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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 26/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 68
ZPO § 148
ZPO § 150 Satz 1
ZPO § 252
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 21. Oktober 2004 aufgehoben und das Landgericht verpflichtet, das Klageverfahren fortzusetzen.

II. Der Beschwerdewert wird auf 150.000 EUR festgesetzt.

Gründe: I. Die Klägerin ist eine Privatbank. Der Beklagte ist der "P. d. B. e.V." (nachfolgend: P.). Ihm gehören nahezu alle deutschen Privatbanken an. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört es, die für die Teilnahme einer Bank am Einlagensicherungsfonds erforderlichen Prüfungen durchzuführen. Der Einlagensicherungsfonds selbst wird beim "B. d. B. e.V." (nachfolgend: B.) geführt. Die Klägerin wendet sich in mehreren Prozessen gegen ihren Ausschluss vom Einlagensicherungsfonds. In einem Verfahren gegen den B. beim Landgericht Berlin (102 O 23/03) begehrt sie (u.a.) die Feststellung, dass ihre Mitwirkung am Einlagensicherungsfonds und ihre Mitgliedschaft beim beklagten B. nicht geendet haben, sondern fortdauern. Mit zwei Klagen gegen den P. greift die Klägerin vor dem Landgericht Köln (u.a.) ihren Ausschluss vom beklagten P. an. Gegenstand des Verfahrens 84 O (Kart) 21/02 ist die Ausschlussentscheidung vom 2.8.2002/16.10.2002, Gegenstand der unter dem Aktenzeichen 84 O (Kart) 69/03 geführten Klage ist der Ausschluss der Klägerin vom 16.10.2002/8.10.2003. In beiden Prozessen erstrebt die Klägerin die Feststellung, dass die jeweils streitbefangene Ausschließungsentscheidung unwirksam ist und ihre Mitgliedschaft im P. fortdauert. Das Landgericht Berlin hat durch Teilurteil vom 2. März 2004 die Klage zum überwiegenden Teil abgewiesen. Hinsichtlich des vorgenannten Feststellungsbegehrens hat es den Prozess durch Beschluss vom gleichen Tage ausgesetzt, bis über die beim Landgericht Köln anhängigen Feststellungsbegehren der Klägerin gegen den P. rechtskräftig entschieden ist. Zur Rechtfertigung hat das Landgericht Berlin ausgeführt: Die vom B. angeführten (eigenen) Beendigungsgründe seien - was das Landgericht im Einzelnen dargelegt hat - unberechtigt. Die Mitgliedschaft der Klägerin beim beklagten B. und ihre Mitwirkung beim Einlagensicherungsfonds könnten allerdings dadurch beendet worden sein, dass die Klägerin rechtswirksam beim P. ausgeschieden sei. Nach der Satzungslage sei - wie unstreitig ist - die Mitgliedschaft einer Privatbank beim B. und beim P. nämlich derart miteinander verzahnt, dass das Ausscheiden bei dem einen Verband zugleich auch das Ende der Mitgliedschaft beim anderen Verband nach sich ziehe. Da über die fortdauernde Mitgliedschaft der Klägerin beim P. in erster Linie vom Landgericht Köln zu befinden sei, werde das Berliner Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss jenes Prozesses ausgesetzt. Das Landgericht Köln hat die bei ihm geführten Klageverfahren seinerseits bis zum rechtskräftigen Abschluss der vor dem Landgericht Berlin erhobenen Feststellungsklage ausgesetzt. In dem Verfahren 84 O (Kart) 21/02 hat es die Aussetzung mit Beschluss vom 1. Oktober 2003 angeordnet und unter dem 21. Oktober 2004 den Antrag der Klägerin auf Aufhebung der Aussetzungsanordnung und Fortführung des Klageverfahrens abgelehnt. Das Verfahren 84 O (Kart) 69/03 hat das Landgericht Köln mit Beschluss vom 21. Oktober 2004 ausgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidungen vom 21. Oktober 2004 hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Gegenstand des vor dem Landgericht Berlin geführten Verfahrens sei ein Ausschluss der Klägerin zum 10. September 2002, während es in den Kölner Verfahren um Beendigungsgründe gehe, die frühestens im Oktober 2002 wirksam geworden sein können. Aus diesem Grund sei das Klageverfahren in Berlin zeitlich vorrangig. Bei einer Fortsetzung des Verfahrens habe die Kammer zunächst den Fortbestand der Mitgliedschaft der Klägerin im B. zu klären. Eine die fortdauernde Mitgliedschaft bejahende Entscheidung würde indes im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem B. keinerlei rechtliche Bindung entfalten. Demgegenüber wäre eine dahingehende rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Berlin im hiesigen Prozess zu beachten. Bei dieser Sachlage sei die Entscheidung im Berliner Verfahren für die beiden Kölner Klagen vorgreiflich. Alleine durch eine Aussetzung der gegen den P. geführten Prozesse könne verhindert werden, dass es zu widersprechenden Entscheidungen komme. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die (fortdauernde) Aussetzung ihrer Klageverfahren vor dem Landgericht Köln. Zwar sei - wie sie meint - der Ausgang des Berliner Verfahrens für die in Köln anhängigen Feststellungsklagen vorgreiflich. Es sei indes ermessensfehlerhaft, unter den besonderen Umständen des Streitfalles eine Aussetzung der Verfahren anzuordnen. Denn im Hinblick auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 2. März 2004, das dort geführte Klageverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss der Prozesse vor dem Landgericht Köln auszusetzen, führe die angegriffene Aussetzungsentscheidung vom 21. Oktober 2004 zur Verweigerung jeglichen Rechtsschutzes. Der Beklagte verteidigt den angefochtenen Beschluss und tritt den Rechtsausführungen der Klägerin im Einzelnen entgegen. II. A. Die Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 252 ZPO zulässig (vgl. nur: Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Band 1, 63. Aufl., § 252 Rn. 5). B. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Mit Recht wendet sich die Klägerin gegen die Entscheidung des Landgerichts, die von ihm mit Beschluss vom 1. Oktober 2003 angeordnete Aussetzung des Klageverfahrens weiterhin aufrechtzuerhalten. Gemäß § 150 Satz 1 ZPO kann das Gericht die von ihm verfügte Verfahrensaussetzung wieder aufheben. Dem darauf gerichteten Antrag der Klägerin hätte das Landgericht stattgeben und das bei ihm anhängige Klageverfahren fortsetzen müssen. Denn jedenfalls im Zeitpunkt seiner mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung am 21. Oktober 2004 lagen die Voraussetzungen, unter denen § 148 ZPO die Aussetzung eines Prozesses gestattet, nicht (mehr) vor. Gemäß § 148 ZPO kann das Gericht die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des bei ihm geführten Prozesses von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches den Gegenstand eines anderen rechtshängigen Rechtsstreits bildet. Unabdingbare Voraussetzung für die vom Landgericht Köln angeordnete Aussetzung seiner Klageverfahren ist deshalb, dass die im Prozess vor dem Landgericht Berlin zu treffende Entscheidung über die fortdauernde Mitgliedschaft der Klägerin im B. für die im hiesigen Prozess zu beantwortende Frage nach der fortbestehenden Mitgliedschaft der Klägerin im P. vorgreiflich ist. Vorgreiflichkeit erfordert dabei, dass in Berlin eine Vorfrage für die Kölner Feststellungsklagen zu treffen ist. Welche Anforderungen im Einzelnen an die Vorgreiflichkeit zu stellen sind, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Zum Teil wird es als ausreichend angesehen, wenn die andere Entscheidung geeignet ist, einen irgendwie gearteten erheblichen Einfluss auf die Entscheidung im auszusetzenden Rechtsstreit auszuüben (OLG Köln, NJW-RR 1988, 1172; OLG Hamm, FamRZ 2004, 888; Peters in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 1, 2. Aufl., § 148 Rn. 10; Roth in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 2, 21. Aufl., § 148 Rn. 22; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, Band 1, 63. Aufl., § 148 Rn. 4). Andere fordern eine präjudizielle Wirkung in dem Sinne, dass die Entscheidung des auszusetzenden Verfahrens ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, über das in einem anderen Rechtsstreit zu befinden ist (OLG Jena, NJW-RR 2001, 503; ebenso Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 25. Aufl., § 148 Rn. 5; Reichold in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 148 Rn. 3; wohl auch Stadler in Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4. Aufl., § 148 Rn. 5). Weithin Einigkeit besteht demgegenüber, dass alleine die Parallelität der zur Entscheidung stehenden Rechtsfragen und die daraus resultierende Gefahr inhaltlich widersprechender Gerichtsentscheidungen eine Aussetzung nach § 148 ZPO nicht zu rechtfertigen vermögen (OLG Karlsruhe, OLGR 2004, 254; OLG Köln, OLGR 2000; 449; OLG Stuttgart, OLGR 1999, 134; OLG Jena, a.a.O.; Roth, a.a.O. Rn. 28; Hartmann, a.a.O. Rn. 5; Greger, a.a.O.; Stadler, a.a.O.; Reichold, a.a.O.; Kähler, NJW 2004, 1132, 1137; a.A. Peters, a.a.O.). Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das Landgericht sein Klageverfahren am 21. Oktober 2004 zu Unrecht weiterhin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Berliner Verfahrens ausgesetzt. Dabei kann der dargestellte Meinungsstreit darüber, welche Anforderungen an die Vorgreiflichkeit im Sinne von § 148 ZPO zu stellen sind, unentschieden bleiben. Selbst wenn man der erstgenannten Ansicht folgt und jedweden erheblichen Einfluss auf die Entscheidung im auszusetzenden Rechtsstreit genügen lässt, durfte das Landgericht am 21. Oktober 2004 die fortdauernde Aussetzung seines Klageverfahrens nicht (mehr) anordnen. Die Gründe, mit denen das Landgericht die Aufrechterhaltung seiner Aussetzungsentscheidung rechtfertigt, sind nicht stichhaltig und halten einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand. 1. Die vom Landgericht Berlin zu treffende Entscheidung über die unverändert bestehende Mitgliedschaft der Klägerin im B. kann für die im vorliegenden Prozess begehrte Feststellung, dass die Klägerin nicht wirksam aus dem beklagten P. ausgeschlossen worden ist, von vornherein nur dann vorgreiflich sein, wenn nicht bereits die vom P. geltend gemachten (eigenen) Ausschlussgründe durchgreifen. Lediglich in diesem Fall ist es nämlich denkbar, dass die Entscheidung über die hiesige Feststellungsklage vom Ausgang des Berliner Verfahrens abhängt. Folgerichtigt hat deshalb das Landgericht Berlin zur Rechtfertigung seiner Aussetzungsentscheidung im Einzelnen begründet, dass die vom B. angeführten (eigenen) Ausschlussgründe erfolglos bleiben und es mithin streitentscheidend auf die Frage ankommt, ob die Klägerin ihre Mitgliedschaft im beklagten B. nicht deshalb verloren hat, weil sie rechtswirksam aus dem P. ausgeschlossen worden ist. Das Landgericht Köln hat entsprechende Überlegungen nicht angestellt. Es hat bislang nicht dargelegt, dass es die vom P. angeführten (eigenen) Beendigungsgründe für nicht durchschlagend erachte und der Erfolg der Feststellungsklage deshalb davon abhänge, dass der B. die Mitgliedschaft der Klägerin wirksam beendet habe. Bereits aus diesem Grund kann nicht festgestellt werden, dass der Ausgang des Berliner Verfahrens für den Kölner Prozess vorgreiflich und deshalb abzuwarten sei. 2. Die Vorgreiflichkeit kann - entgegen der Auffassung des Landgerichts - nicht mit dem Argument bejaht werden, dass in Bezug auf den B. ein zeitlich früheres Ausscheiden der Klägerin zur Prüfung stehe, als es in Bezug auf den P. in Betracht komme. Aus der zeitlichen Abfolge der streitbefangenen Ausschlussgründe resultiert - anders als das Landgericht meint - keine zwingende Prüfungsreihenfolge dahin, dass zunächst die Ausschließungsgründe des B. zu prüfen seien, bevor die Ausschlussgründe des P. in die Entscheidungsfindung einfließen dürften. Vielmehr darf (und muss) das Landgericht die - originär bei ihm zur Überprüfung gestellten - Ausschlussgründe des beklagten P. überprüfen und hat die Feststellungsklage schon dann abweisen, wenn es einen dieser Beendigungsgründe für gerechtfertigt hält. Auf den Fortbestand der Mitgliedschaft der Klägerin beim B. muss es erst dann eingehen, wenn es den vom P. ausgesprochenen Ausschluss der Klägerin für wirkungslos hält und der Klageerfolg deshalb davon abhängt, ob die Klägerin wirksam aus dem B. ausgeschlossen worden ist. Denn mit ihrer Klage erstrebt die Klägerin lediglich die Klärung ihrer aktuell fortdauernden Mitgliedschaft im P.. Für den Erfolg oder Misserfolg dieses Klagebegehrens kommt es auf den Zeitpunkt der Ausschlussentscheidung nicht an. Die Feststellungsklage ist bereits dann abzuweisen, wenn einer der in Betracht kommenden Ausschließungsgründe durchgreift. Ob der früheste oder der zeitliche letzte Ausschlussgrund die Mitgliedschaft der Klägerin im P. beendet hat, ist ohne Bedeutung. Infolge dessen hat auch das Landgericht Köln bei seiner rechtlichen Prüfung eine bestimmte Rangfolge der von den Parteien zur Überprüfung gestellten Beendigungsgründe nicht zu beachten. 3. Das Landgericht Köln hat bei seiner Entscheidung überdies nicht hinreichend bedacht, dass das Landgericht Berlin im Zusammenhang mit der Aussetzung des bei ihm geführten Klageverfahrens bereits im Einzelnen dargelegt hat, aus welchen Gründen es die Ausschlussgründe des B. für nicht durchgreifend erachte und es deswegen streitentscheidend auf die Ausschlussgründe des P. ankomme. Das Landgericht Köln ist seither über die rechtliche Beurteilung der Ausschlussgründe des B. durch das Landgericht Berlin unterrichtet. Ein hinreichender Grund, vor einer eigenen Sachentscheidung gleichwohl den weiteren Gang des Berliner Verfahrens weiterhin abzuwarten, besteht nicht. Er ergibt sich - entgegen der Ansicht des Landgerichts - auch nicht aus der Tatsache, dass das Landgericht Berlin seine Rechtsauffassung nicht im Rahmen einer instanzabschließenden Entscheidung, sondern lediglich zur Begründung seiner Aussetzungsentscheidung kundgetan hat. Ebenso wie der Aussetzungsbeschluss wird nach dem bisherigen Sach- und Streitstand auch die Sachentscheidung des Landgerichts Berlin über die bei ihm anhängige Feststellungsklage keine vom Landgericht Köln zu beachtende Bindungswirkung entfalten. Der im vorliegenden Prozess verklagte P. ist an dem Berliner Verfahren weder als Prozesspartei noch als Nebenintervenient beteiligt. Aus diesem Grunde wird das Berliner Feststellungsurteil weder ihm gegenüber in Rechtskraft erwachsen (§ 322 Abs. 1 ZPO) noch die Interventionswirkungen des § 68 ZPO auslösen. Es kann demzufolge auch das Landgericht Köln nicht in seiner Beurteilung binden, ob die Klägerin rechtswirksam aus dem B. ausgeschlossen worden ist. III. Eine Kostenentscheidung ist nicht angezeigt. Entstandene Kosten sind Teil der Prozesskosten; über sie ist im Rahmen der Hauptsacheentscheidung zu befinden (vgl. OLG Köln, OLGR 1998, 89/90; Greger, a.a.O. § 252 Rn. 3 m.w.N.). IV. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 3 ZPO; das Interesse der Klägerin an einer Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses hat der Senat auf 1/4 des Hauptsachestreitwerts (600.000 EUR) veranschlagt.

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