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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.07.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 21/06
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A


Vorschriften:

GWB § 101 Abs. 4
GWB § 115 Abs. 1
GWB § 117 Abs. 1
GWB § 118 Abs. 1 S. 2
GWB § 118 Abs. 1 S. 3
GWB § 124 Abs. 2
VOB/A § 3a Nr. 4a
VOB/A § 26 Nr. 1a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 5. April 2006 - VK VOB 6/2006 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB sowie die Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Aufwendungen trägt sie selbst.

Beschwerdewert: bis 105.000 €

Gründe:

I.

Der Antragsgegner schrieb für das Bauvorhaben "Universität zu K., Neubau Biowissenschaftliches Zentrum, 2. Bauabschnitt" das Gewerk Fernmelde- und Informationstechnische Anlagen zunächst im offenen Verfahren unter der Vergabe-Nr. 025-05-00578 aus. Die Antragstellerin bot in diesem Verfahren ihre Leistungen zum Preis von 2.069.574,81 € an und war damit die günstigste Bieterin. Der Antragsgegner hob das Vergabeverfahren gemäß § 26 Nr. 1a VOB/A unbeanstandet mit der Begründung auf, alle Angebote seien unvollständig. Über diese Entscheidung informierte er die Bieter mit Schreiben vom 03.01.2006, mit dem zugleich angekündigt wurde, dass nunmehr ein Verhandlungsverfahren nach öffentlicher Vergabebekanntmachung durchgeführt werden solle.

In der Vergabebekanntmachung vom 06.01.2006 wurde das Verfahren als "beschleunigtes Verhandlungsverfahren" bezeichnet. Mit Schreiben vom 24.01.2006 forderte der Antragsgegner die drei aussichtsreichsten Bieter aus dem aufgehobenen Verfahren auf, sich am Verfahren zu beteiligen und ein Angebot abzugeben.

In dem Schreiben heißt es:

"Nach der Aufhebung wird nun ein Verhandlungsverfahren nach VOB/A § 3a Nr. 4a durchgeführt. Sie haben die Gelegenheit, sich am Verfahren zu beteiligen und ein Angebot abzugeben. Grundlage dieses Verfahrens sind alle mit der oben genannten aufgehobenen Ausschreibung versandten Unterlagen und deren Inhalte ...

Ihr Angebot muss die Erklärung enthalten,

- ob Sie Ihr bisheriges Angebot aufrechterhalten

- welche Änderungen sich gegenüber diesem Angebot ergeben. ..."

Als Einreichungstermin war der 01.02.2006, 14.00 Uhr bestimmt. Alle drei von dem Antragsgegner aufgeforderten Firmen reichten fristgerecht überarbeitete Angebote ein, wobei sie die Preise gegenüber den vorangegangenen Angeboten in unterschiedlicher Höhe ermäßigten. Nach rechnerischer Prüfung lag die Antragstellerin auf dem zweiten Platz.

Mit Schreiben vom 07.02.2006 gab der Antragsgegner den unterlegenen Bietern bekannt, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten solle. Am 20.04.2006 wurde ihr der Auftrag erteilt.

Unter dem 14.02.2006 rügte die Antragstellerin die geplante Vergabe an die Beigeladene als verfahrensfehlerhaft. Der Antragsgegner habe sich vergaberechtswidrig verhalten, indem er der Beigeladenen den Zuschlag erteilt habe, ohne zuvor weitere Verhandlungen mit den Bietern durchgeführt zu haben. Ihren unter dem 20.02.2006 gestellten Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner sei berechtigt gewesen, das Verhandlungsverfahren unmittelbar durch Zuschlag auf das Angebot des wirtschaftlichen Bieters zu beenden, ohne vorher eine zusätzliche Verhandlungsrunde durchgeführt zu haben.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin.

Sie macht geltend, der öffentliche Auftraggeber sei gehalten, im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit den interessierten Bietern über den Leistungsumfang und die Vergütung zu verhandeln; anderenfalls führe er ein nicht offenes Verfahren durch. Die Beachtung des auch aus Art. 30 der Richtlinie 2004/18 EG folgenden Verhandlungserfordernisses sei für die Bieter von besonderer Bedeutung. Bei einem Verhandlungsverfahren richte sich ihr Interesse darauf, im Rahmen der nach der Abgabe des ersten Angebotes noch folgenden Verhandlungen weitere - bereits vorab einkalkulierte - Preisnachlässe anbieten zu können. Auch sie, die Antragstellerin, habe sich für die der von ihr erwarteten Verhandlungen einen weiteren Preisnachlass vorbehalten, der die Konditionen der Beigeladenen unterschritten hätte.

Die Antragstellerin beantragt,

1. unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner zu verpflichten, mit ihr in Verhandlungen zu treten und diese sodann im Rahmen des Vergabeverfahrens Nr. 025-06-00063 zu werten;

2. hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die streitgegenständliche Ausschreibung Nr. 025-06-00063 aufzuheben.

Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Beschluss und beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg, weil der von der Antragstellerin angebrachte Nachprüfungsantrag zwar zulässig, jedoch

unbegründet ist.

Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags scheitert nicht daran, dass der Antragsgegner und die Beigeladene am 20.04.2006 einen Vertrag über die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen geschlossen haben. Zwar kann die Vergabekammer in zulässiger Weise nicht mehr angerufen werden, sobald der Vertrag, an welchem ein Antragsteller Interesse zu haben behauptet, wirksam zustande gekommen ist, weil dann zuvor begangene Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen nicht mehr beseitigt werden können (BGHZ 146, 202, 206). Der Wirksamkeit des Vertragsschlusses steht aber das Zuschlagsverbot gemäß §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1, 118 Abs. 1 S. 2 GWB entgegen. Der Auftrag ist einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist, mithin während der Zeit erteilt worden, in der wegen der vom Gesetz angeordneten aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde das Zuschlagsverbot noch galt.

Die Antragstellerin ist weder durch die Wahl noch durch die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens in ihrem Recht auf Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen verletzt worden.

Der Antragsgegner hatte nach Aufhebung des Vergabeverfahrens ein Verhandlungsverfahren beschritten.

Verhandlungsverfahren sind gemäß § 101 Abs. 4 GWB Verfahren, bei denen sich der Auftraggeber mit oder ohne vorherige öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln und auf diesem Wege das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln.

Im Unterschied zum offenen bzw. nicht offenen Verfahren muss der Leistungsgegenstand nicht bereits in der Ausschreibung in allen Einzelheiten festgeschrieben sein, und es dürfen auch Angebote abgeändert werden. Verhandeln im Sinne des § 101 Abs. 4 GWB heißt mithin, dass Auftraggeber und potentieller Auftragnehmer Auftragsinhalt und Auftragsbedingungen solange besprechen, bis klar ist, was der Auftraggeber tatsächlich und konkret beschaffen will, zu welchen Konditionen der Auftragnehmer dies leistet und insbesondere zu welchem Preis geleistet wird (Kulartz in Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 101, Rdnr. 21).

Während das Verhandlungsverfahren strengen gesetzlichen Einleitungsvoraussetzungen unterworfen ist, gelten im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung nur wenige formale Anforderungen. Dennoch handelt es sich um ein "ordentliches" Vergabeverfahren (Werner in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl. 2005, § 101 GWB Rdnr. 641; Quilisch, NZ Bau 2003, 249 f.; Kulartz in Kulartz/Kus/Portz, aaO, § 101 GWB, Rdnr. 18), bei dem der Auftraggeber die wesentlichen Prinzipien des Vergaberechts, namentlich die Grundsätze des Wettbewerbs (§ 97 Abs. 1 GWB), der Transparenz (§ 97 Abs. 1 GWB) und der Gleichbehandlung (§ 97 Abs. 2 GWB) einzuhalten hat (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.06.2003 - Verg 15/03, Umdruck Bl. 8). So gebietet der Wettbewerbsgrundsatz, dass Verhandlungen grundsätzlich mit mehreren Bietern geführt werden. Der Auftraggeber ist zudem verpflichtet, die Bieter gleich zu behandeln. Er muss allen Bietern die selben Informationen zukommen lassen und ihnen die Chance geben, innerhalb gleicher Fristen und zu gleichen Anforderungen Angebote abzugeben (OLG Celle, Beschluss vom 16.01.2002, 13 Vergabe 1/02, VergabeR 2002, 299, 301).

Die Wahl des Verhandlungsverfahrens durch den Antragsgegner war zulässig, da die Einleitungsvoraussetzungen des § 3a Nr. 4a VOB/A vorlagen: Zu dem vorangegangenen offenen Verfahren waren keine annehmbaren Angebote abgegeben worden, so dass es aufgehoben worden war. Auch sind die ursprünglichen Verdingungsunterlagen nicht geändert worden.

Ein Verstoß des Antragsgegners gegen das Wettbewerbsprinzip oder das Gleichbehandlungsgebot, ist zu verneinen. Der Antragsgegner hat mehrere Unternehmen mit den selben Informationen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert und das Verhandlungsverfahren öffentlich bekannt gemacht. Er hat die Zuschlagsentscheidung getroffen, ohne mit einem Bieter in weitere Verhandlungen über die auf die Aufforderung hin unterbreiteten Angebote eingetreten zu sein.

Der Antragsgegner hat auch den weiteren rechtlichen Vorgaben, vor allem dem Transparenzgebot genügt.

Der Regelung des Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG, wonach der öffentliche Auftraggeber mit den Bietern über die von diesen unterbreiteten Angebote verhandelt, lässt sich (wie auch § 100 Abs. 4 GWB) entnehmen, dass das Verhandlungsverfahren in der Regel zweistufig ausgestaltet ist und sich nach der Sichtung und Wertung der Eingangsangebote (erste Stufe) zumindest eine Verhandlungsrunde (zweite Stufe) anschließen soll. Auf eine zweite und weitere Verhandlungsrunde besteht dagegen kein Anspruch.

Ob eine Abweichung von diesem Verfahrensablauf jedenfalls dann zulässig ist, wenn der Auftraggeber die Bieter darüber informiert, dass ein Zuschlag bereits nach der Wertung der Eingangsangebote ergehen soll bzw. er sich eine solche Verfahrensweise jedenfalls vorbehalten will, kann der Senat dahinstehen lassen.

Im Streitfall hat ein zweistufiges, eine erste Verhandlungsrunde einschließendes Verfahren nämlich stattgefunden.

In dem Aufforderungsschreiben vom 24. Januar 2006 sind die angeschriebenen Bieter ausdrücklich aufgefordert worden, im Verhandlungsverfahren zu erklären, ob sie ihr bisheriges Angebot aufrechterhalten und welche Änderungen sich gegenüber diesem Angebot ergeben. Da inhaltliche Änderungen an den ausgeschriebenen Leistungen nicht vorgenommen wurden und auch gar nicht zu Diskussion standen, hat der Antragsgegner dadurch zum Ausdruck gebracht, die Preisangaben der schon vorliegenden Angebote als "Eingangsangebote" zu dem unveränderten Leistungsinhalt zu bewerten und im Rahmen des Verhandlungsverfahrens mit den Anbietern nur noch über Preisänderungen zu verhandeln. Im Verhandlungsverfahren sollte an die unverändert gültige Leistungsbeschreibung des offenen Verfahrens und - materiell - an die zu diesem Verfahren abgegebenen Angebote angeknüpft werden.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin wurde damit nicht ein "Verhandlungsverfahren ohne Verhandlungen" oder ein verdecktes nicht offenes Verfahren durchgeführt, sondern das Verfahren sollte aus einer Verhandlungsrunde über den bekannten und angesichts des unveränderten Leistungsinhaltes nur noch verhandelbaren Preis der bisherigen Angebote bestehen.

Der öffentliche Aufraggeber kann die zum vorangegangenen offenen Verfahren eingegangen Angebote als die (ersten) zum nachfolgenden Verhandlungsverfahren eingereichten Angebote behandeln, sofern er den Bietern diese Absicht vor Abgabe eines im Verhandlungsverfahren anzubringenden und eine erste Verhandlungsrunde eröffnenden Angebots unzweideutig bekannt gibt. Dem Erfordernis der Transparenz ist in diesem Fall genügt. Das Verhandlungsverfahren kennt nicht die Formenstrenge des offenen Verfahrens (und auch noch des nicht offenen Verfahrens). Die Verfahrensgestaltung unterliegt keinen besonderen formalen Anforderungen, sondern ist im Wesentlichen nur den materiellen Prinzipien des Vergaberechts unterworfen. In diesen Grenzen kann der öffentliche Auftraggeber, der nach Aufhebung des vorangegangenen Vergabeverfahrens den unverändert fortbestehenden Leistungsbedarf in einem Verhandlungsverfahren decken will, frei entscheiden, ob er sich in diesem Verfahren die vervollständigten, preislich aber unveränderten Angebote formal nochmals unterbreiten lässt und erst in einem weiteren Verfahrensschritt über eventuelle Preisnachlässe verhandelt oder ob er auf diesen ersten Schritt im Interesse der Effizienz und Beschleunigung des Verfahrens verzichtet. Das Vergaberecht errichtet - wenn nur die Gebote des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz vom öffentlichen Auftraggeber beachtet werden - vor einer solcherart raschen und effizienten Auftragsvergabe keine verfahrensmäßigen Hürden. Auch Art. 30 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG verbietet nicht den materiellen Inhalt der Angebote aus dem aufgehobenen Verfahren im anschließenden Verhandlungsverfahren gelten zu lassen und sogleich über den Inhalt zu verhandeln.

Zwar weist die Antragstellerin im Schriftsatz vom 26. Juni 2006 im Ansatz zu Recht darauf hin, dass auch im Verhandlungsverfahren nur über gültige Angebote verhandelt werden darf. Dieser Anforderung ist der Antragsgegner aber nachgekommen. Die unvollständigen Angebote aus dem aufgehobenen Verfahren sollten indes nicht in formaler, sondern in materieller Hinsicht als Eingangsangebote im Verhandlungsverfahren die Grundlage weiterer Preisverhandlungen bei unverändertem Leistungsinhalt bilden. Zugleich sollten die Bieter die Angebote im Verhandlungsverfahren vervollständigen, so dass formal wertbare Angebote vorlagen. 40 Der Antragsgegner hat schließlich ebenso wenig gegen die aus dem Transparenzgebot folgenden Verpflichtungen verstoßen. Aus dem Transparenzgebot folgt, dass über die ursprünglich ausgeschriebene Leistung zu verhandeln ist und grundlegende Änderungen der Leistung unzulässig sind (vgl. Schütte, ZfBR 2004, Seite 237, 240). Eine weitere wesentliche Konsequenz des Transparenzgebotes ist die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, die in Frage kommenden Bieter über die Verfahrensgestaltung zu unterrichten und hiervon nicht überraschend oder willkürlich abzuweichen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.04.2001 - 11 Vergabe 1/01; Schütte, a.a.O., Seite 240).

Diesen Anforderungen hat der Antragsgegner entsprochen.

Dass auf der Grundlage der zum offenen Verfahren abgegebenen Angebote Gegenstand des Verhandlungsverfahrens nur noch eventuelle Preisänderungen sein sollten, eine erste Verhandlungsrunde durch Einreichen von Angeboten zum Verhandlungsverfahren eingeleitet werden sollte und auf weitere Verhandlungsrunden voraussichtlich verzichtet werden würde, ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Inhalt des der Angebotsaufforderung vom 24.01.2006 im Zusammenhang mit den weiteren der Antragstellerin bekannten Sachverhaltsumständen.

Die Erkennbarkeit für die Bieter folgte zunächst aus dem Wortlaut der Angebotsaufforderung, in der auf das "bisherige Angebot" Bezug genommen wurde, womit ersichtlich das Angebot aus dem vorangegangenen offenen Verfahren gemeint war. Einem als Maßstab der Auslegung zu nehmenden verständigen Bieter musste sich durch diese Formulierung aufdrängen, dass der Antragsgegner die Preisangaben der Vorangebote im Verhandlungsverfahren als Eingangsangebote und Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen werten wollte. Der Umstand, dass das Schreiben keinerlei Hinweis auf weitere Verhandlungsrunden, sondern nur auf den Einreichungstermin und die Zuschlagsfrist enthielt, deutete darauf hin, dass keine zusätzlichen Verhandlungsrunden vorgesehen waren.

Zudem ergab sich aus der Vergabebekanntmachung zum Verhandlungsverfahren, in der ausdrücklich auf die Dringlichkeit hingewiesen wurde, das Interesse des Antragsgegners an einer Beschleunigung der Auftragsvergabe. Vor dem zusätzlichen Hintergrund, dass der Leistungsinhalt unverändert geblieben war und nur noch im Hinblick auf den Preis ein Verhandlungsbedarf und -spielraum bestand, musste einem verständigen Bieter deutlich werden, jedenfalls aber musste er in seine Überlegungen einbeziehen, dass der Auftraggeber keine weiteren Verhandlungsrunden anstrebte, sondern möglichst rasch zum Zuschlag kommen und den Bietern lediglich eine einmalige Gelegenheit zur Änderung der Preisangaben des bisherigen Angebotes geben wollte. Wenn die Antragstellerin diese Gelegenheit nicht in dem ihr möglichen Umfang wahrnahm und sich weitere Verhandlungsrunden versprach, handelte sie auf eigenes Risiko.

Entgegen ihrer im Schriftsatz vom 26. Juni 2006 geäußerten Rechtsauffassung hatte die Antragstellerin keinen Anspruch auf einen "dynamischen Verhandlungsprozess" und auf eine weitere Verhandlungsrunde nach Ablauf der Angebotsfrist. Insoweit sieht sich der Senat wegen Divergenz zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Januar 2003 - 13 Verg 1/02 - gemäß § 124 Abs. 2 GWB zu keiner Vorlage an den Bundsgerichtshof veranlasst. Eine Vorlagepflicht besteht nur bei Abweichungen von einer in der Hauptsache ergangenen (und nicht nur vorläufigen) Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts (vgl. Jaeger in Byok/Jaeger, § 124, Rdnr. 1244). Bei der genannten Entscheidung handelt es sich um eine Entscheidung über die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB, die zu keiner Divergenzvorlage nötigt.

Darüber hinaus ergibt sich aus den Gründen der Entscheidung, dass das Oberlandesgericht Celle das Verhandlungsverfahren als Rahmen für einen möglichen dynamischen Verhandlungsprozess zwischen Auftraggeber und Bietern ansieht, nicht aber (entgegen der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung) Bietern einen Anspruch auf Durchführung eines umfassenden Verhandlungsprozesses mit mehreren Verhandlungsrunden und Stadien innerhalb eines Verhandlungsverfahrens zuerkennen will. Infolgedessen liegt in der Sache keine Abweichung vor.

Das weitere Vorbringen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 26.06.2006 gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO (analog), § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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