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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 11/06
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV, GWB


Vorschriften:

RVG § 2
RVG § 14 Abs. 1
RVG § 17 Nr. 1
RVG VV Nr. 2400
RVG VV Nr. 7002
GWB § 124 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 9. Februar 2006, VK 3-127/05, aufgehoben.

Die von der Antragstellerin der Antragsgegnerin zu erstattenden Auslagen werden anderweit auf 12.923,68 € festgesetzt. Im Übrigen werden die Kostenfestsetzungsanträge vom 5. und 30. Dezember 2005 abgelehnt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 17.741,04 € .

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung der Vergabekammer, die die der Antragsgegnerin zu erstattenden Auslagen unter Anwendung des Gebührentatbestandes Nr. 2400 VV RVG mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9. Februar 2006 auf 30.664,72 € festgesetzt hat. Die Antragstellerin begehrt eine Herabsetzung der zu erstattenden Auslagen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Die Vergabekammer hat die Kosten unter inzidenter Berücksichtigung eines Gegenstandswertes von 2.895.000,00 € wie folgt berechnet:

 2,5-fache Geschäftsgebühr gem. § 2 RVG Nr. 2400 VV, 25.490,00 €
Auslagenpauschale nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV 20,00 €
Auslagenpauschale nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 7005 VV 60,00 €
Zwischensumme: 25.570,00 €
16% Mehrwertsteuer 4.091,20 €
Fahrtkosten des Verfahrensbevollmächtigten 647,52 €
Reisekosten Herr J. H. Flugticket ohne Umbuchung 326,50 €
Fahrtkosten Pkw 29,50 €
Summe: 30.664,72 €

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit Recht. Für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Vergabekammerverfahren fällt zwar grundsätzlich eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG an. Diese gilt jedoch nur, wenn der Tätigkeit des Rechtsanwalts im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren keine Tätigkeit im Vergabeverfahren, z.B. die Abfassung des Rügeerwiderungsschreibens, vorausgegangen ist. Der Gebührentatbestand der Nr. 2401 VV lautet wie folgt:

Es ist eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen:

Die Gebühr 2400 für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren beträgt: ............................................................................................... 0,5-1,3

1. Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer ist.

(2) Eine Gebühr von mehr als 0,7 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Im Streitfall richtet sich der Gebührenrahmen nach Nr. 2401 VV RVG, weil die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin schon im Vergabeverfahren für die Antragsgegnerin tätig geworden sind. Bei der dem Nachprüfungsverfahren vorausgegangenen Tätigkeit im Vergabeverfahren handelt es sich aus kostenrechtlicher Sicht um eine Tätigkeit in einem Verwaltungsverfahren im Sinne der Nr. 2400 VV RVG, obgleich das Verfahren mit einem Vertragsschluss, nämlich der Zuschlagsentscheidung, und nicht mit dem Erlass eines Verwaltungsakt durch den öffentlichen Auftraggeber endet. Der Wortlaut des Gebührentatbestandes ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass unter den Begriff des Verwaltungsverfahrens nur solche Verfahren fallen, die mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes beendet werden. Am Ende eines Verwaltungsverfahrens kann auch der Abschluss eines Vertrages stehen, das heißt der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen oder - wie im Streitfall - eines zivilrechtlichen Vertrages. Die Gebührentatbestände des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) differenzieren dazwischen nicht. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit dem Begriff des Verwaltungsverfahrens, wie er im Verwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG) NRW verwandt wird.

Dieses durch Auslegung des Gebührentatbestandes ermittelte Ergebnis findet durch folgende Kontrollüberlegung seine Bestätigung: Die Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Verfahren der Vergabekammer stellt sich im Vergleich zum Beschwerdeverfahren nicht als ein gerichtliches Verfahren, sondern als ein gerichtsähnlich ausgestaltetes Verwaltungsverfahren dar, bei dem die Nachprüfung von unbeteiligten, nicht vorbefassten Dritten vorgenommen wird, mit der Folge, dass die Rechtsanwaltsvergütung für das erstinstanzliche Nachprüfungsverfahren nicht aus den Nummern 3200 VV und 3202 VV zu entnehmen ist (vgl. Diemer/Maier, NZBAu 2004, 342; Rojahn, VergabeR 2004, 454, 456). Beide Verfahren, das Vergabeverfahren und das erstinstanzliche Nachprüfungsverfahren, stellen sich jeweils als eine neue, eigene Angelegenheit im Sinne des § 17 Nr. 1 RVG dar. Dies hat wegen der Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Vergabeverfahren jedenfalls im Streitfall für das erstinstanzliche Vergabenachprüfungsverfahren zur Folge, dass dafür die Geschäftsgebühr nach der Nr. 2401 VV RVG mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 1,3 anfällt.

Bei der Gebührenbemessung nach § 14 Abs. 1 RVG darf dann allerdings nach Absatz (1) von Nr. 2401 VV RVG nicht mehr berücksichtigt werden, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Vergabeverfahren geringer war. Dieses Kriterium ist bereits im geringeren Gebührenrahmen für das Nachprüfungsverfahren berücksichtigt. Der Ansatz der Gebühren in Höhe des 1,3-fachen - bzw. des 2,5-fachen, wie ihn der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin tatsächlich begehrt hat - wäre unbillig (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG). Die Rechtssache war weder rechtlich noch tatsächlich besonders schwierig, weshalb der Ansatz einer Geschäftsgebühr in Höhe des 1,0-fachen Satzes gerechtfertigt, aber auch ausreichend erscheint (vgl. Senat, Beschl. v. 26.1.2006, VII-Verg 84/05). Die Antragsgegnerin hat schon mit ihrem Antrag auf Kostenfestsetzung nicht hinreichend konkret dargelegt, dass eine weitergehende Ausschöpfung des Gebührenrahmens gerechtfertigt wäre. Die von der Vergabekammer bei der Verwerfung des Nachprüfungsantrags für entscheidungserheblich gehaltenen Rechtsfragen (Ausschluss des Angebots wegen unrichtiger Preisangaben, fehlerhafte Wahl des Verhandlungsverfahrens, Verstoß gegen den Grundsatz der losweisen Vergabe) heben das Nachprüfungsverfahren nicht (weit) über den Durchschnitt der Verfahren heraus. Der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens (Multiservicenetz) ist weder mit Blick auf die ausgeschriebene Technik als schwierig noch in Bezug auf den Wert des zu beschaffenden Gegenstandes gegenüber anderen Vergabeverfahren, die sich mit der Beschaffung von Informationstechniken befassen, als herausragend anzusehen. Technische Fragen standen nicht im Mittelpunkt des Verfahrens. Die Schriftsätze der Antragsgegnerin waren weder besonders zahlreich noch besonders umfangreich.

Mithin ergibt sich unter inzidenter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 2.895.000,00 € folgende Berechnung:

 1,0-fache Geschäftsgebühr gem. § 2 RVG Nr. 2400 VV, 10.196,00 €
Auslagenpauschale nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 VV 20,00 €
Auslagenpauschale nach § 2 RVG i.V.m. Nr. 7005 VV 60,00 €
Zwischensumme: 10.276,00 €
16% Mehrwertsteuer 1.644,16 €
Fahrtkosten des Verfahrensbevollmächtigten 647,52 €
Reisekosten Herr J. H. Flugticket ohne Umbuchung 326,50 €
Fahrtkosten Pkw 29,50 €
Summe: 12.923,68 €

Der Senat ist nicht verpflichtet, im Hinblick auf die Abweichung zur Entscheidung des Oberlandesgericht Karlsruhe vom 23. Januar 2006 (6 W 89/05) das Verfahren nach § 124 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Die Vorlagepflicht erstreckt sich nur auf beabsichtigte Entscheidungsdivergenzen hinsichtlich der Hauptsache des betreffenden Beschwerdeverfahrens, nicht aber auf Abweichungen in der Beurteilung von Fragen zu Normen und Gebührentatbeständen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach dem verfolgten Interesse der Antragstellerin, mithin nach der Höhe der begehrten Minderfestsetzung.

Ende der Entscheidung

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