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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 2/08
Rechtsgebiete: VOL/A, VOL/A-SKR, StGB, GWB


Vorschriften:

VOL/A § 7 Nr. 5 lit. c)
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 1
VOL/A § 7b Nr. 1 Abs. 3
VOL/A § 25b Nr. 1 Abs. 2
VOL/A-SKR § 5 Nr. 1 Abs. 3
VOL/A-SKR § 5 Nr. 2 lit. c)
StGB § 298
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 114 Abs. 1
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 21. Dezember 2007 (VK 3- 142/07) aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem mit Bekanntmachung im EU- Amtsblatt unter Nr. 2006/S 226-242735 begonnenen Vergabeverfahren betreffend die Bereitstellung von nationalen und internationalen WAN- Verbindungen sowie Verbindungen über die Einwahl in einem On-Demand- Bereich zum Transport von Daten den Zuschlag zu erteilen, ohne den Bietern die detaillierte Bewertungsmatrix mitzuteilen und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, neue Angebote einzureichen.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene, diese als Gesamtschuldner.

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene je zur Hälfte.

Die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter war für die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen die Antragsgsgegnerin sowie die Beigeladene jeweils zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe:

Die Antragsgegnerin machte am 17. November 2006 europaweit bekannt, dass sie beabsichtigte, Leistungen zur Bereitstellung von WAN-Verbindungen sowie von Verbindungen über die Einwahl in einen On-Demand-Bereich im Wege eines europaweiten Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb zu vergeben.

Daran beteiligten sich u.a. die Antragstellerin, die ... und die Beigeladene. Sie wurden zur Angebotsabgabe aufgefordert. Als Zuschlagskriterien waren in der Angebotsaufforderung folgende Zuschlagskriterien mit folgender Gewichtung genannt:

Technik 40 % bis 50 % Service 15 % bis 20 % Komm. Rahmenbedingungen 30 % bis 40 % Projektdurchführung 5 %

Die Antragsgegnerin entwickelte vor Öffnung der Angebote eine ausführliche Bewertungsmatrix mit detaillierten Unterkriterien, Wertungspunkten und genauer Gewichtung. Diese wurde den Bietern nicht mitgeteilt.

In ihrem Angebot benannte die Antragstellerin im Schmalbandbereich die ... als Nachunternehmerin. ... wiederum benannte die Antragstellerin im Breitbandbereich als Subunternehmerin. Dies nahm die Antragsgegnerin zunächst zum Anlass, beide Unternehmen wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb auszuschließen, auf Rüge machte sie den Entschluss jedoch wieder rückgängig.

Nach Präsentation und Nachbesserung ihrer Angebote sowie der Bewertung aufgrund der detaillierten Bewertungsmatrix wurde zunächst ... mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, mit ihr weitere Verhandlungen zu führen.

Mit den verbleibenden drei Bewerbern, u.a. der Antragstellerin und der Beigeladenen, wurden sodann "technische Workshops" durchgeführt. Nach weiteren Nachbesserungen ihres Angebots teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2007 der Antragstellerin mit, sie sei nicht der wirtschaftlich günstigste Bieter; dies rügte die Antragstellerin. Mit Schreiben vom 15. November 2007 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen; auch insoweit wurden Rügen erhoben.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin u.a. beanstandet, die mitgeteilten Wertungskriterien seien viel zu allgemein, als dass mit ihrer Hilfe einigermaßen zuverlässig das wirtschaftlichste Angebot hätte ermittelt werden können. Den Bietern hätte auch die detaillierte Wertungsmatrix bekannt gegeben werden müssen.

Ihr Angebot dürfe auch nicht wegen Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb durch Gespräche mit ... ausgeschlossen werden. Die gegenseitige Benennung als Nachunternehmer für jeweils andere Bereiche sei unschädlich.

Die Antragstellerin hat daher beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Verhandungsverfahren in der EU-Ausschreibung 2006/S 226-242735 betreffend die Bereitstellung von nationalen und internationalen WAN-Verbindungen sowie Verbindungen über die Einwahl in einem On-Demand-Bereich zum Transport von Daten für die DB Systems als IT-Dienstleister der DB AB in den Stand nach Abgabe nachgebesserter Angebote vom 27.07.2007 zurückzuversetzen und ab diesem Zeitpunkt auch sie, die Antragstellerin, in Verhandlungen einzubeziehen;

2. hilfsweise, das Verhandlungsverfahren aufzuheben.

Antragsgegnerin und Beigeladene haben beantragt,

den Nachprüfungsantrag zu verwerfen oder zurückzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, das Angebot der Antragstellerin sei wegen Verletzung des Wettbewerbsgrundsatzes auszuschließen. Die Angebote der Antragstellerin und der ... hätten wegen der Schnittpunkte der jeweiligen Nachunternehmeraufträge und ihres erheblichen Umfangs Absprachen zwischen ihnen notwendig gemacht. Durch die wechselseitige Beteiligung als Nachunternehmer und Bieter hätten die Antragstellerin und ... umfangreiche Kenntnisse der vom Wettbewerber angebotenen Leistungen erlangt.

Die detaillierte Bewertungsmatrix habe den Bietern nicht bekannt gemacht werden müssen.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin verworfen. Sei sei nicht antragsbefugt, denn sie habe durch die gegenseitige Einsetzung als Nachunternehmer in jeweils anderen Bereichen durch Gespräche mit der ... gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs verstoßen. Dass die detaillierte Bewertungsmatrix habe bekannt gemacht werden müssen, ändere daran nichts; denn bei einer Bekanntmachung hätte die Antragstellerin ihr Angebot nur in gewissen Punkten, nicht aber in den Grundzügen ändern können.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Sie legt näher dar, weshalb ihrer Auffassung nach aus der gegenseitigen Einsetzung als Nachunternehmer in ihrem sowie dem Angebot der ... kein Verstoß gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs zu erblicken sei. Zudem könne die Antragstellerin bei einer - vergaberechtlich gebotenen - Bekanntgabe der detaillierten Bewertungsmatrix ein auch nach Auffassung der Antragsgegnerin nicht zu beanstandendes neues Angebot abgeben. Sie beantragt daher, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses nach ihren Anträgen vor der Vergabekammer zu erkennen.

Antragsgegnerin und Beigeladene beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss unter Hinweis insbesondere auf den Umfang, in dem sich die Antragstellerin und ... wechselseitig als Nachunternehmer eingesetzt haben.

Dieser Mangel könne auch bei einer Nachholung der Bekanntgabe der detaillierten Bewertungsmatrix nicht mehr geheilt werden, sondern dauere fort.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses sowie die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten verwiesen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 18. Februar 2008 Erfolg. Im Hinblick auf die Einwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist auf Folgendes hinzuweisen:

1.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin war es vergabefehlerhaft, die von ihr entwickelte detaillierte Bewertungsmatrix nicht den Bietern bekannt zu geben. Aus der vom Senat zitierten Rechtsprechung (zuletzt EuGH vom 14.02.2008 - C-532/06) ergibt sich, dass der Auftraggeber Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten u.a. dann bekannt zu geben hat, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die Bieter in Kenntnis der detaillierten Bewertungsmatrix andere Angebote abgegeben hätten. So liegt der Fall hier; hätten die Bieter, u.a. die Antragstellerin, gewusst, worauf es der Antragsgegnerin insbesondere ankam, hätten sie möglicherweise ein den Bedürfnissen der Antragsgegnerin noch besser entsprechendes Angebot abgegeben.

2.

Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Antragstellerin aufgrund ihrer Absprache mit ... über eine gegenseitige Benennung als Nachunternehmer für bestimmte Bereiche gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs verstoßen hat. Der Senat weist in diesem Zusammenhang lediglich darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 13.04.2006 - VII-Verg 10/06) Bieter und Nachunternehmer, die ihrerseits als Bieter auftreten, dann nicht ausgeschlossen werden können, wenn beiden Bietern - dem jeweils anderen Bieter in ihrer Ausgestaltung unbekannt bleibende - nennenswerte Gestaltungsfreiräume bei der Kalkulation des jeweils eigenen Angebots verbleiben; hier wäre - neben den individuellen Gewinnaufschlägen jedes Bieters - insbesondere zu fragen, inwieweit dem jeweiligen Bieter Spielräume verblieben, seine originär eigene Leistung in dem Angebot gegenüber der Vergabestelle anders auszugestalten als im Nachunternehmerangebot gegenüber dem anderen Bieter.

Näherer Ausführungen zu diesem Punkt bedarf es aber nicht. Wie der Senat nämlich bereits in seinem Beschluss vom 18. Februar 2008 ausgeführt hat, steht der Antragstellerin nämlich im Hinblick auf den unter 1. angesprochenen Vergaberechtsfehler und die sich - bei Fortdauer des Beschaffungsbedarfs der Antragsgegnerin - daraus ergebende Notwendigkeit, das Vergabeverfahren jedenfalls mit der Zusendung der Aufforderungsschreiben an die potentiellen Bieter zu wiederholen, eine zweite Chance zur Angebotsabgabe und Zuschlagserlangung zu. Bei einem derartigen Verfahren hätte die Antragstellerin die Möglichkeit, ein neues Angebot einzureichen, welches nicht die - hier unterstellten - Mängel des früheren Angebotes aufwiese. Das gilt auch dann, wenn auch ... wieder zu beteiligen wäre. So könnten die Antragstellerin und ... z.B. auf eine gegenseitige Benennung als Nachunternehmer vollständig verzichten oder den Nachunternehmeranteil auf ein auch von der Antragsgegnerin als unschädlich angesehenes Maß beschränken.

Wie der Senat im Beschluss vom 18. Februar 2008 ausgeführt hat, wäre eine zweite Chance der Antragstellerin nur dann abzulehnen, wenn eine schwere Verfehlung im Sinne des § 7 Nr. 5 lit. c) VOL/A bzw. § 5 Nr. 2 lit. c) VOL/A-SKR vorläge. Derartiges vermag der Senat jedoch auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin und der Beigeladenen nicht anzunehmen.

Eine schwere Verfehlung im Sinne der genannten Vorschriften muss bei wertender Betrachtung vom Gewicht her den zwingenden Ausschlussgründen des § 7a Nr. 2 Abs. 1, § 7b Nr. 1 Abs. 3 VOL/A bzw. § 5 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A-SKR zumindest nahe kommen (so auch Hausmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 7 Rdnrn. 225 ff.). Das kann bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs der Fall sein, insbesondere bei Preisabsprachen oder sonst weitgehender, den Kernbereich des Angebots oder zugehöriger Kalkulationsgrundlagen betreffender Offenlegung von Angeboten. Solches kann hier entgegen der Auffassung von Antragsgegnerin und Beigeladener aber nicht festgestellt werden.

Zwar waren zwischen der Antragstellerin und ... Absprachen mit durchaus gewichtigem Inhalt notwendig. Die von der Antragsgegnerin ausgeschriebenen Leistungen waren technisch komplex. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene betonen zutreffend, dass deswegen die Schnittstellen der jeweils eigenen Leistungen zwischen der Antragstellerin und ... erörtert werden und die jeweils eigenen Bereiche zu dem vom anderen zu erbringenden Bereich technisch kompatibel sein mussten. Das mochte dem jeweils anderen verborgen bleibende technische Lösungen, die die Antragstellerin bzw. ... nur in ihrem Hauptangebot, nicht aber in ihrem Angebot als Nachunternehmer, anbieten wollte, erschweren, schloss eigenständige und geheim bleibende Lösungen aber nicht aus, wie die Darstellung der Antragstellerin zu den technischen Abweichungen ihres Hauptangebots von dem der ... - soweit ihr bekannt - zeigt, wobei diese allerdings in der Bedeutung umstritten sind. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Unterschiede zwischen den Angeboten immerhin derart gravierend waren, dass das Angebot der Antragstellerin von der Antragsgegnerin noch zu einem Zeitpunkt näher bewertet wurde, als das Angebot der ... - jedenfalls vorläufig - bereits ausgeschieden war und diese an den Verhandlungen nicht mehr beteiligt wurde.

Jedenfalls ist aus diesen Gegebenheiten nicht die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass der Antragstellerin und ... die vom jeweils anderen im Hauptangebot genannten Preise bekannt oder diese gar unter ihnen abgesprochen waren; einen derartigen Nachweis halten auch die Antragsgegnerin und die Beigeladene nicht für möglich. Aber auch eine Absprache derart, wie sie im Senatstermin vom 12. März 2008 geltend gemacht worden ist, nämlich dass Antragstellerin und ... sich vorab gegenseitig versprochen haben sollen, Hauptangebote nur abzugeben, wenn der jeweils andere als Nachunternehmer benannt werde, lassen sich nicht nachweisen. Zwar bestehen auch nach der Darstellung der Antragstellerin Geschäftskontakte zwischen ihr und ..., die über gelegentliche Geschäfte hinausgehen. Es gibt aber keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin und ... sich jeweils Exklusivlieferungsrechte eingeräumt haben. Die E-Mail vom 02. Februar 2007 (Anlage CBH 1) belegt zwar enge Kontakte zwischen der Antragstellerin und ... wegen des hier in Rede stehenden Auftrages, die - wie bereits dargelegt - aus technischen Gründen aber notwendig waren und auf keine Absprache der geltend gemachten Art schließen lassen. Dafür gibt die Indizienlage nicht genug her.

In dem Verhalten der Antragstellerin und von ... ist ebenso wenig eine Straftat zu erblicken. Dass eines der Angebote nur ein Scheinangebot war, lässt sich nicht belegen. Eine wettbewerbsbeschränkende Absprache nach § 298 StGB liegt in dieser Fallkonstellation nicht vor, weil es jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal "Absprache, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen" fehlt. An der Absprache waren nur die Antragstellerin und ... eingebunden, für deren herausgehobene Marktstellung nichts ersichtlich ist. Es gab marktstarke andere potentielle Bieter wie z.B. die Beigeladene, die ihr Angebot - völlig unbeeinflusst von der Antragstellerin und ... - abgeben konnten. Wie die Antragsgegnerin selbst mitteilt, bestand die Möglichkeit, dass British Telecom an der Ausschreibung teilnahm. Von daher war eine Absprache ersichtlich von vornherein ungeeignet, die Antragsgegnerin gerade zur Annahme des Angebots der Antragstellerin oder der ... zu bewegen.

Bei der Bewertung ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nicht verhindern konnte, dass auch ... sich im Teilnahmewettbewerb bewarb und ein Angebot einreichte. Wenn die Antragsgegnerin darauf verweist, die Antragstellerin und ... hätten von vornherein vereinbaren können, dass nur einer von ihnen sich um den Auftrag bemühen werde, so hätte dies zu einer kartellrechtswidrigen Verengung des Wettbewerbs geführt, es sei denn, sie hätten ohne Verletzung der Grundsätze über den Geheimwettbewerb als Bieter nicht auftreten können.

Eine "Heilung" eines möglichen Verstoßes gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs schließen die besonderen Regelungen eines Verhandlungsverfahrens nach vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb nicht aus. Zwar erfolgt die Prüfung auf Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit dabei vor Abgabe des Angebots (vgl. § 7b VOL/A - Abschnitt 3; § 5 VOL/A-SKR), so dass nicht fachkundige, nicht leistungsfähige oder unzuverlässige Teilnehmer von vornherein von der Abgabe eines Angebots ausgeschlossen werden. Selbst wenn die Antragsgegnerin nicht auch diesen Verfahrensteil wiederholen sollte - wozu der festgestellte Vergaberechtsverstoß sie nicht zwingt (vgl. auch 4.) -, muss die Antragstellerin sich jedoch nicht so behandeln lassen, als wäre sie bereits zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen worden. Selbst wenn die Antragstellerin und ... damals schon Gespräche über eine gegenseitige Einsetzung als Nachunternehmer für bestimmte Bereiche geführt haben sollten, war nicht von vornherein absehbar, dass die gegenseitige Kenntnis von der Kostenkalkulation der jeweils anderen Seite den für die Gewährleistung eines Geheimwettbewerbs zulässigen Umfang (möglicherweise) überschreiten würde. Aus diesem Grunde kann der Antragstellerin auch die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB nicht abgesprochen werden.

3.

Ob das Angebot der Antragstellerin teilweise von der Leistungsbeschreibung abweicht, wie die Antragsgegnerin vor der Vergabekammer geltend gemacht hat, kann offen bleiben, da dies sich infolge der zu treffenden Anordnungen (vgl. 4.) nicht auswirkt.

4.

Der im Unterbleiben einer Bekanntgabe der Wertungsmatrix liegende Vergaberechtsverstoß kann - bei fortdauerndem Beschaffungsbedarf der Antragsgegnerin - nur dadurch beseitigt werden, dass das Vergabeverfahren jedenfalls in den Zustand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurückversetzt wird, in dem u.a. die Zuschlagskriterien vollständig zu nennen sind (§ 9b Nr. 1 lit. f), § 25b Nr. 1 Abs. 2 VOL/A - Abschnitt 3, § 11 Nr. 1 Abs. 2, § 7 Nr. 2 Abs. 2 lit. i) VOL/A-SKR). Nur so wird es den Bietern ermöglicht, neue, auf die Zuschlagskriterien abgestimmte Angebote einzureichen.

An dieser Anordnung ist der Senat nicht aus prozessualen Gründen gehindert. Zwar richtet sich der Hauptantrag der Antragstellerin allein auf die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Wertung der am 27. Juli 2007 abgegebenen Angebote. Dies reicht nach dem Gesagten aber nicht aus, um den Vergabefehler, nämlich die Nichtbekanntmachung der detaillierten Bewertungsmatrix, rückgängig zu machen. Der Senat ist an den Antrag der Antragstellerin nicht gebunden, sondern kann in entsprechender Anwendung des § 114 Abs. 1 GWB von Amts wegen die zur Beseitigung der Rechtsverletzung notwendigen Maßnahmen anordnen (vgl. Senat NZBau 2007, 530 = VergabeR 2007, 634 - Flughafen Ahlhorn). In diesem Sinn ist eine Zuschlagserteilung davon abhängig zu machen, dass die Antragsgegnerin den Bietern die Bewertungsmatrix bekannt und ihnen Gelegenheit gibt, ihre Angebote zu erneuern. Dies ist im Übrigen auch von dem auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten (unechten) Hilfsantrag der Antragstellerin gedeckt.

5.

Die Nebenentscheidungen beruhen, was das Verfahren vor der Vergabekammer betrifft, auf § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB. Die Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligen, weil sie sich - wie bereits die Vergabekammer insoweit zutreffend ausgeführt hat - als Gegnerin der Antragstellerin an dem Verfahren beteiligt hat (vgl. BGH NZBau 2006, 800).

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beschwerde beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO analog.

Der Beschwerdewert wird gemäß § 50 Abs. 2 GWB auf 4,7 Mio. Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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