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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 29/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3 2. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die Berufung des Antragstellers gegen das am 7. September 2005 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Fortsetzung eines Servicepartnervertrages in Anspruch, dessen fristlose Kündigung die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 12. Juli 2005 erklärt hat. Der Antragsteller hält die Kündigung für unwirksam und begehrt - soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse - den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahin, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel sinngemäß

1. untersagt wird, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtsgültigkeit der Vertragskündigung zu weigern, ihn mit M.-Vertragswaren und M.-Dienstleistungen zu beliefern und ferner drei namentlich benannte sowie zukünftige Garantieanträge abzurechnen,

2. aufgegeben wird, das EDV-gestützte Kommunikationssystem M. zur Abwicklung der Vertragspflichten aus dem Servicepartnervertrag wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag abgelehnt, weil es hinsichtlich des Begehrens auf Belieferung mit den M.-Vertragswaren an der Dringlichkeit sowie darüber hinaus hinsichtlich sämtlicher Verfügungsanträge an einem Verfügungsanspruch fehle.

Dagegen richtet sich die Berufung des Antragstellers, der im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Die Berufungsbegründung hat der Verfahrensbevollmächtigte am letzten Tag der antragsgemäß um einen Monat verlängerten Begründungsfrist eingereicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Das Landgericht hat das Verfügungsbegehren mit Recht zurückgewiesen. Der Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung scheidet bereits deshalb aus, weil es an der Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes fehlt.

A. Das ist durch das prozessuale Verhalten, mit dem der Antragsteller im Berufungsrechtszug sein Rechtsschutzbegehren verfolgt, belegt.

1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die antragstellende Partei alles in ihrer Macht stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu erreichen. Kommt sie dieser prozessualen Obliegenheit nicht nach und lässt sie es zu vermeidbaren Verfahrensverzögerungen kommen, rechtfertigt dies in aller Regel den Schluss, dass dem Antragsteller die Rechtsverfolgung nicht eilig - und die Angelegenheit folglich nicht dringlich - ist. Verzögerungen, die ihr Verfahrensbevollmächtigter zu vertreten hat, muss sich die antragstellende Partei dabei zurechnen lassen. Hat - wie hier - die erste Instanz den Erlass der einstweiligen Verfügung abgelehnt, muss der Antragsteller auch das Berufungsverfahren beschleunigt betreiben. Zwar darf er die gesetzlichen Fristen für die Einlegung und Begründung der Berufung (§§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) ausschöpfen, ohne dass hierdurch die Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes in Frage gestellt wird. Bittet er allerdings ohne Vorliegen triftiger Gründe darum, die Berufungsbegründung um einen mehr als bloß unerheblichen Zeitraum von wenigen Tagen zu verlängern, und nutzt er die gewährte Verlängerung sodann auch aus, gibt der Antragsteller damit im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung der reklamierten Ansprüche nicht (mehr) dringlich ist (Senat, Beschl. v. 16.4.2003 - U (Kart) 45/02 Umdruck Seite 4/5; OLG Düsseldorf, 20. ZS., GRUR-RR 2003, 31/32; zu allem auch: Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdnr. 85 f. und 88 m.w.N.; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr. 177; vgl. auch BGH, NJW-RR 2000, 209).

2. So liegt der Fall auch hier. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat um eine einmonatige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten und die verlängerte Begründungsfrist auch voll ausgeschöpft, ohne dass diese verzögerliche Rechtsverfolgung durch triftige Gründe (z.B. infolge außergewöhnlicher Schwierigkeiten bei der Tatsachenermittlung) veranlasst gewesen ist. Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang angeführte Arbeitsüberlastung seines Verfahrensbevollmächtigten entlastet nicht. Dabei kann es auf sich beruhen, ob die Arbeitsbelastung des sachbearbeitenden Rechtsanwalts dann, wenn - wie hier - eine größere Anwaltssozietät mit der Rechtsverfolgung beauftragt ist, überhaupt ein tauglicher Gesichtspunkt ist, um trotz Ausschöpfung der verlängerten Begründungsfrist den Fortbestand der Dringlichkeit annehmen zu können. Im Entscheidungsfall ist nämlich schon nicht dargelegt, dass Rechtsanwalt Dr. V. als Sachbearbeiter der Angelegenheit bei Beachtung derjenigen Priorität, die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eingeräumt werden muss, damit die Dringlichkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes nicht verloren geht, an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert war. Der pauschale Hinweis auf eine Fülle von fristgebundenen und vorrangig zu bearbeitenden Sachen sowie einigen nicht vorhergesehenen Eilsachen, deren Erledigung aus Rechtsgründen nicht aufschiebbar gewesen sei, lässt nicht nachvollziehbar erkennen, dass die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist auch dann nicht möglich gewesen wäre, wenn Rechtsanwalt Dr. V. die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorrangig bearbeitet und in den anderen Verfahren um eine Fristverlängerung gebeten hätte. Insbesondere fehlt jedweder Anhaltspunkt, dass die Berufungsbegründungsfrist ausschließlich wegen der Bearbeitung vorrangiger Eilverfahren nicht einzuhalten war.

Dem Verlust der Dringlichkeit steht nicht entgegen, dass der Senatsvorsitzende dem Verlängerungsantrag stattgegeben und die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß um einen Monat verlängert hat. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aus erheblichem Grund nach § 520 Abs. 2 Satz 3 2. Alt. ZPO haben mit der Dringlichkeit der Sache nichts zu tun. Vor allem setzt eine Fristverlängerung wegen Arbeitsüberlastung des Verfahrensbevollmächtigten nicht die gerichtliche Prüfung und Feststellung voraus, dass die Berufungsbegründungsfrist auch dann nicht eingehalten werden kann, wenn der Rechtsanwalt die betreffende Angelegenheit mit der ihr gebührenden Priorität bearbeitet. Vor diesem Hintergrund kann aus der gewährten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht geschlossen werden, dass das Gericht von einer fortbestehenden Dringlichkeit des Verfügungsbegehrens ausgehe.

Der Senat war - anders als die Berufung meint - auch nicht gehalten, das Fristverlängerungsgesuch wegen des drohenden Verlustes der Dringlichkeit zurückzuweisen oder den Antragsteller zumindest auf die Konsequenzen hinzuweisen, die sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an die Ausschöpfung einer verlängerten Berufungsbegründungsfrist knüpfen. Eine Zurückweisung des Fristverlängerungsantrags kam nicht in Betracht, weil der Verfahrensbevollmächtigte mit dem Hinweis auf seine Arbeitsbelastung hinreichende Gründe im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorgetragen hatte. Ein rechtlicher Hinweis des Senats auf den möglichen Verlust der Dringlichkeit war nicht geboten, weil für den Senat nicht ersichtlich war, dass der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers darüber im Unklaren gewesen ist.

B. Umgeachtet der vorstehenden Erwägungen fehlt dem Verfügungsbegehren des Antragstellers aber auch im Übrigen die nötige Dringlichkeit.

1. Der Antragsteller begehrt mit den im Berufungsrechtszug noch zur Entscheidung stehenden Anträgen den Erlass einer Leistungsverfügung, indem er die Antragsgegnerin in Bezug auf die Belieferung mit M.-Vertragswaren und M.-Dienstleistungen, der Abrechnung von Garantieaufträgen sowie dem Zugang zum M.-Kommunikationssystem auf Fortsetzung des Servicepartnervertrages in Anspruch nimmt, bis über die Wirksamkeit der von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Vertragskündigung rechtskräftig entschieden ist. Eine solche auf Befriedigung gerichtete einstweilige Verfügung ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Denn sie führt zu einer im Gesetz nicht vorgesehen Vorwegnahme der Hauptsache. Aus diesem Grund genügt es nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 619, 774 und 847; Urt. v. 25.4.03 - U (Kart) 1/03; Urt. v. 29.12.04 -U (Kart) 41/04, Urt. v. 26.1.2005 - VI-U(Kart) 32/04) und anderer Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, WuW/E OLG 2319; OLG Saarbrücken, WuW/E OLG 2573; OLG Koblenz, WuW/E OLG 3893; KG, WuW/E OLG 4628; OLG Köln, NJW 1994, 56) nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Eine Leistungsverfügung kommt vielmehr nur bei einer bestehenden oder zumindest drohenden Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, daß ihm weder ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs noch eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzumuten ist. Dem Interesse der antragstellenden Partei an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass einer Leistungsverfügung ist dabei das schutzwürdige Interesse der verfügungsbeklagten Partei gegenüberzustellen, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. In die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Belange sind ferner die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen. Ist die Rechtslage eindeutig und lässt sich die Berechtigung des verfolgten Anspruchs zweifelsfrei feststellen, so ist der Antragsgegner weniger schutzbedürftig und es überwiegt im Zweifel das Interesse des Antragstellers daran, dass ihm der Anspruch bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuerkannt wird. Die dargestellten Beurteilungskriterien stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander. Ist die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs eindeutig und/oder liefe die Versagung einer Leistungsverfügung mehr oder weniger auf eine endgültige Rechtsverweigerung hinaus, so sind geringere Anforderungen an die wirtschaftliche Notlage zu stellen. Umgekehrt ist die Schwelle für die zu fordernde Notlage höher anzusetzen, sofern die Rechtslage zu Gunsten des Antragstellers nicht völlig zweifelsfrei und/oder eine spätere Geltendmachung von Schadensersatz zumutbar ist. Bei alledem trägt der Antragsteller eines Verfügungsverfahrens für das Vorliegen der die Annahme eines Verfügungsgrundes tragenden Tatsachen die Last der Darlegung und Glaubhaftmachung.

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die beantragte einstweilige Verfügung nicht zu erlassen. Der Antragsteller hat nicht nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihm durch die - unterstellt: unberechtigte - Weigerung der Antragsgegnerin, Vertragswaren und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen, Garantieaufträge abzurechnen sowie Zugang zum M.-Kommunikationssystem zu gewähren, derart schwerwiegende und nicht wieder gutzumachende Nachteile entstehen, dass er in zumutbarer Weise weder auf das Klageverfahren noch auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen werden kann.

Was die Belieferung mit M.-Vertragswaren betrifft, hat das Landgericht zutreffend berücksichtigt, dass der Antragsteller bereits rund 1 1/4 Jahre vor Ausspruch der Vertragskündigung den diesbezüglichen Warenbezug bei der Antragsgegnerin eingestellt hatte. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, inwieweit der Antragsteller gleichwohl für seinen Geschäftsbetrieb dringend auf die Lieferbereitschaft der Antragsgegnerin angewiesen sein soll.

Gleiches gilt im Ergebnis für die M.-Dienstleistungen. Die Antragsgegnerin hat hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass sie aus kartellrechtlichen Gründen auch unabhängigen Marktbeteiligten - und mithin auch dem Antragsteller nach Kündigung seines Servicepartnervertrages - die technischen Informationen über M.-Fahrzeuge erteile. Es ist weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller darüber hinaus weitere M.-Dienstleistungen benötigt und er überdies für den Fortbestand seines Betriebes auf die entsprechenden Dienste der Antragsgegnerin dringend angewiesen ist. In diesem Zusammenhang fehlt insbesondere jedweder Sachvortrag, welche Arbeiten konkret von welchen der in Rede stehenden M.-Dienstleistungen abhängen sollen und inwieweit der Antragsteller für die Aufrechterhaltung seines Geschäftsbetriebs auf die Durchführung dieser Arbeiten angewiesen sein soll.

An der Dringlichkeit fehlt es ferner, soweit der Antragsteller die Abrechnung von drei namentlich benannten sowie allen zukünftigen Garantiefällen beansprucht. Die drei benannten Abrechnungsfälle machen einen Gesamtrechnungsbetrag von lediglich rund 500 € aus. Es ist ausgeschlossen, dass der Antragsteller für seinen Geschäftsbetrieb auf die sofortige Bezahlung dieses verhältnismäßig geringen Betrages angewiesen ist. Dass die Abrechnung künftiger Garantieaufträge dringlich ist und den Erlass einer Leistungsverfügung erfordert, ist gleichfalls nicht ersichtlich. Es fehlt jedweder Sachvortrag, wie viele Garantiefälle zu erwarten sind, mit welchen daraus resultierenden Zahlungsansprüchen des Antragstellers zu rechnen ist und inwieweit der Antragsteller auf die begehrte Verpflichtung der Antragsgegnerin, diese Garantieaufträge einstweilen zu bezahlen, dringend angewiesen sein soll.

Aus derselben Erwägung kann auch die Dringlichkeit des Verlangens, Zugang zum M.-Kommunikationssystem zu erhalten, nicht festgestellt werden. Auch in diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits 1 1/4 Jahre vor Ausspruch der Kündigung des Servicepartnervertrages jedweden Bezug von M.-Ersatzteilen und Zubehör bei der Antragsgegnerin eingestellt hatte und kündigungsbedingt seit Mitte Juli 2005 vom M.-Kommunikationssystem ausgeschlossen ist. Aufgrund dessen hätte es der näheren Darlegung bedurft, inwieweit der Antragsteller gleichwohl für seinen Geschäftsbetrieb darauf abgewiesen sein soll, über das in Rede stehende Kommunikationssystem den technischen Support für Reparaturhilfeanfragen und Kundenreklamationen, ferner Informationen über Neuerungen sowie Werkstatt- und Rückrufaktionen und schließlich Software-Updates zur Diagnose-, Reparatur- und Neuprogrammierung von Fahrzeugen zu erhalten. Daran fehlt es.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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