Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.01.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 36/07
Rechtsgebiete: VOL/A, GWB, VOB/A


Vorschriften:

VOL/A § 17 Nr. 3 Abs. 1 S. 1
VOL/A § 17 Nr. 3 Abs. 2 lit. k
VOL/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 3
VOL/A § 30 Abs. 1
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 107
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 107 Abs. 3 S. 1
GWB § 107 Abs. 2 S. 2
GWB § 108
GWB § 108 Abs. 2
GWB § 128 Abs. 3 S. 1
GWB § 128 Abs. 3 S. 2
GWB § 128 Abs. 4
VOB/A § 30 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung M. vom 25. September 2007, VK 20/07, aufgehoben und der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2) wird zurückgewiesen.

Die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer sowie die im Verfahren vor der Vergabekammer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) tragen die Antragstellerin und die Beigeladene zu 2), und zwar hinsichtlich der Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) zu je 50 %.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) werden der Antragstellerin und der Beigeladenen zu 2) zu je 50 % auferlegt.

Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) war im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 95.000 €

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb Entsorgungsdienstleistungen (Sammlung und Transport von Abfällen) einschließlich Behältergestellung und Behälterservice für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2011 europaweit aus. Der geschätzte Auftragswert beläuft sich auf ca. 400.000 € p.a..

Unter Ziff. 1.1 der Leistungsbeschreibung (Teil IV der Vergabeunterlagen) forderte die Antragsgegnerin, dass die einzusetzenden Müllsammelbehälter der DIN EN 840 entsprechen oder gleichwertig sind und mit einem Universal Bio-Filterdeckel des Herstellers B... oder einem gleichwertigen Produkt ausgestattet werden.

Zudem sollten die Bieter die Kompatibilität des von ihnen angebotenen Behältersystems mit dem Universal Bio-Filterdeckel oder eines Biodeckels gleicher Art mit dem Angebot schriftlich bescheinigen.

Neben weiteren Unternehmen beteiligten sich die Antragstellerin sowie die Beigeladenen zu 1) und 2) an der Ausschreibung. Von den insgesamt sechs eingereichten Angeboten lag das Angebot der Beigeladenen zu 1) auf dem ersten Rang, gefolgt vom Angebot der Beigeladenen zu 2). Die Antragstellerin belegte mit ihrem Angebot den dritten Rang. Allein das auf dem dritten Rang liegende Angebot der Antragstellerin enthielt folgende Erklärung:

"Zum Einsatz kommen Filterdeckel der Firma B..., M.. Alle eingesetzten Behälter (MGB) entsprechen den einschlägigen und angegebenen DIN Normen und sind kompatibel mit den Bio-Filterdeckeln der Firma B..., M., und den zum Einsatz kommenden Aufnahmesystemen der eingesetzten Sammelfahrzeuge und somit auch konform mit der Abfallsatzung der Stadt Greven."

Die Antragsgegnerin führte am 25.07.2007 die Prüfung und Wertung der Angebote durch und informierte die Bieter mit Schreiben vom 26.07.2007, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen.

Nachdem die Antragstellerin erfolglos gerügt hatte, dass das Angebot der Beigeladenen zu 1) ungewöhnlich niedrig sei, hat sie ein Nachprüfungsverfahren angestrengt. Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag durch den angefochtenen Beschluss stattgegeben und die Antragsgegnerin verpflichtet, die Wertung der Angebote unter Ausschluss der Angebote der Beigeladenen zu 1) und 2) zu wiederholen. Zur Begründung hat sie darauf abgestellt, dass die Angebote der Beigeladenen die geforderte Kompatibilitätserklärung nicht enthielten.

Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 1) und 2) sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Antragsgegnerin hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig. Das Rügeschreiben vom 01.08.2007 und der Nachprüfungsantrag seien unzureichend begründet. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin erhobene Rüge eines Wertungsfehlers bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bilde allein der Hinweis auf den kurzen Zeitraum zwischen Submission und Vorabinformation kein geeignetes Indiz für einen Vergabeverstoß. Soweit die Antragstellerin die Preisbildung gerügt habe, komme den zugrunde liegenden Vorschriften keine bieterschützende Wirkung zu.

Der Nachprüfungsantrag sei jedenfalls unbegründet. Entgegen der Auffassung der Vergabekammer seien die Angebote der Beigeladenen nicht wegen fehlender Kompatibilitätsbescheinigungen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A auszuschließen. Aus dem Gesamtzusammenhang der die Müllbehälter und den Biofilterdeckel betreffenden Angaben der Vergabeunterlagen ergebe sich, dass nur diejenigen Bieter, die kein der DIN EN 840 entsprechendes Behältersystem und/oder nicht den Universal Bio-Filterdeckel der Firma B... einsetzen wollten, die Kompatibilität von Behältersystem und Filterdeckel bescheinigen sollten.

Die Beigeladene zu 1) begehrt die Aufhebung des Beschlusses und die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Auch sie macht geltend, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei, da er nicht den Vorgaben der §§ 108 Abs. 2, 107 Abs. 2 GWB entspreche und die Rügeobliegenheit nicht erfüllt sei. Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf ihr Angebot sei vergaberechtsfehlerfrei.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

den Beschluss der Vergabekammer M. aufzuheben und den Antrag auf Einleitung des Nachprüfungsverfahrens als zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) begehrt eine Neuwertung der Angebote unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu 1). Ihr Angebot sei im Gegensatz zum Angebot der Beigeladenen zu 1) nicht wegen einer fehlenden Kompatibilitätsbescheinigung von der Wertung auszuschließen. Sie habe unter Beteiligung der Antragsgegnerin an der Einführung der Bio-Filterdeckel mitgewirkt, so dass die Kompatibilität ihres Systems der Antragsgegnerin hinlänglich bekannt sei. Daher sei die Vergleichbarkeit ihres Angebots mit den übrigen Angeboten, insbesondere mit dem der Antragstellerin gewährleistet, ohne dass es einer gesondert einzureichenden Bescheinigung bedurft habe.

Sie beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer teilweise aufzuheben, soweit er den Ausschluss ihres Angebotes betrifft.

Die Antragstellerin verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Ihr Nachprüfungsantrag sei von der Vergabekammer zu Recht als zulässig und begründet angesehen worden. Der Antrag genüge den Anforderungen der §§ 107, 108 GWB. Die von ihr gerügten Wertungsfehler bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote seien durch den sehr kurzen Wertungszeitraum indiziert gewesen, so dass es sich insoweit nicht um einen willkürlichen Vortrag "ins Blaue hinein" handele. Da die Angebote der Beigeladenen die geforderten Kompatibilitätserklärungen nicht enthielten, habe die Vergabekammer zu Recht den Ausschluss von der Wertung angeordnet. Darüber hinaus seien sowohl das Angebot der Beigeladenen zu 1) als auch das der Beigeladenen zu 2) wegen Fehlens von Bescheinigungen über die Entrichtung von Grund- und Gewerbesteuern auszuschließen. Überdies habe die Beigeladene zu 2) nur eine Bestätigung des unzuständigen Finanzamtes Gütersloh beigebracht. Bei beiden Angeboten stehe zudem der Preis in einem offenbaren Missverhältnis zur angebotenen Leistung, so dass auch aus diesem Grund ein Wertungsausschluss erfolgen müsse.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortigen Beschwerden zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf die zu Informationszwecken beigezogenen Akten der Vergabekammer sowie die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) haben Erfolg. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) zu erteilen, hat die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2) ist dagegen unbegründet.

1.a. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

aa. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) ist die Antragstellerin ihrer Rügeverpflichtung nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ausreichend nachgekommen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.2.2005, VII-Verg 92/04, Umdruck, S. 4; Beschluss vom 19.07.2006, VII-Verg 27/06, Umdruck Bl. 10 f.) bedarf es gemäß § 107 Abs. 2 GWB der konkreten Darlegung mindestens eines Vergaberechtsverstoßes, um den Zugang zu einem Nachprüfungsverfahren zu erhalten. Hierfür reicht die völlig vage und pauschale Behauptung einer Rechtsverletzung nicht aus. Nur wenn eine den Maßstäben des § 107 Abs. 2 GWB genügende Darlegung der Verletzung von Bieterrechten das Nachprüfungsverfahren eröffnet hat, können andere Vergaberechtsverletzungen zum Gegenstand desselben Nachprüfungsverfahrens gemacht werden, mögen diese bis dahin auch nur andeutungsweise oder gar nicht im Streit gewesen und erst im Verlaufe der Vergabenachprüfung zu Tage getreten sein. Um sich seine diesbezüglichen Rechte zu sichern, ist der Antragsteller sodann auch nicht gehalten, die zunächst zulässigerweise vorgebrachten Rügen bis zum Verfahrensende weiterzuverfolgen.

Nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ist der Antrag ferner unzulässig, soweit der Antragsteller den gerügten Verstoß bereits im Vergabeverfahren erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht unverzüglich gerügt hat. Die Tatbestandsmerkmale des § 107 Abs. 3 GWB müssen für jeden Vergabeverstoß gesondert dargelegt und geprüft werden.

Im Streitfall ist jedenfalls die Rüge, bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote seien Wertungsfehler unterlaufen, in zulässiger Weise von der Antragstellerin angebracht worden.

Die Rüge erfolgte unverzüglich, nämlich unmittelbar nach Kenntnisnahme vom behaupteten Vergaberechtsverstoß durch den Zugang des Informationsschreibens am 30.07.2007. Damit der öffentliche Auftraggeber in die Lage versetzt wird, die gerügten Mängel abzustellen, muss der Rüge eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein (OLG München, Beschluss vom 11.06.2007, Verg 6/07, VergabeR 2007, 684; Byok in Byok/Jaeger, Kommentar zum Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdnr. 991). Die Vergabestelle muss erkennen können, um welchen Verstoß es sich handelt, weil sie nur so Abhilfe schaffen kann. Deshalb sind Rügen unzulässig, die pauschal die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens angreifen oder ohne Substanz auf bloßen Verdacht hin ins Blaue erhoben werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.04.2003, VII-Verg 66/02; OLG Jena, Beschl. vom 06.12.2006, 9 Verg 8/06; Byok in Byok/Jaeger aaO.).

Nach diesen Grundsätzen ist die Rüge der Antragstellerin als ausreichend substantiiert anzusehen. Indem sie Wertungsfehler bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung geltend macht, hat sie die Wertung der Antragsgegnerin generell in Frage gestellt und damit eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung erhoben. Der von der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) erhobene Einwand, das Vorbringen der Antragstellerin erschöpfe sich in Vermutungen, die jegliche Substanz vermissen ließen, ist unzutreffend. Die Antragstellerin hat zur Begründung ihrer Rüge ausdrücklich auf den kurzen Zeitraum zwischen der Submission am 25.07.2007 und der bereits mit Schreiben vom 26.07.2007 mitgeteilten Zuschlagsentscheidung hingewiesen und damit einen tatsächlichen Anhaltspunkt aufgezeigt, der aus ihrer Sicht einen Vergaberechtsverstoß nahe legt.

Da durch diese Darlegung einer Verletzung von Bieterrechten das Nachprüfungsverfahren eröffnet ist, kann dahinstehen, ob den der Preisprüfung zugrundeliegenden Vorschriften der §§ 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A, deren Verletzung die Antragstellerin in ihrem Rügeschreiben darüber hinaus geltend macht, ein bieterschützender Charakter zukommt.

Die Rüge der Antragstellerin ist auch gemessen an der in den Beschlüssen des Oberlandesgerichts München vom 02. und 07. August 2007 - Verg 7/07 und Verg 8/07 - aufgestellten Voraussetzung, wonach die geltend gemachte Rechtsverletzung nicht bloß behauptet werden dürfe, sondern durch Indizien fundiert werden müsse, als ausreichend substantiiert anzusehen. Der von der Antragstellerin erhobene Vorwurf, bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung seien Wertungsfehler unterlaufen, erschöpft sich nicht in einem bloßen Verdacht, sondern erfährt - wie vom Oberlandesgericht München gefordert - durch den Hinweis auf den kurzen Zeitraum zwischen der Submission und der Zuschlagsentscheidung eine tatsächliche Untermauerung.

bb. Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Ihr Interesse am Auftrag hat sie schon durch die Abgabe ihres Angebots ausreichend belegt. Sie hat zudem geltend gemacht, dass sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften und den beabsichtigten vergaberechtswidrigen Vertragsschluss verletzt werde. Nach § 107 Abs. 2 S. 2 GWB ist zudem darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Der Schaden besteht darin, dass durch den beanstandeten Vergaberechtsverstoß die Aussichten auf den Zuschlag zumindest verschlechtert worden sein können (BVerfG, NZBau 2004, 564; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, 45; NZBau 2002, 634, 636; Beschluss vom 25.06.2003 - Verg 26/03, Umdruck S. 3). Da die Antragstellerin hinter den Angeboten der Beigeladenen zu 1) und 2), deren Ausschluss sie begehrt, auf Rang drei der Angebotswertung liegt, ist eine Beeinträchtigung ihrer Zuschlagschance zu bejahen.

cc. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) ist der Nachprüfungsantrag auch nicht wegen einer den Formerfordernissen des § 108 Abs. 2 GWB nicht entsprechenden Begründung unzulässig. Nach dieser Vorschrift muss die Begründung eines Nachprüfungsantrags die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen, dass eine Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist. Mit den geforderten Angaben soll eine möglichst zügige Herbeiführung der Entscheidungsreife erzielt werden. Hierbei dürfen die Anforderungen an die Bieter nicht überspannt werden. Allerdings ist ebenso wie bei den Anforderungen an die Rüge ein Mindestmaß an Substantiierung einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus. Der Antragsteller hat zumindest Indizien oder tatsächliche Anhaltspunkte aufzuzeigen, die ihn zu dem Schluss bewogen haben, die Vergabestelle habe sich rechtswidrig verhalten (Byok, aaO., § 108 Rdnr. 1004). Diesen Grundsätzen genügt der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, mit dem sie zunächst - bevor sie nach Akteneinsicht weitere Vergaberechtsverstöße geltend gemacht hat - ebenso wie in ihrem Rügeschreiben unter Hinweis auf den kurzen Zeitraum zwischen Submission und Zuschlagsentscheidung die Wirtschaftlichkeitsprüfung als nicht ordnungsgemäß angegriffen hat. Damit hat sich die Antragstellerin unter Schilderung eines verständlichen Sachverhaltes auf eine konkrete Rechtsverletzung berufen, so dass in formaler Hinsicht eine hinreichend substantiierte Begründung des Antrags vorliegt.

b. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist aber unbegründet.

Die Angebote der Beigeladenen zu 1) und 2) sind weder wegen des Fehlens von Kompatibilitätsbescheinigungen noch von für die Eignungsprüfung geforderter Erklärungen von der Wertung auszuschließen. Auch scheidet eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch eine fehlerhafte Prüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A aus.

aa. Die Angebote der Beigeladenen zu 1) und 2) sind nicht aus der Wertung zu nehmen, weil diese die unter Ziff. 1. der Leistungsbeschreibung geforderten Bescheinigungen über die Kompatibilität des angebotenen Behältersystems mit dem angebotenen Filterdeckel nicht beigebracht haben.

Dort heißt es:

"Für das Einsammeln der Bioabfälle hat der Auftragnehmer das erforderliche Behältersystem auf seine Kosten zu stellen und die Kompatibilität mit dem Sammelfahrzeug zu gewährleisten. Das Behältersystem muss den Vorgaben in § 10 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt Greven vom 19.12.2002 entsprechen. Die benötigten Behältergrößen und Behälterstückzahlen können dem Mengengerüst entnommen werden. Alle Behälter entsprechen der gängigen Norm DIN EN 840 oder gleichwertig.

Alle MGB sind mit dem Universal Bio-Filterdeckel der Fa. B... ... oder einem Deckel gleichwertiger Art umzurüsten und in dieser Kombination während der Vertragslaufzeit dauerhaft zu betreiben. Die Gleichwertigkeit hat der Bieter mit seinem Angebot darzulegen...

Die Kompatibilität des vom Bieter angebotenen Behältersystems mit dem Universal Bio-Filterdeckel oder eines Biodeckels gleicher Art hat der Bieter mit seinem Angebot schriftlich zu bescheinigen."

Es kann dahinstehen, ob es sich bei der geforderten Kompatibilitätsbescheinigung um einen Eignungsnachweis handelt, dessen Fehlen einen Ausschluss des Angebots nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nach sich zieht, oder um eine beim Fehlen zum Angebotsausschluss gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A führende Erklärung im Sinne von § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A.

Zwar haben die Beigeladenen zu 1) und 2) im Gegensatz zur Antragstellerin ihren Angeboten eine ausdrückliche Kompatibilitätsbescheinigung in Form einer Eigenerklärung nicht beigefügt. Die vorstehend auszugsweise wiedergegebenen Ausschreibungsbedingungen sind jedoch nicht eindeutig so zu verstehen, dass eine solche Erklärung zwingend beigebracht werden musste.

Die Ausschreibungsbedingungen sind insofern auszulegen. Den Maßstab bildet die Sicht eines verständigen Bieters (st. Rspr. des Senats). Danach hat zu gelten:

Aus dem Gesamtkontext der die Müllsammelbehälter und den Biofilterdeckel betreffenden Passagen der Leistungsbeschreibung ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Vorlage einer Kompatibilitätsbescheinigung nur von denjenigen Bietern forderte, die kein der DIN EN 840 entsprechendes Behältersystem und/oder nicht den Bio-Filterdeckel des Herstellers B... einsetzen wollten. Ein solches Verständnis war zumindest möglich.

Den Vergabeunterlagen liegt die Annahme zugrunde, dass der Bio-Filterdeckel des Herstellers B... bei Behältern mit einem Fassungsvermögen von 120 ltr. und 240 ltr., die der DIN EN 840 unterfallen, ohne weiteres zum Einsatz kommen kann. Dieses folgt schon aus der Erläuterung in Teil IV, Ziff. 1.3 2. Abs. der Leistungsbeschreibung:

"Der Universal Bio Filterdeckel der Fa. B... mit seiner Universalaufhängung ist für die gängigen MGB der DIN EN 840 entwickelt und einsetzbar. Für den Behälterbestand in der Stadt Greven sind das die MGB der Größen von 120 ltr. Und 240 ltr."

Dieses Verständnis wurde während des laufenden Vergabeverfahrens von allen Bietern geteilt. Auch die Antragstellerin gesteht in ihrem Schriftsatz vom 12. November 2007 ausdrücklich zu, dass die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen die Kompatibilität von der DIN EN 840 entsprechenden Müllbehältern und dem Universal Bio-Filterdeckel in zutreffender Weise vorausgesetzt habe. Soweit sie im Termin zur mündlichen Verhandlung und mit ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 19. Dezember 2007 dagegen angeführt hat, dass nach einer ihr erteilten Auskunft des Herstellers die Kompatibilität des Universal Bio-Filterdeckels mit den meisten, nicht aber mit allen Müllbehältern nach der DIN EN 840 gegeben sei, kommt es nicht darauf an, ob der Universal Bio-Filterdeckel ohne weiteres mit sämtlichen oder sämtlichen gängigen Müllbehältern der DIN EN 840 einsetzbar ist. Allein entscheidend ist, dass zwischen den in der streitgegenständlichen Ausschreibung nachgefragten Müllbehältern und dem in Rede stehenden Filterdeckel Kompatibilität bestand. Dass dieses der Fall ist, ergibt sich sowohl aus der von der Antragsgegnerin vorgelegten Bescheinigung des Herstellers vom 11. Oktober 2007, in der bescheinigt wird, dass die Biofilterdeckel insbesondere auf die in der Ausschreibung nachgefragten Müllbehälter - gemeint sind die Müllbehälter in den Größen 120 und 240 ltr. - passen, als auch aus der mit dem nachgelassenen Schriftsatz der Antragsgegnerin überreichten Erklärung des Herstellers vom 20. Dezember 2007, in der ausdrücklich bestätigt wird, dass die Bio-Filterdeckel in sämtlichen Müllbehältern der Größen 120 und 240 ltr. zum Einsatz kommen können.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind allein diese Größen Gegenstand der Ausschreibung. Zwar hat die Antragsgegnerin in der Beschreibung der Abfallentsorgung unter Teil A, Ziff. 1 der Vergabeunterlagen darauf hingewiesen, dass den Bürgern für den Restabfall Müllbehälter mit einem Fassungsvolumen von 40-60-80-120-240 ltr. zur Verfügung stehen. Auch in dem unter Ziff. 5 beschriebenen Mengengerüst wird nach Fassungsvolumina von 40, 60, 80 120 und 240 ltr. differenziert. Das geringe Behältervolumen von 40-60-80 ltr. wird ausweislich der jeweils folgenden Erläuterung aber durch einen Kunststoffeinsatz in einem Müllbehälter von 120 ltr. Fassungsvermögen erreicht. Damit steht fest, dass ausschließlich Müllbehälter in den Größen 120 und 240 ltr. zum Einsatz kommen, die 120 ltr. fassenden Behälter aber bei Bedarf für ein geringeres Aufnahmevolumen umgerüstet werden können.

Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 31. Dezember 2007 auf die als Anlage beigefügte Telefonnotiz einer Mitarbeiterin verweist, aus der hervorgeht, dass ausweislich der Auskunft eines Mitarbeiters der Firma B... keine Kompatibilität zu Müllbehältern des Herstellers Henkel bestehe, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus dem Inhalt des Vermerks, dass die Müllbehälter des Herstellers Henkel der DIN EN 840 entsprechen.

Somit steht dieses Vorbringen der Annahme nicht entgegen, dass Universal Bio-Filterdeckel kompatibel mit allen der DIN EN 840 entsprechenden Müllbehältern in den Größen 120 und 240 ltr. ist. Auch die Ausführungen in der Homepage der Firma B... geben keinen Anlass, die für die in Rede stehenden Kombinationen von Deckel und Behälter angenommene Kompatibilität in Frage zu stellen. Zwar sichert der Hersteller dort nur die "problemlose und schnelle Montage auf alle gängigen" und nicht für ausnahmslos alle Behältersysteme zu. Hierbei handelt es sich aber um eine allgemein gehaltene Produktbeschreibung, während die von der Antragstellerin vorgelegten Bescheinigungen des Herstellers sich auf die spezielle Kombination von Universal Bio-Filterdeckeln und der DIN EN 840 gemäßen Behältern beziehen. Eine Zweideutigkeit oder gar ein Widerspruch zwischen diesen Aussagen besteht somit im Ergebnis nicht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ergeben sich angesichts des Inhalts der vom Hersteller stammenden Erklärungen auch keine Zweifel daran, dass der Hersteller sich darin umfassend und eindeutig zum Merkmal der Kompatibilität in dem der Ausschreibung zugrundeliegenden Sinne geäußert hat. Die in den Vergabeunterlagen geforderte und für die spezielle Kombination von Universal Bio-Filterdeckeln mit der DIN EN 840 entsprechenden Müllbehältern der Größen 120 und 240 ltr. vorausgesetzte Kompatibilität betrifft die Frage, ob der Deckel den Müllbehälter derart verschließt, dass die von der Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung hervorgehobenen Eigenschaften des Universal Bio-Filterdeckels auch zum Tragen kommen können. Nur bei einer passgenauen Übereinstimmung kann durch die dauerelastische Randdichtung des Deckels das Gefäß derart abgedichtet werden, dass der vorgesehene Luftaustausch ausschließlich über den Filter funktioniert und ein Eindringen madenbildender Insekten verhindert wird. Sowohl die Erklärung des Herstellers vom 11. Oktober 2007, in der das "Passen" von Deckel und Behältern bestätigt wird, als auch die vom 20.12.2007, die die Formulierung "zum Einsatz kommen kann" enthält, stellen darauf ab, dass die Abmessungen des Universal Bio-Filterdeckels und der DIN EN 840 entsprechenden Behältern einen luftdichten Abschluss und damit das Funktionieren des Filtersystems ermöglichen.

Da nicht nur nach der Vorstellung der Antragsgegnerin, sondern auch aus der Sicht eines verständigen Bieters den Vergabeunterlagen die Annahme zugrunde liegen konnte, dass der DIN EN 840 entsprechende Behältern und der Universal Bio-Filterdeckel ohne weiteres miteinander zum Einsatz kommen können, bestand ein Bedürfnis der Antragsgegnerin für eine ausdrückliche Bestätigung der Kompatibilität somit nur dann, wenn ein Bieter nicht DIN - gemäße, sondern nur gleichwertige Behälter und/oder gleichwertige Filterdeckel statt des Universal Bio-Filterdeckels anbieten wollte. Beim Angebot der Kombination von Universal Filterdeckel und DIN EN 840 - gemäßen Behältern ging die Antragsgegnerin dagegen von der geforderten Kompatibilität aus. Eine gesonderte, ausdrückliche Erklärung erschien sowohl aus der aus der Sicht eines verständigen Bieters als auch nach dem erkennbaren Willen der Antragsgegnerin dann unnötig und überflüssig, da mit einer solchen kein Erkenntnisgewinn, gleichwohl aber ein Prüfungsaufwand verbunden gewesen wäre.

Zwar enthalten die Angebote der Beigeladenen zu 1) und 2) keine ausdrücklichen Angaben zum Hersteller der Filterdeckel und zur DIN-Konformität der Behälter. Die Auslegung ihrer Angebote ergibt jedoch, dass sie ebenso wie die Antragstellerin den Universal Bio-Filterdeckel des Herstellers B... und der DIN EN 840 entsprechende Behälter und damit diejenige Kombination angeboten haben, für die die Vergabeunterlagen die Kompatibilität voraussetzten. Eine ausdrückliche Bescheinigung dieses Umstandes war demnach von ihnen nicht gefordert, so dass ihre Angebote insoweit nicht unvollständig sind.

Maßstab der Auslegung ist, wie ein mit den Umständen des Einzelfalles vertrauter Dritter in der Lage der Vergabestelle das Angebot nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste oder durfte (BayObLG, VergabeR 2002, 77).

Die Antragsgegnerin hat in der Leistungsbeschreibung in zulässiger Weise einen bestimmten Bio-Filterdeckel des Herstellers B... sowie der DIN EN 840 entsprechende Müllbehälter und damit Leitfabrikate nachgefragt (§ 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A). Vom Gebot der Produktneutralität kann abgewichen werden, wenn dies ausnahmsweise durch die Art der geforderten Leistung gerechtfertigt ist (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2003, 1 Verg 2/03). Bei der Frage, ob ausnahmsweise entsprechende Spezifizierungen gerechtfertigt sind, steht dem Auftraggeber ein Beurteilungsermessen zu (Prieß in Kulartz/Marx,/Portz/Prieß, § 8 VOL, Rdnr. 131). Die Antragsgegnerin hat durch die ausführliche Beschreibung der spezifischen Funktionsweise in Teil C der Leistungsbeschreibung ihr legitimes Interesse an dem Bio-Filterdeckel des Herstellers B... dargelegt. Die Vorgabe der DIN-Konformität der Müllbehälter ist bereits wegen deren Kompatibilität zu den nachgefragten Deckeln berechtigt.

Die Gestaltung der vom Bieter auszufüllenden Leistungsbeschreibung, in der ausschließlich die jeweiligen Stück- und Gesamtpreise für die verschiedenen Entsorgungsparten nachgefragt wurden und gesonderte Erklärungen zu den angebotenen Deckeln und Müllbehältern nicht vorgesehen waren, verdeutlicht die Erwartung der Auftraggeberin, dass im Regelfall die zulässigerweise ausgeschriebenen Leitfabrikate angeboten werden und nur die zugelassenen Abweichungen, nämlich diesen gleichwertige Produkte besonders gekennzeichnet werden sollten. Ein Angebot, in dem der Bieter die vorgesehenen Preisangaben getätigt und keine weiteren Angaben und Ergänzungen vorgenommen hat, enthält keinen über den von der Antragsgegnerin selbst festgelegten hinausgehenden Erklärungsinhalt und ist nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte somit dahingehend zu verstehen, dass die vorgegebenen Leitfabrikate angeboten werden sollen.

bb. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt auch nicht eine Unklarheit des Angebots der Beigeladenen zu 1) über die Person des Bieters zu einem Wertungsausschluss. Die Antragsgegnerin hatte keinen Anlass darüber aufzuklären, ob innerhalb des Angebots der Beigeladenen zu 1) auf zwei (selbständige) Niederlassungen abgestellt wird und damit unter Umständen zwei Angebote vorliegen oder ein unklares Angebot mit zwei unselbständigen Niederlassungen. Der Inhalt des Angebots ist eindeutig. Die Beigeladene zu 1) hat ihren Sitz in B. und verfügt ausweislich der von ihr vorgelegten Zertifikate der ENVIZERT über Standorte in M. und C. mit jeweils angegliederten Wertstoffhöfen für verschiedene Abfallsorten, über die die ausgeschriebenen Leistungen tatsächlich abgewickelt werden sollen.

cc. Der Zuschlagsfähigkeit des Angebots der Beigeladenen zu 1) steht ferner nicht entgegen, dass es die für die Eignungsprüfung geforderten Erklärungen nicht enthält (§ 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.2006 - VII-Verg 38/05, VergabeR 2006, 547). Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOLA sind bei der Auswahl der Angebote, die für einen Zuschlag in Betracht kommen, nur diejenigen Bieter zu berücksichtigen, die die für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) besitzen. Fordert der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung mit dem Angebot die Vorlage geeigneter Unterlagen, sind diese mit dem Angebot einzureichen. Unterbleibt dies, unterliegt das Angebot in der zweiten Wertungsphase einem Ausschluss von der weiteren Wertung.

Der öffentliche Auftraggeber hat bereits in der Vergabebekanntmachung (§§ 17, 17 a VOL/A) anzugeben, welche Eignungsnachweise die Unternehmen vorzulegen haben (§ 7 a Nr. 3 Abs. 3 S. 1 VOL/A). Im offenen Verfahren muss er nach § 17 Nr. 3 Abs. 2 lit. k VOL/A darüber hinaus mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Anschreiben) diejenigen Eignungsnachweise (Unterlagen) bezeichnen, die von Unternehmen mit dem Angebot vorzulegen sind. Der Wortlaut der Norm spricht insoweit zwar nur davon, das Anschreiben "solle" insbesondere die mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen angeben. In Verbindung mit der Bestimmung in § 17 Nr. 3 Abs. 1 S. 1 VOL/A, wonach das Anschreiben (Aufforderung zur Angebotsabgabe) alle Angaben enthält, d.h. enthalten muss, die für den Entschluss zur Abgabe eines Angebots notwendig sind, hat der Auftraggeber die mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweise jedoch mit der Angebotsaufforderung zu wiederholen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.12.2007, VII Verg 34/07; Umdr. Bl. 5, so auch OLG Schleswig, Beschl. v. 22.4.2006 - 1 Verg 5/06, NZBau 2007, 257, 259 zur identischen Rechtslage nach der VOB/A). Freilich ist dabei die Bindung des öffentlichen Auftraggebers an die Festlegung von Eignungsanforderungen und -nachweisen in der Vergabebekanntmachung zu beachten. Mit der Angebotsaufforderung darf der Auftraggeber die in der Bekanntmachung angegebenen Erfordernisse lediglich konkretisieren, in der Sache aber nicht abändern oder ergänzen (ebenso OLG Schleswig a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.7.2003 - VII Verg 26/03).

Im Streitfall hat die Antragsgegnerin ausweislich der gleichlautenden Ausführungen unter Abschnitt III.2.1 der Vergabebekanntmachung (rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen) und Ziff. 1.19 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Teil B der Vergabeunterlagen) die Bieter zur Vorlage einer "Zertifizierung nach der Entsorgungsfachbetriebsverordnung (§ 52 Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetz) oder vergleichbar" sowie zur "Bescheinigung der zuständigen Stelle(n), aus denen hervorgeht, dass der Bieter seine Verpflichtungen zur Zahlung der Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung nach den Rechtsvorschriften des Landes, in dem er ansässig ist, erfüllt hat" aufgefordert.

Soweit die Antragstellerin moniert, die Beigeladene zu 1) habe keine Zertifizierung nach der Entsorgungsfachbetriebsverordnung für die Niederlassung B. vorgelegt, war dieses auch nicht erforderlich. Die Beigeladene zu 1) hat ihren Sitz in B.. Die Einhaltung der Anforderungen der Entsorgungsfachbetriebsverordnung wird aber gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 dieser Verordnung standort- bzw. anlagenbezogen erteilt. Da die Beigeladene zu 1) für die Standorte M. und C. die verlangten Zertifizierungen beigebracht hat, ist davon auszugehen, dass die ausgeschriebenen Leistungen ausschließlich an bzw. durch diese Standorte, nicht dagegen am Sitz der Beigeladenen zu 1) erbracht werden sollen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt es auch nicht zum Wertungsausschluss, dass dem Angebot der Beigeladenen zu 1) Bescheinigungen der Gemeinden M. und C. über die ordnungsgemäße Entrichtung der Gewerbe- sowie der Grundsteuer für die dortigen Liegenschaften nicht beigefügt worden waren.

Den Angaben zu den mit dem Angebot vorzulegenden Eignungsnachweisen lässt sich nicht mit der für eine rechtliche Verbindlichkeit erforderlichen Eindeutigkeit und Bestimmtheit entnehmen, dass Bestätigungen über die Entrichtung von Grund- und Gewerbesteuern vorzulegen waren. Ausdrücklich waren diese Steuerarten in der Forderung, dass die Bieter die Erfüllung ihrer steuerlichen Verpflichtungen durch Bescheinigungen der zuständigen Stellen nachzuweisen hätten, nicht aufgeführt. Da mit den einzureichenden Unterlagen die Zuverlässigkeit der bietenden Unternehmen nachgewiesen werden sollte, erschien es aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Bieters erforderlich, aber auch ausreichend, durch die Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes nachzuweisen, dass bei der Abführung von Umsatz- und Lohnsteuer, d.h. bei den wirtschaftlich und damit für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutendsten Steuerarten keine Rückstände bestehen.

dd. Die Antragstellerin ist auch nicht durch eine vergabefehlerhafte Prüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A in ihren Rechten verletzt worden. Nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A darf auf ein ungewöhnlich niedriges Angebot ein Zuschlag nicht erteilt werden, wenn dessen Preis in einem auffälligen Missverhältnis zu der zu erbringenden Leistung steht.

Es kann im Streitfall dahinstehen, ob die Bestimmungen in § 25 Nr. 2 Abs. 2 und 3 VOL/A bieterschützenden Charakter aufweisen (grundsätzlich verneinend: BayObLG, Beschl. v. 12.9.2000 - Verg 4/00, VergabeR 2001, 65, 69; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2000 - Verg 28/00, VergabeR 2001, 128 f., Beschl. v. 17. 6.2002 - Verg 18/02, NZBau 2002, 627 f.; bejahend: OLG Celle Beschl. v. 18.12.2003 - Verg 22/03, VergabeR 2004, 397, 405 f.; Thüringer OLG, Beschl. v. 22.12.99 - 6 Verg 3/99, NZBau 2000, 349, 352; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.10.2003- 1 Verg 2/03, NZBau 2004, 117, 118; offen lassend: BayObLG, Beschl. v. 3.7.2001 - Verg 13/02, NZBau 2003, 105, 107; BayObLG, Beschl. v. 2.8.2004 - Verg 16/04, VergabeR 2004, 743, 745). Diese Rechtsfrage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, weil die Voraussetzungen der Vorschriften nicht erfüllt sind. Es liegen weder ungewöhnlich niedrige Angebote vor noch kann ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem jeweiligen Preis der Angebots der Beigeladenen und der Leistung festgestellt werden.

Mit Recht hat die Antragsgegnerin von einer detaillierten Prüfung der Preisangebote der Beigeladenen zu 1) und 2) auf ihre Angemessenheit abgesehen. Ausweislich des Vermerks vom 24.05.2007 ist die Antragsgegnerin von einem geschätzten jährlichen Auftragswert von 342.500 € ausgegangen. Die Angebote der Beigeladenen lagen mit 376.718,43 und 388.896,47 € oberhalb dieser Schätzung, deren Angemessenheit von der Antragstellerin mit stichhaltigen Einwendungen nicht angegriffen worden ist.

Zudem betrug sowohl der preisliche Abstand des - niedrigsten - Angebots der Beigeladenen zu 1) zu dem nächsthöheren Angebot der Beigeladenen zu 2) als auch der Abstand zwischen diesem und dem nächstplatzierten Angebot eines dritten Bieters weniger als 20%, so dass im Streitfall die Aufgreifschwelle, die einen im Verhältnis zur angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert (vgl. Thüringer OLG BauR 2000, 396; BayObLG VergabeR 2004, 743; OLG Frankfurt/M, Beschl. v. 30.03.2001 - 11 Verg 4/04 - ; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2005, VII-Verg 77/04) nicht erreicht ist.

Hiervon ausgehend lagen nicht einmal erste Anzeichen für ein auffälliges Missverhältnis zwischen Preis und Leistung vor. Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Verdrängungsabsicht der Beigeladenen zu 1) und 2) gegenüber der Antragstellerin bzw. für die Gefahr der Verdrängung der Antragstellerin oder anderer Mitbewerber vom Markt sind nicht erkennbar. Die Antragstellerin trägt selbst nicht vor, dass sie vom angesprochenen Markt verdrängt zu werden drohe. Dies gilt ebenso dafür, dass die Erbringung der Leistung die Beigeladenen selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen könnten.

ee. Es kann dahinstehen, ob - wie die Beschwerde der Antragstellerin geltend macht - das Angebot der zweitplazierten Beigeladenen zu 2) wegen des Fehlens der Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes und damit einer für die Eignungsprüfung geforderten Erklärung dem Ausschluss von der Wertung unterliegt ( 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A). Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf den Ausschluss eines bestimmten Bieters, wenn sich dadurch ihre Zuschlagschancen nicht erhöhen. Da ausweislich der voranstehenden Ausführungen der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) ergehen darf, verbesserte der Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu 2) die Chance der Antragstellerin auf Erhalt des Zuschlags nicht. Eine fehlerhafte Bewertung des Angebots der Beigeladenen zu 2) verletzt die Antragstellerin somit nicht in ihren Rechten.

ff. Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine ungenügende Dokumentation des zur Überprüfung stehenden Vergabeverfahrens berufen.

Es ist ein Gebot der Transparenz des Vergabeverfahrens (§ 97 Abs. 1 GWB), dass der öffentliche Auftraggeber den Gang und die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens in den Vergabeakten dokumentiert. Die Dokumentation dient dem Ziel, die Entscheidungen der Vergabestelle transparent und sowohl für die Nachprüfungsinstanzen als auch für die Bieter überprüfbar zu machen. Zum Inhalt des Vergabevermerks bestimmen § 30 Nr. 1 VOB/A und § 30 Abs. 1 VOL/A übereinstimmend, dass die einzelnen Stufen des Verfahrens, die maßgeblichen Feststellungen und die Begründung der einzelnen Entscheidungen erfasst werden müssen. Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die in ihm mitgeteilten Gründe für getroffene Entscheidungen müssen so detailliert sein, dass sie für einen mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens vertrauten Leser nachvollziehbar sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.09.2001 - VII Verg 4/01; Beschl. v. 14.8.2003 - Verg 46/03; BayObLG, VergabeR 2002, 63, 69; VergabeR 2001, 65, 68; Brandenburgisches OLG, NZBau 2000, 44 f.).

Diese Vorgaben erfüllt der Vergabevermerk vom 25.07.2007, in dem die von der Antragsgegnerin als für ihre Entscheidung maßgeblich bezeichneten Gründe entgegen der Auffassung der Antragstellerin ausreichend dokumentiert sind. Insbesondere ergibt sich aus dem Vergabevermerk mit hinreichender Deutlichkeit, dass für die Entscheidung zugunsten des Angebots der Beigeladenen zu 1) allein der von ihr gebotene niedrigste Gesamtpreis ausschlaggebend war.

Jedenfalls ist die Antragstellerin durch einen etwaigen Dokumentationsmangel aber nicht in ihren Rechten verletzt worden. Ein Bieter kann seinen Nachprüfungsantrag nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel gerade auch auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.9.2001 - Verg 4/01; BayObLG, VergabeR 2002, 63, 69; VergabeR 2001, 65, 68). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Vielmehr war die Antragstellerin ohne weiteres in der Lage, allein auf der Grundlage der ihr bekannten Umstände des Vergabeverfahrens und der Zuschlagsentscheidung eine substantiierte Rüge zu erheben. Es ist ebenfalls weder ersichtlich noch von der Antragstellerin dargetan, dass sie für die - erst nach Akteneinsicht mögliche - weitergehende Begründung ihres Nachprüfungsantrags auf Informationen angewiesen gewesen wäre, die in der Vergabeakte nicht oder nur unzureichend dokumentiert waren.

2. Die zulässige sofortige Beschwerde der Beigeladenen zu 2) hat keinen Erfolg.

Ausweislich der voranstehenden Ausführungen darf der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot der Beigeladenen zu 1) ergehen. Die Beigeladene zu 2) kann demnach ihr Rechtsschutzziel, eine Neubewertung der Angebote unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu 1), nicht erreichen. Die auf die Wahrung ihrer Zuschlagschance gerichtete Beschwerde der Beigeladenen zu 2) ist somit als unbegründet abzuweisen, ohne dass es darauf ankommt, ob das Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht wegen einer fehlenden Kompatibilitätsbescheinigung aber aus anderen Gründen einem Ausschluss unterliegt.

3. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten geben keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (entsprechend § 156 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 128 Abs. 3 S. 1, 2, Abs. 4 GWB und §§ 91, 100 Abs. 1 ZPO (analog). Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 50 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 Abs. 6 VgV analog.

Ende der Entscheidung

Zurück