier-Raten auf dem Second-Low-Level akzeptiert werden sollten. Es handelt sich dabei um dieselben 12 Staaten, in denen ausweislich einer Liste des Zeugen G. (Urkunde E 13, Urkundenliste 1) der Carrier C. die Prime-Rate gesetzt hatte. In dem darauf folgenden Schreiben des Agenten B. an die Carrier vom 08.01.2002 (Urkunde E 18, Urkundenliste 1) teilt er diesen mit, dass - wie im Vorjahr (vgl. insoweit vorstehend lit. a) zur Urkunde D 27, Urkundenliste 1) - die deutschen Agenten nicht bereit seien, für die Prime Rate in den benannten US-Staaten zu arbeiten und sie von den übrigen Carriern erwarteten, dass diese nicht im Mee-Too-Verfahren auf die Prime Rate oder eine vergleichbar niedrige Rate einschwenken. Die Agenten würden - so heißt es weiter - definitiv nur für solche Carrier arbeiten, die mindestens die Second-Low-Rate im Mee-Too-Verfahren übernähmen. B. stellt weiterhin fest, dass dieses Verfahren im letzten Sommer (2001 - Carrier C.) sehr strikt gehandhabt worden sei und man hoffe, dass die angeschriebenen Carrier zukünftig ihre Geschäfte zu profitableren Gewinnen abwickeln würden.

Ebenfalls auf den 08.01.2002 datiert ein Telefax des Zeugen G. an einen Herrn Z. (Urkunde 21, Urkundenliste 1), in welchem dieser ausdrücklich für dieselben 12 Staaten bestätigt, dass Carrier nur bedient werden, sofern ihre Rate im Mee-Too-Verfahren auf dem Niveau der Second-Low-Rate oder darüber liegt.

In einer Mail vom 19.03.2002 von M. S. an K. B. (Urkunde E 33, Urkundenliste 1) gibt S. schließlich seiner Hoffnung Ausdruck, dass man den Carrier C. "unter Kontrolle bekomme" und diesem nur eine 10%-Tonnage zukommen solle.

4.

Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung des Senats darüber hinaus ergeben, dass die Nebenbetroffene entgegen ihrer Einlassung als Lokalagentin tätig war und M. S. sie bei der Verabredung und Durchsetzung der Liefersperre vertreten hat.

a)

Dass die Nebenbetroffene als Lokalagentin im Code-4 Geschäft tätig war, ist bereits durch die Aussage des Zeugen W. nachgewiesen. Der Zeuge, der für den Lokalagenten B. seit 1975 im Code-4-Geschäft tätig war, hat bei seiner Vernehmung angegeben, dass sich ausschließlich die Nebenbetroffene im Lokalagentengeschäft betätigt habe, während die G. N.V. als Generalagent gearbeitet und keine Dienste als Lokalagenten angeboten und erbracht habe. Die Richtigkeit dieser Aussage wird durch zahlreiche Urkunden bestätigt.

In § 2 einer Vereinbarung zwischen der Nebenbetroffenen und der G. N.V. vom 01.04.1996 ("Liste der von Rechtsanwalt G. aus den Unterlagen der Nebenbetroffenen (NB) übermittelten Dokumente" gemäß Sitzungsprotokoll vom 19.05.2008 - nachfolgend: Urkundenliste 2) heißt es zum Gegenstand der Vereinbarung:

"Die Firma G. N.V. in B. verpflichtet sich folgende Tätigkeiten und Leistungen für die G. GmbH zu übernehmen in Relation zu Code-4 Sendungen:

1. Notwendige Kontaktpflege mit den Vertragspartnern, insbesondere mit den Carrier in den Vereinigten Staaten, T. G., M. sowie mit den Agenten und Hafenagenten in Deutschland.

2. G. N.V. ist verantwortlich für eine funktionierende Verwaltung. Dies beinhaltet insbesondere Kontrolle und Versendung von Carrier-Rechnungen, sowie den kompletten Zahlungsverkehr.

3. G. N.V. ist verantwortlich für die Koordination von Meetings mit den amerikanischen Carriern, den Subunternehmern und den deutschen und amerikanischen Behörden je nach Bedarf. Ferner hat sie für eine reibungslose Bearbeitung der Aufträge zu sorgen, sowie die Reklamationen zu bearbeiten. G. N.V. ist verantwortlich für die Verteilung der erforderlichen Papiere.

4. G. N.V. ist ferner zuständig für die Koordination der Lkw-Transporte zwischen den Zweigstellen und A..

Nach § 3 erhält die G. N.V. einen Aufwandsersatz in Höhe von 1,50 DM je 100 Pfund netto.

Diese Vereinbarung wurde mit Nachtrag Nr. 1 vom 27. März 1997 (Urkundenliste 2) u.a. dahingehend geändert, dass die G. N.V. als Buchungsagentur verantwortlich für die Weiterleitung, Bestätigung, Verwaltung, Bearbeitung von allen Buchungen, Papieren und Rechnungen von allen Carriern, die G. GmbH vertritt, ob direkt oder indirekt, zuständig ist. Wegen dieses neuen Verantwortungsbereichs wurde der Aufwandsersatz auf 2,50 DM pro 100 Pfund erhöht. Mit einem weiteren Nachtrag vom 31.03.2002 (Urkundenliste 2) wurde "aufgrund der Entwicklung der Raten" der Aufwandsersatz auf 1,54 Euro pro 100 Pfund erhöht. Mit einem Nachtrag vom 31.03.2004 (Urkundenliste 2) wurde "aufgrund der Entwicklung der Raten" der Aufwandsersatz sodann wieder auf 1,28 Euro pro 100 Pfund gesenkt. Mit Schreiben vom 28.09.2006 (Urkundenliste 2) kündigt der Geschäftsführer der Nebenbetroffenen, M. S., die Vereinbarung zum 30.09.2006.

Aus den zitierten Vereinbarungen ergibt sich in der Gesamtschau, dass die Nebenbetroffene zwischen 1996 und 2006 im Code-4 Geschäft als Umzugsunternehmen, mithin als Lokalagent, tätig war und nicht, wie von der Nebenbetroffenen behauptet, nur als Fakturierungs- und Kontrollstelle der G. N.V.. Nur vor dem Hintergrund einer Tätigkeit der Nebenbetroffenen als Lokalagentin machen die für die G. N.V. vereinbarten Pflichten, insbesondere zur Kontaktpflege mit den Carriern, zur Kontrolle und Versendung von Carrierrechnungen sowie zur Koordinierung von Meetings mit Carriern, Subunternehmen und (deutschen sowie amerikanischen) Behörden einen Sinn. Auch der vereinbarte Aufwandsersatz, der nach der Menge des Transportguts abzurechnen war, ist im Rahmen des Code-4 Geschäfts nur dann plausibel, wenn die Nebenbetroffene als Lokalagent mit der Erbringung von Umzugsleistungen betraut wurde. Dass die Vereinbarung vom 01.04.1996 von den Vertragsparteien auch praktiziert worden ist und die Nebenbetroffene demgemäß im Vertragszeitraum auch als Lokalagentin im Umzugsgeschäft gearbeitet hat, belegen die mehrfach vorgenommenen Vertragsanpassungen, insbesondere hinsichtlich des vereinbarten Aufwandsersatzes. Dabei fällt auf, dass im April 2002, mithin während des Kartellzeitraums, aufgrund der gestiegenen Raten auch der Aufwandsersatz erhöht wurde und nach Aufdeckung des Kartells und dem langsamen Absinken des Ratenniveaus im April 2004 eine Ratensenkung vereinbart wurde. Diese Vergütungsanpassungen anhand der Entwicklung der Transportraten lässt unmittelbar darauf schließen, dass die Nebenbetroffene selbst von den gestiegenen Raten im Code-4-Geschäft profitierte. Das wiederum war nur bei einer Tätigkeit als Lokalagentin, nicht jedoch bei der Durchführung von Dienstleistungen als bloße Fakturierungs- und Kontrollstelle, der Fall.

Für eine Betätigung der Nebenbetroffenen als Lokalagentin sprechen zudem zwei Vereinbarungen vom 08.01.2001. In einem "letter of agreement" (Urkunde E 16, Urkundenliste 1), haben sich die Vertreter von zwölf Unternehmen darauf verständigt, keinen Carrier in einem US-Staat zu bedienen, in dem der Unterschied der Prime Rate zur Second Low-Rate mehr als 3 Dollar betrug. Diese Second Low-Rate sollte der Level für die Carrier werden, die ihr Angebot abänderten (Mee-Too-Verfahren). Die Vereinbarung haben u.a. die Vertragspartner des S. Beschlusses (ohne D.) unterschrieben. In der Unterschriftszeile von M. S. findet sich die Bezeichnung "G. GmbH", woraus ersichtlich wird, dass dieser für die Nebenbetroffene und nicht für die G. N.V. gehandelt hat. Damit stimmt überein, dass die Zeugen G. und W. übereinstimmend angegeben haben, dass es sich bei dem "letter of agreement" um eine Verabredung von Lokalagenten gehandelt habe. Dass M. S. den "letter of agreement" als Geschäftsführer der Nebenbetroffenen und nicht für die G. N.V. unterzeichnet hat, ergibt sich im Rückschluss auch aus der weiteren Vereinbarung vom 08.01.2002 (Urkunde E 17, Urkundenliste 1). In jener Urkunde hat er nämlich ausweislich der Unterschriftszeile für die "G. N.V." gezeichnet und den Lokalagenten für die G. N.V. als Landed Rate-Anbieter das dort ausgewiesene Ratenangebot unterbreitet. Das Dokument ist nur dann verständlich, wenn die G. N.V. als Landed Rate-Anbieter tätig war, während die Nebenbetroffene im Code-4 Geschäft als Lokalagent gearbeitet hat. Darin fügt sich ein, dass es sich nach der übereinstimmenden Aussage der Zeugen G. und W. bei dem "Letter of Agreement" um eine Übereinkunft der Lokalagenten gehandelt hat.

b)

Aus dem Vorstehenden folgt unmittelbar, dass M. S. an der Verabredung und Durchsetzung der Liefersperre in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Nebenbetroffenen mitgewirkt hat. Soweit er den S. Beschluss vom 14.11.2000 (Urkunde D 2, Urkundenliste 1) für die "G. W. W. M." unterzeichnet hat, handelt es sich lediglich um eine sprachliche Ungenauigkeit. Dies ergibt sich auch aus den Aussagen der Zeugen G. und W.. Sie haben übereinstimmend angegeben, dass es sich bei dem Beschluss um eine Vereinbarung von Lokalagenten gehandelt habe, was unter Berücksichtigung von Zweck und Inhalt der Vereinbarung unmittelbar nachvollziehbar ist. Denn in allererster Linie hatten die Lokalagenten ein Interesse daran, die Carrier in das Landed Rate-System zu zwingen und auf diesem Weg den ruinösen Wettbewerb untereinander zu beenden und die Raten der Lokalagenten auf ein auskömmliches Niveau anzuheben.

5.

Die dargestellte Ratenentwicklung sowohl vor dem S. Beschluss vom 14.11.2000 als auch danach folgt aus den übereinstimmenden Angaben der Zeugen G. und W.. Der von ihnen geschilderte Preisverfall, der durch das Kartell bedingte deutliche Ansteigen der Raten und das nach Kartellende zu beobachtende Stagnieren des Preisniveaus und das anschließende Absinken der Vergütungshöhe in kleinen Schritten ist ohne weiteres plausibel und entspricht dem typischen Preisverlauf während eines Kartells und nach der Beendigung einer Kartellabsprache. Die genaue Höhe der festgestellten Raten wird belegt durch zahlreiche Urkunden, so durch die bereits zitierte Hausmitteilung des Zeugen W. vom 20.11.2000 (Urkunde D4, Urkundenliste 1), in dem die Raten für den ersten Zyklus nach der Kartellvereinbarung auf 50 bis 55 DM im Outbound und auf 25 bis 28 DM im Inbound-Geschäft hausintern vorgegeben wurden. In einem Fax des Zeugen W. vom 7. April 2001 an eine Generalagentin (Urkunde D 52, Urkundenliste 1) bestätigt der Zeuge W. erneut, dass für den Sommerzyklus 2001 eine Rate (für das Outbound-Geschäft) von mindestens 50 DM erreicht werden müsse. Aus einer Aktennotiz eines Mitarbeiters der Lokalagentin C. (Herr B.) vom 24. April 2001 (Urkunde D 61, Urkundenliste 1) ergeben sich ebenfalls Ratenhöhen von 55 bzw. 25 DM. In einem Angebot des Landed Rate-Anbieters I. vom 02.05.2001 (Urkunde D 62, Urkundenliste 1) werden für den Winterzyklus 2001 Raten in Höhe von 30 Euro für das Outbound-Geschäft und in Höhe von 13 Euro für das Inbound-Geschäft offeriert. In dem bereits zitierten Angebot der G. N.V. vom 08.01.2002 an die Lokalagenten für den Sommerzyklus 2002 (Urkunde E 17, Urkundenliste 1) werden schließlich Raten für das Outbound-Geschäft in Höhe von 30,70 Euro und für das Inbound-Geschäft von 15,35 Euro netto angeboten.

IV.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes hat sich der Geschäftsführer der Nebenbetroffenen, Herr M. S., einer Kartellordnungswidrigkeit gemäß §§ 81 Abs. 1 Nr. 1, 1 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.08.1998 (a.F.) schuldig gemacht.

Durch sein Verhalten hat er dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen zwischen miteinander in Wettbewerb stehenden Unternehmen zuwider gehandelt. Die im Kreise anderer Lokalagenten getroffene Absprache, Carrier außerhalb des Landed Rate-Systems nicht zu beliefern, stellt eine wettbewerbsbeschränkende Absprache dar, die nach § 1 GWB a.F. verboten war. Die vereinbarte Liefersperre war nämlich darauf gerichtet, den Angebotswettbewerb der Lokalagenten im Code-4 Geschäft dadurch einzuschränken, dass Carrier nicht beliefert werden sollten, die sich dem Landed Rate-System verweigerten. Die Nebenbetroffene war als Lokalagentin dabei auch Wettbewerberin der übrigen an der Verabredung beteiligten Unternehmen.

Die Kartellabsprache war geeignet, die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Lokalagentenmarkt im Code-4 Geschäft spürbar zu beeinflussen. Die Spürbarkeit ergibt sich bereits daraus, dass auf die am Kartell beteiligten Unternehmen mehr als 50 % des Marktes entfielen. Die Wettbewerbsbeschränkung war auch bezweckt, denn ihr Ziel war es, die Carrier in das Landed Rate-System zu zwingen, um die Preise zu stabilisieren bzw. anzuheben.

Der Geschäftsführer der Nebenbetroffenen hat vorsätzlich gehandelt. Er kannte die tatsächlichen Umstände, die den Verstoß gegen das Verbot des § 1 begründeten. Zudem hat er gewusst, dass sein Verhalten dem Kartellverbot widersprach. Als erfahrener Kaufmann in einer wichtigen Führungsposition hat er erkannt, dass die Verabredung einer Liefersperre gegen das Kartellgesetz verstößt.

Die Nebenbetroffene muss sich das Verhalten ihres Geschäftsführers zurechnen lassen und ist damit gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG mit einer Geldbuße zu belegen.

Rechtswidrigkeit und Schuld unterliegen keinen Bedenken.

Bei der Ordnungswidrigkeit handelt es sich um eine Tat gemäß § 19 OWiG. Der S. Beschluss vom 14.11.2000 und die darin vereinbarte Liefersperre sollten auf unbestimmte Zeit gelten. Nachfolgende Vereinbarungen, etwa hinsichtlich einer Anpassung der Ratenhöhen für den jeweils anstehenden Abrechnungszyklus oder anlässlich der Maßnahmen gegenüber den Carriern C. und C., dienten lediglich der Anpassung und Konkretisierung dieser Grundabsprache, ohne dass ihnen ein gegenüber der Grundabsprache zusätzlicher Unrechtsgehalt zukommt. Infolge dessen werden diese Folgeabsprachen mit der Grundabsprache zu einer Bewertungseinheit verbunden und verlieren dadurch ihre rechtliche Selbständigkeit mit der Folge, dass nur eine einheitliche Kartellordnungswidrigkeit vorliegt (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1567/1568 - Berliner Transportbeton I m.w.N.)

V.

Bei der Ahndung der begangenen Ordnungswidrigkeit hat sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1.

Die zu verhängende Geldbuße war dem Bußgeldrahmen der §§ 17 Abs. 1 OWiG, 81 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative GWB a.F. zu entnehmen. Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 OWiG bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz, das bei Beendigung der abzuurteilenden Tat - vorliegend also im Juli 2002 - galt. Die genannten Vorschriften sehen eine Mindestbuße von 5 Euro und einen Höchstbetrag der Geldbuße von 500.000 Euro vor. Die zum 01.07.2005 in Kraft getretene Verdoppelung des Bußgeldrahmens auf 1 Mio. Euro (§ 81 Abs. 4 Satz 1 GWB) bleibt nach § 4 Abs. 3 OWiG außer Betracht. Eine Beschränkung des Bußgeldrahmens gemäß § 17 Abs. 2 OWiG greift nicht ein, weil der Geschäftsführer der Betroffenen vorsätzlich gehandelt hat.

2.

Nach § 17 Abs. 3 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft, wobei auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht gezogen werden können.

Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Senat bei der Bemessung des Bußgeldes zugunsten der Nebenbetroffenen berücksichtigt, dass die Wettbewerbssituation Ende der 1990er Jahre angesichts der stark zurückgegangenen Nachfrage im Code-4 Geschäft nach Abschluss des Truppenabzugs der US-Streitkräfte außerordentlich schwierig war. Hinzu kam der starke Preisdruck durch die nachfragenden Carrier, dem die Lokalagenten, darunter die Nebenbetroffene, ausgesetzt waren. Infolge dessen sanken die Raten für die Lokalagenten unter ein auskömmliches Maß. Die vereinbarte Liefersperre diente dem Ziel, die Raten wieder auf ein auskömmliches Maß anzuheben. Die Nebenbetroffene und die übrigen Lokalagenten handelten nicht aus übermäßiger Gewinnsucht. Bußgeldmindernd war zudem zu beachten, dass die Tat fast sechs Jahre zurückliegt.

Zum Nachteil der Nebenbetroffenen war in die Bußgeldbemessung einzustellen, dass eine Liefersperre den freien Wettbewerb in schwerwiegender Weise beeinträchtigt. Ihr kommt - bezogen auf die Gesamtheit der von § 81 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 GWB a.F. erfassten wettbewerbsbeschränkenden Absprachen - ein überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt jedenfalls dann zu, wenn - wie hier - die Liefersperre auf die Anhebung des Preisniveaus gerichtet ist und sie daher in ihrer Zielrichtung einer Preisabsprache nahe kommt. Zu berücksichtigen war weiter, dass der gesamte bundesdeutsche Markt von der Kartellabsprache betroffen war und das Kartell über nahezu zwei Jahre (vier Buchungszyklen) betrieben wurde und darüber hinaus auf eine zeitlich unbefristete Regelung des Marktes gerichtet war. Zu berücksichtigen war ferner, dass über die zur Tatbestandsverwirklichung hinausgehende Spürbarkeitsgrenze mehr als 50 % des Marktes von der Absprache gebunden waren und dass die Absprache in regelmäßigen Treffen angepasst, konkretisiert und bestätigt wurde, und dass die Kartellmitglieder außerdem gegenüber den Carriern C. und C. Maßnahmen zur Umsetzung und Erzwingung der Liefersperre unternommen haben. Schließlich war bußgeldverschärfend zu berücksichtigen, dass das Kartell einen verhältnismäßig hohen Organisationsgrad aufwies. So gab es zahlreiche Treffen zur Bestätigung und Konkretisierung der Kartellabsprache, und nicht anwesende Lokalagenten wurden von den an den Absprachen Beteiligten informiert und in die Absprache eingebunden. Im Falle des Carriers C. gab es zudem eine exakte Abstimmung darüber, in welcher Weise die Liefersperre durchgesetzt und zur Geltung gebracht sowie die im Ergebnis zugestandene Tonnage kontrolliert werden sollte.

Bei der Bußgeldbemessung war letztlich auch die Insolvenz der Nebenbetroffenen zu berücksichtigen. Der Senat hat allerdings in Rechnung gestellt, dass der Nebenbetroffenen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens möglicherweise ein nicht unerheblicher Überschuss verbleiben kann. Legt man die Angaben des Insolvenzverwalters G. zugrunde, wonach bislang lediglich Insolvenzforderungen in Höhe von rund 225.000 Euro festgestellt sind und sich die auf einer bloßen Schätzung beruhenden angemeldeten Umsatzsteuerforderungen von etwa 270.000 Euro deutlich reduzieren können, während sich die liquiden Mittel der Gesellschaft auf unter 140.000 Euro belaufen und vom Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die G. N.V. aus Eigenkapitalersatz von circa 406.000 Euro erhoben werden, kann sich der Überschuss auf bis zu 200.000 bis 250.000 Euro belaufen.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen die Nebenbetroffene sprechenden tat- und täterbezogenen Umstände und unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Situation hält der Senat eine Geldbuße von 225.000,00 Euro für angemessen.

3.

Die verhängte Geldbuße dient in voller Höhe der Ahndung des kartellordnungswidrigen Verhaltens. Für eine darüber hinausgehende Abschöpfung eines wirtschaftlichen Vorteils bestand keine Veranlassung, da dieser nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bemessbar war.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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