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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.02.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 3/07
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A, VOB/B, TVG
Vorschriften:
GWB § 118 Abs. 1 S. 3 | |
GWB § 118 Abs. 2 S. 1 | |
GWB § 124 Abs. 2 | |
VOB/A § 28 Nr. 2 Abs. 2 | |
VOB/B § 28 Abs. 2 S. 2 | |
TVG § 5 |
Tenor:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 09. Januar 2007, VK VOL 45/2006, bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, wird zurückgewiesen. Der Senatsbeschluss vom 08. Februar 2007 wird aufgehoben.
Der Antragstellerin wird gebeten, dem Senat innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses mitzuteilen, ob die Beschwerde, gegebenenfalls mit welchem Inhalt, aufrechterhalten wird. Die Antragsgegnerin mag mitteilen, ob und gegebenenfalls für welches Los sie einen Vertrag abgeschlossen hat.
Gründe:
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Bedingung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Beschwerdeentscheidung zu verlängern, bleibt erfolglos.
Allerdings kann das Beschwerdegericht gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf verlängern, wenn die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abgelehnt hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht jedoch nach § 118 Abs. 2 S. 1 GWB die Erfolgsaussichten zu berücksichtigen. An einer Erfolgsaussicht der Beschwerde fehlt es hier, die Beschwerde der Antragstellerin hätte nämlich voraussichtlich keinen Erfolg.
1.
Allerdings ist das Angebot der Antragstellerin nicht - so aber die Vergabekammer im Anschluss an die Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts vom 30. Oktober 2006 - 9 Verg 4/06 - bereits deswegen zurückzuweisen, weil sie keine Erklärung zur Verlängerung der Bindefrist trotz Aufforderung der Vergabestelle abgegeben hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Behauptung der Antragstellerin zutrifft, sie habe doch eine entsprechende Erklärung abgegeben, welche die Antragsgegnerin ungerechtfertigterweise verleugne.
Der Senat ist nämlich der Auffassung, dass ein Angebot nicht allein deshalb auszuschließen ist, weil die Bindefrist zwischenzeitlich - ohne eine lückenlose Verlängerung - verstrichen ist. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 29.12.2001 - Verg 22/01 - die Entscheidung tragend - ausgeführt, dass es auch eine nachträgliche Abrede für zulässig hält; die in diesem Beschluss gleichfalls aufgezeigte Ungleichbehandlung der Bieter in dieser Hinsicht bildete lediglich ein zusätzliches Argument für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages. Das OLG Dresden (BauR 2000, 1591, 1593) hat zudem auf die Möglichkeit des § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A hingewiesen, wonach auch nach Ablauf der Bindefrist auf das Angebot noch ein Zuschlag erfolgen kann, wofür ihm Hinblick auf die länger dauernden Nachprüfungsverfahren auch ein Bedürfnis bestehe. Auch der BGH (ZfBR 2004, 290) hat - allerdings für einen der VOF unterliegenden Auftrag - die Erteilung eines Zuschlages auf ein durch Ablauf der Bindefrist erloschenes Angebot für zulässig, ja sogar geboten erachtet. In die gleiche Richtung gehen Entscheidungen des BayObLG (NZBau 2000, 49) und des OLG Naumburg (Beschlüsse vom 13.10.2006 - 1 Verg 6/06, 1 Verg 7/06).
Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwände des Thüringer OLG - das bei seiner abweichenden Entscheidung nach § 124 Abs. 2 GWB die Sache wohl dem BGH hätte vorlegen müssen - fest (wie das Thüringer OLG tendenziell auch OLG Frankfurt, VergabeR 2003, 725, 729). Der Ablauf der Bindefrist hat lediglich zur Folge, dass der Bieter an sein Angebot nicht mehr gebunden, ein Zuschlag vielmehr als Angebot der Vergabestelle zu werten ist (§§ 148, 150 Abs. 1 BGB). Derartiges ist in § 28 Abs. 2 S. 2 VOB/B ausdrücklich vorgesehen, für Vergaben nach der VOL/A sind keine Sachgründe für eine abweichende Handhabung ersichtlich.
Auch die Tatsache, dass der Bieter auf eine Anfrage der Vergabestelle zwecks Verlängerung der Bindefrist hin keine Erklärung abgibt (so der Vortrag der Antragsgegnerin, von dem die Vergabekammer ausgegangen ist), bedeutet nicht, dass der Bieter nunmehr kein Interesse mehr an dem Zuschlag hat. Das Unterlassen einer Einverständniserklärung mit der Verlängerung der Bindefrist ist mehrdeutig. Dies kann auch bedeuten, dass sich der Bieter für den Fall eines - für ihn aufgrund von Verzögerungen durch Nachprüfungsverfahren usw. zeitlich oft nicht absehbaren - Zuschlags nur nicht binden, sondern dann frei - unter Berücksichtigung der dann geltenden Bedingungen, insbesondere seiner Auslastung - entscheiden können will, ob er das in dem Zuschlag zu erblickenden Angebot der Vergabestelle annehmen will oder nicht.
Weitergehender Ausführungen bedarf es im Hinblick auf die nachfolgenden Gründe nicht. Darum und weil es sich bei der hier ergehenden Entscheidung um eine Eilentscheidung nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB handelt, kann auch eine Vorlage der Sache an den BGH unterbeiben.
2.
Die Beschwerde hat nicht - teilweise - deshalb Erfolg, weil bereits bei der Ausschreibung hinsichtlich Los 14 und 15 Unklarheiten aufgetreten sind. Die Objekte sind durch die Objektkalkulation den einzelnen Losen eindeutig zugeordnet worden. Die Liste über die Ansprechpartner, in denen zwei Objekte miteinander vertauscht waren, diente lediglich dazu, den Bietern eine Kontaktaufnahme mit den jeweiligen Hausmeistern und eine Besichtigung zu ermöglichen, nicht der Aufteilung der Objekte auf die Liste. Die Antragstellerin hat ihr Angebot auch entsprechend der Objektkalkulation eingereicht.
Dementsprechend hat die Antragsgegnerin die einzelnen Angebote der Bieter auch entsprechend der Objektkalkulation gewertet, wie sich aus der Vergabeakte ergibt.
3.
Das Angebot der Antragstellerin ist jedenfalls deshalb auszuschließen, weil sie widersprüchliche Angaben über die von ihr verlangten Preise abgegeben und sie sich - worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist - als unzuverlässig erwiesen hat.
Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ergibt eine Nachrechnung der Stundenverrechnungssätze für die "zugesicherten durchschnittlichen Aufsichts- und Kontrollstunden" bei der Unterhaltsreinigung, dass die Antragstellerin entweder unzutreffende Angaben über die Aufsichts- und Kontrollstunden oder unzutreffende Angaben über den von ihr einkalkulierten Aufwand für die Aufsichts- und Kontrollstunden gemacht hat. Im Hinblick auf die allgemein gehaltene Rüge der Antragstellerin, die Berechnungen der Antragsgegnerin träfen nicht zu, hat der Senat einen erheblichen Teil der Berechnungen nachgeprüft. Diese haben sich überwiegend als zutreffend herausgestellt. So errechnet sich z.B. für das Objekt 2 in Los 1 bei zugesicherten Aufsichts- und Kontrollstunden je Arbeitstag von 0,42, 250 Arbeitstagen und einem Jahresaufwand von 612,42 Euro ein Stundenverrechnungssatz von nur 5,83 Euro. Eine Nachberechnung für die übrigen Lose hat weit überwiegend Stundenverrechnungssätze von weit unter 6,00 Euro, in Los 4 Objekt 5 sogar von nur 1,80 Euro ergeben. Stundenverrechnungssätze von mehr als 10,37 Euro zeigten sich nur bei wenigen Objekten.
Die errechneten Stundenverrechnungssätze waren relevant. Allerdings konnte die Antragstellerin nicht wegen Verstoßes gegen das - zwischenzeitlich aufgehobene - Tariftreuegesetz Nordrhein-Westfalen ausgeschlossen werden; es betraf nur Bauaufträge und Personenbeförderungsleistungen (§ 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1), mithin nicht die streitgegenständlichen Reinigungsleistungen.
Allerdings ist der Lohn-TV für das Gebäudereiniger-Handwerk gemäß § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden. Die Antragstellerin - und sonstige Bieter - mussten daher ihre Arbeitskräfte zumindest nach den darin vorgesehenen Sätzen entlohnen. Das Angebot wurde daher widersprüchlich, wenn der Bieter einerseits eine bestimmte Stundenanzahl für Kontroll- und Aufsichtsarbeiten anbot, gleichzeitig aber den dafür unabdingbar notwendigen Aufwand nicht mit einkalkulierte.
Nach den Verdingungsunterlagen (Allgemeine Vorbemerkungen unter 2.c)) hatten die Bieter mindestens die Lohngruppe 1 des Lohntarifvertrages für das Gebäudereiniger-Handwerk - mindestens also 10,83 Euro brutto - bei ihrer Kalkulation zu Grunde zu legen. Die Antragsgegnerin verlangte für jedes Objekt - neben der Angabe der durchschnittlichen Stunden täglicher produktiver Arbeitskraft - auch die Angabe der durchschnittlichen täglichen Aufsichts- und Kontrollstunden. Außerdem musste die Kalkulation des gewählten Stundenverrechnungssatzes (darin einberechnet die Kosten für die Kontrolle und Aufsicht) offen gelegt werden. Damit sollte sichergestellt werden, dass tatsächlich eine hinreichende Kontrolle und Aufsicht - und damit eine ordnungsgemäße Reinigungsarbeit - stattfinden würde und die angesetzten Leistungsmaße nicht zu Lasten der Reinigungsleistungen gingen.
Standen die Angaben zu den versprochenen Leistungen einerseits und zu den dazu notwendigen Aufwendungen andererseits nicht im Einklang, waren sie widersprüchlich. Zudem erwies sich die Antragstellerin als unzuverlässig. Da sie in einer Vielzahl von Fällen Aufwendungen einkalkulierte, die für die versprochene Leistung völlig unzureichend waren und die wegen ihres Umfanges nicht mehr anderweit "aufgefangen" werden konnten, konnte daraus nur geschlossen werden, dass die Antragstellerin die versprochenen Leistungen tatsächlich nicht erbringen konnte oder wollte. Dies gilt auch für das Los 2, obwohl insoweit der Stundenverrechnungssatz nicht zu beanstanden ist. Die für die Lose 1 und 3 bis 21 gezeigte Unzuverlässigkeit ließ sich nicht auf diese Lose begrenzen, da diese Art der Kalkulation bei einem einheitlichen Angebot befürchten ließ, dass die Antragstellerin von ihr hinsichtlich des Loses 2 geschuldete Aufsichts- und Kontrollstunden zugunsten anderer Objekte nutzen würde.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin ausweislich der Vergabeakten in dieser Hinsicht sämtliche Bieter gleich behandelt und eine Vielzahl von ihnen wegen des Mangels ausgeschlossen hat.
4.
Ob das Angebot auch deswegen auszuschließen wäre, weil die versprochene Art der Reinigung nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprach - so die Antragsgegnerin -, kann danach offen bleiben.
5.
Eine Kostenentscheidung ist in diesem Verfahrensstadium nicht veranlasst.
Ende der Entscheidung
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