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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: VII-Verg 17/08
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, GWB


Vorschriften:

RPflG § 11 Abs. 2
RPflG § 21 Nr. 1
ZPO §§ 103 ff.
ZPO § 103 Abs. 2 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1
GWB § 73 Nr. 2
GWB § 120 Abs. 2
GWB § 124 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 4 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Sache wird dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

Gründe:

I.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Mai 2008 den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Gleichzeitig hat er der Antragstellerin die im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin auferlegt, festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war, und der Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Die Antragsgegnerin, die sowohl vor der Vergabekammer als auch vor dem Vergabesenat durch ihre jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vertreten war, hat daraufhin mit Schriftsatz vom 23.06.2008 - abgesehen von der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer - für das Verfahren vor der Vergabekammer eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von 2,0 sowie für das Verfahren vor dem Vergabesenat eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG von 1,6 sowie eine Terminsgebühr nach Nr. 3202 VV RVG von 1,2, insgesamt 6.133,50 Euro nebst Zinsen, beim Oberlandesgericht zur Festsetzung gegen die Antragstellerin angemeldet. Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 26. Juni 2008 lediglich einen Betrag von 5.211,84 Euro (rechnerisch richtig 5.199,94 Euro) nebst Zinsen festgesetzt; im Hinblick auf die Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG hat er die Geschäftsgebühr in Höhe von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet.

Gegen diesen ihr am 17. Juli 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit am 24. Juli 2008 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz "sofortige Beschwerde" eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Anrechnung finde nicht statt. Vorbem. 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV sei nicht einschlägig, wie das OLG München in seinem Beschluss vom 12.06.2008 (Verg 13/07) entschieden habe. Das Verfahren vor der Vergabekammer ähnele mehr einem gerichtlichen Verfahren als einem Verwaltungsverfahren, auf das die Anrechnungsvorschrift zugeschnitten sei. Auch der Beschluss des BGH vom 23.09.2008 (X ZB 19/07) verhalte sich zu der hier zu entscheidenden Problematik nicht. Der Rechtspfleger hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.

Die Antragstellerin ist der Erinnerung entgegen getreten.

II.

Nach Ansicht des Senats ist die als Erinnerung auszulegende "sofortige Beschwerde" zwar zulässig, aber nicht begründet.

1.

Gegen die Entscheidung des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs. 2 RPflG die Erinnerung statthaft. Die Frist des § 569 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG) ist eingehalten.

2.

Die Erinnerung ist unbegründet.

a) Allerdings ist der Rechtspfleger des Oberlandesgerichts nach ständiger Rechtspraxis - soweit ersichtlich - sämtlicher Oberlandesgerichte zur Festsetzung der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zuständig. "Erster Rechtszug" im Sinne des § 103 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. auch § 164 VwGO) ist nicht das Verfahren vor der Vergabekammer, sondern das Beschwerdeverfahren vor dem Vergabesenat; bei der Vergabekammer handelt es sich sowohl organisationsrechtlich als auch kostenrechtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2008 - X ZB 19/07) nicht um ein Gericht. Mangels besonderer Vorschriften im GWB sind - soweit nicht Besonderheiten des Beschwerdeverfahrens etwas anderes erfordern - zur Lückenfüllung - auch über die in § 120 Abs. 2 i.V.m. § 73 Nr. 2 GWB ausdrücklich aufgeführten Vorschriften hinaus - die Regeln der ZPO anzuwenden. Für das Kostenfestsetzungsverfahren gelten damit die §§ 103 ff. ZPO und ergänzend dazu § 21 Nr. 1 RPflG.

b) Zu Recht hat jedoch der Rechtspfleger zugunsten der Antragsgegnerin lediglich einen Betrag von 5.211,84 Euro (rechnerisch richtig 5.199,94 Euro) festgesetzt. Höhere als die festgesetzten Gebühren stehen ihren Verfahrensbevollmächtigen nach dem RVG (vgl. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO) nämlich nicht zu. Zutreffend hat der Rechtspfleger auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG (i.V.m. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4) gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 die gleichfalls für das Verfahren vor der Vergabekammer entstandene Geschäftsgebühr (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2008 - X ZB 19/07 - unter Rdnr. 8) mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet.

aa) Bereits nach dem Wortlaut ist diese Vorschrift einschlägig. Zugunsten der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin ist "wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 3203" entstanden. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht um eine entsprechende, sondern um eine unmittelbare Anwendung dieser Nummern. Damit ist eine Anrechnung "auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahens" vorzunehmen. Weitere Voraussetzungen für eine Anrechnung stellt das Gesetz nicht auf.

bb) Dass das Verfahren vor dem Vergabesenat anwaltskostenrechtlich wie ein Berufungsverfahren zu behandeln ist (vgl. Vorbem. 3.2.1 Abs. 1 Nr. 4 VV RVG), steht dem nicht entgegen. Die Vorbem. 3 VV bezieht sich nach der Systematik des VV RVG - anders als die unter "Abschnitt 1. Erster Rechtszug" stehende Vorbem. 3.1 - auf sämtliche Rechtszüge. Damit ist z.B. die einem Rechtsanwalt vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr auch dann auf eine gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen, wenn dieser für seinen Mandanten erst wieder in einem Berufungsverfahren nach der ZPO tätig wird. Im vergaberechtlichen Rechtsschutz besteht zwar die Besonderheit, dass es anwaltskostenrechtlich an einem "ersten Rechtszug" vollständig fehlt; für das Verfahren vor der Vergabekammer gelten, wie bereits ausgeführt, die Nr. 2300 ff., nicht die Nr. 3100 ff. Die anwaltskostenrechtliche Aufwertung des Beschwerdeverfahrens ändert aber nichts an der Anwendbarkeit der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV.

Auf die Frage, ob das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die fehlende Gerichtsqualität der Vergabekammern eher als erstinstanzliches Verfahren anzusehen ist (so N. Schneider, NJW-Spezial 2008, 764), kommt es danach nicht an.

cc) Für eine teleologische Reduktion der Vorschrift bestehen keine Gründe. Soweit die Gegenauffassung darauf verweist (KG NZBau 2005, 358; ebenso OLG München, Beschluss vom 12.06.2008, Verg 13/07; OLG Celle, Beschluss vom 23.06.2008, 13 Verg 10/07; so letztlich auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.06.2006, 11 Verg 3/07 und 4/07, BeckRS 2008, 20395, das eine Anrechnung für unangemessen hält, weil es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein Rechtsmittelverfahren handele), das Verfahren vor der Vergabekammer gleiche eher einem gerichtlichen Verfahren, trifft dies jedenfalls kostenrechtlich nicht zu. Wie der BGH mit Beschluss vom 23.09.2008 (X ZB 19/07) entschieden hat, hat der Gesetzgeber durch § 128 Abs. 4 S. 3 GWB das Verfahren vor der Vergabekammer kostenrechtlich einem Widerspruchsverfahren gleichgestellt (Rdnrn. 10 ff.).

III.

An einer Zurückweisung der Erinnerung sieht sich der Senat jedoch durch die zitierte Rechtsprechung des Kammergerichts sowie der Oberlandesgerichte Frankfurt, Celle und München gehindert. Sie haben nämlich - jeweils tragend - entschieden, dass eine (Teil-)Anrechnung der durch die Vertretung vor der Vergabekammer entstandenen Geschäftsgebühr auf die Vertretungsgebühr für das Verfahren vor dem Vergabesenat nicht stattfinde.

Der Senat hat daher die Sache gemäß § 124 Abs. 2 GWB dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Diese Vorschrift gilt auch in Kostensachen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.09.2008 - X ZB 19/07 - unter Rdnr. 5). Der Senat hat zwar nicht in einem unmittelbaren Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zu entscheiden, sondern auf die Erinnerung gegen die Entscheidung eines Rechtspflegers des Gerichts. Aus der Vorschrift des § 124 Abs. 2 GWB ergibt sich aber nichts dafür, dass eine Vorlage nur dann zulässig ist, wenn das Oberlandesgericht unmittelbar über eine Beschwerde zu entscheiden hat. Auch in Verfahren über die Erinnerung in Vergabesachen bedarf es einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung. Das gilt umso mehr, als das Kostenfestsetzungsverfahren Folge eines Beschwerdeverfahrens ist.

Eine Vorlagepflicht entfällt nicht durch den - den Entscheidungen des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte nachfolgenden - Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.09.2008 (X ZB 19/07). Diese Entscheidung bezieht sich - worauf die Antragsgegnerin zutreffend hinweist - nur auf das Verhältnis zwischen Vergabeverfahren und nachfolgendem Vergabenachprüfungsverfahren und die Anwendbarkeit der Nr. 2301 VV RVG. Dass der Bundesgerichtshof inhaltlich auch die Argumentation des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte zur kostenrechtlichen Vergleichbarkeit eines Verfahrens vor der Vergabekammer mit einem erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren zurückgewiesen hat (vgl. N. Schneider, a.a.O.), ändert nichts daran, dass es hier um eine andere Rechtsfrage geht.

Ende der Entscheidung

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