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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.05.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 12/06
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, GKG, ZPO


Vorschriften:

GWB §§ 97 ff.
GWB § 98 Abs. 6
GWB § 99 Abs. 1
GWB § 118 Abs. 1 S. 3
VOB/A § 32 Nr. 1
GKG § 50 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 1 S. 1
ZPO § 9 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 13. Februar 2006, Az. VK 3/2006, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB sowie die der Antragsgegnerin in diesen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden der Antragstellerin auferlegt.

Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragsgegnerin notwendig.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 210.000 €

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, gemäß dem Vertragsentwurf vom 28.01.2005 der Gesellschaft "Feuerbestattungen M...GmbH & Co. KG" das Recht zur Errichtung und zum Betrieb einer Feuerbestattungsanlage in M., E., widerruflich zu übertragen.

Errichtet werden soll die Anlage von der Firma C... auf einem von dieser zuvor von der Antragsgegnerin zu erwerbenden Grundstück. Das geschätzte Investitionsvolumen beträgt ca. 2 Mio. €. Die potentielle Betreiberin der Anlage geht von ca. 4000 Feuerbestattungen jährlich zu Preisen zwischen 250 € und 350 € aus.

Die Antragstellerin, die bereits eine Feuerbestattungsanlage betreibt, hatte von dem Vorhaben erfahren und sich mit Schreiben vom 28.09.2005 an die Antragsgegnerin gewandt, um sich an der Vergabe zu beteiligen. Mit Schreiben vom 16.11.2005 teilte die Antragsgegnerin mit, dass eine Ausschreibung nicht durchgeführt werde.

Die Rüge der Antragstellerin blieb ohne Erfolg. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit der Begründung abgelehnt, ihre Zuständigkeit nach dem 4. Teil des GWB sei nicht gegeben, da der Auftrag als Dienstleistungskonzession vergeben werden solle.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, das Gemeinschaftsrecht, insbesondere in der Auslegung durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11.Januar 2005, verlange eine Nachprüfungsmöglichkeit der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, kein geregeltes Vergabeverfahren einzuleiten.

Sie beantragt,

unter Aufhebung des angegriffenen Beschlusses der Antragsgegnerin zu untersagen, einen Vertrag über die Errichtung einer Feuerbestattungsanlage in M., E., mit der Gesellschaft Feuerbestattungen M...GmbH & Co. KG oder einem Dritten zu schließen oder den Zuschlag für die Errichtung einer Feuerbestattungsanlage in M., E., zu erteilen, ohne zuvor eine öffentliche Ausschreibung durchzuführen.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Beschluss und beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Bei der beabsichtigten Übertragung des Rechtes zur Errichtung und zum Betrieb einer Feuerbestattungsanlage handelt es sich um eine Dienstleistungskonzession. Diese unterfällt nicht dem Begriff des öffentlichen Auftrags im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB, so dass das Vergaberechtsregime des 4. Teiles des GWB nicht gilt und der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet ist.

Gemäß § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge entgeltliche Verträge zwischen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Besteht - wie im Streitfall - die Gegenleistung für die Ausführung des Auftrags nicht in einem vorher festgelegten Preis, sondern in der Übertragung des Rechts, die zu erbringende eigene Leistung kommerziell zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten, handelt es sich um eine Konzession und damit der Sache nach um eine Verwertungshandlung des öffentlichen Auftraggebers und nicht um einen entgeltlichen Beschaffungsauftrag der öffentlichen Hand.

Obgleich der in Rede stehende Übertragungsvertrag neben dem Betrieb auch die Errichtung der Anlage vorsieht, liegt eine dem Vergaberechtsregime unterfallende Baukonzession nicht vor. Gemäß § 98 Abs. 6 GWB und § 32 Nr. 1 VOB/A sind Baukonzessionen Bauaufträge zwischen einem Auftraggeber und einem Unternehmer, bei denen die Gegenleistung für die Bauarbeiten statt in einer Vergütung in dem Recht auf Nutzung der baulichen Anlage, gegebenenfalls zuzüglich Zahlung eines Preises, besteht.

Da die Firma C... von der Antragsgegnerin ein Grundstück erwerben und dort eine in ihrem Eigentum stehende Feuerbestattungsanlage errichten soll, erbringt sie keine Bauleistungen zugunsten der Antragsgegnerin.

Gegenstand des streitgegenständlichen Übertragungsvertrages ist infolgedessen nicht die Beschaffung von Bauleistungen durch die Antragsgegnerin, sondern die durch die Antragsgegnerin als Friedhofsträgerin im Sinne des § 1 Abs. 2 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen erteilte Erlaubnis, Dienstleistungen in Form von Feuerbestattungen zu erbringen.

Als Dienstleistungskonzession unterfällt die streitgegenständlichen Beauftragung nicht der Richtlinie 2004/18/EG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge und damit auch nicht dem Vergaberecht des GWB, denn dessen Anwendungsbereich geht nicht über den der einschlägigen europäischen Richtlinie hinaus.

Während der Ausschluss von Dienstleistungskonzessionen aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 92/50/EWG noch nicht ausdrücklich geregelt war, sich aber aus ihrer Entstehungsgeschichte und einem Vergleich mit der Baukoordinierungsrichtlinie ergab (EuGH, Urteil vom 07.12.2000 - Rs.C-1324/98, NZBau 2001, 148 (Telaustria); BayObLG, Beschluss vom 11.12.2001 - Verg. 15/01, NZBau 2002, 233 ff.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2001 - Verg. 3/01, NZBau 2001, 645 ff.), ist nunmehr in Art. 17 der Richtlinie 2004/18/EG bestimmt, dass die Richtlinie für Dienstleistungskonzessionen nicht gilt.

Zwar hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2000 (Rs. C-324/98 "Telaustria") auch für den Abschluss von Dienstleistungskonzessionen aus dem Transparenzgebot die Verpflichtung der öffentlichen Auftraggeber abgeleitet, zugunsten potentieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden. Für die Überprüfung der Einhaltung dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben außerhalb des Anwendungsbereichs der Vergaberichtlinie ist jedoch im innerstaatlichen Recht mangels Anwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB der spezielle Rechtsschutzweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen nicht eröffnet.

Soweit das deutsche Recht für die Nachprüfung einer Vergabe von Dienstleistungskonzessionen keinen ausdrücklichen Primärrechtsschutz bietet, genügt der bestehende Sekundärrechtsschutz den vom Europäischen Gerichtshof in der genannten Entscheidung aufgestellten Anforderungen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2001 - Verg. 3/01 -, NZBau 645, 647 BayObLG, Beschluss vom 11.12.2001 - Verg 15/01, aaO., Beschluss vom 09.07.2003 - Verg 7/03f, Datenbank Bayerische Rechtsprechung, Bl. 3). Bereits aus dem Wortlaut der Entscheidung - "... Nachprüfung, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden" (Rdnr. 62) - folgt, dass eine nachträgliche gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit ausreichend ist.

Ob für den Sekundärrechtsschutz (oder auch einen Primärrechtschutz) der Rechtsweg zu den Zivilgerichten (so OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2001 - Verg. 3/01 -, aaO; BayObLG, Beschluss vom 11.12.2001, - Verg 15/01 - aaO) oder den Verwaltungsgerichten (BayObLG, Beschluss vom 09.07.2003, - Verg 7/03f - aaO; im Ergebnis auch Burgi, Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen: Verfahren, Vergabekriterien, Rechtsschutz; in Tagungsband 6 der Düsseldorfer Vergaberechtstage vom 23. Juni 2005, MWME NW) eröffnet ist, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen.

Zu einer abweichenden Bewertung sieht sich der Senat durch die von der Antragstellerin zur Begründung ihres Rechtsstandpunktes in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 11. Januar 2005 (Rs. C-26/03 - "TREA Leuna") nicht veranlasst.

Die dortigen Ausführungen zum erforderlichen Umfang des Rechtsschutzes beziehen sich auf Maßnahmen eines öffentlichen Auftraggebers, die im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienstleistungsauftrag getroffen wurden (Rdnr. 34). Das konstatierte Erfordernis eines Primärrechtsschutzes (so wohl Rdnr. 31) erstreckt sich - anders als im Streitfall - gerade nicht auf den Fall der Vergabe einer Dienstleistungskonzession.

III.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 50 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG, § 9 S. 1 ZPO.

Da die streitgegenständliche Beauftragung eine unbefristete Übertragung des Rechtes zum Betrieb der Feuerbestattungsanlage vorsieht, war gemäß § 9 S. 1 ZPO für die Ermittlung der Bruttoauftragssumme im Sinne des § 50 Abs. 2 GKG der dreieinhalbfache Wert des auf der Grundlage der Angaben der vorgesehenen Betreiberin ermittelten durchschnittlichen Jahresumsatzes in Höhe von 1,2 Mio € maßgeblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (analog).

Ende der Entscheidung

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