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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 14/06
Rechtsgebiete: GWB, GüKG, VOL/A


Vorschriften:

GWB § 118 Abs. 1 S. 3
GüKG § 1
GüKG § 3
GüKG § 3 Abs. 1
GüKG § 3 Abs. 2 S. 1
GüKG § 3 Abs. 2 S. 2
GüKG § 5
GüKG § 19 Abs. 1 Nr. 1
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

I. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16. Februar 2006 (VK - 02/2006-L) aufgehoben.

Der Nachprüfungsantrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen, die der Antragsgegnerin und der Beigeladenen in beiden Verfahren entstanden sind.

Die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB trägt die Beigeladene.

III. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die

Beigeladene in beiden Instanzen notwendig.

IV. Beschwerdewert: bis 66.000 €.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb die Vergabe von Aufträgen zum Abschleppen und Verwahren ordnungswidrig abgestellter Fahrzeuge und Anhänger im Stadtgebiet D. in drei Losen europaweit im Offenen Verfahren aus. Die Vertragsdauer betrug 36 Monate und konnte um 12 Monate verlängert werden. Unter Abschnitt III.1 der Vergabebekanntmachung ("Bedingungen für den Auftrag") hieß es soweit hier von Interesse:

III.2 Bedingungen für die Teilnahme

III.2.1 Rechtslage - Geforderte Nachweise

Grundbuchauszug oder Mietvertrag über das Betriebs- u. Verwahrgelände; Führungszeugnis für den Betriebsinhaber oder Geschäftsführer und das mit der Abwicklung der Abschleppmaßnahmen betraute Personal (nicht älter als 6 Monate); Erlaubnis zum 24-Stunden-Betrieb; Erlaubnis gemäß § 3 Güterkraftverkehrsgesetz; Baugenehmigungen; Nachweis Betriebshaftpflichtversicherung.

Die Antragstellerin reichte zu den Losen 2 und 3 Angebote ein, die Beigeladene zu allen drei Losen. Dem Angebot der Antragstellerin lag eine auf die Mitarbeiterin I... bezogene, bis zum 30.8.2006 befristete Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr bei. Außerdem kündigte die Antragstellerin in ihrem Angebotsbegleitschreiben an, dass ihr Geschäftsführer bis Ende Februar 2006 eine eigene Erlaubnis für die gesamte Vertragszeit erlangen würde.

Mit Schreiben vom 10.1.2006 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass sie beabsichtige, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen und der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Nach erfolgloser Rüge hat die Antragstellerin das vorliegende Nachprüfungsverfahren angestrengt.

Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantragsantrag entsprochen und die Antragsgegnerin angewiesen, den Ausschluss der Antragstellerin zu widerrufen und eine erneute Wertung der Angebote zu den Losen 2 und 3 unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin durchzuführen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin zu Unrecht ausgeschlossen habe. Sie habe in der Vergabebekanntmachung nicht gefordert, dass die Güterkraftverkehrserlaubnis die Mindestvertragszeit abdecken müsse. Die insoweit später erfolgte Ergänzung in den Verdingungsunterlagen sei unzulässig. Jedenfalls sei die von der Antragsgegnerin zugleich gewährte Verlängerung der Angebotsabgabefrist zu knapp bemessen.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.

Die Antragsgegnerin trägt vor: Die Unternehmen benötigten für das Abschleppen größerer Fahrzeuge eine Erlaubnis nach § 3 GüKG. Schon aus der Bekanntmachung sei daher ersichtlich gewesen, dass die geforderte Erlaubnis die Mindestvertragszeit umfassen müsse.

Die Beigeladene unterstützt den Standpunkt der Antragsgegnerin. Überdies macht sie geltend, das Betriebsgrundstück der Antragstellerin sei für die ausgeschriebenen Leistungen ungeeignet.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Nachprüfungsantrag abzulehnen.

Die Beigeladene beantragt überdies hilfsweise,

die Ausschreibung aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Vergabekammerbeschluss und legt dar, aus welchen Gründen ihr Betriebsgrundstück für die Auftragserfüllung geeignet sei. Ferner macht sie geltend, das Angebot der Beigeladenen sei aus verschiedenen Gründen auszuschließen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen sind begründet. Das Angebot der Antragstellerin ist auszuschließen, weil ihm keine für die gesamte Mindestvertragszeit von 36 Monaten gültige Güterkraftverkehrserlaubnis beigefügt war.

Die "Erlaubnis gemäß § 3 GüKG" war ein in der Bekanntmachung (Ziffer III.2.1.1) geforderter Eignungsnachweis. Legt ein Unternehmen einen von ihm geforderten Eignungsnachweis nicht vor, ist sein Angebot gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zwingend aus der Wertung zu nehmen. So verhält es sich hier mit dem Angebot der Antragstellerin.

Die Antragstellerin hat ihrem Angebot eine Lizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 beigelegt, in welcher als zur Führung der Güterverkehrsgeschäfte bestellte Person die Angestellte I... bezeichnet war. Zwar gilt nach § 5 GüKG eine Gemeinschaftslizenz für Unternehmen, deren Unternehmenssitz im Inland liegt, zugleich als Erlaubnis nach § 3 GüKG. Im Streitfall genügte die vorgelegte Gemeinschaftslizenz den Anforderungen der Ausschreibung jedoch nicht, weil sie nur bis zum 30.8.2006 befristet war und damit die verlangte Mindestdauer von 36 Monaten bei weitem unterschritt.

Eine ausdrückliche Angabe über die Mindestdauer der Güterkraftverkehrserlaubnis enthielt die Vergabebekanntmachung allerdings nicht. Damit war sie entgegen der Ansicht der Antragstellerin jedoch keineswegs in dem Sinne eindeutig, dass jede beliebige Gültigkeitsdauer genügen konnte, z. B. auch eine solche von wenigen Tagen. Vielmehr war das insoweit von der Antragsgegnerin Gewollte im Wege verständiger Auslegung zu ermitteln. Für die Auslegung einer Bekanntmachung (ebenso wie für Auslegung von Vergabe- und Verdingungsunterlagen) gilt nach ständiger Rechtsprechung ein objektivierter Maßstab: maßgebend ist die Sicht eines vernünftigen, mit öffentlichen Vergaben vertrauten Bieters.

Daran gemessen kann die Antragsstellerin nicht damit gehört werden, ihr Geschäftsführer sei in Vergabesachen wenig erfahren und habe die Bekanntmachung deswegen missverstanden oder - wie im Schriftsatz vom 18.5.2006 vorgetragen - in ihrer Bedeutung unterschätzt. Ebenso wenig ist von Bedeutung, welchen Inhalt ein Vergabeverfahren des Landes Nordrhein-Westfalen für den Polizeipräsidenten D. hatte, welches ebenfalls Abschleppleistungen betraf. Soweit die Antragstellerin sich darauf beruft, dass in jenem Verfahren keine Güterkraftverkehrserlaubnis verlangt worden sei, greift dies aus zwei prinzipiellen Gründen nicht durch. Zum Einen handelte es sich um das Vergabeverfahren eines anderen öffentlichen Auftraggebers. Zum Anderen ist nicht anzunehmen, dass alle für die vorliegende Ausschreibung in Betracht kommenden Bieter (nicht nur diejenigen, die ein Angebot vorlegten) jenes Vergabeverfahren kannten. Ein Sonderwissen der Antragstellerin kann nicht zum Maßstab einer für alle Bieter gültigen Auslegung der Bekanntmachung gemacht werden kann.

Für die Auslegung der Bekanntmachung ist ferner unerheblich, welchen Inhalt die später den Bietern übersandten Verdingungsunterlagen hatten. Für die Bekanntmachung auslegungsrelevant sind nur solche die Umstände, die bis zur Veröffentlichung gegeben waren. Nur bis dahin hervorgetretene Umstände können bedeutsam dafür sein, wie die Bekanntmachung zu dem maßgebenden Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung objektiv zu verstehen war und welchen Inhalt sie deshalb hatte und fortan behielt. Hat eine Vergabebekanntmachung einen bestimmten (durch Auslegung) festgestellten Inhalt, kann dieser nicht durch die später übersandten Verdingungsunterlagen verändert werden. Abweichende Vergabe- und Verdingungsunterlagen werfen (nur noch) die Frage auf, ob sie eine zulässige Konkretisierung der Bekanntmachung darstellen (was zurückhaltend zu beurteilen ist) oder ob sie als unbeachtlich zu verwerfen sind, weil es für das richtige Verständnis der Bekanntmachung grundsätzlich nur auf den Inhalt der Vergabebekanntmachung ankommen kann (vgl. hierzu auch § 7 a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A). Deshalb ist es schon im Ansatz verfehlt, wenn die Antragstellerin den Standpunkt vertritt, ein sachkundiger und verständiger Bieter werde den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis eine größere Bedeutung beimessen als der Bekanntmachung. Ebenso untauglich ist ihr Argument, das später übersandte Leistungsverzeichnis sei bei der Dauer des Mietvertrages gegenüber der Bekanntmachung ergänzt worden, woraus bestimmte Umkehrschlüsse auf die für die Güterkraftverkehrserlaubnis geforderte zeitliche Dauer zu ziehen seien.

Nach der Bekanntmachung sollte der ausgeschriebene Abschleppvertrag für mindestens 36 Monate geschlossen werden. Mit Blick auf die zu erbringenden Leistungen hatte die Antragsgegnerin die Eignung der Bieter auch in zeitlicher Hinsicht festzustellen. Hierzu hatte sie in der Vergabebekanntmachung Nachweise gefordert, die nicht nur die aktuelle Eignung der Bieter belegten und zugleich eine Prognose erlaubten, sondern die auch für die Leistungserbringung von grundsätzlicher Bedeutung waren. So forderte sie die Angabe des Betriebs- und Verwahrgeländes und als Verfügbarkeitsnachweis die Vorlage eines Grundbuchauszugs oder Mietvertrags. Zwar gab sie auch hierzu keine zeitliche Gültigkeitsdauer an. Notwendig war dies indessen nicht. Schon mit ihrer Forderung nach einem Grundbuchauszug oder Mietvertrag hatte sie unmissverständlich kundgetan, dass sie die Verfügbarkeit des Betriebs- und Verwahrgeländes für die gesamte Vertragszeit belegt wissen wollte. Ein Mietvertrag, der den ausgeschriebenen Vertragszeitraum nicht abdeckte, war für sie ersichtlich ohne Wert. Dies leuchtete einem verständigen Bieter unmittelbar ein. Nichts anderes galt für die geforderte Erlaubnis gemäß § 3 GüKG. Auch diese war für das ordnungsgemäße Ausüben der Abschlepptätigkeit von grundlegender Bedeutung. Das geschäftsmäßige Befördern von Gütern mit Kraftfahrzeugen, die einschließlich Anhänger ein höheren zulässiges Gesamtgewicht als 3,5 t haben, ist ein i. S. v. §§ 1, 3 Abs. 1 GüKG erlaubnispflichtiger gewerblicher Güterkraftverkehr. Wer ohne Erlaubnis gewerblichen Güterkraftverkehr betreibt, handelt gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 GüKG ordnungswidrig (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 GüKG). Das Vorliegen einer Erlaubnis gemäß § 3 GüKG war somit für die Ausführung der Leistung unverzichtbar, mochte das Abschleppen größerer Fahrzeuge auch seltener vorkommen. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass ein Unternehmen, das sich mit dem Abschleppen ordnungswidrig im Straßenverkehr abgestellter Fahrzeuge aller Art befasst, auch für seltenere Abschleppvorgänge die erforderliche Erlaubnis stets bereit haben muss. Dies wollte die Antragsgegnerin mit ihrer Forderung erkennbar gewährleistet wissen. Konstellationen wie im Falle der Antragstellerin, die nur über eine einjährige Erlaubnis verfügte, weil - so die Antragsgegnerin und die Beigeladene - die Erlaubnisbehörde noch Bedenken gegen die Zuverlässigkeit hatte, oder weil - so die Antragstellerin - die Mitarbeiterin I... nur teilzeitbeschäftigt war, wollte sie offensichtlich vermeiden. Sie wollte auch in den Fragen der Güterkraftverkehrserlaubnis ersichtlich keinen mit überflüssigen Risiken belasteten Vertrag. Die von der Vergabekammer aufgeworfene Frage, welchen "Mehrwert" sich die Antragsgegnerin von einer die Vertragszeit abdeckenden Erlaubnis versprach, beantwortet sich von selbst: Der anerkennenswerte "Mehrwert" für die Antragsgegnerin lag darin, dass sie ein größeres Maß an Sicherheit und Kalkulierbarkeit gewann. Dass sie nicht alle denkbaren Unwägbarkeiten ausschließen konnte, liegt in der Natur eines Dauerschuldverhältnisses und ist überdies der in einer Eignungsprüfung zu treffenden Prognose von Haus aus zueigen.

Die Bieter konnten der Forderung der Antragsgegnerin nach einer die Mindestvertragszeit abdeckenden Erlaubnis auch erfüllen. Gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 GüKG wird die Erlaubnis einem Unternehmer, der seinen Sitz im Inland hat, für die Dauer von fünf Jahren erteilt. Eine abgelaufene Erlaubnis wird gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 GüKG unbefristet erteilt. Beide gesetzlich geregelten Fälle deckten im Streitfall den Vertragszeitraum ab. Ein Bewerber, dessen Erlaubnis während der Vertragslaufzeit endete, musste sich daher - wie die Beigeladene es getan hat - um eine Erlaubnisverlängerung bemühen. Dazu blieb ihm nach der Veröffentlichung der Bekanntgabe ausreichend Zeit. Die von der Vergabekammer angesprochenen möglichen Verfahrenshindernisse bei der Erlaubniserteilung können vernachlässigt werden. Mit Blick auf den nach der Vergabebekanntmachung geforderten Nachweis hatten die Unternehmen ein anzuerkennendes Interesse an einer (auch vorzeitigen) Erlaubnisverlängerung, dem sich eine Erlaubnisbehörde schwerlich verschließen konnte. Dennoch verbleibende Schwierigkeiten im Erlaubnisverfahren waren der unternehmerischen Risikosphäre des Bieters zuzuordnen und ließen die berechtigte Forderung der Antragsgegnerin nach einer den Vertragszeitraum abdeckenden Erlaubnis unberührt.

Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Ergänzung in den Verdingungsunterlagen vom 1.12.2005 als zulässige Konkretisierung anzusehen war, kommt es nach alledem nicht an. Ebenso wenig ist entscheidend, ob die Verlängerung der Angebotsabgabefrist ausreichend bemessen war. Denn die Bieter konnten sich die erforderliche Erlaubnis schon nach der Veröffentlichung der Bekanntmachung beschaffen. Auch den von der Antragstellerin behaupteten, das Angebot der Beigeladenen betreffenden Ausschlussgründen ist nicht nachzugehen. Ist ein Bieter mit seinem Angebot zwingend auszuschließen, kann er durch den weiteren Gang des Vergabeverfahrens grundsätzlich nicht in seinen Interessen berührt sein. Soweit die Antragstellerin die Güterkraftverkehrserlaubnis der Beigeladenen, ausgestellt auf Herrn R... A..., angreift, hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung im Übrigen dargelegt, dass die von der Antragstellerin angesprochenen Bedenken aufgrund einer Prüfung ausgeräumt worden seien.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GWB, §§ 91, 101 ZPO (analog), und auf § 50 Abs. 2 GKG.

IV.

Die Schriftsätze der Antragstellerin vom 18.5.2006 und 23.5.2006 sowie der Beigeladenen vom 22.5.2006 geben dem Senat keine Veranlassung, die Verhandlung wiederzueröffnen.

Ende der Entscheidung

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