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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.06.2006
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 33/05
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 281
BGB § 305
BGB § 305 c Abs. 2
BGB § 307 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 307 Abs. 3
BGB § 307 Abs. 3 S. 1
BGB § 339
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 826
StGB § 263
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 13. April 2005 verkündete Urteil der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 28 O 647/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin vertreibt als Niederlassung in K. Kraftfahrzeuge der Marke C.. Der Beklagte bietet unter der Firmenbezeichnung G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb im Bereich Werbung und Marketing Handelswaren und Dienstleistungen sowie die Vermietung von Kraftwagen bis zu 3,5 t Gesamtgewicht an. Der Beklagte ist Firmenkunde der Klägerin. Mit Liefervertrag vom 6. November 2002 bestellte er bei der Klägerin für das Kalenderjahr 2002 insgesamt 130 C.-Fahrzeuge unterschiedlicher Modellreihen zur Lieferung und Zulassung bis zum 31.12.2002. Abhängig vom jeweiligen Fahrzeugtyp vereinbarten die Parteien in Ziffer 2 des Vertrages einen Nachlass zwischen 26 % und 32 % auf die unverbindliche Preisempfehlung der Klägerin. Darüber hinaus enthält der Liefervertrag u.a. folgende Vereinbarungen:

5. Alle Fahrzeuge müssen in Deutschland mindestens für 6 Monate auf die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb zugelassen werden und dürfen nicht vor Ablauf dieser Frist weiterveräußert werden.

( .....)

6. Die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb verpflichtet sich dazu, dass alle Fahrzeuge ausschließlich zu seinem gewerblichen Eigengebrauch genutzt werden und dass keines dieser Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederverkauft wird; dabei wird ausdrücklich vereinbart, dass jeder Wiederverkauf von Fahrzeugen, der innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum ihrer Erstzulassung erfolgt, als Wiederverkauf zu Vertriebszwecken betrachtet wird.

Die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb verpflichtet sich, bei Aufforderung seitens der C. C. GmbH, Niederlassung K., innerhalb dieses Zeitraums von 6 Monaten ab Erstzulassung, der C. C. GmbH, Niederlassung K., gegenüber unverzüglich den Beweis zu erbringen, dass er die Fahrzeuge tatsächlich zu seinem gewerblichen Eigengebrauch nutzt, oder zu belegen, dass die Fahrzeuge nicht zu Vertriebszwecken wiederverkauft wurden.

(....)

Sollte die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb eine oder beide der vorgenannten Verpflichtungen nicht einhalten, so hat die C. C. GmbH, Niederlassung K., das Recht, durch ein an die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb adressiertes, einfaches Einschreiben mit Rückschein eine vorzeitige Auflösung des Vertrages vorzunehmen, unbeschadet weiterer Ansprüche gegen den Großabnehmer.

In diesem Fall hat die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb der C. C. GmbH, Niederlassung K., die Rabatte, die ihr für alle gelieferten Fahrzeuge gewährt wurden, vollständig zurückzuzahlen und zwar innerhalb einer Frist von 15 Tagen ab dem Datum der Auflösung des Vertrags.

Es wird festgestellt, dass die Bestimmungen aus vorgenannten Punkten keine Anwendung finden, falls die Firma G & K G. G. Marketing, Personalschulung und Vertrieb eines oder mehrere Fahrzeuge innerhalb der genannten Frist von 6 Monaten wiederverkauft hat, dabei jedoch nachweisen kann, dass dieser Wiederverkauf nicht zu Vertriebszwecken erfolgt."

Die Klägerin lieferte an den Beklagten bis zum 9. April 2003 insgesamt 139 Fahrzeuge und gewährte auf die unverbindliche Preisempfehlung einen Nachlass in einer Gesamthöhe von 758.577,10 €. Entgegen Ziffer 5 und 6 der vertraglichen Vereinbarung veräußerte der Beklagte die C.-Neufahrzeuge jedoch unmittelbar nach ihrer Zulassung nach Frankreich und Spanien. Aus diesem Grund vereinbarten die Parteien am 10. April 2003 die Auflösung des Vertrages und die Beendigung der Geschäftsbeziehungen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 758.557,10 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2003 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, bei Vertragsschluss sei allen Beteiligten klar gewesen, dass sämtliche Fahrzeuge unmittelbar in das europäische Ausland weiter veräußert werden. Die Klägerin habe von dem Weiterverkauf Kenntnis gehabt und daran mitgewirkt. Im übrigen verstoße das in Ziffer 6 des Vertrages vereinbarte strafbewehrte Veräußerungsverbot gegen § 307 Abs. 1 BGB und sei daher unwirksam. Die Nichtigkeit der vertraglichen Klauseln folge zudem aus Art. 81 Abs. 2 EG, denn die vereinbarte Mindesthaltedauer diene nicht dem Schutz des selektiven Vertriebssystems. Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juli 2004 sei zu entnehmen, dass die Freistellung des Vertriebssystems entfallen sei.

Mit Urteil vom 13. April 2005 hat die 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln der Klage in vollem Umfang statt gegeben. Die in Ziffer 6 des Liefervertrages vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung sei wirksam und ihre Voraussetzungen seien erfüllt. Die Vereinbarung unterliege als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB nicht der Inhaltskontrolle. Der Vortrag des Beklagten zu einer hiervon abweichenden mündlichen Vereinbarung der Parteien sei nicht ausreichend substantiiert. Es läge auch kein Verstoß gegen Art. 82 EG vor. Das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs betreffe einen anderen Sachverhalt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe mehrere seiner Beweisangebote zu Unrecht zurückgewiesen. Eine Gesamtschau der von ihm unter Beweis gestellten Indizien führe zu dem Ergebnis, dass die Klägerin von vorneherein auf die Einhaltung der Haltedauerverpflichtung durch den Beklagten verzichtet habe. Darüber hinaus vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen zur Unwirksamkeit der Vertragsklauseln.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.04.2005, Az.: 28 O (Kart) 647/04, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils und vertieft ihren Vortrag erster Instanz.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 758.557,10 € nicht zu. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist weder aus Ziffer 6 des am 6. November 2002 mit dem Beklagten geschlossenen Liefervertrages noch aus § 281 BGB oder Delikt gerechtfertigt.

1.

Die Klägerin kann von dem Beklagten aus Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages nicht beanspruchen, dass er ihr die auf die unverbindliche Preisempfehlung der bestellten und ausgelieferten C.-Fahrzeuge gewährten Rabatte in Höhe von insgesamt 758.557,10 € erstattet.

Zwar sind nach Ziffer 6 des Liefervertrages vom 6. November 2002 die bei Kauf der Fahrzeuge gewährten Rabatte vollständig an die Klägerin zurückzuzahlen, wenn eine oder beide der in Ziffer 6 Satz 1 und 2 vereinbarten Verpflichtungen nicht eingehalten werden. Auch hat der Beklagte unter Verstoß gegen das in Ziffer 6 Satz 1 vereinbarte Wiederverkaufsverbot sämtliche Fahrzeuge innerhalb der Haltefrist von 6 Monaten zu Vertriebszwecken weiterverkauft. Gleichwohl steht der Klägerin aus Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages ein Zahlungsanspruch gegen den Beklagten nicht zu. Diese Vertragsklausel ist nicht wirksam. Sie stellt eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Käufers im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

a.

Die Vertragsklausel unterliegt der Inhaltskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB. Unstreitig handelt es sich bei der Vertragsklausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB. Auch ist die Klausel nicht gemäß § 307 Abs. 3 BGB von der Inhaltskontrolle ausgenommen.

Nach § 307 Abs. 3 BGB sind nur solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrollfähig, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzende Regelungen enthalten (Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Aufl., § 307 Rn. 54). Regelungen, die den Leistungsinhalt und das zu zahlende Entgelt festlegen, sind daher einer Inhaltskontrolle grundsätzlich nicht unterworfen. Für Preisvereinbarungen gilt dies, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln, so dass Abreden, die sich nur mittelbar auf den Preis auswirken, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliegen (BGHZ 106, 46; BGH NJW 2002, 2386; Heinrichs in Palandt, aaO., § 307 Rn. 59).

Die in Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages vereinbarte (Rück-)Zahlungsverpflichtung ist keine Absprache, die den für die bestellten Fahrzeuge zu zahlenden Kaufpreis unmittelbar regelt. Der zu zahlende Kaufpreis wird vielmehr in Ziffer 2 des Liefervertrages festgelegt. Er errechnet sich aus der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers abzüglich der im einzelnen dort aufgelisteten Rabatte.

Bei der in Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages enthaltenen Regelung handelt es sich vielmehr um ein Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB, denn sie regelt eine Sanktion des Käufers für den Fall, dass er gegen vertraglich übernommene Pflichten verstößt.

Die Vertragsstrafe ist eine meist in Geld bestehende Leistung, die der Schuldner für den Fall der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung einer Verbindlichkeit verspricht. Ihr Zweck ist, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit als "Druckmittel" zu sichern und dem Gläubiger den Schadensbeweis zu ersparen (Heinrichs in Palandt, aaO., Vorb. v. § 339 Rn. 1). Zwar ist eine Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB nur das unselbständige, an die Hauptverbindlichkeit angelehnte Strafversprechen. Jedoch können die Parteien vereinbaren, dass die Pflichtverletzung zugleich zum Verfall der Vertragsstrafe und zur Auflösung des Vertrages berechtigen soll (Heinrichs in Palandt, aaO., Vorb. v. § 339 Rn. 2; BGH NJW 1985, 57 f.). Ausgehend von diesen Voraussetzungen stellt die Regelung in Ziffer 6 Satz 5 und 6 des Liefervertrages eine Vertragsstrafe im Sinne von § 339 BGB dar. Die der Höhe nach auf die gewährten Rabatte festgelegte Zahlungsverpflichtung des Beklagten entsteht für den Fall, dass er gegen eine der in Ziffer 6 Satz 1 und 2 vereinbarten Pflichten verstößt und die Klägerin aus diesem Grund den Vertrag gemäß Ziffer 6 Satz 5 auflöst. Durch die Regelung soll der Beklagte insbesondere angehalten werden, alle von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge ausschließlich zu seinem gewerblichen Eigengebrauch zu nutzen und keins der Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederzuverkaufen (Ziffer 6 Satz 1).

b.

Die in Ziffer 6 Satz 5 und 6 des Liefervertrages vereinbarte Vertragsstrafe beinhaltet eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung des Käufers und ist daher gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen. Dabei ist ein genereller Prüfungsmaßstab, eine von den Besonderheiten des Einzelfalles losgelöste, typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen (BGH NJW 1998, 1508, 1509 m.w.Nachw.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hält die Vertragsstraferegelung in Ziffer 6 des Liefervertrages einer Überprüfung nicht stand.

aa.

Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Dies ist vorliegend der Fall.

Nach der gesetzlichen Regelung in § 339 BGB ist die Verwirkung einer Vertragsstrafe an ein Verschulden des Verpflichteten geknüpft (BGH NJW 1998, 2600, 2601; BGH WM 1973, 388; BGHZ 72, 174, 178). Der Vorschrift liegt - als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots - das Bestreben zu Grunde, den Schuldner, dem ein Vertragsstrafeversprechen unverhältnismäßig große Nachteile bringen kann, zu schützen. Dem entspricht es, den Schuldner nur haften zu lassen, wenn er die Umstände, die zur Auslösung der vereinbarten Vertragsstrafe führen sollen, zu vertreten hat (BGH NJW 1985, 57 f.; OLG Hamm NJW-RR 2004, 58 f.).

Die im Liefervertrag der Parteien enthaltene Vertragsstrafenklausel weicht von diesem Grundgedanken ab. Zu Lasten der Klägerin ist gemäß § 305 c Abs. 2 BGB davon auszugehen, dass die Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden des Beklagten verwirkt sein soll.

Die Vertragsklausel erwähnt das Verschuldenserfordernis nicht. Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt gemäß Ziffer 6 Satz 5 und 6 des Liefervertrages lediglich voraus, dass der Beklagte eine oder beide der in die Ziffer 6 Satz 1 oder Satz 2 vereinbarten Pflichten nicht einhält und die Klägerin eine vorzeitige Auflösung des Vertrages vornimmt. Eine ausdrücklich Regelung, dass nur eine von dem Beklagten zu vertretende Zuwiderhandlung gegen das - hier allein zur Überprüfung stehende - Verbot, keines der gelieferten Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederzuverkaufen (Ziffer 6 Satz 1), zur Auflösung des Vertrages berechtigt und damit zum Verfall der Vertragsstrafe führt, findet sich nicht.

Nach Auffassung des Senates kann die Vertragsstrafeklausel auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass das Verschuldenserfordernis erkennbar nicht abbedungen werden sollte. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der an Geschäften dieser Art normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (vgl. nur BGHZ 102, 384, 389 f. m.w.Nachw.). Maßgeblich ist danach in erster Linie der Wortlaut der Klausel, so wie ihn redliche Partner eines sich anbahnenden Kraftfahrzeug-Liefervertrages unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage verstehen. Hierbei kommt dem Schweigen der Klausel zum Verschuldenserfordernis keine entscheidende Bedeutung zu. Es kann sowohl bedeuten, dass das Verschuldenserfordernis abbedungen werden sollte, als auch, dass das gesetzliche Leitbild - als selbstverständlich - vorausgesetzt wird (BGH NJW 1998, 2600, 2602).

Die Klägerin hat als Vertragshändlerin ein eigenes Interesse daran, ihre Firmenkunden, d.h. die Kunden, die eine größere Zahl an Fahrzeugen abnehmen, daran zu hindern, durch den sofortigen gewerbsmäßigen Wiederverkauf zu ihr oder anderen C.-Händlern in Wettbewerb treten. Da den Firmenkunden abhängig von der Zahl und Modell der bestellten Fahrzeuge ein Nachlass von bis zu 1/3 auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers gewährt wird, hätten sie ohne das Wiederverkaufsverbot die Möglichkeit, die Autos gegen höhere Preise als den Lieferpreis aber noch zu niedrigeren Preisen als die Vertragshändler anzubieten. Hierdurch wird die Gefahr von Auftragsverlusten der C.-Vertragshändlers begründet. Dieser Gefahr soll zum Schutz des selektiven Vertriebssystems durch die Vertragsstrafenregelung in Ziffer 6 Satz 6 wirksam begegnet werden. Da dieses Bedürfnis aber unabhängig davon besteht, ob der Firmenkunde verschuldet oder unverschuldet gegen das Wiederverkaufsverbot in Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages verstößt, hat die Klägerin aus der Sicht des verständigen Firmenkunden grundsätzlich ein Interesse an einer verschuldensunabhängigen Verwirkung der Vertragsstrafe. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn sich nach dem Verständnis eines typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Durchschnittskunden aus der Vertragsstrafenregelung gleichwohl erkennbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vertragsstrafe nur dann verwirkt sein soll, wenn ihm der Verstoß gegen eine der Pflichten in Ziffer 6 Satz 1 oder 2 auch subjektiv vorwerfbar ist, also von ihm zu vertreten ist. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Weder die Art der in Ziffer 6 Satz 1 geregelten Verpflichtung noch die Regelung in Ziffer 6 Satz 7 lassen einen solchen Schluss zweifelsfrei zu.

Soweit die Klägerin geltend macht, es sei kein Fall eines unverschuldeten Pflichtverstoßes gegen Ziffer 6 Satz 1 denkbar, weshalb das Verschuldenserfordernis in die Vertragsstraferegelung des Ziffer 6 Satz 6 impliziert sei, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Weder der Wortlaut von Ziffer 6 Satz 1 noch der Charakter der vereinbarten Pflicht lassen Rückschlüsse darauf zu, dass nur ein schuldhafte Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirken soll. Der Kunde ist gemäß Ziffer 6 Satz 1 verpflichtet, die erworbenen Fahrzeuge ausschließlich zum gewerblichen Eigengebrauch zu nutzen und keines dieser Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederzuverkaufen. Von einem Wiederverkauf zu Vertriebszecken ist auszugehen, wenn der Verkäufer mit den erworbenen Fahrzeugen Handel betreibt, er sich also gewerbsmäßig als Wiederverkäufer betätigt. Ein solches Verhalten setzt zwar zielgerichtetes und damit wissentliches und willentliches Handeln voraus. Hiervon zu unterscheiden ist aber die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit der objektiven Pflichtverletzung. Ein objektiver Verstoß gegen das vereinbarte Wiederverkaufsverbot zu Vertriebszwecken bedeutet nicht zugleich und in jedem Fall subjektive Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung. Es sind durchaus Fallkonstellationen denkbar, die den Verschuldensvorwurf entfallen lassen können, etwa wenn sich der Kunde - nach anwaltlicher Beratung - in einem entschuldbaren Rechtsirrtum über die Wirksamkeit des vereinbarten Wiederverkaufsverbots befunden und vorsätzlich die Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederverkauft hat. Dass die Klägerin in einem solchen Fall die Vertragsstrafe nicht als verwirkt ansehen will, ist nicht ansatzweise zu erkennen.

Auch der Regelung in Ziffer 6 Satz 7 des Liefervertrages ist nicht zu entnehmen, dass eine verschuldensabhängige Haftung Voraussetzung für die Verwirkung der Vertragsstrafe sein soll. Dort ist festgelegt, dass Ziffer 6 Satz 6 keine Anwendung findet, wenn der Beklagte bei einem Wiederkauf innerhalb der Haltefrist von 6 Monaten nachweisen kann, dass dieser Wiederverkauf nicht zu Vertriebszwecken erfolgt ist. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit Ziffer 6 Satz 1 2. Hs. zu sehen. Dort ist vorgesehen, dass bei dem Wiederverkauf eines Fahrzeuges innerhalb der Frist von 6 Monaten vermutet wird, dass dieser Verkauf zu Vertriebszwecken erfolgt ist. Ziffer 6 Satz 7 gibt dem Beklagten die Möglichkeit, diese Vermutung und damit allein die objektiven Voraussetzungen einer Zuwiderhandlung gegen das Weiterverkaufsverbot zu widerlegen. Über das Vorliegen eines Verschuldens und die Möglichkeit, sich auf fehlendes Verschulden berufen zu können, enthält Ziffer 6 Satz 7 keine Aussage.

Bleiben somit Zweifel bei der Auslegung der Klausel, ist Ziffer 6 Satz 6 des Liefervertrages gemäß § 305c Abs. 2 BGB dahingehend zu verstehen, dass die Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden des Firmenkunden bei einem Verstoß gegen Ziffer 6 Satz 1 verwirkt sein soll. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass beim Individualprozess immer dann, wenn die kundenfeindlichste Auslegung zur Unwirksamkeit der Klausel führt, auf die kundenfeindlichste Auslegung der Klausel abzustellen ist, um dem Verwender einer Formularbestimmung jede Möglichkeit zu nehmen, sich außerprozessual gegenüber seinen - häufig rechtsunkundigen - Vertragspartnern auf eine nach dem Wortlaut mögliche andere Auslegung zu berufen (BGH NJW 1992, 1099; OLG Düsseldorf NZG 1998, 353, 354).

bb.

Das Verschuldenserfordernis ist nicht wirksam abbedungen worden.

Eine entsprechende individualvertragliche Regelung ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, weil sie durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckt wird. In einseitig vom Verwender aufgestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann eine von § 339 BGB abweichende verschuldensunabhängige Vertragsstrafe dagegen auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr nur dann wirksam vereinbart werden, wenn gewichtige Umstände vorliegen, welche die Vertragsstrafenregelung trotz der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht mit Recht und Billigkeit noch vereinbar erscheinen lassen, die verschuldensunabhängige Haftung des Vertragsstrafeschuldners also durch sachliche, die Unwirksamkeitsvermutung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausräumende Gründe gerechtfertigt ist (BGH NJW 1985, 57 f.; BGHZ 72, 174. 178, 179).

Derartige gewichtige sachliche Gründe werden bei Vertragsstrafen zur Sicherung von Arbeitsplatz- und Investitionsgarantien in Unternehmenskaufverträgen mit der Treuhandanstalt wegen ihrer im weiteren Sinne kaufpreisersetzenden Funktion grundsätzlich bejaht (BGH NJW 1999, 2663, 2664). Ferner hat der Seeverkehr eine zwischen Verfrachter und Befrachter ausbedungene verschuldensunabhängige Vertragsstrafe für die Angabe falscher Ladegutabmessungen gebilligt, weil die Vertragsstrafe andernfalls ihre Druckfunktion verliere. Der Befrachter könnte sich sonst immer darauf hinausreden, die falschen Angaben stammten vom Versender (zu dem der Verfrachter keine vertraglichen Beziehungen hat) und er habe keinen Anlass gehabt, an deren Richtigkeit zu zweifeln (BGH NJW 1979, 105, 106 f.).

Ausgehend hiervon sind gewichtige Gründe für ein verschuldensunabhängiges Vertragsstrafeversprechen nicht ersichtlich. Die Vertragsstrafe stellt auch dann ein angemessenes Druckmittel dar, die Großkunden der Klägerin zu Beachtung des Weiterverkaufsverbots anzuhalten, wenn ihre Verwirkung ein schuldhaftes Verhalten voraussetzt. Die Kunden der Klägerin werden den zu Vertriebszwecken erfolgten Weiterverkauf eines Fahrzeuges eher selten damit entschuldigen können, dass sie die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten haben.

2.

Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung von 758.557,10 € folgt auch nicht aus § 281 BGB.

Insoweit kann dahin stehen, ob das in Ziffer 6 Satz 1 des Liefervertrages vorgesehene Verbot, die gelieferten Fahrzeuge zu Vertriebszwecken wiederzuverkaufen, überhaupt wirksam ist. Jedenfalls scheitert ein Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB daran, dass die Klägerin nicht hat darlegen können, dass ihr durch den pflichtwidrigen und schuldhaften Wiederverkauf der Fahrzeuge ein Schaden in Höhe von 758.557,10 € entstanden ist. Es fehlt jeglicher Vortrag dazu, wie sich die Vermögenslage der Klägerin bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten dargestellt hätte.

3.

Die Klägerin kann den Beklagten ferner nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB in Anspruch nehmen.

Ausgehend davon, dass das Wiederverkaufsverbot in Ziffer 6 Satz 1 wirksam vereinbart worden ist und der Beklagte bereits bei Abschluss des Vertrages vor hatte, die Fahrzeuge unter Verstoß gegen Ziffer 6 Satz 1 wiederzuverkaufen, scheitert ein deliktischer Schadensersatzanspruch jedenfalls daran, dass ein erstattungsfähiger Schaden nicht dargetan ist. Die Klägerin wäre gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie der Beklagte bei Abschluss des Vertrages nicht über seine Wiederverkaufsabsichten getäuscht hätte. In diesem Fall hätte die Klägerin den Vertrag mit dem Beklagten aber erst gar nicht geschlossen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Wert des Berufungsgegenstandes: 758.557,10 €.

Ende der Entscheidung

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