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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.03.2004
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 43/02
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, GWB, ZPO, HGB


Vorschriften:

BGB § 125
BGB § 125 Satz 1
BGB § 125 Satz 2
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 139
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 1
GWB § 18 a.F.
GWB § 18 1. HS Nr. 2 a.F.
GWB §§ 15 ff. a.F.
GWB § 26 Abs. 2 Satz 2
GWB § 34 a.F.
ZPO § 529 Abs. 1
HGB § 86 b Abs. 1
HGB § 86 b Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. August 2002 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 8.000 Euro abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Der Kläger betreibt eine Selbstbedienungstankstelle nebst Ladengeschäft, Autowaschanlage und Kraftfahrzeugwerkstatt. Die Beklagte gehört als Mineralölgesellschaft der weltweit tätigen E.-Unternehmensgruppe an.

Nachdem der Kläger schon in der Vergangenheit als Tankstellenverwalter für die Beklagte tätig war, unterbreitete er der Beklagten auf von dieser gestellten Vordrucken unter dem 31.8.1995 mehrere rechtsgeschäftliche Angebote, die einem Abschluss folgender Verträge galten:

- eines (neuen) Tankstellenvertrages für Selbstbedienung (SB; Anl. K 1 a = GA 8 ff.),

- eines "Tankkauf- und Tankleihvertrages" als Nachtrag zum bestehenden Tankstellenvertrag (Tankvereinbarung; Anl. K 1 b = GA 12 f.),

- einer Übereignung von E.-Betriebseinrichtungen durch die Beklagte (vier Tanks; Anl. K 1 c = GA 14),

- eines Tankstellen-Vergütungsvertrages (Anl. K 1 e = GA 17 f.),

- einer Investitionsvereinbarung (Anl. K 2 = GA 19).

In seinem Übersendungsschreiben vom selben Tag nahm der Kläger an den vorgesehenen Regelungen Änderungen vor (Anl. B 2 = GA 50 ff.), über welche die Parteien verhandelten. Mit ihrem Schreiben vom 19.4.1996 übersandte die Beklagte dem Kläger die von ihren Vertretern unterschriebenen Vertragsangebote und das Begleitschreiben vom 31.8.1995 zurück (Anl. B 1 = GA 47 ff.). Der Kläger zeichnete das Schreiben der Beklagten vom 19.4.1996 am 23.5.1996 gegen. Nach Maßgabe des (neuen) Tankstellenvertrages übernahm der Kläger fortan - im Wesentlichen gegen Zahlung von Provisionen - an seiner Tankstelle die Lagerung (in von ihm erworbenen Tanks) und als Handelsvertreter (Tankstellenverwalter) der Beklagten in deren Namen und für deren Rechnung den Verkauf von E.-Kraftstoffen und -motorölen (E.-Produkten) zu den von ihr vorgeschriebenen Preisen. Mit der vorliegenden Klage wendet der Kläger sich gegen die Praxis der Beklagten, Abschlagszahlungen auf die abgesetzten Kraftstoffe zu erheben. Die Beklagte zieht Abschlagszahlungen im Lastschriftverfahren von dem Bankkonto (Agenturkonto genannt) ein, auf dem der Kläger die Kassenbestände und die Einnahmen nach dem Tankstellenvertrag gesondert aufzubewahren hat (§ 8 Abs. 3 und 5 des Tankstellenvertrages).

In der Vergangenheit bemaß die Beklagte die den Abschlagszahlungen zugrundezulegenden Kraftstoffmengen nach den an ihrem Abgangslager festgestellten Mengen, die als angeliefert galten (§ 7 Abs. 3, § 8 Abs. 2 des Tankstellenvertrages). Vor mehreren Jahren ging sie dazu über, die an den Zapfsäulen tatsächlich abgegebenen Mengen taggenau elektronisch zu erfassen. Die Höhe von Abschlagszahlungen soll sich nach den durchschnittlichen Kraftstoff-Tagesabsätzen (ohne Gutschein-/Kreditkarten-Geschäft), dem jeweiligen Verrechnungspreis (Tankstellenverkaufspreis minus Provision) und dem durchschnittlichen Abrechnungsweg (Zeit zwischen Liefertag und Bankbelastung) richten (§ 8 Abs. 5 Satz 2 des Tankstellenvertrages). Die Höhe soll regelmäßig, spätestens nach einer Preisänderung um mehr als 10 Pf/l oder auf Wunsch des Tankstellenverwalters überprüft und erforderlichenfalls neu festgelegt werden (§ 8 Abs. 5 Satz 4 Tankstellenvertrag). In der Praxis bucht die Beklagte - wie die Parteien anhand der Abschlagsrechnung vom 11.4.2000 (Anl. K 3 = GA 20) dargelegt haben - Abschlagszahlungen im Mittel zwei Tage nach der jeweiligen Einnahme durch den Kläger ab. Zum Ausgleich der Verzögerung (durch den "Abrechnungsweg") bucht sie unter Berufung auf § 8 Abs. 5 des Tankstellenvertrages den ermittelten Tagesumsatz auf zwei Tage hochgerechnet ab. Dabei wird zur Vereinfachung der Abrechnung unterstellt, dass der Tankstellenverwalter die entsprechenden Erlöse eingenommen hat (§ 8 Abs. 2 des Tankstellenvertrages).

Der Kläger hat mit dem Klageantrag zu 1 beanstandet, die Beklagte ziehe auf die genannte Weise in den Fällen sog. Stationskredite (d.h. bei fallweise gewährten Zahlungserleichterungen für Großkunden) sowie bei sog. Wegfahrdiebstählen (Kraftstoffdiebstählen) von ihm, dem Kläger, (noch) nicht eingenommene Erlöse vom Agenturkonto ein und mute ihm insoweit eine Vorfinanzierung wesentlicher Erlösanteile zu (vom Kläger "Geldwegerisiko" genannt). Außerdem weise der Tankstellenvertrag mit rund 14 Jahren eine überlange Vertragsdauer auf. Die entsprechenden Bestimmungen des Tankstellenvertrages verstießen gegen - im vorliegenden Fall anzuwendendes - europäisches Kartellrecht, gegen § 138 Abs. 1 BGB und gegen § 9 Abs. 1 AGBG. Demzufolge sei der Vertrag nichtig, zumal das Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. verletzt worden sei. Von der letztgenannten Annahme ist der Kläger im ersten Rechtszug abgerückt.

Mit dem Klageantrag zu 2 hat der Kläger die Rückzahlung der durch die Abschlagsrechnung vom 11.4.2000 ausgewiesenen Abschlagszahlung begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, seinem Agenturkonto vorzeitig, d.h. ohne dass er diese Einnahmen hatte, Treibstoffumsätze, die E.-Kunden tätigten, zu belasten;

2. die Beklagte zu verurteilen, 19.532 DM nebst 5 % Zinsen für die Zeit vom 10.4.2000 bis zum 30.4.2000 und Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist den Klagebegehren im Einzelnen entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Normen des europäischen Kartellrechts hat es nicht für anwendbar gehalten. Auf die Entscheidungsgründe seines Urteils wird verwiesen.

Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Der Kläger bemängelt das Verfahren des Landgerichts, das über die Sachlage in einem bestimmten Punkt nicht aufgeklärt habe, und außerdem gemäß Art. 234 EG die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe einholen müssen. In der Sache ergänzt der Kläger seinen Vortrag, wonach die Beklagte ihm durch ihre Abbuchungspraxis bei sog. Stationskrediten und Wegfahrdiebstählen eine "Geldwegezeitfinanzierung" aufbürde, obwohl sie vor einer Erhebung von Abschlagszahlungen den Geldeingang auf dem Agenturkonto abzuwarten habe. Die Frage der Anwendbarkeit des europäischen Kartellrechts habe das Landgericht - so der Kläger - fehlerhaft entschieden. Im Ergebnis vertritt der Kläger weiter die Auffassung, dass der Tankstellenvertrag - und zwar auch wegen des nunmehr erneut vorgebrachten Nichtigkeitsgrundes aus § 34 GWB a.F. in Verbindung mit § 125 BGB - unwirksam sei und die Praxis der Einziehung von Abschlagszahlungen nicht rechtfertigen könne.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. in Abänderung des erstinstanzlichen Klageantrags - es zu unterlassen, von seinem Agenturkonto bei der V.-Bank R-E e.G., S.weg , B., Konto-Nummer , Umsätze aus bargeldlosen Treibstoffverkäufen in der Tankstelle R.straße ., B., zu seinen Lasten abzubuchen, solange er, der Kläger, die entsprechenden Kundenzahlungen seinerseits noch nicht vereinnahmt habe, insbesondere Abschlagszahlungen für noch nicht abgeführte Agenturerlöse gemäß § 8 Abs. 5 des Tankstellenvertrages vom 31.8.1995/19.4.1996 zu erheben;

hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, seinem, des Klägers, Agenturkonto vorzeitig, d.h. ohne dass er diese Einnahmen hatte, Treibstoffumsätze, die E.-Kunden tätigen, zu belasten;

2. 9.986,55 Euro nebst 5 % Zinsen für den Zeit vom 10.4.2000 bis zum 20.4.2000 und Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 an ihn zu zahlen, abzüglich am 29.8.2002 gutgeschriebener 1.324 Euro sowie am 5.12.2002 gutgeschriebener 10 Euro.

Hinsichtlich der gutgeschriebenen Beträge hat der Kläger den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt

Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte widerspricht der Antragsumstellung und den vom Kläger in der Sache eingenommenen Rechtsstandpunkten. Sie ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie hält den Tankstellenvertrag für rechtswirksam und ihre Abbuchungspraxis nach den Vertragsbestimmungen für rechtens.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst den Anlagen, insbesondere auf die vorbezeichneten Aktenbestandteile, auf die von den Parteien im Original zu den Akten gereichten Vertragsunterlagen sowie auf die Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vor dem Senat vom 25.6.2003 (GA 234 f.) und vom 5.3.2004 (GA 305 f.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klage ist vom Landgericht mit Recht abgewiesen worden. Beide Klageanträge - der Klageantrag zu 1 sowohl in Gestalt des Unterlassungs- als auch des Feststellungsantrags - sind unbegründet.

A) Die im Berufungsrechtszug gestellten Klageanträge zu 1 sind auslegungsbedürftig. Sie umfassen gemäß dem gestellten Haupt- und Hilfsantrag sämtliche Fallgestaltungen von Kraftstoffverkäufen, für welche die Beklagte Abschlagszahlungen zu einem Zeitpunkt erhebt, in dem valutierende Kundenzahlungen auf dem sog. Agenturkonto des Klägers noch nicht eingegangen sind. Auch der im ersten Rechtszug gestellte Feststellungsantrag hat sich seinem Wortlaut nach über sämtliche Belastungen verhalten, welche die Beklagte vornahm, ohne dass dem Agenturkonto des Klägers die den Treibstoffumsätzen durch Kunden entsprechenden Kaufpreiszahlungen bereits gutgeschrieben worden waren. Diese Antragstellung ist mit Blick darauf, dass der Kläger in seinen Schriftsätzen (und zwar in der Klageschrift S. 4, 5 = GA 5, 6 und zuletzt auch im Schriftsatz vom 18.6.2003, S. 1, 3 = GA 227, 229) die Handhabung der Beklagten nur bei sog. Stationskrediten und bei Wegfahrdiebstählen gerügt hat, im Senatstermin am 25.6.2003 und - mit Rücksicht auf den Wechsel der Prozessvertretung des Klägers - nochmals im Senatstermin vom 3.3.2004 im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage angesprochen worden. Der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im Senatstermin vom 25.6.2003 - den schriftsätzlichen Ausführungen entsprechend - die Beschränkung der Anträge auf Fälle von sog. Stationskrediten und Wegfahrdiebstählen bekräftigt. Der jetzige Prozessvertreter des Klägers ist einer dahingehenden Auslegung der Klageanträge, die der Senat im Termin am 3.3.2004 referiert hat, nicht entgegengetreten. Die zu 1. gestellten Klageanträge sind von daher nur auf die Abbuchungspraxis der Beklagten bei Stationskrediten und Wegfahrdiebstählen zu beziehen.

Der vom Kläger erklärten teilweisen Hauptsacheerledigung des Antrags zu 2 hat die Beklagte sich nicht angeschlossen. Die Erklärung des Klägers ist demnach dahin auszulegen, dass insoweit die Erledigung der Hauptsache festgestellt werden soll.

B) Die Umstellung des Klageantrags zu 1 in einen Unterlassungsantrag ist gegen den Widerspruch der Beklagten zulässig. Ihre Zulassung ist sachdienlich, weil sie eine endgültige Erledigung des Streitverhältnisses der Parteien zulässt (§ 533 Nr. 1 ZPO) und weil sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Entscheidung nach § 529 Abs. 1 ZPO ohnedies zugrunde zu legen hat (§ 533 Nr. 2 ZPO). Hinsichtlich der Zulässigkeit des hilfsweise (weiterhin) gestellten Feststellungsantrages ist auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Landgerichts zu verweisen (Urteilsabdruck S. 5 f.), denen der Senat sich anschließt und die deshalb nicht wiederholt zu werden brauchen.

C) Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I. Der Klageantrag zu 1 ist nach dem gestellten Hauptantrag sowie nach dem Hilfsantrag, der das rechtliche Schicksal des Hauptantrages teilt, unbegründet. § 8 Abs. 5 des Tankstellenvertrages bildet die Rechtsgrundlage der beanstandeten Abbuchungspraxis der Beklagten bei Abschlagszahlungen. Der Tankstellenvertrag ist - wie das Landgericht zu Recht entschieden hat - weder nach europäischem noch nach nationalem Kartellrecht noch aus anderen Gründen unwirksam und nichtig. Für die dahingehende rechtliche Überprüfung ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Tankstellenvertrages der Parteien abzustellen. Der Vertrag ist zustande gekommen, indem das vom Kläger am 23.5.1996 gegengezeichnete Schreiben der Beklagten vom 19.4.1996 dieser vom Kläger wieder zugegangen ist und sie dem darin liegenden Antrag des Klägers zugestimmt hat (§ 151 Satz 1 BGB). Durch die Unterschrift hat der Kläger sein Einverständnis mit dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 19.4.1996 sowie mit dem Inhalt der Anlagen jenes Schreibens erklärt.

a) Es ist nicht festzustellen, dass einzelne Bestimmungen des Tankstellenvertrages gegen Art. 85 Abs. 1 des EG-Vertrages (heute Art. 81 Abs. 1 EG) verstoßen. Hiernach sind namentlich alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen verboten, welche den Handel zwischen Mitgliedsstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Der Kläger will den Bedingungen des Tankstellenvertrages, und zwar soweit sie sich über eine Bezugsbindung und die Vertragsdauer verhalten, eine Wettbewerbsbeschränkung in der Ausgestaltung einer Marktabschottung zugemessen sehen. Er trägt dazu vor, die Regelungen des vorliegenden Tankstellenvertrags stimmten mit jenen in den Verträgen weiterer etwa 1.500 Tankstellenverwalter der Beklagten auf dem nationalen Markt überein. Die Beklagte nehme auf dem deutschen Kraftstoff- und Mineralölabsatzmarkt, auf dem auch die Tankstellenbetreiber tätig sind, einen Marktanteil von etwa 12 % ein. Wie sich an der Darstellung seines Prozessbevollmächtigten vom 14.6.2002 zeigt ("Der deutsche Markt" - enthalten in Anl. K 8, dort S. 7), legt der Kläger seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, die Beklagte schließe Tankstellenverträge durchweg auf 20 Jahre befristet ab.

1. Mit dem vorstehend wiedergegebenen Vortrag hat der Kläger nicht dargelegt und nicht unter Beweis gestellt, dass es sich bei den durch die Tankstellenverträge der Beklagten erzeugten rechtlichen Bindungen um Wettbewerbsbeschränkungen handelt, die geeignet sind, den zwischenstaatlichen Handel innerhalb des Gemeinsamen Marktes spürbar zu beeinträchtigen. Hierbei nimmt der Senat gemäß der sog. Bündeltheorie des Europäischen Gerichtshofs an, dass im Sinne einer Marktabschottung die Spürbarkeitsschwelle auch aufgrund der kumulativen Wirkung gleichartiger Verträge überschritten werden kann, welche die Beklagte selbst und dritte Mineralölunternehmen mit Tankstellenbetreibern abgeschlossen haben (vgl. EuGH Slg: 1966, 321, 391 - Grundig/Consten; Slg. 1967, 544, 556 - Brasserie de Haecht I; Slg. 1991 I, 935, 985 ff. = WuW/E EWG/MUV 911 - Delimitis/Henninger Bräu). Dennoch werden vom Kartellverbot des Art. 85 Abs. 1 EGV nicht automatisch sämtliche Bezugsverträge gleicher Art erfasst. Die kumulative Wirkung ist vielmehr nur denjenigen Unternehmen zuzuschreiben, deren Bezugsverträge durch Art und Inhalt der dem Abnehmer auferlegten Bindungen in einem erheblichen Maß zu einer Marktabschottung beitragen (vgl. EuGH Slg. 1991 I, 935, 985 ff. = WuW/E EWG/MUV 911 - Delimitis/Henninger Bräu). Die Erheblichkeit des Beitrags zur Marktabschottungswirkung ist namentlich anhand der Marktstärke des die Bezugsverträge verwendenden Unternehmens und seines Marktanteils, aber auch anhand der vereinbarten Vertragslaufzeit und der vertraglich gebundenen Abnahmemengen zu überprüfen. Auf den Streitfall bezogen ist den Tankstellenverträgen der Beklagten ein erheblicher Beitrag zu einer Marktabschottungswirkung in Verbindung mit gleichartigen Verträgen anderer Mineralölunternehmen nicht allein schon wegen des Marktanteils der Beklagten zuzuerkennen. Der Marktanteil der Beklagten liegt der Darstellung des Klägers zufolge "lediglich" bei etwa 12 %. Die von den Tankstellenverträgen der Beklagten ausgehenden Bindungen tragen zu einer kumulativ wirkenden Marktabschließung demnach nur bei und verstoßen damit gegen das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot, sofern sie - verglichen mit den gebräuchlichen Bezugsverträgen anderer Mineralölunternehmen - die Abnehmer für eine überlange Vertragslaufzeit binden. Das ist möglicherweise anzunehmen, wenn die Verträge der Beklagten ausnahmslos eine Bindungsdauer von 20 Jahren aufweisen, was jedoch dahingestellt bleiben kann. Der Kläger hat jedenfalls nicht nachvollziehbar und in Erwiderung auf die Sachdarstellung im Schriftsatz der Beklagten vom 1.8.2002 (S. 11 = GA 132) vorgetragen, die Beklagte sehe in ihren Tankstellenverträgen durchweg oder jedenfalls überwiegend Laufzeiten von 20 Jahren vor. Dem hat die Beklagte widersprochen. Auch der Tankstellenvertrag, den der Kläger mit der Beklagten abgeschlossen hat, weist eine kürzere Laufzeit, nämlich eine solche von 14 Jahren, auf, wobei der Kläger die Abkürzung selbst vorgeschlagen und im Verhandlungsweg erreicht hat (vgl. Anl. B 2 = GA 50 und Anl. K 1 a = GA 9). Es ist hiernach nicht auszuschließen, dass die gleichartigen Bezugsverträge der Beklagten im einzelnen Fall und im Durchschnitt sogar kürzere Laufzeiten als der vorliegende Vertrag haben. Auf die daraus resultierenden Zweifel an seiner Behauptung, die Beklagte gebe ihren Abnehmern (und zwar Tankstellenbetreibern) eine 20-jährige Vertragsbindung vor, sowie auf die Unklarheit überhaupt, über welchen Zeitraum die Beklagte ihre Abnehmer einer Bezugsbindung unterwirft, ist der Kläger nicht näher eingegangen. Er hat die Bedenken und Unklarheiten erst recht nicht ausgeräumt, sondern hat im Schriftsatz vom 18.6.2003 (S. 2 = GA 228) hinsichtlich einer Abschottungswirkung lediglich pauschal auf die als Anlage K 8 vorgelegten Tatsachendarstellungen, Statistiken und Meinungsäußerungen verwiesen. Die pauschale Bezugnahme auf die mehr als 50-seitige Anlage K 8 ist prozessual unzulässig. Das liegt auf der Hand, zumal die Beklagte hierauf deutlich hingewiesen hat (siehe den Schriftsatz vom 1.8.2002, S. 10 f. = GA 131 f. - insoweit in Bezug auf eine frühere pauschale Verweisung des Klägers im Schriftsatz vom 14.6.2002, S. 3 = GA 58). Der Senat hatte dies daher nicht mehr zum Gegenstand eines ausdrücklichen Hinweises zu machen. Der auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens (oder eines sachverständigen Zeugnisses) abzielende Beweisantrag des Klägers im Schriftsatz vom 18.6.2003 (S. 2 = GA 228) ist unerheblich, soweit er sich auf die den relevanten Markt betreffenden Tatsachen bezieht. Er ist des weiteren unzulässig, soweit hierdurch eine von den Vertragsbedingungen der Beklagten ausgehende Abschottungswirkung unter Beweis gestellt werden soll. Die behauptete Abschottungswirkung stellt einen durch Tatsachenvortrag auszufüllenden Rechtsbegriff dar. Da der Kläger die ihn tragenden Tatsachen nicht vorgetragen hat, käme eine Beweisaufnahme einer unzulässigen Tatsachenausforschung gleich.

2. Unabhängig vom Vorstehenden ist der rechtlichen Beurteilung des Landgerichts beizupflichten, wonach der vorliegende Tankstellenvertrag einer Anwendung des Kartellverbots des Art. 85 Abs. 1 EGV entzogen ist. Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich bei diesem Vertrag nämlich um einen Handelsvertretervertrag. Gemäß § 1 Nr. 1 des Vertrages hat der Kläger den Verkauf von E.-Produkten im Namen und für Rechnung der Beklagten "als Handelsvertreter" übernommen. Seine Vergütung besteht - abgesehen von bestimmten festbetraglichen Zuwendungen - gemäß § 2 Nr. 2 Buchst. b) des Tankstellenvertrages in der Zahlung von Provisionen. Als Handelsvertreter ist der Kläger kein selbständiger Wettbewerber am Markt. Denn der Handelsvertreter ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht als Geschäftsherr der von ihm vermittelten Absatzgeschäfte und nicht als Unternehmer im Sinne von Art. 85 Abs. 1 EGV anzusehen, weil er in das Vertriebssystem des hinter ihm stehenden Prinzipals funktional eingegliedert ist und dessen Weisungen zu befolgen hat. Wettbewerbsbeschränkungen in Handelsvertreterverträgen unterfallen demzufolge nicht dem Verbot des Art. 85 Abs. 1 EGV (vgl. EuGH Slg. 1975, 1663, 2024 = WuW/E EWG/MUV 347, Rn. 539 - Suiker Unie; Slg. 1995 , 3477 = WuW/E EWG/MUV 1023, 1026, Rn. 19 - VW-Herstellerleasing; Langen/Baron, Einführung zum EG-Kartellrecht, Rn. 158; Langen/v.Stoephasius, Art. 81 EG, Fallgruppen Rn. 340 bis 342).

Der im Tankstellenvertrag vorgesehenen Funktion nach ist der Kläger Handelsvertreter. Der von ihm vertretenen gegensätzlichen Auslegung, wonach er als Eigenhändler einzustufen sei, ist nicht zuzustimmen. Die rechtliche Einordnung als Eigenhändler oder Handelsvertreter richtet sich in erster Linie danach, welche Vertragspartei bei einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung die finanziellen Risiken der geschäftlichen Unternehmung trägt. Die wesentlichen Risiken aus dem Kraftstoff- und Mineralölabsatzgeschäft sind im Streitfall der Beklagten zugewiesen. Der bloße Umstand, dass der Kläger neben dem Verkauf von E.-Produkten namens und auf Rechnung der Beklagten einen Eigenhandel mit Waren aus seinem Verkaufssortiment betreibt, lässt ihn dagegen selbst dann nicht als selbständigen Händler erscheinen, wenn der Eigenhandel den größeren Teil seines Gesamtumsatzes ausmacht. Ein Eigenhändler kann zugleich Handelsvertreter sein (vgl. BGH DB 1986, 2221, 2222). Entscheidend ist, wie seine funktionale Stellung gemäß dem der Beurteilung unterliegenden Vertrag, im vorliegenden Fall beim Vertrieb von Vertragswaren, rechtlich zu qualifizieren ist. Nach jenem Vertrag hat indessen die Beklagte alle wesentlichen Risiken, insbesondere die Gefahr geschäftlicher Verluste, die Risiken aus Transport, Lagerhaltung, Vorausdisposition und Absatz sowie - ganz überwiegend - das Kredit- und Finanzierungsrisiko aus dem Verkauf von E.-Produkten zu tragen. Die Beklagte bestimmt unstreitig auch die Preise und die Geschäftsbedingungen. Vom Kläger sind nach eigenem Vortrag bei der Geschäftsabwicklung nur unbedeutende oder solche Risiken zu verantworten, die sich in Ermangelung zureichenden Sachvortrags und Beweisangebots einer konkreten Bewertung entziehen.

aa) Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 des Tankstellenvertrages trägt die Beklagte das Transportrisiko. Sie liefert E.-Produkte an der Tankstelle des Klägers an. Sie bleibt bis zu deren Abgabe an Kunden gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 des Tankstellenvertrages auch Eigentümerin der Waren. Dabei hat der Eigentumsvorbehalt nicht nur eine bloße Sicherungsfunktion, sondern er soll gerade für die vorgesehene und bestimmungsgemäße Verwendung der Produkte gelten, die darin besteht, sie dem Absatz an Kunden zuzuführen. Der eigentumsrechtlichen Lage entsprechend hat die Beklagte die Lagerbestände zu finanzieren und die Lagerrisiken, insbesondere solche aus Verlust und Verschlechterung der Waren, zu tragen. Der Umstand, dass die Kraftstoffe in vier Tanks gelagert werden, die der Kläger aus Anlass des Vertragsschlusses von der Beklagten käuflich erworben hat und die ihm gehören (Tankvereinbarung Anl. K 1 b = GA 12 und dingliche Einigung Anl. K 1 c = GA 14), rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Das Landgericht hat dazu mit Recht bemerkt, die Beklagte habe - im Rechtssinn als Miete zu verstehen - für die Nutzung der Tanks bei Vertragsabschluss ein Entgelt von 49.000 DM netto, d.h. umgerechnet auf die Vertragsdauer von rund 14 Jahren monatlich 3.500 DM, an den Kläger entrichtet (Tankvereinbarung Anl. K 1 b = GA 13). Der Kläger behauptet nicht, durch diese Zahlung sei der Aufwand zur Unterhaltung der Tanks nicht gedeckt.

Das mit der Lagerung und mit dem Betrieb der Tankstelle verbundene Risiko von Bodenkontaminationen ist dem Kläger von der Beklagten zu wesentlichen Teilen abgenommen worden. Die Beklagte hat sich gemäß ihrem Schreiben vom 19.4.1996 dazu verpflichtet, Bodenverunreinigungen, die bei der Übergabe der Tanks an den Kläger festgestellt wurden, auf ihre Kosten zu beseitigen (Anl. B 1, S. 2, 1. Absatz). Der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 19.4.1996 ist Bestandteil des abgeschlossenen Vertrages. Nach § 10 Satz 3 des Tankstellenvertrages hat die Beklagte das Gewässerhaftpflichtrisiko während der Dauer des Vertrages zu versichern. In Abänderung der formularmäßigen Regelungen ist die Beklagte gemäß § 5 Nr. 6 Satz 3 des Tankstellenvertrages außerdem verpflichtet, nach Beendigung des Vertrages und Ausbau der in ihrem Eigentum stehenden Anlagenteile (z.B. der Zapfanlagen) die Oberflächen in den früheren Zustand zurück zu versetzen. Dazu gehört gleichermaßen eine Beseitigung von betriebsbedingt eingetretenen Bodenverunreinigungen.

Der Kläger haftet entgegen seiner Auffassung auch nicht für sog. Warendifferenzen (z.B. aufgrund von Temperaturunterschieden und von Überfüllungen, vgl. GA 4). Eine dahingehende Haftung geht aus den von ihm insoweit benannten Vorschriften in § 7 des Tankstellenvertrages nicht hervor. Die eingenommenen und an die Beklagte abzuführenden Verkaufserlöse werden auf der Grundlage der abgegebenen Treibstoffmengen ermittelt. Die abgegebenen Mengen werden an den Zapfsäulen genau erfasst. Dadurch sind die im Tankstellenvertrag vorgesehenen Regelungen, wonach die am Abgangslager der Beklagten festgestellten Mengen als angeliefert zu gelten haben (§ 7 Abs. 3) und unterstellt wird, dass die jeweils neu angelieferten Mengen den seit der letzten Befüllung der Tanks verkauften Mengen entsprechen (§ 8 Abs. 2), hinfällig geworden. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die neue und vor mehreren Jahren eingeführte Mess- und Abrechnungspraxis der Beklagten sei entgegen § 11 Nr. 8 Abs. 3 des Tankstellenvertrages, der Änderungen des Vertrages der Schriftform unterwirft, mit der Nichtigkeitsfolge aus § 125 Satz 2 BGB nicht schriftlich verabredet worden. Die Beklagte kann - entgegen der Ansicht des Klägers - zum früheren Mess- und Abrechnungsverfahren nicht mehr zurückkehren. Die genannte Schriftformabrede unterliegt der Disposition der Parteien. Sie kann formfrei und sogar stillschweigend aufgehoben werden (vgl. Palandt/Heinrichs, 63. Aufl., § 125 BGB Rn. 14 m.w.N.). Da die Beklagte das Verfahren der Messung und Abrechnung tatsächlich umgestellt und der Kläger dies nach eigenem Vortrag widerspruchslos hingenommen hat, ist es nach den Umständen so anzusehen, dass die Parteien den Tankstellenvertrag in den genannten Vorschriften - unter Aufhebung des Schriftformerfordernisses für diesen Fall - einvernehmlich stillschweigend und verbindlich abgeändert haben.

bb) Dem Kläger obliegt nicht das Absatzrisiko und das Risiko zutreffender Vorausdispositionen. Diese Risiken - sofern mit Blick auf die sichere Nachfrage nach Kraftstoffen und Mineralölen und deren sicheren Absatz hiervon überhaupt gesprochen werden kann - trägt die Beklagte.

Der Kläger hat auch das allgemeine Finanzierungs- und Kreditrisiko aus den von ihm getätigten Absatzgeschäften nicht zu tragen. Bei dieser Prüfung ist darauf abzustellen, welche Vertragspartei bei wirtschaftlicher Betrachtung die händlertypische Gefahr von Zahlungsausfällen letztlich und abschließend - nicht jedoch nur vorübergehend - trägt. Dafür hat eindeutig die Beklagte aufzukommen. Hierzu im Einzelnen: Die Abwicklung von Barverkäufen, die im Tankstellengeschäft in der überwiegenden Mehrzahl sind, entfaltet für den Kläger kein Risiko. Zahlungen durch Tankgutscheine und sog. E.-Cards werden unmittelbar von der Beklagten eingezogen. Den Gegenwert bucht die Beklagte - wie außer Streit steht - vom sog. Agenturkonto gar nicht erst ab (siehe auch die Abrechnung vom 11.4.2000, GA 20). Sofern Kunden mittels EC-Karten und Kreditkarten zahlen, wirkt sich allerdings die in § 8 Abs. 2 des Tankstellenvertrages angeordnete Fiktion aus, wonach zur Vereinfachung der Abrechnung im Zeitpunkt der Abbuchung durch die Beklagte zu unterstellen ist, dass die den verkauften Mengen entsprechenden Erlöse vom Tankstellenverwalter eingenommen worden sind. Die Beklagte zieht den Gegenwert vom Konto des Karteninhabers direkt ein, belastet das Agenturkonto zuvor aber durch Abbuchung einer um den Finanzierungsaufwand des Tankstellenverwalters gekürzten Abschlagszahlung ohne Rücksicht darauf, ob jener den Absatzerlös bereits eingenommen hat (vgl. die Abrechnung vom 11.4.2000, GA 20). Zuviel abgebuchte Beträge werden dem Agenturkonto des Tankstellenverwalters indes am nachfolgenden Tag unbestritten gutgeschrieben (GA 36, 37). Bei dieser Praxis finanziert der Tankstellenverwalter die nicht eingenommenen Erlöse zwar in einem gewissen Umfang vor. Im Rahmen der funktionalen Abgrenzung seiner rechtlichen Stellung von der eines Eigenhändlers ist dieser Umstand jedoch vernachlässigbar. Das händlertypische Ausfallrisiko wird nicht vom Verwalter der Tankstelle getragen, sondern von der Beklagten.

Nicht anders verhält es sich bei dem Sonderfall von Treibstoffdiebstählen. Die Beklagte schreibt nach eigenem Vortrag des Klägers dadurch eingetretene Verluste gut, stellt ihre Tankstellenverwalter also schadlos, sofern der betroffene Verwalter eine Strafanzeige oder einen Strafantrag stellt und die Uneinbringlichkeit des geschuldeten Kaufpreises durch einen Einstellungsbescheid der Strafverfolgungsbehörde dokumentiert ist. Die Beklagte übernimmt demnach das Schadensrisiko, wohingegen der betroffene Tankstellenverwalter den Fehlbetrag für einen nicht näher bestimmbaren Zeitraum lediglich vorzufinanzieren hat. Diese ihn treffende Belastung ist unbedeutend, wie auch die Gefahr von Kraftstoffdiebstählen überhaupt - dies jedenfalls für die hier zu treffende Unterscheidung - nicht als wesentlich eingestuft werden kann. Durch solche Diebstähle wird nach eigenem Vorbringen des Klägers in der Regel kein den Jahresbetrag von 720 Euro überschreitender Schaden verursacht (vgl. GA 61: 60 Euro im Monat). Im Übrigen kann ein Handelsvertreter genauso wie ein Eigenhändler Opfer eines Diebstahls werden. Das hiervon ausgehende Schadensrisiko ist nicht händlerspezifisch und nicht geeignet, den Handelsvertreter von einem Eigenhändler abzugrenzen.

Bei sog. Stationskrediten, die Tankstellenverwalter wie der Kläger ausgewählten Großkunden ihrer Tankstelle gewähren, fällt für den Tankstellenverwalter allerdings ein Zahlungsausfallrisiko an. Denn nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Vertrages soll er der Beklagten im Fall einer solchen Kreditgewährung für den vollen Gegenwert haften. Diesem Umstand lässt sich nicht allein mit dem Hinweis darauf begegnen, der Tankstellenverwalter, der einen Stationskredit gewähre, handele aufgrund einer eigenen, der Beklagten nicht zurechenbaren unternehmerischen Entscheidung. Stationskredite werden eingeräumt, um umsatzstarke Kunden an die Tankstelle zu binden. Daraus zieht nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte einen wirtschaftlichen Nutzen, weil dies in ihrem Interesse den Warenabsatz sichert und begünstigt. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass Kunden, denen die mit dem Kredit verbundenen - und im Geschäftsverkehr wohl auch erwarteten - Zahlungserleichterungen nicht angeboten werden, die Tankstelle und die Marke wechseln. Die Beklagte fördert und unterbindet jedenfalls nicht das Geschäft mit Kundenkrediten. Sie leitet dazu an und hat ihren Tankstellenverwaltern - wie die vom Kläger als Anlage K 9 zu den Akten gereichten Unterlagen belegen - insoweit Verhaltensmaßregeln an die Hand gegeben. Die persönliche Haftung des Tankstellenverwalters, die nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Tankstellenvertrages bei einer Gewährung von Stationskrediten und in deren Höhe gegenüber der Beklagten eintritt, ist auch nicht mit einem Hinweis auf die für den Handelsvertreter nicht untypische Delkrederehaftung nach § 86 b Abs. 1 HGB zu erklären. Die Verpflichtung, für die Erfüllung der Verbindlichkeit aus einem von ihm vermittelten Geschäft einzustehen (Delkrederehaftung), unterliegt dem Bestimmtheitserfordernis des § 86 b Abs. 1 Satz 2 HGB (vgl. dazu Baumbach/Hopt, 31. Aufl., § 86 b HGB Rn. 3), ohne dass eine derartige Bestimmung in der erwähnten Vertragsvorschrift getroffen worden ist oder die Geschäfte oder die Kunden auf andere Weise objektiv bestimmbar sind. Dennoch gibt die Tatsache, dass nach seinem Vortrag auch der Kläger Stationskredite gewährt, im Streitfall nichts dafür her, dass er mit Blick auf das Absatzgeschäft bei E.-Produkten als Eigenhändler anzusehen ist. Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die dem Kläger aus Stationskrediten entstehenden wirtschaftlichen Risiken tatsächlich mehr als nur unbedeutend sind. Der Kläger hat insoweit geltend gemacht, das Ausfallrisiko bei Stationskrediten könne mit "bis zu 30.000 Euro" bewertet werden, womit ersichtlich der auf solche Kredite entfallende monatliche Umsatz gemeint ist (vgl. GA 61 = Schriftsatz vom 14.6.2002, S. 6). Dieser Vortrag ist wertungsbesetzt. Er kann ohne nähere Darstellung der dahinter stehenden Tatsachen, namentlich der in der Vergangenheit vorgekommenen Zahl von Forderungsausfällen und deren Höhe, nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden. Da solcher Vortrag schon im ersten Rechtszug unterblieben ist, hat das Landgericht die Behauptung eines nicht unbedeutenden Risikos als unsubstantiiert behandelt (Urteilsabdruck S. 10). In seiner Berufungsbegründung hat der Kläger in diesem Punkt zwar eine ungenügende Tatsachenaufklärung durch das Landgericht bemängelt (dort S. 2 f. = GA 184 f.). Ob dies zutrifft, kann aber offen bleiben. Denn der Kläger hat sich jedenfalls auch im Berufungsrechtszug nicht dazu verstanden, die Tatsachengrundlagen für seine Risikobewertung mitzuteilen. Der behauptete und angeblich auf vom Kläger gewährte Kundenkredite entfallende Umsatz ist von der Beklagten außerdem in Abrede gestellt und vom Kläger nicht unter Beweis gestellt worden. Beweisfälligkeit geht prozessual zu seinen Lasten, da es um tatbestandliche Elemente einer Norm (nämlich des Art. 85 Abs. 1 EGV) geht, deren Anwendung den Tankstellenvertrag mit der Folge, dass für die beanstandete Abrechnungspraxis keine Rechtsgrundlage mehr besteht, nichtig werden lassen soll (Art. 85 Abs. 2 EGV). Da das diesbezügliche Vorbringen des Klägers im Ergebnis auch in der Berufungsinstanz unsubstantiiert geblieben ist, kann auf seiner Grundlage nicht beurteilt und nicht festgestellt werden, den Kläger treffe bei der Einräumung von Stationskrediten infolge seiner nach § 2 Nr. 1 Satz 2 des Tankstellenvertrages gegenüber der Beklagten eintretenden Zahlungsverpflichtung ein für seine Einstufung als Händler (und nicht als Handelsvertreter) wichtiges und nicht unbedeutendes Risiko. Soweit der Kläger Kundenkredite lediglich vorfinanziert, weil die Beklagte vom Agenturkonto Abbuchungen ohne Rücksicht darauf vornimmt, ob dem Kläger Kundenzahlungen bereits zugeflossen sind, ist diesem Umstand bei der hier vorzunehmenden Abgrenzung eine wesentliche Bedeutung nicht zuzumessen.

cc) Der Kläger hat ebenso wenig das von ihm behauptete Risiko von Investitionen zu tragen. Der Vortrag, eine Bewertung seiner Investitionen dürfte zu Werten von mehr als zwei Millionen DM gelangen (GA 57), ist bestritten und zumal deswegen ohne greifbare Substanz, weil der Kläger das in seinem Eigentum stehende Tankstellengrundstück als solches auch schon vor dem im Jahr 1996 neu abgeschlossenen Tankstellenvertrag und seither weitere nahezu sieben Jahre lang genutzt hat. Seine Aufwendungen, die gleichermaßen dem Eigengeschäft bei Warenverkäufen, bei Reparatur- und Wartungsdienstleistungen an Kundenfahrzeugen und bei Autowäschen zugute kamen, haben sich infolge dessen wenigstens teilweise amortisiert. Dieses Vorbringen des Klägers kann der Entscheidung daher nicht zugrunde gelegt werden. Zwar weist die von den Parteien getroffene Investitionsvereinbarung (Anl. K 2 = GA 19) weitere Aufwendungen des Klägers im Betrag von 220.000 DM unter anderem für die Herstellung einer Fahrbahnentwässerung aus. An die Marke der Beklagten gebundene (markenspezifische) Investitionen macht der Kläger aber nicht geltend. Von daher ist anzunehmen, dass die von ihm geschaffenen Werte auch nach einer Beendigung des mit der Beklagten bestehenden Tankstellenvertrages wirtschaftlich weiter nutzbar bleiben, weil sie dann jedenfalls für den Betrieb einer Tankstelle unter einer anderen Kraftstoffmarke oder auch einer freien Tankstelle zur Verfügung stehen. Die Behauptung des Klägers, verlorene Aufwendungen getätigt zu haben, lässt sich bei dieser Sachlage nicht nachvollziehen. Das Grundstück bleibt für eine Nutzung als Tankstelle weiter verwendungsfähig. Es kann auch nicht festgestellt werden, es sei selbst nach einer (gegebenenfalls teilweisen) Nutzungsänderung für andere Zwecke nicht zu gebrauchen. Genauso wenig ist festzustellen, der Kläger könne das Grundstück nur mit einem erheblichen Verlust veräußern. Dass der Kläger von gewissen Investitionsrisiken dennoch nicht freigestellt ist, entkleidet ihn nicht seiner funktionalen Stellung eines Handelsvertreters.

In Werbemaßnahmen hatte der Kläger im Übrigen nicht zu investieren. Nach § 11 Nr. 4 des Tankstellenvertrages ist die Werbung von der Beklagten - auf eigene Kosten - durchzuführen. Der Kläger hat zu diesem Zweck lediglich Wandflächen und Plätze zur Verfügung zu stellen. Der Kläger unterliegt auch keiner Verpflichtung, Werbeeinrichtungen nach Ablauf des Vertrages zu entfernen. Die Bestimmung in § 5 Nr. 6 Satz 3 des Tankstellenvertrages ist auf seine Veranlassung dahin abgeändert worden, dass die Beklagte nach Beendigung des Vertrages die Grundstücksoberflächen in den früheren Zustand zurückzuversetzen hat. Die nach einer Beendigung des Vertrages gemäß § 5 Nr. 6 Satz 1 des Tankstellenvertrages eintretende Verpflichtung des Klägers, Markenschriftzüge sowie die markentypische Ausstattung und Farbgebung der Tankstelle zu beseitigen, charakterisiert ihn nicht als Eigenhändler.

dd) Die vom Kläger im vorliegenden Zusammenhang herangezogenen Leitlinien für vertikale Beschränkungen der Europäischen Kommission vom 24.5.2000 (Abl. C 291 vom 13.10.2000, S. 1 ff. = Anl. K 5, dort Tz. 12 ff.) haben für die Abgrenzung nur eine eingeschränkte Aussagekraft. Die Leitlinien enthalten Auslegungshinweise, verfügen selbst aber über keine Rechtssatzqualität. Hiervon abgesehen waren bei Abschluss des Vertrages im Jahr 1996 jene Leitlinien (noch) nicht existent. Es galt die Bekanntmachung der Kommission vom 24.12.1962 über Alleinvertriebsverträge mit Handelsvertretern (Abl. C 139 vom 24.12.1962, S. 2921 ff.). Diese sprachen sich in ihrem ersten Teil dafür aus, dass die Funktion eines Eigenhändlers insbesondere ausgeübt wird, wenn der als Handelsvertreter bezeichnete Vertragspartner

- ein Lager mit in seinem Eigentum stehenden Vertragswaren in erheblichem Umfang unterhalten muss oder unterhält,

- einen erheblichen unentgeltlichen Service auf eigene Kosten einrichten, unterhalten oder durchführen muss oder einrichtet, unterhält oder durchführt oder

- die Preise oder die Geschäftsbedingungen für die Handelsgeschäfte bestimmen kann oder bestimmt.

Nach dem oben (unter aa), S. 12 f.) dargestellten Befund ist im vorliegenden Fall indes nicht festzustellen, der Kläger unterhalte ein Lager mit in seinem Eigentum stehenden Waren. Der vorliegende Tankstellenvertrag hält ihn ebenso wenig dazu an, einen Reparatur- und Wartungsdienst einzurichten und zu betreiben. Die Preise und die Geschäftsbedingungen werden nicht von ihm, sondern von der Beklagten festgelegt.

3. Der Senat hat im Streitfall gemäß Art. 234 EG nicht um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nachzusuchen. Die Vorlagefrage, die der Kläger formuliert hat (vgl. Schriftsatz vom 14.6.2002, S. 8 = GA 63), betrifft die Subsumtion des vorgetragenen Sachverhalts unter die Norm des Art. 85 Abs. 1 EGV, die den nationalen Gerichten obliegt. Indes hat der europäische Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 1 Buchst. a) EG (nur) über die Auslegung von Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorab zu entscheiden. Ein dahingehender Auslegungsbedarf tritt im vorliegenden Fall nicht auf.

b) Der Tankstellenvertrag ist weder insgesamt noch in einzelnen Bestimmungen wegen eines Verstoßes gegen Vorschriften des nationalen Kartellrechts nichtig.

1. Der Vertrag ist - anders als der Kläger meint - unter dem Gesichtspunkt des nach § 34 GWB a.F. bei wettbewerbsbeschränkenden Verträgen zu beachtenden Schriftformgebots nicht gemäß § 125 Satz 1 BGB unwirksam. § 34 GWB a.F. bleibt zwar auf sog. Altverträge anzuwenden (vgl. BGH WRP 1999, 672 - Markant). Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Regelungen in § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Tankstellenvertrages den Kläger im Sinne von § 18 erster Halbsatz Nr. 2 GWB a.F. beim sog. Eigengeschäft faktisch in der Freiheit beschränken, Waren von Dritten zu beziehen. § 4 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages unterwirft den Tankstellenverwalter hinsichtlich anderer als der in § 1 Nr. 1 genannten E.-Produkte (Markenkraftstoffe und -motoröle) einer einfachen Bezugsbindung an die Beklagte und hiervon ausgehend einer Beschränkung nach § 18 GWB a.F., als die jede Verkürzung der Handlungsfreiheit des gebundenen Unternehmens anzusehen ist (vgl. Langen/Klosterfelde/Metzlaff, KartR, 9. Aufl., § 16 GWB Rn. 54). Jedoch ist die Vorschrift in § 4 Abs. 2 des Vertrages entweder als eine bloße Konkretisierung der den Tankstellenverwalter gegenüber der Beklagten treffenden und für das Handelsvertreterverhältnis typischen Treuepflichten auszulegen (vgl. § 86 Abs. 1 HGB). Als solche wäre sie ohne einen selbständigen wettbewerbsbeschränkenden Regelungsgehalt und nicht formbedürftig nach § 34 GWB a.F., da besondere Verpflichtungen hierdurch nicht erzeugt, sondern lediglich bestehende Pflichten ausformuliert worden sind (vgl. OLG Hamburg WuW/E DE-R 506, 508). In diesem Fall wäre es unschädlich, dass der Tankstellenvertrag (Anl. K 1 a = GA 8 ff.) auf die übrigen, aus demselben Anlass abgeschlossenen Teilverträge nicht Bezug nimmt und dass sich eine entsprechende Verweisung auch in der Investitionsvereinbarung (Anl. K 2 = GA 19) nicht findet (vgl. zum Erfordernis einer wechselseitigen Bezugnahme BGH WuW/E BGH 2158, 2161 - Anschlussvertrag; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 344, 346 - Rhein-Sieg-Verkehrsverbund; Langen/Bornkamm, Anhang zu § 34 GWB Rn. 24 m.w.N.). Ebenso wenig wäre es nachteilig, dass die einzelnen Verträge ausweislich der von den Parteien vorgelegten Vertragsunterlagen nicht zu einer Einheit äußerlich fest verbunden worden sind (vgl. hierzu im einzelnen das Schreiben des Gerichts vom 21.7.2003, GA 248 f.). Anhand ihres Erscheinungsbildes allein, insbesondere nach Schriftbild, Paginierung und inhaltlichem Zusammenhang wirkten sie jedenfalls nicht als eine einheitliche Vertragsurkunde (vgl. hierzu BGH GRUR 1997, 543, 545 - Kölsch-Vertrag). Von alledem unabhängig unterliegen solche Beschränkungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit, die - wie im vorliegenden Fall - in einem Handelsvertretervertrag verabredet und dem Handelsvertreter vom Geschäftsherrn auferlegt worden sind, nicht der kartellrechtlichen Beurteilung nach den §§ 15 ff. GWB a.F. (§§ 14 ff. GWB n.F.) und folglich ebenso wenig einer Beurteilung nach § 18 GWB a.F.. Im Prinzip sind dafür dieselben Erwägungen maßgebend, die oben (unter a) 2., S. 11) im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Prüfung dargestellt worden sind. Der Handelsvertreter ist im kartellrechtlichen Sinn nicht als selbständiger Unternehmer zu betrachten, sondern nimmt im Vertrieb des Geschäftsherrn, in den er eingebunden ist, lediglich unselbständige Hilfsfunktionen wahr (vgl. BGH WuW/E BGH 2238, 2242 ff. - EH-Partner-Vertrag; WuW/E DE-R 264, 268 - Preisbindung durch Franchisegeber I). Bei diesem Verständnis war der Tankstellenvertrag dem Schriftformgebot des § 34 GWB a.F. von vornherein nicht unterworfen.

Oder dem Kläger ist eine Berufung auf die bei einem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 125 Satz 1 BGB eintretende Nichtigkeitsfolge nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) jedenfalls verwehrt, was für den Fall zu gelten hätte, dass die Verträge - um dem Gebot des § 34 GWB a.F. zu genügen - miteinander fest hätten verbunden werden oder wechselseitig aufeinander hätten Bezug nehmen müssen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine Vertragspartei auf die Verletzung des Schriftformerfordernisses nach § 34 GWB a.F. nicht mit Erfolg berufen, sofern der Vertrag über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchgeführt worden ist und die Partei unterdessen aus dem Vertrag erhebliche Vorteile gezogen hat, die nicht auf andere Weise ausgeglichen werden können. Eine Verantwortlichkeit der Partei für den gegebenen Formmangel ist nicht zwingend vorauszusetzen (vgl. BGH WuW/E DE-R 1170, 1171 f. - Preisbindung durch Franchisegeber II sowie Urteil des BGH vom 20.5.2003, Az. KZR 19/02 - Apollo-Optik, Urteilsabdruck S. 12 f.). Die genannten Erfordernisse sind im Streitfall gegeben. Infolge dessen ist eine Berufung des Klägers auf den Mangel der Form nach Treu und Glauben ausgeschlossen.

2. Der Tankstellenvertrag oder die in ihm geregelte Bindung des Tankstellenverwalters an die von der Beklagten vorgeschriebenen Preise (§ 2 Nr. 1) verstößt nicht gegen § 15 GWB a.F. (§ 14 GWB n.F.). Der vorliegende Vertrag ist - wie vorstehend ausgeführt worden ist - einer Anwendung der kartellrechtlichen Normen über die Verbote von Wettbewerbsbeschränkungen entzogen.

c) Der Tankstellenvertrag ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Kläger leitet diese Rechtsfolge aus der (bis Dezember 2009) rund 14-jährigen Vertragsdauer ab (§ 5 Nr. 1 des Vertrages). Er übersieht hierbei freilich, dass die individuell und abweichend vom Formulartext vereinbarte Laufzeit des Vertrages seinem eigenen Wunsch und seiner eigenen Vorgabe entsprach. Mit seinem Schreiben vom 31.8.1995 hat der Kläger der Beklagten zu § 5 Nr. 1 eine Änderung des Vertragsformulars mit dem Inhalt angetragen, dass die Laufzeit "im Monat 12 des Jahres 2009" enden solle (Anl. B 2 = GA 50). Der Umstand, dass der Kläger gerade in diesem Punkt seine eigenen Vorstellungen im Vertrag hat durchsetzen können, ist nicht geeignet, das Unwerturteil einer sittenwidrigen Vertragsgestaltung zu begründen. Ungeachtet dessen teilt der Senat die Beurteilung des Landgerichts, dass bei dem nach § 139 BGB anzulegenden rechtlichen Maßstab selbst eine überlange Vertragsdauer nicht zu einer Nichtigkeit des gesamten Vertrages, sondern lediglich dazu führt, dass seine Laufzeit im Wege einer hier zulässigen geltungserhaltenden Reduktion auf das angemessene Maß zu beschränken ist (Urteilsabdruck S. 14 f.).

d) Die Regelung der Abbuchungsermächtigung in § 8 Abs. 5 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Vertrages, wonach die Beklagte die Einnahme von Absatzerlösen durch den Tankstellenverwalter unterstellen darf, hält schließlich einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG stand. Eine unangemessene Benachteiligung des Tankstellenverwalters ist darin nicht zu erkennen. Der Beklagten, die bis zur Veräußerung an Kunden Eigentümerin der Vertragswaren war, stehen die beim Absatz erzielten Verkaufserlöse rechtlich zu (§ 8 Abs. 3 des Vertrages). Sie hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die Erlöse zeitnah einzuziehen, um sie für Zwecke ihres Unternehmens zu verwenden. Die im Vertrag vorgesehene Unterstellung, der Tankstellenverwalter verfüge im Zeitpunkt der Einziehung über die Absatzerlöse, beruht auf der Erfahrung, dass er diese Gelder im Zeitpunkt der Einziehung durch die Beklagte in den meisten Fällen tatsächlich auch bereits eingenommen hat. Soweit dies - wie bei EC- und Kreditkartenzahlungen - nicht zutrifft, erstattet die Beklagte alsbald, nämlich unstreitig am nächsten Tag, die zuviel abgebuchten Beträge. Bei den in einem lediglich geringen Umfang vorkommenden Kraftstoffdiebstählen stellt sie den Tankstellenverwalter ebenfalls schadensfrei. Der Verwalter hat durch Diebstahl hervorgerufene Einnahmeausfälle bis zu einer Erstattungsleistung der Beklagten im Wege einer ihn nicht nennenswert nachteilig treffenden Vorfinanzierung lediglich zu überbrücken. Gleiches gilt bis zum Eingang der Kundenzahlung, sofern der Tankstellenverwalter sog. Stationskredite gewährt. In diesem Fall ist ferner zu berücksichtigen, dass der Verwalter aus der Einräumung von Krediten und Zahlungserleichterungen eigene wirtschaftliche Vorteile schöpft, die in der Bindung umsatzstarker Kunden an seine Tankstelle und in der Sicherung der auf solche Kunden entfallenden Absatzmengen bestehen. Diese Umstände wirken sich wiederum auf die Höhe der ihm von der Beklagten zufließenden Provisionen aus.

Aus den gleichen Gründen, wenn auch nicht unter demselben generalisierenden Überprüfungsmaßstab, der nach § 9 Abs. 1 AGBG anzulegen ist, sondern nach einer Abwägung der beteiligten Individualinteressen vor dem Hintergrund der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen stellt sich die der Beklagten nach § 8 Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 2 des Tankstellenvertrages gestattete Handhabung der Abbuchungen vom sog. Agenturkonto auch nicht als eine unbillige Behinderung des Klägers im Sinne von § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB a.F. (§ 20 Abs. 2 GWB n.F.) dar. Eine Ungleichbehandlung ohne einen sachlich gerechtfertigten Grund scheidet ohnehin aus, da die Beklagte den Kläger nach eigenem Vortrag nicht anders als andere ihr angeschlossene Tankstellenbetreiber behandelt.

II. Dem Klageantrag zu 2 hat das Landgericht ebenfalls zu Recht keinen Erfolg beschieden. Es ist unbestritten, dass die Gelder, die den Gegenstand dieses Klageantrags bilden, der Beklagten materiell zustehen und von ihr nicht rechtsgrundlos eingezogen worden sind (vgl. § 8 Abs. 3 des Tankstellenvertrages), mit der Folge, dass dem Kläger letztlich unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung der Beklagten eine Erstattungsforderung nach den §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB nicht zuzusprechen ist. Es handelte sich bei der Klagesumme - in der Terminologie der Parteien - um sog. Agenturgeld, was der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Senatstermin vom 25.3.2003 bestätigt hat. Soweit der Kläger zu bedenken gibt, die Beklagte habe im Zeitpunkt der durch die Abrechnung vom 11.4.2000 (Anl. K 3 = GA 20) dokumentierten Abbuchung vom Februar 2000 über die eingezogenen Gelder nicht verfügen dürfen, ist seine Ansicht widerlegt. Unabhängig davon hat der insoweit darlegungspflichtige Kläger nichts dafür vorgetragen, der nunmehr herausverlangte Betrag habe der Beklagten im Zeitpunkt der Klageeinreichung Anfang November 2001 materiell-rechtlich nicht zugestanden. Die eigene Sachdarstellung des Klägers gibt nichts für die Annahme her, in Höhe des Betrages von 19.532 DM sei eine Leistung an die Beklagte aus den im Februar 2000 getätigten Absatzgeschäften zu diesem Zeitpunkt nicht auch auf der Grundlage der von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkte fällig gewesen, da die Gelder von ihm, dem Kläger, als Erlös bei Klageeinreichung tatsächlich jedenfalls eingenommen worden waren. Da die Klageforderung von Anfang an unbegründet war, ist es auch der einer Feststellung der Hauptsacheerledigung geltende weitere Antrag. Ohnedies ist nicht verständlich, dass die im August und Dezember 2002 von der Beklagten gutgebrachten Beträge in einem sachlichen und abrechnungstechnischen Zusammenhang mit der im Februar 2000 vorgenommenen Abbuchung einer Abschlagszahlung stehen. Dies widerspräche der bislang vorgetragenen Abrechnungspraxis der Beklagten. Den Rechtsgrund für die beiden Gutschriften hat der Kläger in tatsächlicher Hinsicht auch nicht erläutert.

Die Revision ist für den Kläger nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für den Berufungsrechtszug:

- bis zum 2.3.2004 - Klageantrag zu 1: 50.000 Euro

Der Gegenstandswert ist anhand des wirtschaftlichen Interesses, welches der Kläger mit einer Untersagung der Abbuchungspraxis der Beklagten verbindet, zu schätzen (§ 3 ZPO, § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG). Dieses Interesse entspricht wirtschaftlich der Beeinträchtigung durch solche, vom Kläger als verfrüht gewertete Abbuchungen, denen Zahlungseingänge (noch) nicht gegenüberstehen, und deren nachteilige Auswirkungen durch die begehrte Anordnung beseitigt werden sollen. Für den Kläger wirken sich im Wesentlichen die zur Schließung und Finanzierung von Deckungslücken aufzubringenden Geldaufwendungen beeinträchtigend aus. Den nach § 9 Satz 1 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Betrages zu bemessenden Finanzierungsaufwand hält der Senat mit 50.000 Euro für angemessen, aber auch ausreichend bewertet.

Der Gegenstandswert des Hilfsantrags geht wirtschaftlich im Wert des Hauptantrags auf.

Klageantrag zu 2: 9.986,55 Euro 59.986,55 Euro;

- seither - Klageantrag zu 1: 50.000 Euro

Klageantrag zu 2: bis 9.000 Euro 59.000 Euro

Der Wert der Beschwer des Klägers beträgt 59.000 Euro.

Ende der Entscheidung

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