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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.02.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 2/08 (1)
Rechtsgebiete: BGB, GWB, VgV, VOL/A, VOL/A-SKR


Vorschriften:

BGB § 118 Abs. 1 S. 2
BGB § 118 Abs. 2
GWB § 98 Nr. 2
GWB § 98 Nr. 4
GWB § 107 Abs. 3
GWB § 107 Abs. 3 S. 1
VgV § 7 Abs. 1
VgV § 7 Abs. 2
VOL/A § 7 Abs. 5 lit. c
VOL/A § 7b Nr. 1 Abs. 3
VOL/A § 11 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 25b Nr. 1 Abs. 2
VOL/A-SKR § 5 Nr. 1 Abs. 3
VOL/A-SKR § 5 Nr. 2 lit. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 21. Dezember 2007 (VK 3 -142/07) wird bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel verlängert.

Gründe:

Der Senat hat gemäß § 118 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BGB die Verlängerung der aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin anzuordnen, denn ihr Rechtsmittel hat voraussichtlich Erfolg.

1.

Im Ansatzpunkt zu Recht weist die Vergabekammer zutreffend darauf hin, dass die der Bewertung der Angebote zugrunde liegende ausführliche Bewertungsmatrix mit - gegenüber der Vergabebekanntmachung - detaillierten Unterkriterien, zu vergebenden Wertungspunkten und genauer Gewichtung der Wertungskriterien potentiellen Bietern hätte so rechtzeitig bekannt gemacht werden müssen, dass sie sich bei der Erstellung ihres Angebots hätten darauf einstellen können.

Dabei kann offen bleiben, ob die Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB oder - gegebenenfalls auch - im Sinne des § 98 Nr. 4 GWB anzusehen ist, in welchem Verhältnis diese Vorschriften zueinander stehen und ob sie bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nach § 7 Abs. 1 (i.V.m. § 8 Nr. 4 lit. c) VgV dem 3. Abschnitt der VOL/A oder nach § 7 Abs. 2 VgV dem 4. Abschnitt der VOL/A unterliegt (vgl. Entscheidungen der Vergabekammern des Bundes vom 21.01.2004 [VK 2-126/03] und vom 11.03.2004 [VK 1-151/03]; Haug/Immoor, VergabeR 2004, 308; Hertwig, NZBau 2003, 545; Kulartz/Kus/Protz, GWB-VergabeR, § 98 Rdnrn. 204 ff; Immenga/Mestmäcker, Kartellrecht, 4. Aufl., § 98 Rdnr. 118; Weyand, Praxiskommentar, § 98 GWB Rdnr. 560/561; Otting, in Bechtold, GWB, 4. Aufl., § 98 Rdnrn. 29, 43/44).

In jedem Falle war die Antragsgegnerin entweder nach § 25b Nr. 1 Abs. 2 VOL/A oder nach § 11 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A-SKR verpflichtet, die Wertungskriterien spätestens in den Verdingungsunterlagen bekannt zu geben. Wie der Senat mehrfach zu dem wortgleichen § 25a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A entschieden hat (vgl. Beschlüsse des Senats vom 05.09.2007 - VII-Verg 19/07, 14.11.2007 - VII-Verg 23/07, 23.01.2008 - VII-Verg 31/07; s. auch EuGH, Urteil vom 24.01.2008 - C-532/06 zur Richtlnie 92/50/EWG), gilt dies auch dann, wenn die Vergabestelle zu bereits bekannt gemachten Wertungskriterien Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten entwickelt.

Die Bekanntgabe ist nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin hatte den potentiellen Bietern nur allgemein gehaltene Zuschlagskriterien ("Technik 40 % bis 50 %; Service 15 % bis 20 %; Komm. Rahmenbedingungen 30 % bis 40 %; Projektdurchführung 5 %) bekannt gegeben, während die ausführliche Bewertungsmatrix ein Internum blieb.

Soweit die Antragsgegnerin meint, die Antragstellerin sei insoweit ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB nicht nachgekommen, trifft dies nicht zu. Die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB entsteht erst, wenn dem Bieter der Vergaberechtsverstoß sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht - wenn auch nur laienhaft - bekannt geworden ist. Welche Folgerungen insbesondere aus den Urteilen des EuGH vom 12. Dezember 2002 (C-470/99) und insbesondere vom 24. November 2005 (C-331/04) zu ziehen waren, war lange Zeit unklar. Der Senat selbst ist mit dem Thema erst verstärkt in der zweiten Jahreshälfte 2007 befasst gewesen. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragstellerin das Problem der fehlenden rechtzeitigen Bekanntgabe der detaillierten Wertungsmatrix vor ihrer Rüge bekannt geworden ist.

2.

Entgegen der Auffassung der Vergabekammer führt dies dazu, dass der Antragstellerin jedenfalls eine zweite Chance zusteht (BGH NZBau 2006, 800) und sie dabei einen etwaigen Mangel ihres Angebots vermeiden könnte; dass sie mit ihrem jetzigen Angebot möglicherweise gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs verstoßen hat, schließt eine zweite Chance nicht aus (so auch schon Beschluss des Senats vom 14. November 2007, VII-Verg 23/07). Der Mangel ist in diesem Falle weder "unheilbar" noch führte er zwangsweise zu einem Ausschluss auch in einem erneuerten Verfahren.

Sollte die Antragsgegnerin nämlich ihr Vorhaben weiterverfolgen, wäre sie gehalten, die von ihr verwendeten Bewertungskriteren vollständig offen zu legen und den Bietern bekannt zu geben. In diesem Falle könnte die Antragstellerin - anders als die Vergabekammer meint - ein vollständig neues Angebot einreichen. Es bleibt ihr überlassen, ob und in welchem Umfange sie auf die nunmehr bekannt gegebenen Unterkriterien und Gewichtungskoeffizienten reagiert. Sie ist insbesondere nicht auf eine - mehr oder minder belanglose - Anpassung von Preisangaben beschränkt. Sie kann in ihrem erneuten Angebot auch die Weiterentwicklung des Marktes berücksichtigen. Schließlich ist sie auch nicht gehindert, die Einschaltung von A... als Subunternehmer auf ein auch nach Ansicht der Antragsgegnerin "ungefährliches" Maß zu beschränken oder - soweit die Antragstellerin sich nicht bereits in dem Verfahrensstadium vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe hinsichtlich der Eignung auf A... bezogen haben sollte - gar von einer Unterbeauftragung von A... vollständig absehen. Hinzu kommt, dass A... dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 27. Juni 2007 zufolge unter Berücksichtigung der detaillierten Bewertungsmatrix vom weiteren Verfahren ausgeschlossen worden ist, weil ihr Angebot nicht zu den wirtschaftlichsten gehörte, was sie - soweit ersichtlich - hingenommen hat; aus diesem Grunde braucht sie von der Antragsgegnerin auch im Folgenden nicht mehr berücksichtigt zu werden. Wenn die Antragsgegnerin der Auffassung sein sollte, dass das weitere Teilnehmerfeld nunmehr zu eng sei, bleibt es ihr unbenommen, unter Beachtung der Verfahrenstransparenz und der Gleichbehandlung der Bieter weitere Maßnahmen zu ergreifen.

Eine zweite Chance der Antragstellerin wäre nur dann zu verneinen, wenn ihr Angebot auch in einem erneuerten Verfahren auszuschließen wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Voraussetzungen des § 7b Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, § 5 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A-SKR liegen ersichtlich nicht vor. Eine schwere Verfehlung der Antragstellerin im Sinne des § 7 Abs. 5 lit. c) VOL/A bzw. § 5 Nr. 2 lit. c) VOL/A-SKR ist gleichfalls nicht gegeben. Eine schwere Verfehlung im Sinne dieser Vorschriften muss vom Gewicht her den zwingenden Ausschlussgründen des § 7b Nr. 1 Abs. 3 VOL/A bzw. § 5 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A-SKR zumindest nahekommen. Das kann auch bei schwerwiegenden Verstößen gegen die Grundsätze des Geheimwettbewerbs der Fall sein. Eine Absprache über die Preise zwischen der Antragstellerin und der A... lässt sich letztlich nicht nachweisen. Der Antragstellerin war zwar ihr eigenes Angebot sowie das von ihr der A... als Subunternehmerin unterbreitete Angebot bekannt. Der A... war umgekehrt ihr eigenes Angebot sowie das von ihr der Antragstellerin als Nachunternehmerin unterbreitete Angebot bekannt. Auch nahmen die jeweiligen Nachunternehmerleistungen in jedem Falle erhebliche Teile der Hauptangebote ein. Die jeweiligen Angebotsteile der Antragstellerin sowie der A... als Subunternehmer einerseits und als Hauptunternehmer mussten jedoch nicht übereinstimmen. Die Antragstellerin hat dementsprechend "ihren" Angebotsteil im Hauptangebot gegenüber dem Angebot als Subunternehmerin der A... technisch "aufgerüstet". Auch in den Preisen bestehen Unterschiede. Auch die Antragsgegnerin hat zwischen den beiden Angeboten derartige Unterschiede festgestellt, dass sie das Angebot der A... vorab ausgeschieden hat. Unter diesen Umständen lässt sich auch dann, wenn man berücksichtigt, dass im Hinblick auf die Schnittstellen und den technischen Abgleich nähere Gespräche notwendig waren, Absprachen über Preise nicht feststellen. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin in ihrem Angebot darauf hingewiesen hat, dass auf die A... bei den "festen Bandbreiten" zurückgegriffen werde. Es liegt damit nicht ein bewusst vor-getäuschter Wettbewerb vor, wie sie Gegenstand der Senatsentscheidung Ver-gabeR 2007, 229 war. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin und A... nicht verhindern konnten, dass beide als Bieter auftraten.

Unter diesen Umständen hat die Antragstellerin in einem teilweise erneuerten Verfahren eine "zweite Chance".

3.

Eine Kostenentscheidung ist in diesem Verfahrensstadium nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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