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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.10.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 24/07
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB, ZPO


Vorschriften:

VOL/A § 7 a Nr. 3 Abs. 1 c)
VOL/A § 7 a Nr. 3 Abs. 2 a)
VOL/A § 25
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
VOL/A § 26 Nr. 1
VOL/A § 26 Nr. 1 a)
VOL/A § 26 Nr. 1 c)
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 107 Abs. 3
GWB § 114
GWB § 114 Abs. 1 Satz 1
GWB § 128 Abs. 3
GWB § 128 Abs. 4
ZPO § 538
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 28. Juni 2007, VK 10/07, aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Aufhebung der Ausschreibung die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt. Im Übrigen werden der Nachprüfungsantrag und die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin je zur Hälfte zu tragen. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils selbst zu tragen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 60.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin führte seit dem 5. November 2004 den Schülerspezialverkehr im Auftrag der Antragsgegnerin durch. Sie übernahm das Unternehmen D... R. 2000 und deren Beförderungsverträge mit der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin schrieb die in ihrem Gemeindegebiet zu erbringenden Beförderungsleistungen im Schülerspezialverkehr in einem offenen Verfahren europaweit aus. Der Auftrag sollte in der Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Dezember 2012 ausgeführt werden. Den Auftragswert schätzte die Antragsgegnerin auf ca. 1,2 Mio. €. Zuschlagskriterium war nach der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen der niedrigste Preis.

Unter den eingehenden vier Angeboten befand sich auch das Angebot der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin schloss sämtliche Angebote (darunter auch das Angebot der Antragstellerin) von der Wertung aus. Ausweislich des Vergabevermerkes vom 20. März 2007 nahm die Antragsgegnerin in Bezug auf das Angebot der Antragstellerin an, es fehle in der Liste der Referenzen die in der Vergabebekanntmachung geforderte Angabe der Auftragswerte. Mit Schreiben vom 29. März 2007 teilte sie der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werde. Sie wies ferner darauf hin, dass die Antragstellerin auch nicht das wirtschaftlich günstigste Angebot (mit dem niedrigsten Preis) abgegeben habe. Sie teilte ferner der Antragstellerin mit, dass die Ausschreibung des Schülerspezialverkehrs für die Stadt Isselburg gemäß § 26 Nr. 1 a) VOL/A aufgehoben werde, da kein Angebot eingegangen sei, das den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Anfang April 2007 rügte die Antragstellerin im Beisein ihres Ehemannes gegenüber dem Bürgermeister der Antragsgegnerin den vergaberechtswidrigen Ausschluss ihres Angebotes wegen Unvollständigkeit.

Mit dem Nachprüfungsantrag begehrte die Antragstellerin zunächst die Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung und eine Neuwertung ihres eigenen Angebotes. Hilfsweise begehrte sie die Feststellung, dass sie, die Antragstellerin, durch die Aufhebung der Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 a) VOL/A vom 28. März 2007 in ihren Rechten verletzt sei. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin wegen Unvollständigkeit sei zwar zu Unrecht erfolgt. Das Angebot sei weder hinsichtlich der Umsatzzahlen noch hinsichtlich der Referenzen und der Auftragswerte unvollständig gewesen. Mit Recht habe die Antragsgegnerin jedoch nach Vorlage der Kalkulation im Laufe des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens die Aufhebung der Ausschreibung darauf gestützt, dass die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlichen Ergebnis geführt habe. Das Angebot der Antragstellerin sei unwirtschaftlich, weil ihr Angebotspreis überhöht sei. Die Antragsgegnerin habe nach Prüfung der Kalkulation festgestellt, dass zum günstigsten Angebot eine Preisdifferenz in Höhe von 33,5 % bestehe. Die Spanne zum nächstgünstigsten Angebot liege bei ca. 13 %. Weiterhin weiche die nunmehr von der Antragstellerin geforderte Auftragssumme erheblich von der im Jahre 2006 an die Antragstellerin tatsächlich gezahlten Auftragssumme ab. Eine Steigerung des Preises um ca. 55 % im Vergleich zu den vorhergehend erbrachten Leistungen erscheine sachlich nicht nachvollziehbar. Gestiegene Personal- und Kraftfahrstoffkosten könnten die Erhöhung des Auftragswertes jedenfalls nicht ohne weiteres rechtfertigen. Eine Überprüfung der Angemessenheit des Angebotspreises anhand der Einzelpositionen in der Kalkulation habe zu der Feststellung geführt, dass es an mehreren Stellen der Kalkulation Unklarheiten gebe, die nicht ohne weiteres geklärt werden konnten. Die Aufhebung der Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 c) VOL/A durch die Antragsgegnerin, so wie sie im Vergabevermerk dokumentiert sei, sei gerechtfertigt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie in erster Linie die Aufhebung der Entscheidung der Vergabekammer sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, die Aufhebung des Vergabeverfahrens rückgängig zu machen und das Vergabeverfahren fortzusetzen.

Sie macht geltend, ihr Angebot sei zu Unrecht ausgeschlossen worden. Die Vergabekammer sei nicht berechtigt gewesen, im Verhandlungstermin vom 6. Juni 2007 der Vergabestelle eine Frist einzuräumen, um zu klären, ob ihr, der Antragstellerin, der Angebotspreis angemessen sei. Allein deshalb sei die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben. § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB erlaube der Vergabekammer keine prozeßleitende Verfügung, die im laufenden Nachprüfungsverfahren zu weiteren Wertungen führe. Die Vergabekammer habe ihre in § 114 GWB definierten Kompetenzen überschritten. Die Vergabekammer habe die Aufhebungsentscheidung vom 28. März 2007 aufheben müssen. Es wäre dann Sache der Vergabestelle gewesen, ordnungsgemäß in die weitere Wertung gemäß § 25 VOL/A einzutreten. Hilfsweise trägt die Antragstellerin vor, die Wertung der Vergabekammer zur Wirtschaftlichkeit ihres Angebotes sei unzutreffend. Es bestehe kein auffälliges Missverhältnis zwischen der angebotenen Leistung und dem verlangten Preis. Die Vergabestelle habe sich allein an den bislang an die Antragstellerin gezahlten Beträgen orientiert und einen allgemeinen Aufschlag als Haushaltsansatz vorgenommen, den sie nicht näher spezifiziert habe. Die Kalkulation der Beschwerdeführerin sei nachvollziehbar. Sie habe die gesunkene Anzahl der zu befördernden Schüler berücksichtigt, indem sie die benötigten Fahrzeuge in die Kalkulation mengenmäßig und nach dem Typ erfasst habe.

Die Antragstellerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,

die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben und das Vergabeverfahren fortzusetzen,

hilfsweise festzustellen,

dass sie, die Antragstellerin, infolge der Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den Beschluss der Vergabekammer. Sie macht geltend, die erst am 11. April 2007 erfolgte schriftliche Rüge sei verspätet. Die mündliche Rüge gegenüber dem Bürgermeister der Stadt Isselburg Anfang April 2007 genüge nicht den rechtlichen Anforderungen an eine Rüge. Die Vergabestelle müsse aus der Rüge erkennen können, dass der Bieter ein bestimmtes, näher zu bezeichnendes Verhalten als vergaberechtswidrig tadele und Abhilfe erwarte. Ihr Bürgermeister habe die Rüge als eine solche nicht verstanden. Darüber hinaus fehle der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie habe ihre, der Antragsgegnerin, Absicht, die Leistungen in einem neuen Verhandlungsverfahren auszuschreiben, nicht gerügt. Der Nachprüfungsantrag sei darüber hinaus auch unbegründet. Sie, die Antragsgegnerin, habe das Angebot der Antragstellerin mit Recht ausgeschlossen. Die Antragstellerin habe den Umsatz weder getrennt nach einzelnen Geschäftsjahren noch bezogen auf volle Geschäftsjahre angegeben. Die Angaben zu den Umsatzzahlen seien deshalb unvollständig. Sinn und Zweck der Regelung sei es, den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Bieters beurteilen zu können. Bei der Angabe einer Gesamtumsatzzahl je Auftraggeber sei eine Entwicklung des Geschäftsbetriebes, die mit den abgefragten Umsatzzahlen bezogen auf drei Geschäftsjahre sichtbar gemacht werden soll, nicht zu erkennen. Auch die Referenzen seien unvollständig. Die zu den Referenzen geforderten Angaben habe die Antragstellerin beim Gesamtumsatz gemacht. Der Umsatz bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre fehle völlig. Außerdem sei das Angebot ungewöhnlich hoch. Zum günstigsten Angebot bestehe eine Preisdifferenz von 33,5 %. Sei die Kalkulation weder vollständig noch nachzuvollziehen, so gehe dies allein zu Lasten des betreffenden Bieters. Der Auftraggeber sei zu einer Aufklärung nicht verpflichtet. Zudem sei auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens zu Recht erfolgt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Vergabeakten und die Akten der Vergabekammer lagen vor.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nur teilweise begründet. Der Beschluss der Vergabekammer vom 28. Juni 2007 ist aufzuheben. Auf den Hilfsantrag der Antragstellerin ist jedoch festzustellen, dass die Aufhebung der Ausschreibung sie, die Antragstellerin, in ihren Bieterrechten verletzt. Der Nachprüfungsantrag ist allerdings zurückzuweisen, soweit die Antragstellerin die Rückgängigmachung der Aufhebung vom 28. März 2007 und die Fortsetzung des Vergabeverfahrens begehrt. Der Antragstellerin steht kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung und Fortsetzung des Vergabeverfahrens zu, da dies im Ergebnis auf den Abschluss eines Vertrages über die Durchführung des Schülerspezialverkehrs mit der Antragsgegnerin hinaus laufen würde (Kontrahierungszwang).

1. Der Beschluss der Vergabekammer vom 28. Juni 2007 war nicht deshalb aufzuheben, weil die Vergabekammer nach Durchführung der mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden hat. Sowohl die Antragstellerin (mit Schriftsatz vom 22. Juni 2006) als auch die Antragsgegnerin haben im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2007 vor der Vergabekammer einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Selbst wenn eine Zustimmung der Antragstellerin zu dieser Verfahrensweise nicht vorgelegen haben sollte, führt dies nicht zu einer Aufhebung des Beschlusses und zu einer Zurückverweisung des Verfahrens an die Vergabekammer. In entsprechender Anwendung des § 538 ZPO ist dies nur der Fall, wenn die Durchführung einer Beweisaufnahme erforderlich ist. Im Übrigen ist der Vortrag der Antragsgegnerin zur Unwirtschaftlichkeit des Angebots der Antragstellerin zumindest im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.

2. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a. Die Antragstellerin hat - wie auch die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat - eine Verletzung in Bieterrechten durch Ausschluss ihres Angebots wegen vermeintlicher Unvollständigkeit gegenüber dem Bürgermeister als Vertreter der Antragsgegnerin unverzüglich gerügt. Es genügte zur Wahrung ihrer Rechte auf Nachprüfung eine mündliche Rüge. § 107 Abs. 3 GWB verlangt für die Rüge keine Schriftform. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt es nicht darauf an, ob der Bürgermeister die Äußerung der Antragstellerin als Rüge aufgefasst hat. Entscheidend ist, wie ein verständiger Antragsgegner in der Rolle des Bürgermeisters die Erklärung der Antragstellerin verstehen musste. Die Antragstellerin hat - wie außer Streit steht - seinerzeit in der Form gegen den Ausschluss ihres Angebots mündlich protestiert, dass sie darauf bestanden hat, die geforderten Unterlagen mit dem Angebot vollständig eingereicht zu haben. Dies konnte nur als Rüge des Angebotsausschlusses und der Aufhebung der Ausschreibung verstanden werden.

b. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt, § 107 Abs. 2 GWB. Sie hat ihr Interesse am Erhalt des Auftrags durch die Einreichung eines Angebots dokumentiert. Sie macht schlüssig eine Rechtsverletzung durch den Ausschluss ihres Angebots wegen (vermeintlich) unvollständiger Eignungsnachweise und die Aufhebung der Ausschreibung geltend. Dadurch droht ihr auch ein Schaden zu entstehen, denn ihr Angebot ist - nach Ausschluss der übrigen Angebote - das einzige noch in der Wertung verbliebene Angebot.

3. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet.

a. Das Angebot der Antragstellerin ist nicht wegen unvollständiger Eignungsnachweise von der Wertung auszuschließen. Deshalb berührt die mit Schreiben vom 29. März 2007 mitgeteilte Aufhebung der Ausschreibung sie in ihren Rechten (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2003, VergabeR 2003, 313 -"Jugendstrafanstalt").

Die mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise - die geforderten Eigenerklärungen zum Gesamtumsatz und die Erklärungen zum Auftragswert der Referenzen sind - so wie gefordert - abgegeben worden und nicht unvollständig.

aa) Erklärungen zum Gesamtumsatz:

Die Eigenerklärungen der Antragstellerin zu den Gesamtumsätzen der letzten drei Geschäftsjahre sind - so wie gefordert - vollständig. Diese Erklärungen waren von den Bietern mit dem Angebot vorzulegen, wie zwischen den Verfahrensbeteiligten unstreitig ist. Die Erklärungen der Antragstellerin waren ihrem Angebot beigefügt.

Nach § 7a Nr. 3 Abs. 1 d) VOL/A kann der öffentliche Auftraggeber eine Erklärung über den Gesamtumsatz des Unternehmens sowie den Umsatz bezüglich der besonderen Leistungsart, die Gegenstand der Vergabe ist, jeweils bezogen auf die letzten drei Geschäftsjahre verlangen.

In der Bekanntmachung unter III.2.1) "Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister" war gefordert:

Erklärung über den Umsatz der besonderen Leistungsarten, die Gegenstand der Vergabe sind, bezogen auf die letzten 3 Geschäftsjahre, alternativ im Bereich Personenbeförderung. Eigenerklärung!

Die Antragstellerin hat die Umsatzangaben für den Zeitraum November 2004 bis 2006 in einer Gesamtsumme zusammengefasst und angegeben. Zuzustimmen ist der Vergabekammer darin, dass sich aus dem Wortlaut der Anforderung in der Bekanntmachung nicht ergibt, dass die Umsatzangaben sich auf die jeweiligen Geschäftsjahre beziehen und auf diese aufgeteilt werden sollten. Ein verständiger Bieter durfte die Forderung der Antragsgegnerin zumindest auch auf den Gesamtzeitraum der letzten drei Geschäftsjahre beziehen. Soweit die Antragsgegnerin meint, aus der Angabe eines Gesamtumsatzbetrags für die letzten drei Geschäftsjahre lasse sich nicht die Geschäftsentwicklung des Unternehmens ablesen, dies sei aber der Sinn und Zweck der Forderung, mag dies zwar zutreffen. Zum Ausdruck gebracht hat die Antragsgegnerin dies nach dem Wortlaut ihrer Anforderung in der Bekanntmachung jedoch nicht. Die vorstehend wiedergegebene Forderung der Antragsgegnerin ließ nicht eindeutig erkennen, dass eine Aufteilung der Umsatzangaben auf die jeweiligen Geschäftsjahre verlangt war. Diesbezügliche Unklarheiten in der Bekanntmachung gehen nach der Rechtsprechung des Senats zu Lasten der Antragsgegnerin (vgl. Senat, Beschl. v. 13.7.2005, Verg 19/05, Umdruck S. 11).

Die Erklärung der Antragstellerin zu den Gesamtumsätzen sind auch nicht unvollständig, weil sie nur den Zeitraum November 2004 bis Dezember 2006 erfassen. Die Antragstellerin hat ihre Geschäftstätigkeit erst im November 2004 aufgenommen; sie konnte deshalb als sogenannte Newcomerin keine Angaben über ihren Umsatz in der Zeit von Januar bis Oktober 2004 machen. Art. 47 Abs. 1 c) der Richtlinie 2004/18/EG bestimmt für die Angabe der Gesamtumsätze insoweit ergänzend, dass die Angaben entsprechend dem Gründungsdatum oder aber dem Datum der Tätigkeitsaufnahme des Wirtschaftsteilnehmers gemacht werden sollen, sofern diese verfügbar sind. Die Richtlinienvorschrift ist so zu verstehen, dass sich die Umsatzangaben eines neu auf dem Markt auftretenden Unternehmens jedenfalls dann, wenn der öffentliche Auftraggeber nicht klar und eindeutig vorgibt, dass nur Wirtschaftsteilnehmer (Unternehmen) zu einer Angebotsabgabe zugelassen sein sollen, welche die geforderten Umsatzangaben für die jeweils genannten vollen Geschäftsjahre machen können (bezogen auf den Streitfall: mithin mindestens volle drei Jahre auf dem einschlägigen Markt bereits tätig sind), auf den Zeitraum des tatsächlichen Tätigseins auf dem betreffenden Markt beschränken können (vgl. insoweit auch Hausmann in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOL/A, § 7 a Rn. 72, Fn. 86). § 7 a Nr. 3 Abs. 1 c, VOL/A ist richtlinienkonform dahin auszulegen. Unabhängig davon muss die Forderung einer längerjährigen Betätigung der Bieterunternehmen auf dem Markt aus mit dem Gegenstand des Auftrags zusammenhängenden Gründen sachlich zumindest vertretbar zu rechtfertigen sein. Im Streitfall fehlt es indes schon an einer hinreichend klaren Angabe der Antragsgegnerin, dass Umsatzangaben für die vollen drei zurückliegenden Geschäftsjahre möglich sein und gemacht werden sollten. Diesbezügliche Unklarheiten in der Formulierung ihrer Anforderung gehen zu ihren Lasten.

bb) Erklärungen zum Auftragswert bei Referenzen:

Die bei Referenzaufträgen geforderten Angaben der Antragstellerin zum Auftragswert sind ebenso wenig unvollständig. Die Antragsgegnerin verlangte mit der Bekanntmachung unter III. 2.3) "Technische Leistungsfähigkeit" von den Bietern unter anderem:

Liste der Referenzen der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen im Bereich Schülerspezialverkehr mit Angabe des Auftragswertes, der Leistungszeit sowie Namen und Adresse der Auftraggeber im Bereich Personenbeförderung. Liste der Referenzen als Eigenerklärung!

Der Begriff "Auftragswert" ist ein Synonym für den Begriff "Rechnungswert", wie ihn § 7 a Nr. 3 Abs. 2 a) VOL/A verwendet. Aus Sicht eines verständigen Bieters waren mithin die Auftragswerte der Referenzaufträge zu nennen. Dass diese Angaben ausschließlich in einer vom Bieter zu erstellenden Liste der Referenzen erfolgen sollten und eine gesonderte Aufstellung der Auftragswerte nicht genügen sollte, ist der Anforderung nicht zu entnehmen.

Ausweislich des Angebotes der Antragstellerin hat diese in ihrer Referenzliste keine Angaben zum Auftragswert gemacht, sondern den jeweiligen Auftrag lediglich seinem Inhalt nach beschrieben. Dies genügte zwar nicht den Anforderungen, da die Angabe des Auftragswertes gefordert war. Gleichwohl ist das Angebot der Antragstellerin in der Sache nicht unvollständig. Zur Auslegung des Angebots ist auch die Antwort der Antragstellerin zu Nr. 2 heranzuziehen. Diese enthält neben der Angabe der Gesamtumsätze auch Einzelangaben zu den jeweiligen Auftragswerten, und zwar gegliedert nach den jeweils angegebenen Referenzaufträgen (s. unter Nr. 9 des Angebots). Aufgrund dessen lässt sich eine Zuordnung der Auftragswerte zu den Referenzaufträgen vornehmen.

Dass die Referenzaufträge und Auftragswerte sich nur auf den Zeitraum November 2004 bis Ende des Jahres 2006 bezogen, macht die Angaben der Antragstellerin zu den Referenzen nicht unvollständig. Die Antragsgegnerin hatte nicht ausdrücklich verlangt, dass Referenzaufträge und Auftragswerte von den Bietern zu nennen waren, die sich über den gesamten Zeitraum erstreckten. Diesbezügliche Unklarheiten der Vergabebekanntmachung (und im übrigen auch der Angebotsaufforderung) gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.

b) Die Aufhebung der Ausschreibung während des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens verletzt die Antragstellerin in Bieterrechten. Es liegt kein Aufhebungstatbestand im Sinne des § 26 Nr. 1 c) VOL/A vor. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Aufhebung der Ausschreibung wegen Unwirtschaftlichkeit des Angebots der Antragstellerin oder aus anderen schwerwiegenden Gründen gerechtfertigt war.

Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin nicht zu Recht wegen eines unangemessen hohen Preises von der Wertung ausgeschlossen (§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A) und deswegen die Ausschreibung aufgehoben. Die Angemessenheit des Angebotspreises ist durch eine Betrachtung des Preis-Leistungsverhältnisses innerhalb des vom Ausschluss bedrohten Angebots zu ermitteln. Der Gesamtpreis des Angebots ist in eine Relation zum Wert der angebotenen Leistung zu stellen. Nur wenn sich ergibt, dass der Wert der Leistung zum Betrag der Gegenleistung, das heißt zum Gesamtpreis, in einem erheblichen Missverhältnis steht, kann von einer Unangemessenheit des Preises gesprochen werden. Steht ein unangemessen hoher Preis in Rede, ist mithin zu prüfen, ob in Relation zur angebotenen Leistung der verlangte Preis erheblich übersetzt ist. Dies ist im Streitfall bei einer Überschreitung der Kostenschätzung von knapp 40 % zu verneinen. Der Antragsgegner hat das Vergabeverfahren laut Vergabevermerk vom 20. Juni 2007 mit der Begründung aufgehoben, es liege - nachdem preislich in der Nähe seiner Kostenschätzung liegende Angebote aus formalen Gründen von der weiteren Wertung ausgeschlossen worden waren - kein wirtschaftlich annehmbares Angebot vor. Das Angebot der Antragstellerin überschreite den Haushaltsansatz für 2007 um nahezu 40 %. Zwei weitere (ausgeschlossene) preisgünstigere Angebote überschreite es um ca. 34 % bzw. ca. 17 %. Ferner übersteige das Angebot der Antragstellerin das im Vorjahr 2006 gezahlte Entgelt um annähernd 56 % und liege unter Berücksichtigung einer Kostensteigerung nach Preisindex im Busgewerbe in Höhe von 1,68 % um knapp 40 % über dem Haushaltsansatz für 2007. Zwar dürfen auch auszuschließende Konkurrenzangebote - sofern der Ausschlussgrund keinen Einfluss auf die Kalkulation der Preise hat ausüben können - zu einer vergleichenden Betrachtung herangezogen werden (vgl. auch OLG München, Beschl. v. 2.6.2006 - Verg 12/06, VergabeR 2006, 802, 807 f.)

Für sich genommen besagt der Umstand, dass das Angebot der Antragstellerin den Angebotspreis von zwei Konkurrenzofferten namhaft übersteigt, jedoch recht wenig. Denn die Antragsgegnerin hat die Preise der Konkurrenzangebote genauso wenig einer Überprüfung unterzogen wie solches bei dem im Jahr 2006 an das von der Antragstellerin übernommene Unternehmen gezahlten Beförderungsentgelt geschehen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich dabei um sog. Unterkostenangebote handelt oder das gezahlte Entgelt darauf zurückgeht, was die Antragstellerin ausdrücklich behauptet. Dann ist auch der Ansatz einer am Preisindex orientierten Preissteigerung nichtssagend. Zwar fehlt es - was Unterkostenangebote anbelangt - an einer Substantiierung im Vortrag der Antragstellerin. Eine gewisse Bestätigung erfährt ihr Vorbringen aber dadurch, dass ein weiteres Bieterangebot den von der Antragstellerin angebotenen Preis übersteigt, und eine Bereinigung der in einem Prüfvermerk der Antragsgegnerin festgestellten Unstimmigkeiten am Angebot der Antragstellerin sicher nicht dazu führte, dass sich der von ihr offerierte Preis ermäßigte. Ihrer Art nach lassen die von der Antragsgegnerin angebrachten Beanstandungen im Fall einer Beseitigung tendenziell eher eine Preissteigerung vermuten. Auch die am Angebot der Antragstellerin ermittelten Ungereimtheiten sind daher nicht geeignet, einen unangemessen hohen Preis zu belegen. Solches kann ebenso wenig isoliert aus dem von der Antragsgegnerin geltend gemachten Umstand gefolgert werden, dass im Vertragszeitraum deutlich weniger Schüler zu befördern sind als in Vorjahren. Dies kann zwar zu gewissen Leistungsersparnissen führen. Zwingend ist das jedoch vor allem dann nicht, wenn infolge der Schülerzahl mögliche Einsparungen in Relation zu den Fahrtstrecken gesetzt werden, die unabhängig von der Zahl der beförderten Schüler gefahren werden müssen. Die bei der Auftragsausführung anfallenden Kilometerleistungen nehmen in Abhängigkeit von der Zahl der Fahrgäste nicht zwingend ab, sondern bleiben eher gleich hoch. Untersuchungen darüber hat die Antragsgegnerin nicht angestellt. Sie hat es damit bewenden lassen, das Preisangebot der Antragstellerin in Beziehung zu setzen zu Haushaltsansätzen, zu einem bisher gezahlten Beförderungsentgelt und zu preisgünstigeren Konkurrenzangeboten. Dies genügt freilich nicht zum Nachweis eines unangemessen hohen Preises im Angebot der Antragstellerin, da die Antragsgegnerin über den zugrunde liegenden Sachverhalt einschließlich der Kalkulation nicht angemessen aufgeklärt hat und Bedenken nicht nachgegangen ist, sondern sich auf eine Feststellung gewisser, auf einen überhöhten Preis hindeutender Anhaltspunkte beschränkt hat, die freilich einer näheren Überprüfung hätten unterzogen werden sollen. Den Nachteil der Nichterweislichkeit hat die Antragsgegnerin zu tragen. Beim Nachweis der Tatsachen, die ein unangemessen hohes Preisangebot annehmen lassen und zu einem Angebotsausschluss nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A führen, trifft den öffentlichen Auftraggeber vor den Vergabenachprüfungsinstanzen die Darlegungs- und Beweislast (so u.a. auch OLG Naumburg NZBau 2006, 129 = VergabeR 2005, 563, 569 f.; Thüringer OLG NZBau 2006, 263, 265 = VergabeR 2006, 358, 361; OLG Frankfurt am Main VergabeR 2006, 126, 128). Gleiches hat für die aus einem unangemessen hohen Preisangebot abgeleitete Aufhebung des Vergabeverfahrens zu gelten. Im Ergebnis bieten die von der Antragsgegnerin getroffenen Feststellungen demnach auch keine Handhabe zu einer Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 c) VOL/A.

4. Die Antragstellerin hat indes keinen Anspruch auf Rückgängigmachung der Aufhebung und Fortsetzung des Vergabeverfahrens. Es lag ein sachlich vernünftiger Grund für die Aufhebung der Ausschreibung durch die Antragsgegnerin vor. Es stehen unstreitig keine genügenden Haushaltsmittel zur Verfügung, um den geforderten Preis zu zahlen. Das Angebot der Antragstellerin überschritt den Haushaltsansatz der Antragsgegnerin um ca. 40%. Die Antragsgegnerin kann aber nicht gezwungen werden, ein nach ihren Haushaltsplanungen nicht bezahlbares Angebot (unterhalb der Schwelle zur Unwirtschaftlichkeit) zu bezuschlagen. Dies ist mit der auch einem öffentlichen Auftraggeber einzuräumenden Vertragsfreiheit nicht zu vereinbaren.

Mithin ist auf den Hilfsantrag der Antragstellerin nur festzustellen, dass die Antragstellerin in Rechten verletzt ist, weil ein Aufhebungstatbestand nach § 26 Nr. 1 VOL/A eine Aufhebung der Vergabeverfahrens nicht rechtfertigte.

5. Die Kostenentscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens vor der Vergabekammer folgt aus § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB, diejenige über das Beschwerdeverfahren folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 50 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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