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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 34/06
Rechtsgebiete: GWB
Vorschriften:
GWB § 107 Abs. 2 | |
GWB § 124 | |
GWB § 128 Abs. 3 S. 1 | |
GWB § 128 Abs. 4 S. 1 |
Tenor:
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25. Juli 2006 (Az.: VK 2 - 68/06) aufgehoben.
II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen aus der Wertung zu nehmen.
III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der in diesen Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Antragstellerin zu tragen.
IV. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin im Verfahren der Vergabekammer notwendig.
V. Beschwerdewert: bis 95.000 €
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin schrieb die Durchführung von Ausbildungsbegleitenden Hilfen im Bezirk des R... E... N... in 58 Losen aus. Die Antragstellerin und die s... A... gGmbH (nachfolgend: s... gGmbH) gaben bis zum 2.5.2006 fristgemäß Angebote zum Los 50 ab.
Die s... A... gGmbH hatte am 24.8.2005 einen Verschmelzungsvertrag mit der Beigeladenen geschlossen. Die Verschmelzung wurde am 23.6.2006 in das Handelsregister der übernehmenden Beigeladenen eingetragen.
Mit Schreiben vom 19.6.2006 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin, dass sie beabsichtige, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Zur Begründung gab sie an, dass nach der "UFAB III"-Formel für das Angebot der Antragstellerin eine Kennzahl außerhalb des sog. Kennzahlkorridors errechnet worden sei. Auch sei ihr Angebot nicht das preislich günstigste.
Die dagegen erhobenen Rügen der Antragstellerin blieben ohne Erfolg. Mit ihrem am 29.6.2006 eingereichten Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass die Beigeladene für den Auftrag nicht geeignet sei. Auch sei die Angebotswertung fehlerhaft. Nach Einsichtnahme in das Handelregister der Beigeladenen hat sie den Nachprüfungsantrag zusätzlich darauf gestützt, dass das Angebot der Beigeladenen wegen eines Bieterwechsels auszuschließen sei.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer der Antragsgegnerin aufgegeben, die Eignungsprüfung bezüglich der Beigeladenen zu wiederholen. Den von der Antragstellerin geforderten Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen hat sie abgelehnt. Wertungsfehler der Antragsgegnerin hat sie verneint.
Unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags beantragt die Antragstellerin,
den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe abzuändern, dass das Angebot der Beigeladenen ausgeschlossen wird.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg. Das Angebot der Beigeladenen muss wegen eines vergaberechtlich nicht zulässigen Wechsels in der Person des Bieters aus der Wertung genommen werden.
Das Angebot der Beigeladenen war zunächst mit der s... gGmbH als Bieterin und potentieller Vertragspartnerin eingereicht und wirksam geworden (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Angebotsabgabe erfolgte nur im Namen der s... gGmbH. Der von der s... gGmbH im Angebot angebrachte Zusatz (vgl. Vordrucke D.1, D.2 und D.3), sie sei "ein Unternehmen der t... gGmbH", änderte daran nichts. Dieser Zusatz war nur ein undeutlicher Hinweis auf eine irgendwie geartete unternehmerische Verbindung zwischen der s... gGmbH und der Beigeladenen. Er ließ z. B. offen, ob die Beigeladene kapitalmäßig an der s... GmbH beteiligt war oder ob es (nur) eine rechtsgeschäftliche Verbindung gab, etwa aufgrund eines Beherrschungsvertrages, oder ob, wie tatsächlich der Fall, ein noch nicht im Handelsregister eingetragener Verschmelzungsvertrag bestand. Dass einer Stelle im Hause der Antragsgegnerin der Abschluss des Verschmelzungsvertrages schon im August 2005 mitgeteilt worden war, nämlich aufgrund eines Schreibens der Stiftung B... & H... als Alleingesellschafterin der Beigeladenen vom 29.8.2005 und aufgrund eines Schreibens der Beigeladenen vom 28.10.2005 (Anlagen 2, 3), machte den Vorgang für die Antragsgegnerin jedenfalls am Tag der Submission nicht transparent. Zu diesem Zeitpunkt waren ungeachtet jener Mitteilungen die rechtlichen Verhältnisse auch aus der Sicht der Antragsgegnerin völlig unklar. Die Antragsgegnerin wusste beispielsweise nicht, ob der Verschmelzungsvertrag in der ursprünglichen Form gültig geblieben war, welchen Inhalt der Antrag auf Eintragung in das Handelsregister konkret hatte und wann die Eintragung der Verschmelzung erfolgen würde. Auch die Antragsgegnerin konnte das Angebot daher nur als für die s... gGmbH abgegeben ansehen. Soweit die Beigeladene in ihrer Beschwerdeerwiderung mitteilt, dass die Übertragung des Vermögens zwischen den Verschmelzungsbeteiligten schon mit Wirkung vom 1.1.2005 vereinbart worden sei und von diesem Zeitpunkt an alle Handlungen der übertragenden s... gGmbH für Rechnung der Beigeladenen vorgenommen worden seien, mag dies im Innenverhältnis der Verschmelzungsbeteiligten zutreffend gewesen sein. Im hier maßgebenden Außenverhältnis war dies jedoch nicht zu erkennen.
Durch die Eintragung der Verschmelzung auf die Beigeladene ist die s... gGmbH als übertragende Gesellschaft erloschen (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit und Annahmefähigkeit des Angebotes blieb dies zwar ohne Einfluss (§§ 130 Abs. 2, 153 BGB analog). Das Angebot existierte zivilrechtlich fort. Vergaberechtlich kann es jedoch nicht gewertet werden, weil es nach Ablauf der Abgabefrist und vor Zuschlagserteilung aufgrund der durch Eintragung in das Handelsregister der Beigeladenen wirksam gewordenen Verschmelzung auf die Beigeladene einen neuen Rechtsträger erhalten hat. Mit der Eintragung der Verschmelzung am 23.6.2006 ist die Beigeladene in das Angebot eingetreten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Damit ist das Angebot geändert worden, und zwar sogar in seinem rechtlichen Mindestinhalt. Unverzichtbare Elemente eines Angebots auf Abschluss eines Austauschvertrages sind die Vertragsparteien, die Leistung und die Gegenleistung. Im Streitfall ist das erste Element geändert worden. In einem solchen Fall gebieten es die Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung im Vergabeverfahren (§ 97 Abs. 2 GWB), das geänderte Angebot auszuschließen (vgl. Senat, Beschluss vom 25.5.2005 - VII - Verg 8/05 für den Fall der Auflösung einer zweigliedrigen GmbH & Co. KG nach Angebotsabgabe unter Weiterfolgung der Bewerbung durch den ehemaligen Kommanditisten). Zu Unrecht meint die Vergabekammer, dass im Streitfall eine Änderung der Identität im Sinne eines Austauschs oder Ausscheidens des ursprünglichen Bieters nach der Rechtsprechung des Senats hier nicht gegeben sei. Das Gegenteil ist richtig. Das Angebot hat einen neuen Bieter, Rechtsträger und Leistungsverpflichteten erhalten. Die Vergabekammer bezieht sich für diese Auffassung auf den Senatsbeschluss vom 24.5.2005, VII - Verg 28/05. In jenem Fall ging es um eine zweigliedrige Bietergemeinschaft, aus der das in Insolvenz gefallene Mitgliedsunternehmen nach Abgabe des Angebots und vor Zuschlagserteilung ausgeschieden war und das andere Unternehmen das Angebot weiter verfolgte. Auch dort hat der Senat einen zwingenden Ausschlussgrund bejaht, weil sich die rechtliche Identität in der Person des Bieters geändert hatte. Der Streitfall ist vergaberechtlich gleich gelagert.
Zu Unrecht meint die Beigeladene, ihr Eintritt in das Angebot der s... gGmbH mit der Folge einer nachträglich für sie erforderlichen Eignungsprüfung schade nicht, denn auch bei einer zweigliedrigen Bietergemeinschaft müsse eine Eignungsprüfung für beide Gemeinschaftsmitglieder stattfinden. Die s... gGmbH und die Beigeladene bildeten bei der Angebotsabgabe keine Bietergemeinschaft, so dass schon aus diesem Grunde der angezogene Vergleich nicht verfängt.
Ohne Erfolg macht die Beigeladene geltend, der Angebotsausschluss würde für einen Bieter während eines laufenden Vergabeverfahrens ein faktisches Verbot der Unternehmensveräußerung bzw. des Zusammenschlusses mit einem anderen Unternehmen bedeuten. Tatsächlich stellt sich diese Konsequenz in dieser Schärfe nicht. Die Unternehmen haben es grundsätzlich in der Hand, im Rahmen ihrer Planung steuernd zu wirken und ihre unternehmerischen Aktivitäten von langer Hand darauf abzustimmen. Dies gilt für jede Art von Verschmelzung. Im konkreten Streitfall bestand zudem die Möglichkeit, dass die Beigeladene ein eigenes Angebot abgab und sich darin etwaig ihr fehlender Mittel der s... gGmbH versicherte. Darin hätte keine unangemessene Erschwernis für sie gelegen. Soweit bei derart gelagerten Sachverhalten die Einschaltung von Behörden Verzögerungen bedingen können, sind diese grundsächlich der Risikosphäre des Unternehmen zuzuordnen und können jedenfalls nicht zu Lasten der Mitbewerber gehen. Vom Wettbewerbsprinzip geschützt ist immer nur der gleiche, faire und transparente Wettbewerb.
Die von der Beigeladenen ferner herangezogenen Grundsätze des Umwandlungsrechts (Prinzip der umfassenden Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) spielen für die vergaberechtliche Entscheidung keine Rolle. Die Behauptung, das Prinzip der Gesamtsrechtsnachfolge werde durch die hier vertretende Sichtweise unangemessen "unterlaufen", überzeugt nicht. Vielmehr würden die tragenden Prinzipen von Transparenz und Gleichbehandlung im Vergaberecht, auf deren Einhaltung die Mitbewerber einen subjektiven Anspruch haben (§ 97 Abs. 2 GWB), entwertet, wenn sie bei einem Bieterwechsel nach Angebotsabgabe und vor Zuschlagserteilung zurückstehen müssten.
Die von der Beigeladenen angezogenen Entscheidungen des BayObLG stehen zu dieser Auffassung nicht in Widerspruch. Sie betrafen jeweils andere Konstellationen. Dem Beschluss des BayObLG vom 13.3.2001 (Verg 1/01, VergabeR 2001, S. 222) lag zugrunde, dass Bieterin das übernehmende Unternehmen war. Im Beschluss vom 9.3.2004, Verg 20/03 ging es nicht - wie hier - um eine Verschmelzung, sondern um eine 100 %-ige Kapitalbeteiligung.
Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen OLG vom 13.4.2006, 1 (6) Verg 10/05 (WuW Verg 1233 f) nötigt den Senat nicht zu einer Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 124 GWB. In jenem Fall hatte eine zweigliedrige Bietergemeinschaft sich dadurch in der Zusammensetzung geändert, dass nach Angebotsabgabe eine Mitglieds-GmbH auf eine Aktiengesellschaft verschmolzen und die Aktiengesellschaft den Platz in der Bietergemeinschaft eingenommen hatte. Diesen Sachverhalt hat das Schleswig-Holsteinischen OLG nur auf der Ebene der Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB geprüft und dabei angenommen, dass die Bietergemeinschaft zivilrechtlich fortbestehe und mit dieser Begründung die Antragsbefugnis bejaht. Ob das Angebot der Antragstellerin wegen der anderen Zusammensetzung der Bietergemeinschaft vergaberechtlich auszuschließen war, hat das Gericht bei der Begründetheit ausdrücklich nicht näher problematisiert. Nach seiner Ansicht kam es auf die Frage, ob das Angebot der Bietergemeinschaft - aus welchem Grund auch immer - ebenfalls ausgeschlossen werden musste, für die Entscheidung nicht an (vgl. WuW Verg 1233, 1236 unter Buchstabe d).
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 128 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GWB, § 91 Abs. 1 ZPO (analog), 50 Abs. 2 GKG.
IV.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beigeladenen vom 28.9.2006 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
Ende der Entscheidung
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