Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 22/07
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 100 Abs. 1
GWB § 107 Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 20. Juni 2007 (VK VOB 15/2007) wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 2000 € festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsgegnerin veröffentlichte am 04.05.2007 im Deutschen Ausschreibungsblatt national als öffentliche Ausschreibung nach VOB/A die Ausschreibung eines einheitlichen und modularen Beschilderungssystems im Bauvorhaben Herzzentrum der Kliniken der Universität zu Köln. Die Ausschreibungsunterlagen wurden den insgesamt 17 Interessenten am 10.05.2007 zur Verfügung gestellt, die Angebotsfrist endete am 23.05.2007.

Vier Unternehmen, darunter nicht die Antragstellerin, gaben ein Angebot ab. Auch das teuerste dieser Angebote lag deutlich unter 100.000 €.

Unter dem 22.05.2007 erhob die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin Einwendungen im Hinblick auf die Produktneutralität des Leistungsverzeichnisses.

In dem Schreiben heißt es u.a.:

"Diese öffentliche Ausschreibung ist ein Witz und muss zurückgezogen werden !! Wir legen hiermit ausdrücklich Beschwerde ein und machen darauf aufmerksam, dass wir im Falle einer Beauftragung an die Firma M... unseren Rechtsanwalt damit beauftragen werden, Klage gegen ihr Unternehmen einzureichen..."

Ein gleichlautendes Schreiben richtete die Antragstellerin am 29.05.2007 per Fax an die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln. Noch am selben Tag erkundigte sich der hauptamtliche Beisitzer der Vergabekammer, Herr S...., telefonisch bei dem Geschäftsführer der Antragstellerin J. K..., ob das Schreiben als Nachprüfungsantrag auszulegen sei.

Nach Beendigung des Telefonats, dessen weiterer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist, wurde das in Rede stehende Schreiben der Antragstellerin als Nachprüfungsantrag behandelt und als solcher der Antragsgegnerin zugestellt. Die Antragstellerin wurde mit Schreiben der Vergabekammer vom selben Tag darüber informiert, dass das Nachprüfungsverfahren durch Zustellung des Antrags eingeleitet worden sei. Im weiteren Verlauf des Nachprüfungsverfahrens übersandten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 08.06 und 12.06.2007 Schriftsätze an die Vergabekammer, die der Antragstellerin per Fax übermittelt wurden. Unter dem 12.06.2007 führte die Antragstellerin gegenüber der Vergabekammer schriftsätzlich u.a. aus, dass sie das "Schreiben erhalte habe und diesem in keinster Weise zustimme".

Durch Beschluss vom 20.06.2007 wies die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück. Zur Begründung stellte sie darauf ab, dass schon der Anwendungsbereich des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gemäß § 100 Abs. 1 GWB nicht eröffnet sei, weil der Auftragswert den Schwellenwert des § 2 Nr. 5 der Vergabeverordnung bei weitem nicht erreiche. Die Unzulässigkeit des Antrags folge zudem daraus, dass die Antragstellerin nicht antragsbefugt und ihre Rüge nicht mehr als unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB zu bewerten sei.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen die Behandlung der Eingabe vom 29.05.2007 als Nachprüfungsverfahren.

Die Antragstellerin behauptet, ihr Geschäftsführer J. K... habe gegenüber Herrn S.... klargestellt, dass er keinesfalls ein kostenpflichtiges Nachprüfungsverfahren wünsche, sondern es ihm lediglich um eine interne Überprüfung der Vorgänge bei der Vergabestelle gehe.

Sie beantragt,

die Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 20.06.2007, VK VOB 15/2007, aufzuheben.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Vergabekammer habe die Eingabe der Antragstellerin vom 29.05.2007 rechtlich ordnungsgemäß als Antrag auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gewertet und zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf die zu Informationszwecken beigezogene Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakte Bezug genommen.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat eine dienstliche Äußerung des hauptamtlichen Beisitzers der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln eingeholt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. September 2007 wurden die Geschäftsführer der Antragstellerin angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H....

II.

Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin ein förmliches Nachprüfungsverfahren einleiten wollte und hat den Nachprüfungsantrag zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.

Die schriftliche Eingabe der Antragstellerin vom 29.05.2007 war als Antrag auf Nachprüfung zu bewerten. Auch wenn die offensichtlich laienhafte Diktion des Schreibens Rückschlüsse auf die Unerfahrenheit des Verfassers mit der streitgegenständlichen Materie zuließ, zielte die Formulierung, man lege ausdrücklich Beschwerde ein, eindeutig auf eine förmliche Überprüfung ab. Auch mit dem in dem Schreiben unmissverständlich zum Ausdruck gebrachten Rechtsschutzbegehren ist ein anderes Verständnis nicht zu vereinbaren. Da die Antragstellerin explizit die Zurücknahme der Ausschreibung verlangte, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass es ihr lediglich um eine interne Überprüfung der Vorgänge ging oder sie nur auf Missstände im Rahmen der Ausschreibung aufmerksam machen wollte.

Durch das Telefonat zwischen dem Geschäftsführer der Antragstellerin, J. K..., und Herrn S.... ergaben sich ebenfalls keine Erkenntnisse, die der Vergabekammer Anlass gaben, nicht oder nicht mehr vom Vorliegen eines Nachprüfungsantrags auszugehen.

Nach dem Ergebnis der Sachaufklärung und der Beweisaufnahme steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin gegenüber Herrn S.... hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, die Antragstellerin habe keinen Nachprüfungsantrag stellen wollen bzw. nehme den in diesem Sinne verstandenen Antrag vom 29.05.2007 jedenfalls zurück.

Zwar hat Herr J. K... im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ausgeführt, er habe gegenüber Herrn S.... deutlich gemacht, dass er keine kostenpflichtige gerichtliche, sondern eine interne kostenfreie Überprüfung wünsche. Er sei damals davon ausgegangen und habe dies auch zum Ausdruck gebracht, dass eine Überprüfung in einem gerichtlichen Verfahren unter Hinzuziehung von Anwälten kostenpflichtig sei, das Verfahren vor der Vergabekammer aber eine verwaltungsinterne Prüfung darstelle, für die Kosten nicht entstünden. Herr S.... habe dieses zur Kenntnis genommen und den Eindruck vermittelt, dass seinem Wunsch nach einer kostenneutralen internen, d.h. nicht gerichtlichen Überprüfung entsprochen werden könne. Auch der weitere Geschäftsführer der Antragstellerin und der Zeuge H... haben bekundet, dass Herr K... in dem in Rede stehenden Telefonat betont habe, dass vor der Vergabekammer keine Kosten entstehen sollten, sondern die Antragstellerin zur Übernahme von Kosten nur für ein gerichtliches Verfahren bereit sei, dieses aber - noch - nicht anstrengen wolle.

Hätte Herr K... sich in diesem Sinne geäußert, läge darin jedoch keine eindeutige und unmissverständliche Erklärung des Inhalts, den Antrag vom 29.05.2007 nicht oder nicht mehr als Nachprüfungsantrag behandelt sehen zu wollen. Die ausdrückliche oder sinngemäße Erklärung, es bestehe keine Bereitschaft für ein internes Verfahren vor der Vergabekammer Kosten zu übernehmen, sondern Kosten nur im Falle einer gerichtlichen Überprüfung akzeptieren zu wollen, bezieht sich auf zwei in dieser Form nicht existierende verfahrensrechtliche Vorgehensweisen. Die Antragstellerin konnte sich nicht für ein "internes, kostenfreies" Verfahren vor der Vergabekammer in Abgrenzung zu einem kostenpflichtigen Gerichtsverfahren entscheiden, da eine solche Verfahrensweise schlicht nicht vorgesehen ist.

Soweit der Geschäftsführer der Antragstellerin zudem ausgeführt hat, Herr S.... habe dem nicht widersprochen, sondern sich ihm gegenüber jedenfalls sinngemäß mit diesem Vorgehen einverstanden gezeigt, wird deutlich, dass die Schilderung des Gesprächsverlaufs insgesamt nicht plausibel ist.

Bei Herrn S.... handelt es sich um ein hauptamtliches und langjähriges Mitglied der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln. Angesichts der mit dieser Position nahezu notwendig verbundenen verfahrensrechtlichen Kenntnisse und Erfahrungen erscheint es ausgeschlossen, dass Herr S.... den Geschäftsführer der Antragstellerin, den er zwecks Aufklärung der mit dem Schreiben vom 29.05.2007 verbundenen Absichten angerufen hatte, nicht über die tatsächlich bestehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten aufgeklärt hat. Es besteht kein Zweifel, dass Herrn S.... bewusst war, dass die Antragstellerin entweder ein förmliches, im Unterliegensfall kostenpflichtiges Verfahren vor der Vergabekammer oder eine behördeninterne dienstaufsichtsrechtliche Überprüfung einleiten konnte. Hätte Herr K... zu erkennen gegeben, dass er eine kostenfreie Überprüfung vor der Vergabekammer wünsche, wäre zu erwarten gewesen, dass Herr S.... für eine entsprechende Klarstellung gesorgt und darauf hingewiesen hätte, dass diese Möglichkeit nicht besteht. Nachvollziehbare Gründe, die ihn bewogen haben könnten, Herrn K... in dem Glauben zu lassen, nur eine gerichtliche Überprüfung wäre kostenpflichtig, sind nicht dargetan und nicht ersichtlich.

Vielmehr spricht die Lebenserfahrung für die Annahme, dass Herr K... infolge der von Herrn S.... in seiner dienstlichen Äußerung und auch von dem weiteren Geschäftsführer der Antragstellerin beschriebenen Erregung in seiner Wahrnehmungsfähigkeit eingeschränkt war und zutreffende Erläuterungen durch Herrn S.... nicht mehr vollständig aufgenommen hat.

Die Schilderung des Gesprächsverlaufs durch den Zeugen und die Geschäftsführer steht zudem in Widerspruch zu dem weiteren Inhalt der dienstlichen Äußerung Herrn S....s. Die darin enthaltenen Darlegungen sind nachvollziehbar und plausibel. Dieses gilt insbesondere im Hinblick auf den Hinweis, dass für die Vergabekammer keinerlei Grund und Anlass bestanden habe, das Nachprüfungsverfahren fortzusetzen, wenn Herr K... gegenüber Herrn S.... hinreichend deutlich erklärt hätte, genau dieses nicht zu wollen.

Auch der weitere Verfahrensverlauf lässt sich mit der Annahme, Herr K... habe nur eine behördeninterne Überprüfung, nicht dagegen ein Nachprüfungsverfahren anstrengen wollen, nicht in Übereinstimmung bringen. Hätte Herr K... - jedenfalls aus seiner Sicht - gegenüber Herrn S.... die Einleitung eines förmlichen Verfahrens abgelehnt, so ist nicht nachvollziehbar, dass die Mitteilung der Vergabekammer vom 29.05.2007, das Nachprüfungsverfahren sei durch die Zustellung des Antrags an die Antragsgegnerin eingeleitet worden, keinerlei Reaktionen der Antragstellerin hervorgerufen hat. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, sie habe sich in der Position einer Informantin gesehen, die über den weiteren Verfahrensgang in Kenntnis gesetzt werde, widerspricht diese Einschätzung eklatant der eindeutigen Formulierung in dem Schreiben der Vergabekammer. Jedenfalls ist nicht nachvollziehbar, wie sich die Übersendung anwaltlicher Schriftsätze der Antragsgegnerin, die ausdrücklich in einem Nachprüfungsverfahren erstellt worden sind, mit der Rolle eines Informanten, der die Sachaufklärung nur angestoßen hat, vereinbaren lässt. Dass die Antragstellerin untätig blieb, nachdem und obwohl ihr Schriftsätze zugestellt worden sind, in denen sie als Antragstellerin bezeichnet wird, lässt sich nicht damit erklären, dass sie an eine behördeninterne Überprüfung glaubte, zu der sie nur den Anlass gegeben hatte.

Ausweislich der voranstehenden Ausführungen ist die Vergabekammer zutreffend von einem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ausgegangen. Diesen hat sie zu Recht als unzulässig zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten sowie die Aufwendungen der Antragsgegnerin auferlegt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO. Das mit der sofortigen Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse richtet sich gegen die mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Kostenfolge. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren orientiert sich damit an der Höhe der in dem Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten und Aufwendungen.

Ende der Entscheidung

Zurück