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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.09.2004
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 25/04
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB
Vorschriften:
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) | |
GWB § 97 Abs. 1 |
Tenor:
I. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 6. September 2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 150.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat es mit Recht abgelehnt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ihr Beschaffungsverfahren über die Bereitstellung eines Kreditkartensystems für die Bundesverwaltung (Beschaffungsmaßnahme B 1.16-5046/04-BVA) unter Ausschluss des Angebots der Antragstellerin fortzusetzen. Auf der Grundlage der Senatsrechtsprechung (VergabeR 2003, 690 f.; ebenso: Thüriger OLG, Beschl. v. 6.7.2004 - 6 Verg 3/04 Umdruck Seite 4 ff.) hat es zutreffend ausgeführt, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f), 2 Nr. 1 VOL/A deshalb vom Bieterwettbewerb ausgeschlossen werden muss, weil sich die "L. A.P. S. GmbH" nicht nur als Mitglied der antragstellenden Bietergemeinschaft um den ausgeschriebenen Auftrag beworben, sondern daneben für denselben Auftrag ein eigenes Angebot abgegeben hat.
1. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A mit Blick auf den - das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden - Wettbewerbsgrundsatz (§ 97 Abs. 1 GWB; § 2 Nr. 1 VOL/A) weit auszulegen und deshalb nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt ist, sondern auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters umfasst, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind (Senat, a.a.O.; vgl. auch Kulartz in Daub/ Eberstein, Kommentar zur VOL/A, 5. Aufl., § 25 Rn. 22 m.w.N.; Noch in Müller-Wrede, Verdingungsordnung für Leistungen VOL/A, § 25 Rn. 33; zur Parallelvorschrift des § 25 Nr. 1 lit. c) VOB/A: Kratzenberg in Ingenstau/Korbion, VOB Kommentar, 14. Aufl., A § 25 Nr. 1 Rn. 36). Er hat in der zitierten Entscheidung überdies ausgesprochen, dass es mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip schlechterdings unvereinbar ist, wenn ein Bieter an der Ausschreibung teilnimmt, dem (ganz oder teilweise) das Angebot oder zumindest die Angebotsgrundlagen eines Mitbewerbers um den Zuschlag bekannt sind. Dementsprechend muss nach der Judikatur des Senats derjenige Bieter, der für die ausgeschriebene Leistung nicht nur ein eigenes Angebot abgibt, sondern sich zugleich als Mitglied einer Bietergemeinschaft um denselben Auftrag bewirbt und dem bei Abgabe seines Einzelangebots (ganz oder teilweise) die Offerte der Bietergemeinschaft selbst oder zumindest die Grundlagen oder die Kalkulation des Angebots der Bietergemeinschaft bekannt sind, gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. In gleicher Weise hat auch die Bietergemeinschaft, die ihr Angebot in Kenntnis des konkurrierenden Einzelangebots ihres Mitglieds abgegeben hat, zwingend vom Bieterwettbewerb auszuscheiden.
2. Nicht zu entscheiden hatte der Senat bislang, ob die Vergabestelle bereits die Abgabe paralleler Angebote als solche zum Anlass für einen Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A nehmen darf, oder ob sie zu Nachforschungen bei den jeweils beteiligten Bietern darüber verpflichtet ist, ob ausnahmsweise durch geeignete Maßnahmen eine Beeinträchtigung des Geheimwettbewerbs ausgeschlossen ist. Soweit ersichtlich, liegen zu dieser Problematik auch ansonsten in der veröffentlichten Rechtsprechung und im Schrifttum keine Stellungnahmen vor.
a) Der Senat beantwortet die aufgeworfene Rechtsfrage in dem erstgenannten Sinne. Bewirbt sich ein Bieter sowohl mit einem eigenen Angebot wie auch als Mitglied einer Bietergemeinschaft um den ausgeschriebenen Auftrag, lässt dies nach dem gewöhnlichen Verlauf darauf schließen, dass der Geheimwettbewerb zwischen beiden Bietern nicht gewahrt ist, weil das Einzelangebot in Kenntnis des (gesamten oder teilweisen) Inhalts oder zumindest der (vollständigen oder einiger) Grundlagen des Angebots der Bietergemeinschaft abgegeben worden ist, und umgekehrt. Will der Bieter in einer solchen Situation den Ausschluss seines Angebots verhindern, muss er bereits mit Angebotsabgabe der Vergabestelle nachvollziehbar darlegen und nachweisen, dass aufgrund besonderer Vorkehrungen bei der Angebotserstellung und Angebotsabgabe der Geheimwettbewerb ausnahmsweise gewährleistet ist. Nur durch einen solchen (lückenlosen) Nachweis wird der Ausschlussgrund des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A, der sich im Allgemeinen an die Abgabe von Parallelangeboten in dem vorbezeichneten Sinne knüpft, ausgeräumt und die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die betreffenden Angebote von der Vergabestelle in die Wertung genommen werden müssen. Kommt der Bieter dieser Obliegenheit nicht nach, darf sein Angebot ohne weiteres ausgeschlossen werden. Die Vergabestelle ist zu diesbezüglichen Aufklärungsmaßnahmen zwar berechtigt, aber - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht verpflichtet. Sie muss deshalb vor einem Angebotsausschluss nicht von sich aus durch Nachforschungen bei den Bietern abklären, ob trotz Abgabe der Parallelangebote der Geheimwettbewerb durch besondere Maßnahmen sichergestellt worden ist. Vielmehr obliegt es alleine dem Bieter, der durch Abgabe seines Parallelangebots die Wahrung des Geheimwettbewerbs selbst nachhaltig in Zweifel gezogen hat, bereits mit seinem Angebot diejenigen besonderen Umstände und Vorkehrungen bei der Angebotserstellung und -abgabe aufzuzeigen und nachzuweisen, die ausnahmsweise einem Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A entgegen stehen können.
Die Beschwerde kann sich für ihren gegenteiligen Standpunkt, dass nämlich die Vergabestelle den Bieter vorab auf den beabsichtigten Ausschluss seines Parallenangebots hinweisen und ihm die Gelegenheit einräumen müsse, auch noch nachträglich die Gewährleistung des Geheimwettbewerbs nachzuweisen, nicht auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Ablehnung ungewöhnlich niedriger Angebote berufen (vgl. EuGH, NZBau 2002, 101 ff.). Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers angenommen, nach Kenntnisnahme von sämtlichen Angeboten und vor Erteilung des Auftrags zunächst schriftlich Aufklärung über die Elemente des als ungewöhnlich niedrig eingestuften Angebots zu verlangen, die seine Zweifel konkret hervorgerufen haben, und anschließend dieses Angebot unter Berücksichtigung der vom Bieter gegebenen Erläuterungen zu beurteilen. Zur Rechtfertigung hat er dabei ausdrücklich auf die in Art. 29 Abs. 5 der Richtlinie 71/305/EWG und Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie 93/37/EWG normierte Pflicht des Auftraggebers hingewiesen, vor dem Ausschluss eines als ungewöhnlich niedrig angesehenen Angebots ein Verfahren der kontradiktorischen Überprüfung durchzuführen (vgl. Erwägungsgrund 45, 48 und 52). Art. 29 Abs. 5 der Richtlinie 71/305/EWG lautet - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt:
"Sind im Falle eines bestimmten Auftrags Angebote im Verhältnis zur Leistung offensichtlich ungewöhnlich niedrig, überprüft der öffentliche Auftraggeber vor der Vergabe des Auftrags die Einzelposten des Angebots. Er berücksichtigt das Ergebnis dieser Überprüfung.
Zu diesem Zweck fordert er den Bieter auf, die erforderlichen Belege beizubringen, und teilt ihm gegebenenfalls mit, welche Belege als unannehmbar erachtet werden."
Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie 93/37/EWG hat - soweit hier von Belang - folgenden Wortlaut:
"Scheinen bei einem Auftrag Angebote im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig, so muss der öffentliche Auftraggeber vor der Ablehnung dieser Angebote schriftlich Aufklärung über die Einzelposten der Angebote verlangen, wo er dies für angezeigt hält; die anschließende Prüfung dieser Einzelposten erfolgt unter Berücksichtigung der eingegangenen Erläuterungen."
Für die vorliegend zur Entscheidung stehende Rechtsfrage, ob ein Parallelangebot erst dann ausgeschlossen werden darf, wenn dem Bieter zuvor Gelegenheit gegebenen worden ist nachzuweisen, dass der Geheimwettbewerb ausnahmsweise gewährleistet ist, lassen sich aus dieser Judikatur keinerlei Rückschlüsse ziehen. Weder das europäische noch das nationale Recht sehen nämlich - anders als dies für die Ablehnung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots der Fall ist - die Verpflichtung des Auftraggebers zu einem Verfahren der kontradiktorischen Überprüfung zur Klärung dieses Ausschlussgrundes vor. Es kann auch keine Rede davon sein, dass es sich bei dem Gebot zu einem Verfahren der kontradiktorischen Überprüfung um einen allgemeingültigen Grundsatz handele, der für jedweden Ausschlussgrund Geltung beansprucht.
Nicht stichhaltig ist in gleicher Weise der Hinweis der Beschwerde, der Ausschlussgrund der wettbewerbsbeschränkenden Abrede im Sinne von § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A erfordere an sich eine Einzelfallprüfung und den sicheren Nachweis einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung durch den Auftraggeber. Die beschriebene Nachweisanforderung ist für Fallkonstellationen gerechtfertigt, in denen eine Beeinträchtigung des Bieterwettbewerbs nach dem gewöhnlichen Verlauf eines festgestellten Sachverhalts offen ist. Sie kann aber nicht in gleicher Weise dann Geltung beanspruchen, wenn - wie bei der Abgabe eines Paralellangebots - der zur Beurteilung stehende Sachverhalt im Allgemeinen mit einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung verbunden ist und diejenigen Umstände, die einem Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A ausnahmsweise entgegenstehen können, aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Bieters herrühren. Jedenfalls in einem solchen Fall ist es geboten, von der üblichen Verteilung der Darlegungs- und Feststellungslast im Rahmen des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A abzuweichen und dem Bieter den Nachweis aufzubürden, dass aufgrund besonderer Umstände aus seinem Verantwortungsbereich die mit seinem Verhalten im Vergabeverfahren üblicherweise verbundene Wettbewerbsbeeinträchtigung ausnahmsweise ausgeschlossen ist. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wird hierdurch - anders als die Beschwerde meint - nicht berührt.
Aus der gleichen Erwägung trägt schließlich auch der Hinweis der Beschwerde auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur mangelnden Eigung eines Bieters (BGH, NJW 2000, 661 ff.) nicht. Dass die Eignung eines Bieters nur aufgrund hinreichend gesicherter Erkenntnisse verneint werden darf, entspricht nicht nur der Judikatur des Bundesgerichtshofs, sondern auch ständiger Spruchpraxis des Senats. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die abgegebenen Parallelangebote - bei denen nach dem gewöhnlichen Verlauf davon auszugehen ist, dass der Geheimwettbewerb zwischen den beteiligten Bietern nicht gewahrt und deshalb der Ausschlussgrund des § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A verwirklicht ist - bis zum Beweis des Gegenteils im Bieterwettbewerb verbleiben müssen, und dass dem Bieter nicht abverlangt werden darf, die sich aus der Abgabe eines Parallelangebots ergebenden nachhaltigen Zweifel an der Wahrung des Geheimwettbewerbs auszuräumen.
b) Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen war die Antragsgegnerin berechtigt, das Angebot der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f) VOL/A vom Bieterwettbewerb auszuschließen. Denn die "L. A.P. S. GmbH" hat sich nicht nur im Rahmen der antragstellenden Bietergemeinschaft, sondern zugleich auch mit einem eigenen Einzelangebot um den ausgeschriebenen Auftrag beworben, ohne bereits bei Angebotsabgabe der Antragsgegnerin nachzuweisen, dass - wie sie im Verfügungsverfahren reklamiert - der Geheimwettbewerb durch näher bezeichnete Maßnahmen und Vorkehrungen bei der Erstellung und Abgabe der Parallelangebote verbürgt gewesen ist.
Die Antragstellerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin bei Abgabe des Einzelangebots der "L. A.P. S. GmbH" die Unbedenklichkeit eines nachfolgenden Parallelangebots der Bietergemeinschaft bestätigt habe. Die Antragstellerin durfte sich aufgrund dieser Äußerung redlicherweise nicht von ihrer Obliegenheit befreit sehen, spätestens mit ihrem eigenen Angebot nachzuweisen, dass trotz Abgabe von Parallelangeboten der Geheimwettbewerb sichergestellt ist. Zu einem Hinweis an die Antragstellerin, einen solchen Nachweis zu führen, war die Antragsgegnerin von sich aus nicht verpflichtet.
II.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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