Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.05.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 14/07
Rechtsgebiete: GWB, VgV, BGB, VOB/A


Vorschriften:

GWB § 114 Abs. 2 S. 1
GWB § 118 Abs. 2 S. 2
GWB § 123 S. 3
VgV § 13
VgV § 13 Satz 1
VgV § 13 Satz 6
BGB § 125
BGB § 126
VOB/A § 28
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 24. April 2007 (VK 2-21/07) zu verlängern, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, dem Beschwerdegericht bis zum 13. Juni 2007 mitzuteilen, ob und mit gegebenenfalls welchen Anträgen die Beschwerde aufrechterhalten bleibt.

Gründe:

I. Die Vergabestelle betrieb ein Ausschreibungsverfahren zur Vergabe von Fernmelde- und informationstechnischen Anlagen für das ...krankenhaus, Neubau 1.7, in B., Vergabe-Nr. 822/2006. Alleiniges Zuschlagskriterium war der Preis. Insgesamt zehn Bieter reichten Angebote ein. Darunter befanden sich die Antragstellerin und die Beigeladene. Nach der Angebotswertung sollte das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag erhalten. Das Angebot der Antragstellerin schloss der Antragsgegner mit der am 20. Februar 2007 abgesandten Bieterinformation wegen unvollständiger Preisangaben (keine Einheitspreisangaben zu den Positionen 3.1.20 bis 3.1.40) aus. Dies rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Februar gegenüber der Vergabestelle und 1. März 2007 gegenüber der Nachprüfungsstelle als rechtsverletzend. Die Vergabestelle teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 2. März 2007 mit, bei der Auswertung des Leistungsverzeichnisses sei festgestellt worden, dass in der Position 3.1.10/ Switch ein Produkt angeboten sei, dass den Ausschreibungsanforderungen nicht entspreche, weil der angebotene Switch 3 Com 3 CR 17258 nicht mit 12 LWL-Anschlussmöglichkeiten ausgestattet sei. Das Angebot ändere die Verdingungsunterlagen und sei zwingend von der Wertung auszuschließen.

Ferner führte die Vergabestelle aus:

Auf Grund meines Prüfungsergebnisses habe ich keinen Verstoß gegen das geltende Vergaberecht feststellen können. Die Entscheidung der Projektleitung, ihr Angebot von der Wertung auszuschließen, ist nicht zu beanstanden. Deshalb habe ich die Erteilung des Zuschlages zum vorgesehenen Termin am 7. März 2007 veranlasst.

Das Schreiben vom 2. März 2007 ging am 5. März 2007 bei der Antragstellerin ein. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 6. März 2007 die beabsichtigte Zuschlagsentscheidung erneut unter Fristsetzung zur Stellungnahme bis zum 7. März 2007, 15.00 Uhr. Die Vergabestelle erteilte am 7. März 2007 um 13.47 Uhr der Beigeladenen mit Telefaxschreiben den Zuschlag. Die Antragstellerin beantragte mit Antragsschrift ihres Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tag, bei der Vergabekammer um 18.25 Uhr per Telefax eingehend, ein Vergabenachprüfungsverfahren. Die Vergabekammer stellte den Nachprüfungsantrag am 8. März 2007 zu, verwarf den Nachprüfungsantrag aber als unzulässig, jedenfalls als unbegründet. Zur Begründung führte sie aus, der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen sei wirksam erteilt worden. Die 14-Tage-Frist, während der ein erteilter Zuschlag kraft Gesetzes mit der Nichtigkeitsfolge belegt sei, habe mit Ablauf des 6. März 2007 geendet.

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde erhoben. Vorab beantragt sie, die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels zu verlängern. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen, den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beigeladenen, die Gründe der Entscheidung der Vergabekammer und die informationshalber beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.

II. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde zu verlängern, hat keinen Erfolg. Bei der Entscheidung über einen dahingehenden Eilantrag hat das Beschwerdegericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen (§ 118 Abs. 2 S. 1 GWB). Verspricht die Beschwerde auf der Grundlage des der Entscheidung zugrundezulegenden Sach- und Streitstands keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, ist der Antrag abzulehnen, ohne dass es einer Interessenabwägung nach § 118 Abs. 2 S. 2 GWB bedarf. So liegt der vorliegende Fall.

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels anzuordnen, ist zulässig, aber unbegründet. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist von der Vergabekammer mit Recht verworfen worden. Der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsinstanzen ist der Antragstellerin nicht (mehr) eröffnet, weil die am 7. März 2007 mit Telefaxschreiben des Antragsgegners erfolgte Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen rechtswirksam war.

1. Nach deutschem Vergaberecht ist ein Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet, wenn einem Unternehmen vor Einreichung des Nachprüfungsantrags der Zuschlag wirksam erteilt worden ist. §§ 114 Abs. 2 S. 1, 123 S. 3 GWB ordnen an, dass ein bereits erteilter Zuschlag durch die Nachprüfungsinstanzen nicht aufgehoben werden kann. Nach Erledigung des Nachprüfungsverfahrens - u.a. durch Zuschlagserteilung - kann, sofern der Nachprüfungsantrag vorher anhängig gemacht worden ist, nur noch festgestellt werden, dass das Unternehmen, das die Nachprüfung beantragt hat, durch den Auftraggeber in seinen Rechten verletzt worden ist. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH ist nach wirksamer Zuschlagserteilung ein primärer Vergaberechtsschutz nicht geboten. Zwar hat der EuGH in seinen Urteilen vom 9.9.2004 (Rs. C-125/03, Kommission gegen Deutschland, NZBau 2004, 563) und 18.11.2004 (Rs. C-126/03, Kommission gegen Deutschland, IBR 2005, 35) entschieden, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet seien, Verträge zu beenden, wenn der Vertrag unter Verletzung der Vergaberechtsvorschriften zustande gekommen ist. Daraus ist indes nicht zu folgern, dass die Mitgliedstaaten den Unternehmen unter allen Umständen die Möglichkeit primären Rechtsschutzes eröffnen müssen. Jedoch hat der EuGH in seinem Urteil vom 9.9.2004 (a. a. O., Tz. 15) ausdrücklich bestätigt, dass Artikel 2 Absatz 6 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21.12.1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (Abl. L 395 vom 30.12.1989, S. 33) die Mitgliedstaaten ermächtigt, nach Vertragsschluss den nationalen Rechtsschutz auf Schadensersatz für die durch einen solchen Verstoß geschädigten Personen zu begrenzen (vgl. hierzu auch Heuvels NZBau 2005, 32, 33). Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht.

aa) Der durch den Zuschlag zustande gekommene Vertrag zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist nicht gemäß § 13 Satz 6 VgV nichtig, sodass er aus diesem Rechtsgrund der Vergabenachprüfung entgegensteht. Nach § 13 Satz 1 VgV informiert der Auftraggeber (die Vergabestelle) die Bieter, deren Angebot nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll, und über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebotes spätestens 14 Kalendertage vor dem Vertragsabschluss. Nach § 13 Satz 6 VgV ist ein Vertrag nichtig, den der öffentliche Auftraggeber unter Verletzung seiner gegenüber den Bietern bestehenden Informationspflicht oder innerhalb von 14 Tagen nach Absendung der Bieterinformation über einen beabsichtigten Zuschlag mit dem Bieter schließt.

Die Wartefrist ist mit dem am 7. März 2007 erfolgten Zuschlag nach Absendung des Informationsschreibens am 20. Februar 2007 eingehalten worden. Zwar macht die Antragstellerin geltend, das für den Lauf der Frist nach § 13 VgV maßgebliche Bieterinformationsschreiben sei erst im Schreiben vom 2. März 2007 zu sehen. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Vergabestelle hat die Antragstellerin bereits vorher über den beabsichtigten Zuschlag und die Gründe informiert, nämlich mit Schreiben vom 20. Februar 2007, das sie am selben Tag absandte. Dieses Schreiben setzte die Wartefrist in Gang.

Demgegenüber nannte das Schreiben der Vergabestelle vom 2. März 2007 - wie die Vergabekammer mit Recht angenommen hat - nur einen weiteren Ausschlussgrund, nämlich neben dem im Schreiben vom 20. Februar 2007 benannten Ausschlussgrund unvollständiger Preisangaben eine Änderung an den Verdingungsunterlagen.

Das Schreiben vom 2. März 2007 beinhaltet - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - keine Abhilfeentscheidung des Antragsgegners zu ihren Gunsten. Weder ausdrücklich noch konkludent ist eine solche Entscheidung der Vergabestelle im Schreiben vom 2. März 2007 zum Ausdruck gekommen. Das Schreiben schweigt über die bereits zuvor genannte Unvollständigkeit der Preisangaben. Aus dem Schweigen lässt sich nicht schließen, die Vergabestelle halte an diesem Ausschlussgrund nicht länger fest. Schweigen hat keinen rechtlichen Erklärungswert.

Abgesehen davon half das Schreiben vom 2. März 2007 der Rüge nicht ab. Diese Erklärungsbedeutung liegt in der Angabe des Antragsgegners, "deshalb (weil die Entscheidung der Projektleitung aus einem weiteren Grund nicht zu beanstanden sei), die Erteilung des Zuschlages zum vorgesehenen Termin am 7. März 2007 veranlasst" zu haben. Aus verständiger Sicht musste sich aufdrängen, dass daher der Rüge vom 22. Februar 2007 nicht abgeholfen werden sollte. Dies hatte die Antragstellerin, wie ihre eigenen Ausführungen im Schreiben vom 6. März 2007 belegen, auch erkannt. Die Antragstellerin musste damit rechnen, dass der Zuschlag ab dem 7. März 2007 zu jeder Zeit erfolgen konnte und dass es sich bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 2. März 2007 nicht um eine neue (zweite) Bieterinformation handelte, die einen neuen Fristenlauf nach § 13 VgV in Gang setzt. Eine solche Erklärung hat der Antragsgegner nicht abgegeben.

Dem steht nicht entgegen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 6. März 2007 den beabsichtigten Ausschluss des Angebots wegen einer Änderung an den Verdingungsunterlagen rügte und dem Antragsgegner eine Frist zur Abhilfe bis Mittwoch, den 7. März 2007, 15.00 Uhr, setzte. Die Antragstellerin konnte durch eine solche Fristsetzung den Lauf einer gesetzlich bestimmten und in Gang gesetzten Frist nicht zu ihren Gunsten verlängern. Ebenso wenig kann eine Absichtserklärung des Antragsgegners, den Zuschlag erst am 16. oder 17. Tage nach Ablauf der Frist erteilen zu wollen, den Lauf der gesetzlichen Frist verändern (verlängern) (vgl. Hans. OLG Bremen, Beschl. v. 17.11.2003, Verg 6/2003, NZBau 2004, 172, 173; OLG Jena, Beschl. v. 14.2.2005, 9 Verg 1/05, VergabeR 2005, 521); Beschl. v. 29.05.2002, 6 Verg 2/02, VergabeR 2002, 631,634).

Unzutreffend ist auch die Ansicht der Antragstellerin, die Vergabestelle habe nach Zugang der Rügeschreiben vom 22. Februar und 1. März 2007 die Angebotswertung wiederholt und sei deshalb zur Erteilung einer neuen (zweiten) Bieterinformation verpflichtet gewesen. Ausweislich der Vergabeakten hat der Antragsgegner die Angebotswertung nicht wiederholt. Der Vergabevorschlag, den sich die Vergabestelle zu eigen gemacht hat, enthält die Feststellung, dass im Angebot der Antragstellerin unter den Positionen 3.1.20 bis 3.1.40 die Einheitspreise fehlen. Deshalb gelangte das Angebot der Antragstellerin nicht in die weiteren Wertungsstufen. Seither hat die Vergabestelle das Angebot der Antragstellerin lediglich auf weitere Mängel überprüft. Das Ergebnis der Überprüfung bestätigte die Vergabeentscheidung. Das ergibt sich auch aus dem Vergabevermerk vom 14. März 2007.

bb) Der Vertrag ist nicht wegen Nichteinhaltung eines gesetzlich vorgeschriebenen Schriftformerfordernisses nach § 125 BGB nichtig. Die Erteilung des Zuschlags unterliegt keinem gesetzlichen Formerfordernis im Sinne des § 126 BGB. Nach § 28 VOB/A kann der Zuschlag mündlich oder schriftlich erteilt werden, solange nicht anderes vereinbart wurde. Auch die Zuschlagserteilung per Telefax ist wirksam (vgl. OLG Bremen, Beschl. v. 17.11.2003, Verg 6/2003, aaO). Insoweit besteht kein Unterschied zu einer Rechtsmitteleinlegung per Telefax.

cc) Das Faxschreiben der Vergabestelle vom 7. März 2007 enthält nicht die bloße Ankündigung der beabsichtigten Zuschlagserteilung. Der auf dem Telefax befindliche Hinweis "Vorab per Fax" soll den Empfänger nur darüber unterrichten, dass das Originalschreiben auf dem Postwege nachfolgt. Bei dem Telefax-Schreiben handelt es sich jedoch schon um den Zuschlag selbst. Der Zuschlag bedurfte zu seiner Wirksamkeit keiner erneuten Annahme durch die Beigeladene.

2. Ob der Nachprüfungsantrag zudem unbegründet wäre, kann dahinstehen.

3. Eine Kostenentscheidung ist in diesem Verfahrensstadium nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück