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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: VI-W (Kart) 9/02
Rechtsgebiete: EnWG, GWB, ZPO


Vorschriften:

EnWG § 6 Abs. 1
EnWG § 6 Abs. 1 Satz 2
GWB § 19 Abs. 4 Nr. 4
ZPO § 91 a
ZPO § 93
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Die sofortige Beschwerde der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Beschwerdewert: 10.000 EUR.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der E. E. B.-W. AG und Teil des E. - Konzerns, des drittgrößten Energiekonzerns Deutschlands. Die Beklagte betreibt ein Stromnetz auf der Hoch- Mittel- und Niederspannungsebene.

Nach der Liberalisierung der Strommärkte schloss die Klägerin mit verschiedenen Stromabnehmern Energielieferverträge, wobei sie von ihren Kunden bevollmächtigt wurde, die bestehenden Stromlieferverträge mit der Beklagten zu kündigen. Am 22.7.1999 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und bat um die Durchleitung elektrischer Energie zur Erfüllung ihrer Verträge. Die Beklagte erklärte sich hierzu bereit, forderte jedoch den Abschluss einer vertraglichen Vereinbarung mit der Klägerin. Die Parteien schlossen am 26.1.2000 einen Kooperationsvertrag (Anlage K 6), um die Versorgung der Kläger-Kunden einstweilen sicherzustellen. Am 14.12.2000 legte die Beklagte der Klägerin den Entwurf eines "Rahmenvertrages für die Belieferung von Kleinkunden" vor, der als Voraussetzung für die Durchleitung den Abschluss eines gesonderten Netzanschluss- und Netznutzungsvertrages der Kunden mit der Beklagten als Netzbetreiberin (§ 2 Abs. 1 des Entwurfes) sowie eine Sicherheitsleistung der Klägerin vorsah (Anlage B 3). Die Klägerin unterzeichnete den Entwurf nicht, sondern wandte sich vor allem dagegen, dass ihre Kunden einen Vertrag mit der Beklagten schießen sollten. Auf ein Schreiben ihrer Anwälte vom 31.7.2001 (Anlage K 8) anerkannte die Beklagte zwar mit Schreiben vom 9.8.2001 den Durchleitungsanspruch, blieb jedoch dabei, dass zuvor eine vertragliche Einigung herbeizuführen sei.

Mit der am 5.12.2001 erhobenen Klage hat die Klägerin, gestützt auf § 6 Abs. 1 EnWG, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB, den Durchleitungsanspruch geltend gemacht. Ferner hat sie Klage auf Feststellung des Bestehens von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagte wegen Nichtgestattung der Durchleitung erhoben. Die Beklagte hat betragt, die Klage abzuweisen. Mit Schriftsätzen vom 21.5.2002 (GA 83) und 10 6. 2002 (GA 86) haben die Parteien hinsichtlich des ersten Klageantrages einvernehmlich die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt. Die diesbezüglichen Kosten hat das Landgericht im Urteil vom 26.6.2002 gemäß § 91 a ZPO der Beklagten auferlegt und im Übrigen die Feststellungsklage mangels hinreichender Schadenswahrscheinlichkeit abgewiesen.

Gegen die Kostenentscheidung wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde; sie beantragt,

die Kosten des Rechtstreits der Klägerin aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Gemäß § 91 a ZPO ist über die Kosten im Falle einer beiderseitigen Erledigungserklärung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei ist die allgemeine Grundwertung des Kostenrechts zu berücksichtigen, dass die unterliegende Partei die Kosten zu tragen hat. Danach fallen der Beklagten die Kosten zu Last.

Nach § 6 Abs. 1 EnWG haben Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen anderen Unternehmen das Versorgungsnetz zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen tatsächlich oder kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden. Nach Absatz 1 Satz 2 gilt eine Ausnahme nur dann, wenn der Betreiber nachweist, dass ihm die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks nicht möglich oder nicht zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall stand der Klägerin ein Durchleitungsanspruch gegen die Beklagte zu, den sie auch unmittelbar einklagen konnte. Schon die Gesetzesformulierung "hat zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen" legt nahe, dass die Verpflichtung des Netzbetreibers jedenfalls nach ernstlichen Verhandlungsbemühungen unabhängig von einer getroffenen Vereinbarung gerichtlich zugesprochen werden kann. Zudem versucht das EnWG eine sichere, preiswerte und umweltverträgliche Stromversorgung durch mehr Wettbewerb auf dem Stromlieferantenmarkt herzustellen. Würde ein Anspruch auf Durchleitung stets erst nach Abschluss einer die Durchleitung regelnden Vereinbarung bestehen, könnten die Netzbetreiber durch hinhaltendes Verweigern der Durchleitung im Ergebnis die vom Gesetzgeber angestrebte Liberalisierung des Strommarktes verzögern. Der Durchleitungspetent müsste zunächst auf Einwilligung zu einem Vertrag klagen, um erst anschließend in einem zweiten Verfahren die Durchleitung letztlich durchsetzen zu können. Dem hat Ziffer 1.1. der VV II plus weithin Rechnung getragen. Danach hat der Stromlieferant bei Vorlage eines sog. "all-inclusive-Vertrages" zur Versorgung eines Einzelkunden Anspruch auf den zeitnahen Abschluss eines Netznutzungsvertrages mit dem Netzbetreiber. Ob ein solcher Anspruch stets unmittelbar besteht (ex lege Theorie) oder sich erst aus einseitig durch Verhalten des Netzbetreibers nach gescheiterten Vertragsverhandlungen ergibt (Verdichtungskonzept), bedarf hier nicht der abschließenden rechtlichen Klärung. Denn die Klägerin hat das Erforderliche getan hat, um zum Abschluss eines die Durchleitung regelnden Vertrages mit der Beklagten zu gelangen. Dem Vertragsschluss standen nur die von der Beklagten gewünschte Sicherheitsleistung und der Abschluss eines eigenen Netzzugangs- und Netznutzungsvertrages mit den Kunden der Klägerin entgegen, welche die Beklagte indes nicht verlangen konnte, weil dies die Kläger unzumutbar behindert hätte. Namentlich konnte die Beklagte die Netznutzung nicht nach dem sog. Doppelvertragsmodell von dem Abschluss gesonderter Netznutzungsverträgen mit den Kunden der Klägerin abhängig machen (vgl. hierzu Holtdorf RdE 2002, 264, 268 mit weiteren Nachweisen). Die Beklagte hatte zwar ein nachvollziehbares Interesse daran, ein eigenes Betretensrecht zu den Gebäuden der Kunden zwecks Ablesung der Messgeräte vertraglich zu sichern. Ein solches Recht konnte ihr aber auch die Klägerin vermitteln; des Abschlusses eines eigenen Vertrages mit den Kunden der Klägerin bedurfte es mithin nicht. Umgekehrt bedeutete der Abschluss gesonderter Verträge mit den Kunden der Klägerin ein den Wechsel den Stromanbieters unnötig komplizierendes Verfahren, das für die Klägerin einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeutet hätte.

Auch mit Blick auf die von der Beklagten geforderte Sicherheitsleistung überwiegt das Interesse der Klägerin dasjenige der Beklagten deutlich. Der Verzicht der Beklagten auf eine Sicherheitsleistung belastete die Beklagte nicht unzumutbar im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 2 EnWG. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Klägerin ein wirtschaftlich starkes Unternehmen sei (GA 30).

Die Beklagte hat auch Anlaß zur Klageerhebung ergeben, weswegen eine Kostenentscheidung nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO ausscheidet. Sie hat auch noch in dem zweiten von ihr vorgelegten Vertragsentwurf aus Dezember 2001 die Leistung einer Sicherheit von der Klägerin verlangt, obwohl sie, wie dargetan, davon die Durchleitung nicht abhängig machen durfte.

Danach wäre die Klage aus § 6 Abs. 1 EnWG erfolgreich gewesen, so dass es keiner näheren Darlegung der - im Übrigen zu bejahenden - Frage bedarf, ob sich der Anspruch auch aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ergeben hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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