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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 8/07
Rechtsgebiete: UStG, ZPO, GWB, GVG, BGB


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 13a Abs. 1 Nr. 1
UStG § 14 Abs. 2 Satz 5
UStG § 14c Abs. 2 Satz 1
ZPO § 281 Abs. 2 Satz 4
ZPO § 569
ZPO § 888
ZPO § 894
GWB § 91
GWB § 92
GVG § 119
BGB § 182
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 1. März 2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin bietet unter dem Namen "Lodge Card" eine sog. Reisenstellenkarte für Unternehmenskunden an. Hierbei handelt es sich um eine Kreditkarte zur Bezahlung von Flugreiseleistungen. Die Schuldnerin ist Anbieterin von Flugverkehrsleistungen.

In der Zeit von Juli 2004 bis August 2005 hat die Gläubigerin, ohne dass es von der Schuldnerin beanstandet wurde, in der monatlichen Abrechnung ihrer Kreditkartenleistungen für die Inanspruchnahme von Flugverkehrsleistungen der Schuldnerin die Mehrwertsteuer ausgewiesen und es ihren Kunden so ermöglicht, den Vorsteuerabzug monatlich in einer Summe ohne weitere Ausrechnungen unter Verwendung des monatlichen Kreditkartenauszugs vorzunehmen.

Seit August 2005 verweigert die Schuldnerin der Gläubigerin die Erlaubnis zum Umsatzsteuerausweis. Sie hat dies dem für sie tätigen Buchungsunternehmen A. mitgeteilt, das daraufhin gegenüber der Gläubigerin die Umsatzsteuerunterdrückung in ihrer Software deaktiviert hat. Seither wird die Umsatzsteuer auf den Flugreiserechnungen ausgewiesen, und der Gläubigerin ist es zur Vermeidung eines doppelten Mehrwertsteuerausweises (auf der Rechnung der Schuldnerin und der Kreditkartenabrechung der Gläubigerin) verwehrt, ihre Reisestellenkarten mit einem einheitlichen Mehrwertsteuerausweis für die erfolgten Buchungen zu versehen.

Die Gläubigerin erstritt gegen die Schuldnerin am 19. Mai 2006 ein Urteil beim Landgericht Köln, dessen Tenor zu I.1. lautet:

"Die Beklagte wird verurteilt, der Antragstellerin die Befugnis einzuräumen, auf Rechnungen für die Reisesstellenkarte "Lodge Card" gemäß § 14 Abs. 2 Satz 5 UStG die Umsatzsteuer für Leistungen der Antragsgegnerin auszuweisen."

Gegen das Urteil ist die Berufung beim Senat anhängig.

Das Buchungsunternehmen A. weist weiterhin die Mehrwertsteuer in den Flugreiseabrechnungen aus.

Die Gläubigerin hat die Ansicht vertreten, bei der Verpflichtung aus dem Titel handele es sich um eine nichtvertretbare Handlung der Schuldnerin, die (auch) die Anweisung an das Buchungssystem A. umfasse, den Mehrwertsteuerausweis zu unterdrücken.

Sie hat beantragt, die Schuldnerin durch Zwangsmittel zur Einhaltung ihrer Verpflichtung aus dem Urteil gemäß § 888 ZPO anzuhalten.

Die Schuldnerin hat sich dagegen gewandt und gemeint, es handele sich bei der titulierten Verpflichtung um eine nach § 894 ZPO mit Einritt der Rechtskraft des Urteils fingierte Willenserklärung, die nicht nach § 888 ZPO vollstreckt werden könne.

Das Landgericht Köln hat den Vollstreckungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Titel sei gemäß § 894 ZPO nicht vorläufig vollstreckbar. Der Beschluss wurde der Gläubigerin am 07.03.2007 zugestellt.

Mit am 21.03.2007 beim Oberlandesgericht Köln eingelegter sofortiger Beschwerde wendet sich die Gläubigerin gegen diesen Beschluss. Das Beschwerdeverfahren wurde mit Beschluss vom 04.09.2007 an den Senat verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.

1.

Die Beschwerde wurde innerhalb der Zweiwochenfrist des § 569 ZPO eingelegt. Dabei ist es unerheblich, dass sie nicht innerhalb dieser Frist bei dem nach § 92 GWB i.V. m. § 2 der Verordnung über die Bildung gemeinsamer Kartellgerichte (GV NW 2005, 820) für Kartellsachen zuständigen Oberlandesgericht Düsseldorf, sondern beim Oberlandesgericht Köln, eingelegt wurde. Denn ein Rechtsmittel in Kartellsachen kann fristwahrend auch bei dem nach § 119 GVG allgemein zuständigen Oberlandesgericht (hier: Köln) eingelegt werden (BGHZ 71, 367). Ob es sich bei dem Verfahren indes überhaupt um eine Kartellsache im Sinne von § 91 GWB handelt, kann dahinstehen, da die Verweisung an den Senat durch das Oberlandesgericht Köln gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.

2.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, da die Zwangsvollstreckung des von der Gläubigerin vor dem Landgericht erstrittenen, jedoch noch nicht rechtskräftigen Titels nicht der Vollstreckung nach § 888 ZPO unterliegt. Es handelt sich vielmehr um die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung, die gemäß § 894 ZPO mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils als abgegeben gilt.

Grundlage der Zwangsvollstreckung ist allein die titulierte Verpflichtung, wie sie sich aus dem Tenor und - falls zur Auslegung erforderlich - den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt.

Vorliegend ist die Schuldnerin zur Erteilung einer Befugnis verurteilt worden, nämlich zum Ausweis von Umsatzsteuer für Leistungen der Schuldnerin auf Rechnungen für die Reisestellenkarte "Lodge Card" gemäß § 14 Abs. 2 Satz 5 UStG. Danach kann eine Rechnung für eine Lieferung oder eine sonstige Leistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG im Namen und für Rechnung des Unternehmers von einem Dritten ausgestellt werden. Diese Befugnis zur Rechnungsstellung ist grundsätzlich erforderlich, um die Gefahr einer Doppelhaftung für die Umsatzsteuer auszuschließen, denn nach § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG schuldet (auch) derjenige, der zum Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, einen entgegen dieser Nicht-Berechtigung ausgewiesenen Betrag. Ausweisberechtigt ist aber grundsätzlich nur der Steuerschuldner selbst, was für Leistungen wie die vorliegende nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der die Leistung erbringende Unternehmer - mithin die Schuldnerin - ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Mit der Befugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 5 UStG, eine Rechnung im Namen und für Rechnung eines anderen zu erteilen, begehrt die Gläubigerin folglich die Verpflichtung der Schuldnerin zur Erteilung einer Zustimmung im Sinne von § 182 BGB, mithin eine Willenserklärung im klassischen Sinn (vgl. auch Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 14, RdNr. 152).

Der so verstandene Tenor gibt auch das Rechtsschutzbegehren der Gläubigerin zutreffend und vollständig wieder. Diese hat in der Klageschrift vom 03.10.2005 als streitgegenständliches Verhalten der Schuldnerin gerügt, dass diese gegenüber dem Buchungssystem A. die Befugnis der Gläubigerin zum Ausweis der Umsatzsteuer widerrufen habe. Daraufhin habe A. die Mehrwertsteuerunterdrückung deaktiviert. Gründe, dass A. dies bei erneuter Erteilung dieser Befugnis nach Rechtskraft des Urteils nicht rückgängig machen sollte, sind von der Schuldnerin nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Darüber hinaus hätte es der Gläubigerin frei gestanden, neben einer Klage auf Erteilung der Erlaubnis zum Umsatzsteuerausweis auch auf ein bestimmtes Verhalten gegenüber A. zu klagen. Dies hat sie indes nicht getan. Im Zwangsvollstreckungsverfahren kann eine derartige Klageerweiterung nicht geltend gemacht werden.

Auch aus der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Freigabe von Internetdomains lässt sich kein anderes Verständnis des Tenors herleiten. In den dort zur Entscheidung stehenden Fällen richtete sich das Begehren gerade nicht auf eine bestimmte Willenserklärung, sondern auf ein aktives Tun, nämlich auf diejenige Handlung, die zur Freigabe einer reservierten Domain erforderlich ist. Schon begrifflich ist eine "Freigabe", anders als die "Erteilung einer Befugnis", weder zwingend noch ausschließlich auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, sondern als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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