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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: VII-Verg 34/07
Rechtsgebiete: VOL/A, VOB/A, KrW-/AbfG, VgV, UmwG


Vorschriften:

VOL/A § 7 Nr. 5
VOL/A § 7 a Nr. 3 Abs. 6
VOL/A § 17 Nr. 3 Abs. 1 S. 1
VOL/A § 17 Nr. 3 Abs. 2
VOL/A § 24 Nr. 2 Abs. 1
VOB/A § 8 Nr. 3 Abs. 4 S. 1
KrW-/AbfG § 52
VgV § 4 Abs. 4
UmwG §§ 190 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschwerden der Antragstellerinnen gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 28. August 2007 (VK 14 und 15/07) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragstellerinnen auferlegt.

Gründe:

I. Die Antragsgegnerin leitete im März 2007 ein offenes Verfahren zur Vergabe der Altpapierentsorgung im Kreis S. ein. Es waren vier Gebietslose gebildet worden. Ein Vertrag sollte für die Dauer von drei Jahren geschlossen werden. Nebenangebote waren bei gleichzeitigem Hauptangebot unter der Bedingung zugelassen, dass sie preisliche Vorteile gewährten.

Der Zuschlag soll bei allen Losen auf das Nebenangebot der Beigeladenen ergehen, was von den Antragstellerinnen erfolglos gerügt wurde und mit Nachprüfungsanträgen bekämpft wird. Die Antragstellerinnen haben die Eignung der Beigeladenen bezweifelt und behauptet, diese habe die zum Nachweis der Eignung geforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt.

Die Vergabekammer hat diese Einwendungen als durch die Vergabeakte widerlegt sowie im Übrigen aus Rechtsgründen als unerheblich zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Antragstellerinnen mit der sofortigen Beschwerde.

Die Antragstellerinnen halten ihren erstinstanzlichen Vortrag unter Wiederholung und Vertiefung aufrecht. Sie machen weiterhin geltend, die Beigeladene habe geforderte Eignungsnachweise, insbesondere zureichende Referenzen über die eigene Unternehmenstätigkeit, Referenzen für Nachunternehmer, Verfügbarkeitsnachweise in Bezug auf Nachunternehmer und ein polizeiliches Führungszeugnis, mit dem Angebot nicht vorgelegt. Die Beigeladene vermittelt, organisiert und koordiniert lediglich Entsorgungsdienstleistungen. Bei der Ausführung - hier beim Umschlag sowie bei der Vermarktung und Verwertung von Altpapier - will sie Nachunternehmer sowie konzernangehörige Unternehmen einsetzen.

Die Antragstellerin zu 1 beanstandet darüber hinaus Wertungs- und Dokumentationsmängel auf Seiten der Antragsgegnerin. Beide Antragstellerinnen rügen ferner einen Rechtsformwechsel der Beigeladenen, die Antragstellerin zu 2 zudem eine Abspaltung eines Unternehmensteils. Die Beigeladene firmierte während des Vergabeverfahrens von einer GmbH in eine GmbH & Co. KG um.

Die Antragstellerinnen beantragen,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Ausschluss des Angebots der Beigeladenen die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Wertung der Angebote zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Sie wiederholen und ergänzen ihren bisherigen Vortrag.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen sowie auf die zu Informationszwecken beigezogenen Vergabeakten und die Verfahrensakten der Vergabekammer Bezug genommen.

II. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg. Die Nachprüfungsanträge sind unbegründet.

1. Die Vergabekammer hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Beigeladene mit dem Angebot alle geforderten Eignungsnachweise so, wie es von der Antragsgegnerin verlangt worden und von einem fachkundigen Bieter zu verstehen war, vorgelegt hat. Das Angebot der Beigeladenen unterliegt deshalb keinem Ausschluss von der Wertung (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A; vgl. Senat, Beschl. v. 1.2.2006 - VII-Verg 38/05, VergabeR 2006, 547).

Der öffentliche Auftraggeber hat bereits in der Vergabebekanntmachung (§§ 17, 17 a VOL/A) anzugeben, welche Eignungsnachweise die Unternehmen vorzulegen haben (§ 7 a Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOL/A). Im offenen Verfahren muss er nach § 17 Nr. 3 Abs. 2 l VOL/A darüber hinaus mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Anschreiben) diejenigen Eignungsnachweise (Unterlagen) bezeichnen, die von Unternehmen mit dem Angebot vorzulegen sind. Der Wortlaut der Norm spricht insoweit zwar nur davon, das Anschreiben "solle" insbesondere die mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen angeben. In Verbindung mit der Bestimmung in § 17 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOL/A, wonach das Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) alle Angaben enthält, d.h. enthalten muss, die für den Entschluss zur Abgabe eines Angebots notwendig sind, hat der Auftraggeber die mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise jedoch mit der Angebotsaufforderung zu wiederholen (so auch OLG Schleswig, Beschl. v. 22.4.2006 - 1 Verg 5/06, NZBau 2007, 257, 259 zur identischen Rechtslage nach der VOB/A). Anders ausgedrückt bedeutet dies: Im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe muss sich der Auftraggeber entscheiden, und er muss den Unternehmen das Ergebnis dieser Entscheidung mitteilen, ob und gegebenenfalls welche Eignungsunterlagen er mit dem Angebot beigebracht sehen oder ob er hinsichtlich bestimmter Unterlagen auf eine solche Beibringung verzichten und sich vorbehalten will, diese zu gegebener Zeit nachzufordern (Vorlage auf Verlangen). Wie aus § 8 Nr. 3 Abs. 4 S. 1 VOB/A hervorgeht, ist die Rechtslage im Anwendungsbereich der VOB/A nicht anders. Freilich ist dabei die Bindung des öffentlichen Auftraggebers an die Festlegung von Eignungsanforderungen und -nachweisen in der Vergabebekanntmachung zu beachten. Mit der Angebotsaufforderung darf der Auftraggeber die in der Bekanntmachung angegebenen Erfordernisse lediglich konkretisieren, in der Sache aber nicht abändern oder ergänzen (ebenso OLG Schleswig a.a.O.; Senat, Beschl. v. 9.7.2003 - Verg 26/03). Der Auftraggeber hat bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur die Wahl und muss diese aber auch ausüben, ob Unterlagen sogleich mit dem Angebot oder auf Verlangen erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden sollen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 28.6.2006 - VII-Verg 18/06, BA 7). Sofern frühere Entscheidungen des Senats anders verstanden worden sein sollten, ist daran nicht festzuhalten.

a) Im Streitfall hat die Antragsgegnerin ausweislich der Vergabebekanntmachung, Abschnitt III (rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen), unter III.2.1) gefordert:

Persönliche Lage des Wirtschaftsteilnehmers sowie Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister:

Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Der Bieter hat mit seinem Angebot den Nachweis zu führen, dass er über die zur Aufgabenerfüllung notwendige Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit verfügt. Geforderte Nachweise:

Handelsregisterauszug ...;

Zertifizierung(en) als Entsorgungsfachbetrieb nach § 52 KrW-/AbfG oder gleichwertige Nachweise, aus denen hervorgeht, dass das Unternehmen über qualifiziertes und geschultes Personal verfügt, eine Betriebsordnung, ein Betriebshandbuch und ein Betriebstagebuch besitzt, die entsprechend geführt werden, dass es Mitglied bei der Berufsgenossenschaft ist, ein ausreichender Versicherungsschutz besteht und ein aktuelles Führungszeugnis des Unternehmens-/Niederlassungsleiters des für die Leistungen verantwortlichen Betriebes;

...

Neben Angaben über die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit war in der Bekanntmachung unter III.2.3) ferner verlangt:

Technische Leistungsfähigkeit:

Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:

Eigenerklärung/Referenz über den Umschlag von Altpapier sowie über die Vermarktung und Verwertung von Altpapier.

Nach Maßgabe der Vergabebekanntmachung waren demnach Eignungsnachweise mit dem Angebot beizubringen.

In den der Aufforderung zur Angebotsabgabe als Bestandteil beigefügten Verdingungsunterlagen gab die Antragsgegnerin dagegen unter anderem an:

2. Bewerbungs- und Angebotsbedingungen

2.10 Form und Verbindlichkeit der Angebote

Das Angebot muss die nachfolgend aufgeführten Teile beinhalten:

...

Angebotsteil III: Eignungsnachweise

Nachweis der Leistungsfähigkeit in fachlicher und technischer Hinsicht

Referenzen über den Umschlag von Altpapier sowie über die Vermarktung und Verwertung von Altpapier

Weitere Nachweise der Leistungsfähigkeit in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht

- Erklärung über den Gesamtumsatz des Bieters in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren (2003 bis 2005)

- Bilanzen oder Bilanzauszüge ...

- Betriebshaftpflichtversicherung

- Kopie des Handelsregisterauszuges ...

sowie:

3. Bewertung der Angebote

...

3.2 Wertungsphase 2: Eignungsprüfung

Fachkunde

... Der Nachweis der Fachkunde hat auf der Grundlage der im Abschnitt 2.10, Angebotsteil III, vorgelegten Referenz (Nachweis der Leistungsfähigkeit in fachlicher und technischer Hinsicht) zu erfolgen.

Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit

... Die Zuverlässigkeit wird insbesondere anhand der Nachweise in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht im Abschnitt 2.10, Angebotsteil III, sowie aufgrund der Eigenerklärung im Abschnitt 5.2 bewertet. Es werden auch weitere Erkenntnisse bewertet, welche die Zuverlässigkeit des Bieters in Frage stellen. ...

Die geforderten Bescheinigungen zur Eignung des Bieters stellen die Mindestbedingung dar. Daher behält sich der Auftraggeber vor, vom Bieter vorgelegte Nachweise vervollständigen oder erläutern zu lassen und innerhalb einer bestimmten Frist nachreichen zu lassen, jedoch nur dann, wenn dies unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes möglich ist. Für fehlende Bescheinigungen, Nachweise oder Erklärungen gilt die Möglichkeit des Nachreichens nicht.

Die von den Bietern abzugebende Eigenerklärung nach Abschnitt 5.2. der Verdingungsunterlagen sah unter anderem Angaben nach § 7 Nr. 5 VOL/A vor.

b) Festzustellen ist, dass die Antragsgegnerin die in der Vergabebekanntmachung aufgestellte Forderung, wonach bestimmte Nachweise mit dem Angebot einzureichen waren, im Kontext der Aufforderung zur Angebotsabgabe nicht mehr aufrechterhalten hat. Nachweise, die im Abschnitt III.2.1) der Bekanntmachung aufgeführt waren, sind entfallen. Sie sind in der Angebotsaufforderung nicht mehr als solche benannt worden, die zeitgleich mit dem Angebot vorgelegt werden sollten. Dazu hat die Antragsgegnerin in dem die Bewertung der Angebote betreffenden Teil der Verdingungsunterlagen angegeben (unter 3.2. Wertungsphase, 2: Eignungsprüfung), dass sowohl die Fachkunde als auch die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Bieter, und zwar nur im Sinne von Mindestbedingungen, auf der Grundlage der im Abschnitt 2.10 der Bewerbungs- und Angebotsbedingungen genannten und mit dem Angebot beizubringenden Nachweise überprüft werden sollten. Zugleich hat die Antragsgegnerin sich vorbehalten, Belege vervollständigen, erläutern und/oder nachreichen zu lassen. So waren die Angaben der Antragsgegnerin aus verständiger Sicht zumindest aufzufassen. Dazu trug maßgebend bei, dass die Antragsgegnerin die unter 2.10 der Bewerbungs- und Angebotsbedingungen genannten Eignungsnachweise erklärtermaßen nur noch als mit dem Angebot beizubringende Mindestbedingungen verstanden wissen wollte. Der Satz für fehlende Bescheinigungen, Nachweise oder Erklärungen gilt die Möglichkeit des Nachreichens nicht, machte demgegenüber nur deutlich, dass solche Nachweise, deren Vorlage nach den Bewerbungs- und Angebotsbedingungen i.S. von Mindestbedingungen mit dem Angebot gefordert worden war, die mit dem Angebot aber nicht eingereicht würden, zur Vermeidung unstatthafter Nachverhandlungen (§ 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A) nicht nachgereicht werden könnten.

Der öffentliche Auftraggeber darf die in der Vergabebekanntmachung getroffene Festlegung, wonach bestimmte Eignungsnachweise von den Bietern mit dem Angebot beizubringen sind, im Rahmen der Aufforderung zur Angebotsabgabe ändern, von einer Forderung ganz oder teilweise abrücken und sich vorbehalten, Eignungsnachweise nachzufordern. Eine Bindung des Auftraggebers an die bekannt gemachten Bedingungen besteht nur insoweit, als er von den in der Vergabebekanntmachung festgelegten Eignungskriterien sowie von den dazu benannten Nachweisen inhaltlich nicht abweichen und diese nicht ändern oder erweitern, sondern lediglich konkretisieren darf. Hinsichtlich des Zeitpunkts einer Vorlage von Eignungsunterlagen, m.a.W. des Zeitpunkts, in dem die Eignung mit Hilfe der festgelegten Unterlagen nachzuweisen ist, ist der Auftraggeber in der Bestimmung hingegen frei. Zumal, wie vorstehend nachgewiesen worden ist (siehe oben S. 4/5), die Aufforderung zur Angebotsabgabe nach den Verdingungsordnungen jene Stelle im Vergabeverfahren markiert, an welcher der Auftraggeber sich - auch unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit - klar darüber zu werden und zu entscheiden hat, wann Eignungsnachweise von den Bietern beigebracht werden sollen, sind Vorfestlegungen in der Vergabebekanntmachung nicht verbindlich, sondern können hinsichtlich des Zeitpunkts einer Vorlage von Eignungsnachweisen rechtswirksam abgeändert werden. Die Modalitäten des Vergabeverfahrens sind im Rahmen der materiell-gesetzlichen Vorgaben vom Auftraggeber zu bestimmen. Davon hat die Antragsgegnerin Gebrauch gemacht. Sie hat den Inhalt der Vergabebekanntmachung (nur) hinsichtlich des Zeitpunkts einer Beibringung von Eignungsnachweisen modifiziert. Was in der Vergabebekanntmachung an mit dem Angebot einzureichenden Eignungsnachweisen genannt worden war, mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe jedoch nicht wiederholt wurde, musste von den Bietern folglich nicht zugleich mit dem Angebot vorgelegt werden.

Wollte man dem nicht beipflichten, gelangte man in den meisten Fällen - so auch hier - im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Auftraggeber, der in der Vergabebekanntmachung mit dem Angebot vorzulegende Eignungsnachweise benennt, eine solche Forderung im Zusammenhang mit der Angebotsaufforderung jedoch nicht in gleicher Weise erneuert, sondern Abstriche daran vornimmt, und dadurch den Eindruck erweckt, bestimmte Unterlagen müssten nicht schon mit dem Angebot beigebracht, sondern könnten nachgereicht werden, verhält sich mindestens unklar und setzt sich infolgedessen in einen Widerspruch zu dem Rechtssatz, wonach nur die Nichtbefolgung einer vom Auftraggeber unzweideutig und unmissverständlich aufgestellten und von einem fachkundigen Bieter so zu verstehenden Forderung nach einer Einreichung von Unterlagen zum Anlass genommen werden darf, das betreffende Angebot von der weiteren Wertung auszuschließen. Verbleibende Unklarheiten gehen dagegen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers (vgl. statt vieler Senat, Beschl. v. 9.6.2004 - Verg 11/04, BA 11).

c) Bei diesem Vorverständnis ist das Angebot der Beigeladenen nicht von der Wertung auszunehmen. Das Angebot entspricht den Anforderungen, die die Antragsgegnerin in den mit der Angebotsaufforderung bekannt gegebenen Bewerbungs- und Angebotsbedingungen hinsichtlich der mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise aufgestellt hat.

aa) So hat die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots von den Bietern nicht mehr die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses mit dem Angebot verlangt. Ein Führungszeugnis musste deshalb entgegen der Meinung der Antragsgegnerinnen von der Beigeladenen nicht mit dem Angebot beigebracht werden. Darum kommt es nicht mehr darauf an, ob eine dahingehende Forderung in der Vergabebekanntmachung (dort im Abschnitt III.2.1) überhaupt so klar und unmissverständlich aufgestellt worden war, dass die Nichtvorlage zu einem Angebotsausschluss führen kann. Unabhängig davon: Die von der Beigeladenen in Anspruch genommene Auslegung, wonach ein Führungszeugnis nur beigebracht werden sollte, sofern das Bieterunternehmen über keine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb verfügte, ist nicht abwegig, sondern ist infolge der in diesem Punkt sprachlich missglückten Fassung der Vergabebekanntmachung vertretbar. Als Grundlage für einen Ausschluss des Angebots eignet sich die Formulierung in der Bekanntmachung demnach nicht.

bb) Die Antragstellerinnen bemängeln auch zu Unrecht, dass die Beigeladene mit dem Angebot keine Referenzangaben gemacht hat, die einen Umschlag sowie eine Vermarktung und Verwertung von Altpapier im eigenen Unternehmen belegen. Die Referenzangaben der Beigeladenen entsprechen der Vorgabe der Antragsgegnerin im Abschnitt 2.10 der Bewerbungs- und Angebotsbedingungen (siehe oben S. 6/7). Danach waren Referenzen über einen Umschlag von Altpapier sowie über eine Vermarktung und Verwertung von Altpapier zu benennen. Die Beigeladene hat vier Referenzen angegeben. Drei Referenzen betreffen den Umschlag, die Vermarktung und die Verwertung von Altpapier, eine verhält sich nur über eine Vermarktung und Verwertung. Dies deckte den Gegenstand der geforderten Referenzen ab. Eine bestimmte Zahl von Referenzaufträgen war nicht gefordert worden.

Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin verlangt, dass als Referenz nur solche Aufträge beim Umschlag, der Vermarktung und Verwertung von Altpapier in Frage kommen sollten, die im eigenen Unternehmen des Bieters ausgeführt worden waren. Wäre es so, dann genügten die Referenzangaben der Beigeladenen freilich nicht den Anforderungen. Denn die Beigeladene ist im Entsorgungsgeschäft nicht operativ tätig. Sie verfügt infolgedessen selbst nicht über die personellen und technischen Mittel, Aufträge der vorliegenden Art durchzuführen, sondern betätigt sich lediglich bei der Vermittlung und Koordination. Indes hat die Antragsgegnerin tatsächlich nicht verlangt, dass über einen Umschlag, eine Vermarktung und Verwertung von Altpapier im eigenen Unternehmen des Bieters referiert werden sollte. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sich dabei vergaberechtskonform verhalten. Anderenfalls hätte sie sich nämlich in einen Gegensatz zu den Bestimmungen der § 7 a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A und § 4 Abs. 4 VgV sowie zu der die höherrangige Vergabekoordinierungsrichtlinie verbindlich interpretierenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gestellt, wonach Bieter sich bei der Ausführung des Auftrags der Mittel ihnen auf welche Weise auch immer verbundener Unternehmen bedienen dürfen (vgl. EuGH, Urt. v. 14.4.1994 - C-389/92, Slg. 1994, I-1289 - Ballast Nedam I; Urt. v. 18.12.1997 - C-5/97, Slg. 1997, I-7549 - Ballast Nedam II; EuGH, Urt. v. 2.12.1999 - C-176/98, EuZW 2000, 110 = NZBau 2000, 149 - Holst Italia; EuGH, Urt. v. 18.3.2004 - C-314/01, NVwZ 2004, 967 = VergabeR 2004, 465). Danach erweist sich - so mit Recht schon die Vergabekammer - als unschädlich, dass die Beigeladene in den von ihr aufgeführten Referenzfällen lediglich als Organisatorin und Koordinatorin von Dienstleistungen der ausgeschriebenen Art tätig gewesen ist.

cc) Die Antragstellerinnen können einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen ebenso wenig mit dem Hinweis darauf erwirken, die Beigeladene habe ihrem Angebot Referenzen für Nachunternehmer und verbundene Unternehmen nicht beigefügt. Abgesehen davon, dass drei von fünf beim Umschlag von Altpapier einzusetzende Nachunternehmer mittels dem Angebot der Beigeladenen als Bestandteil beigefügter Erklärungen auf Referenzen verwiesen haben, waren solche Referenzen nach den Verdingungsunterlagen nicht schon mit dem Angebot einzureichen.

Grundsätzlich hat der Bieter bei entsprechender Forderung des Auftraggebers im Umfang einer von ihm beabsichtigten Nachunternehmerbeauftragung allerdings - und zwar deckungsgleich anhand genau derselben Anforderungen, die der Auftraggeber an einen Nachweis der Eignung der Bieter stellt - die Eignung von ihm einzusetzender Nachunternehmer nachzuweisen (vgl. Senat, Beschl. v. 22.12.2004 - VII-Verg 81/04, BA 11). Dies hat gleichermaßen für die rechtlich verwandte Fallgestaltung zu gelten, in der sich der Bieter bei der Erfüllung der Leistung der Kapazitäten ihm verbundener Unternehmen bedienen will (§ 7 a Nr. 3 Abs. 6 VOL/A und § 4 Abs. 4 VgV). Die Beigeladene hat sich mit dem Angebot auf die Fähigkeiten von Nachunternehmern und verbundenen Unternehmen berufen und musste dies auch tun, da sie im eigenen Unternehmen nicht über die Mittel zur Ausführung des Auftrags verfügt. Im Streitfall hat die Antragsgegnerin bei einer Verwendung von Nachunternehmern und verbundenen Unternehmen die Führung eines Eignungsnachweises mit dem Angebot jedoch nicht verlangt. Dies ergibt sich aus Folgendem:

In Bezug auf Nachunternehmer bestimmt die Leistungsbeschreibung:

3. Unterbeauftragung

Der Auftraggeber weist darauf hin, dass verbundene Unternehmen, wie z.B. Schwester- oder Tochterunternehmen des Bieters, auch Unterauftragnehmer sind.

Der Bieter hat bei Unterbeauftragung wettbewerbliche Grundsätze zu beachten und mit dem Unterauftragnehmer insgesamt keine ungünstigeren Bedingungen zu vereinbaren, als zwischen ihm und dem Auftraggeber vereinbart werden. Kleinere und mittlere Unternehmen sind angemessen zu beteiligen.

Zutreffend hat die Antragsgegnerin Nachunternehmer und verbundene Unternehmen danach gleich behandelt sehen wollen. Einen mit dem Angebot einzureichenden Eignungsnachweis für Nachunternehmer oder verbundene Unternehmen hat sie in der Leistungsbeschreibung indes nicht gefordert. Die i.S. von Mindestbedingungen (vgl. die Verdingungsunterlagen zur Bewertung der Angebote, dort unter 3.2, siehe oben S. 7) mit dem Angebot einzureichenden Eignungsnachweise sind vielmehr in den Bewerbungs- und Angebotsbedingungen (dort unter 2.10, siehe oben S. 6/7) abschließend benannt worden. Dort findet sich lediglich die Vorgabe, dass mit dem Angebot Referenzen über einen Umschlag, eine Vermarktung und Verwertung von Altpapier vorgelegt werden sollten. Diese Bestimmung war in Verbindung mit der diesbezüglichen Angabe in der Vergabebekanntmachung (dort unter III.2.3), siehe oben S. 6) so zu lesen und zu verstehen, dass dazu lediglich eine Eigenerklärung des Bieters abgegeben werden sollte. Unter 3.2. der Verdingungsunterlagen hat sich die Antragsgegnerin statt einer Beibringung von Eignungsnachweisen mit dem Angebot vorbehalten, entsprechende Unterlagen nachzufordern (siehe oben S. 7). Mit diesem Befund übereinstimmend ist in dem der Bewertung der Angebote geltenden Abschnitt 3.1 der von der Antragsgegnerin aufgestellten Verdingungsunterlagen, in dem die Gründe für einen Ausschluss von Angeboten benannt worden sind, eine mit dem Angebot unterbliebene Bezeichnung von Referenzen für Nachunternehmer und verbundene Unternehmen als Ausschlussgrund nicht genannt worden. Danach hatten Bieter, die sich bei der Erfüllung des Auftrags der Mittel von Nachunternehmern oder verbundenen Unternehmen bedienen wollten, Referenzen hinsichtlich jener Unternehmen nicht schon mit dem Angebot vorzulegen.

Wenn man dies anders sehen wollte, kommt wiederum die bereits oben (S. 9) dargestellte Überlegung zum Tragen, wonach die Antragsgegnerin aufgrund der Angaben in den Verdingungsunterlagen eine Sachlage hervorgerufen hat, bei der ein fachkundiger Bieter in der Lage der Beigeladenen nicht mehr zweifelsfrei und unmissverständlich annehmen musste, dass in Bezug auf Nachunternehmer und verbundene Unternehmen Referenzen bereits mit dem Angebot vorzulegen waren. Mit Rücksicht darauf scheidet ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen aus.

dd) Die Antragstellerinnen fordern ebenfalls zu Unrecht, die Beigeladene habe ihrem Angebot so genannte Verfügbarkeits- oder Verpflichtungserklärungen beifügen müssen, m.a.W. Erklärungen (genauer gesagt: Zusagen) von Nachunternehmern und verbundenen Unternehmen, mit denen diese sich für den Fall eines Zuschlags verpflichteten, die ihnen zu Gebote stehenden Mittel ihr, der Beigeladenen, für eine Ausführung des Auftrags zur Verfügung zu stellen. Nach dem Inhalt der Verdingungsunterlagen war dies nicht verlangt.

Nach der Rechtsprechung der Vergabesenate hat der Bieter, der sich bei der Ausführung des Auftrags der Mittel anderer Unternehmen bedienen will, im Prinzip allerdings mit dem Angebot von sich aus nachzuweisen, dass er bei der Auftragserfüllung über jene Mittel verfügen wird. Dies folgt aus der Tatsache, dass er die ausgeschriebene Leistung mit eigenen Mitteln nicht erbringen kann (vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 21.4.2004 - 1 Verg 1/04, VergabeR 2004, 731, 734; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.5.2003 - 11 Verg 3/03, NZBau 2003, 636, 637; Senat, Beschl. v. 5.7.2000 - Verg 5/99, NZBau 2001, 106, 110). Das kann indes nur gelten, sofern der öffentliche Auftraggeber an jener Forderung keine Einschränkungen angebracht hat (vgl. Senat, Beschl. v. 28.6.2006 - VII-Verg 18/06, BA 7). Einschränkungen darf der öffentliche Auftraggeber insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts anbringen, in dem Bieter nachzuweisen haben, dass sie bei der Erfüllung des Auftrags über die Mittel dritter Unternehmen verfügen werden (siehe oben S. 8 f.). Im Streitfall hat die Antragsgegnerin eine solche Modifikation vorgenommen. Sie hat - wie vorstehend nachgewiesen worden ist - über die unter 2.10 der Bewerbungs- und Angebotsbedingungen genannten Mindestanforderungen hinaus nicht verlangt, dass mit dem Angebot weitere Eignungsnachweise beigebracht werden. Es sollten lediglich der vorgesehene Umschlag, die Vermarktung und Verwertung von Altpapier beschrieben werden. Dem genügt das Angebot der Beigeladenen. Aufgrund dessen hat die Antragsgegnerin mindestens eine Situation geschaffen, in der einem fachkundigen Bieter durch die Vergabebedingungen nicht unmissverständlich klar gemacht wurde, dass mit dem Angebot zugleich Nachweise über die Verfügbarkeit der Mittel von Nachunternehmern oder verbundener Unternehmen einzureichen waren (vgl. oben S. 9 f.). Auf dieser Grundlage kann das Angebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen werden.

2. Die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Unternehmensumwandlungen auf Seiten der Beigeladenen zwingen entgegen ihrer Ansicht zu keinem Ausschluss des Angebots der Beigeladenen.

a) Der bloße Formwechsel der Beigeladenen (von einer GmbH zu einer GmbH & Co. KG) ist vergaberechtlich ohne Bedeutung. Er führt zu keinem aufgrund § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A unstatthaften Wechsel in der Identität des Bieters. Durch einen Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG bleibt die rechtliche Identität des betreffenden Unternehmens unangetastet. Es kommt zu keiner Rechtsnachfolge und zu keiner Übertragung von Unternehmensgegenständen, sondern lediglich zu einer Änderung der Unternehmensverfassung (vgl. auch § 202 UmwG). Genauso hat der Bundesfinanzhof in einem Fall, in dem der Formwechsel steuerrechtlich erheblich war, entschieden (Urt. v. 30.9.2003 - III R 6/02). Unschädlich ist im Übrigen, dass die Antragsgegnerin den Formwechsel der Beigeladenen nicht zum Gegenstand eines Vergabevermerks gemacht hat. Sie hat sich im Verfahren vor der Vergabekammer abschließend und rechtlich zutreffend dahin geäußert und infolgedessen die Dokumentation der Angebotswertung zulässig dahin ergänzt, der Formwechsel beeinträchtige nicht die Eignung der Beigeladenen, den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen.

b) Die Abspaltung des Unternehmensteils der Beigeladenen (vgl. § 123 Abs. 1 Nr. 1, § 126 ff. UmwG) beeinträchtigt entgegen der Meinung der Antragstellerin zu 2 ebenso wenig deren Eignung, die in Rede stehenden Leistungen vertragsgemäß auszuführen. Vom Unternehmen der Beigeladenen ist lediglich das Restabfallgeschäft, nicht aber das Entsorgungsgeschäft bei Altpapier (PPK) abgespalten und einem Schwesterunternehmen übertragen worden. Die Antragsgegnerin hat sich dazu im Senatstermin dahin erklärt, dass die Spaltung nach Lage der Dinge keine durchgreifenden Bedenken an der Eignung der Beigeladenen begründe, da ihrem Unternehmen nach wie vor die Entsorgung von Altpapier (PPK) vorbehalten sei. Der die Spaltung des Unternehmens der Beigeladenen betreffende Teil der Eignungsbewertung ist infolgedessen im Nachprüfungsverfahren zulässig nachgeholt worden.

Bei dieser Sachlage ist der Vortrag der Antragstellerin zu 2 prozessual unbeachtlich. Der Vortrag ist mit Blick auf einen Eignungsmangel bei der Beigeladenen ins Blaue hinein angebracht worden. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür sind von der Antragstellerin zu 2 nicht benannt worden; sie sind auch sonst nicht zu erkennen (vgl. dazu auch BGH, Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59, 65 f.). Mit Rücksicht darauf, dass das PPK-Geschäft, wie außer Streit steht, vollständig bei der Beigeladenen verblieben ist, sind - da die Eignung der Beigeladenen nur aufgrund gesicherter Erkenntnisse verneint werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.1999 - X ZR 30/98, BauR 2000, 254, 256) - anhand des Vortrags der Antragstellerin zu 2 keine Bedenken an der Eignung der Beigeladenen gerechtfertigt.

3. Wertungsmängel, die zu einer Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerinnen führen, sind zu verneinen. Dokumentationsfehler, welche die Zuschlagschancen der Antragstellerinnen beeinträchtigt haben, sind auszuschließen.

Das Vorbringen der Antragstellerin zu 2 im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.11.2007 ist vom Senat berücksichtigt und geprüft worden. Es gibt keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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