Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 46/06
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 241 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 25. August 2006 (VK 2-86/06) wird abgelehnt.

Der Antragstellerin wird aufgegeben, dem Beschwerdegericht bis zum 6. Oktober 2006 mitzuteilen, ob und mit gegebenenfalls welchen Anträgen das Rechtsmittel aufrechterhalten bleibt.

Gründe:

I. Die Antragstellerin bewarb sich für die Lose 28 und 31 der Ausschreibung von Berufsausbildungsmaßnahmen nach § 241 Abs. 2 SGB III (integratives Modell - Vergabenr. 152-06-26595) der B... um den Zuschlag. Der geschätzte Auftragswert liegt über 200.000 €. Den Zuschlag für beide Lose sollte letztlich die Beigeladene erhalten. Auf erfolglose Rüge stellte die Antragstellerin dagegen einen Nachprüfungsantrag, der auf folgendem Sachverhalt beruht:

Die Verdingungsunterlagen gaben hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Maßnahme vor (unter Ziffer B.2.3):

"Die Wochenstundenzahl beträgt einschließlich des Berufsschulunterrichtes 39 Zeitstunden ohne Pausen. Die wöchentliche Verteilung der Unterrichtsstunden orientiert sich am Ausbildungsrahmenplan".

Ziffer B. 4 enthielt die Bewertungsmatrix, die aus den jeweils mit Bewertungskriterien versehenen Wertungsbereichen "Integrationsstrategie und bisherige Integrationserfahrung" (I.), "Netzwerke" (II.), "Akquise" (III.), "Organisation und Durchführungsqualität" (IV.) und "Individuelle Förderplanung" (V.) bestand.

Zu dem Wertungskriterium I.3 wurde vorgegeben:

"Beschreiben Sie Ihre Vorgehensweise zur Unterstützung der Teilnehmer sowie der Betriebe bei der Integration in den regionalen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt".

Im Hinblick auf das Wertungskriterium IV.7 wurde folgende Anweidung erteilt:

"Stellen Sie beispielhaft je eine Unterrichtsstunde Stütz- und Förderunterricht dar und erläutern Sie die von Ihnen für eine Zielgruppe gewählte methodische und didaktische Vorgehensweise".

Gemäß Ziffer A.7 sollte die Bewertung des Konzeptinhaltes anhand der in der Bewertungsmatrix aufgeführten Kriterien erfolgen. Insoweit sollten folgende Bewertungsstufen gelten:

"0 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht nicht den Anforderungen.

1 Punkt: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht mit geringen Einschränkungen den Anforderungen.

2 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht den Anforderungen.

3 Punkte: Das Angebot des Bieters ist der Zeilerreichung in besonderer Weise dienlich."

In ihrem Angebot zu Los 28 verwies die Antragstellerin bei der Beschreibung ihrer Strategie zur Unterstützung der Teilnehmer auf "ihre Kooperationsbeziehungen mit führenden Unternehmen der Region, wie der Handelskette D..., den Stadtwerken S..., dem Zellstoffwerk S... der Firma M...-Anlagenbau T. u.a". Die Beigeladene nannte in ihrer Strategiedarstellung keine Namen von Firmen, sondern listete zahlreiche organisatorische Maßnahmen zur Unterstützung der Jugendlichen und der Betriebe auf.

Im Rahmen der zu dem Wertungskriterium IV.7 geforderten beispielhaften Unterrichtsdarstellung sah das Konzept der Antragstellerin zwei Unterrichtsstunden mit einer Gesamtdauer von 90 Minuten, das der Beigeladenen eine Unterrichtsunde à 60 Minuten vor.

In ihrem Angebot zu Los 31 verwendete die Antragstellerin in der tabellarischen Darstellung des Stützunterrichts verschiedene Abkürzungen, ohne dass sie ein Abkürzungsverzeichnis beigefügt hatte. Ihr Unterrichtsstundenkonzept legte eine Unterrichtssunde à 45 Minuten zugrunde, das Konzept der Beigeladenen sah wiederum eine Zeitstunde mit einer Erholungspause von 5 Minuten vor.

Die inhaltliche Bewertung der Angebote zu Los 24 bis 31 erfolgte durch die Prüfgruppe 2. Das Angebot der Antragstellerin zu Los 28 wurde bezüglich der Wertungskriterien I.3 und IV.7 jeweils mit einem Punkt, das Angebot der Beigeladenen jeweils mit 2 Punkten bewertet.

Die Wertung ergab, dass die Beigeladene zu Los 28 und zu Los 31 das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. Mit Schreiben vom 15.Mai 2006 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten sollte. Im Rahmen der auf die Rüge der Antragstellerin hin veranlassten Überprüfung korrigierte die Prüfgruppe die Wertung. Die Angebote der Antragstellerin erhielten hinsichtlich des Kriteriums IV.7 nunmehr jeweils 2 Punkte. Damit hatte die Antragstellerin die wirtschaftlichsten Angebote zu den Losen 28 und 31 abgegeben und sollte den Zuschlag erhalten.

Nachdem die Beigeladene gegen die beabsichtigte Vergabeentscheidung ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet hatte, ließ die Antragsgegnerin eine erneute Überprüfung der Wertung vornehmen. Diese gelangte zu dem Ergebnis, dass die ursprüngliche Bewertung korrekt gewesen sei. Gegen die ihr mitgeteilte Absicht der Antragsgegnerin, nunmehr der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen, strengte die Antragstellerin nach erfolgloser Rüge ein Nachprüfungsverfahren an.

Die Vergabekammer gab der Antragsgegnerin auf, eine erneute Bewertung der zu Los 28 eingegangenen Angebote vornehmen zu lassen und wies den weitergehenden, auf eine Neubewertung der Angebot zu Los 31 gerichteten Antrag zurück.

Sie begründete dies im wesentlichen folgendermaßen:

Die von der Prüfgruppe zu Los 28 vorgenommene Angebotswertung sei hinsichtlich der Kriterien I.3 und IV.7 beurteilungsfehlerhaft. Hinsichtlich des Kriteriums I. 3 habe die Prüfgruppe einen falschen Bewertungsmaßstab angelegt und die Angebote ungleich behandelt. Hinsichtlich des Kriteriums IV.7 habe die Prüfgruppe die der Bewertung des Angebotes der Antragstellerin zu Recht zugrunde gelegten Maßstäbe nicht auf das Angebot der Beigeladenen angewandt. So habe sie nicht berücksichtigt, ob das Konzept der Beigeladenen die geringe Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer angemessen berücksichtige und ob die Darstellung einer Zeitstunde durch die Beigeladene ein hinreichend schlüssiges Konzept für eine mit 45 Minuten anzusetzende Unterrichtsstunde beinhalte. Dieser Zeitraum werde üblicherweise in Deutschland nicht nur im allgemeinen staatlichen Schulbereich, sondern regelmäßig im pädagogischen Lehrbetrieb zugrunde gelegt. Ein verständiger Bieter habe den in den Verdingungsunterlagen verwandten Begriff der Unterrichtsstunde demnach nur dahingehend verstehen dürfen, dass für eine Unterrichtseinheit ein Zeitraum von 45 Minuten zu veranschlagen sei.

Dagegen sei die Bewertung des Angebotes der Antragstellerin zu Los 31 in Bezug auf das Wertungskriterium IV.7 beurteilungsfehlerfrei. Die verwandten Abkürzungen seien teilweise unklar gewesen. Dieses habe bei der inhaltlichen Bewertung des Angebotes berücksichtigt werden dürfen.

Die Antragstellerin und die Beigeladene haben gegen die Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt, die die Antragstellerin mit einem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels verbunden hat.

Sie macht geltend, dass die zurückweisende Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und im Hinblick auf die zu Los 31 eingegangenen Angebote eine Neubewertung vorzunehmen sei. Insoweit sei die Bewertung des Angebotes der Beigeladenen zu dem Kriterium IV.7 beurteilungsfehlerhaft erfolgt. Die Beigeladene habe auch in dem Angebot zu Los 31 ihrem Unterrichtskonzept eine Zeitstunde zugrunde gelegt. Die von der Vergabekammer festgestellten Beurteilungsfehler seien demnach nicht nur bei der Wertung des Angebotes zu Los 28, sondern auch bei der Wertung des Angebotes zu Los 31 aufgetreten.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, die beigezogenen Akten der Vergabekammer und die Vergabeakten Bezug genommen.

II. Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde ist abzulehnen, weil das Rechtsmittel voraussichtlich keinen Erfolg hat (vgl. § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 1 GWB).

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch darauf, dass die zu Los 31 eingegangenen Angebote einer erneuten Bewertung unterzogen werden.

Die von der Prüfgruppe vorgenommene Wertung des Angebotes der Beigeladenen ist nicht deswegen fehlerhaft, weil unberücksichtigt blieb, ob sich der Darstellung einer 60-minütigen Unterrichtsstunde auch ein schlüssiges Konzept für eine Unterrichtsstunde mit 45 Minuten entnehmen lässt. Zwar ist unstreitig, dass dem Konzept der Beigeladen auch zu Los 31 eine Unterrichtstunde von 60 Minuten Dauer mit einer 5-minütigen Erholungspause zugrunde lag. Der Antragstellerin ist somit zuzugeben, dass bei der Wertung der Angebote zu Los 31 - ebenso wie bei der zu Los 28 - eine Überprüfung des Konzepts anhand des vorstehend genannten Kriteriums unterblieben ist. Die dieser Anforderung an die Bewertung zugrundeliegende Prämisse der Vergabekammer, der in den Verdingungsunterlagen verwandte Begriff der Unterrichtsstunde müsse von einem verständigen Bieter als ein Zeitraum von 45 Minuten verstanden werden, teilt der Senat aber nicht.

Die Verdingungsunterlagen enthalten keine ausdrücklichen Vorgaben zur Dauer einer Unterrichtsstunde. Soweit in Ziffer B.2.3 der Verdingungsunterlagen 39 Wochenstunden vorgesehen sind und darauf hingewiesen wird, dass sich die wöchentliche Verteilung der Unterrichtsstunden am Ausbildungsplan orientiert, ergibt sich daraus kein Gegensatz zwischen Zeit - und Unterrichtsstunde. Die Bestimmung lässt offen, wie viele Unterrichtsstunden in die Gesamtwochenstundenzahl zu integrieren sind, so dass Rückschlüsse auf den Inhalt des Begriffs der Unterrichtsstunde nicht möglich sind. Auch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und Begriffsverständnis kann nicht davon ausgegangen werden, dass trotz fehlender ausdrücklicher Festlegung in den Verdingungsunterlagen eine Unterrichtsstunde ausschließlich mit 45 Minuten zu veranschlagen ist. Dieser Zeitraum wird zwar für den Bereich der staatlichen Grund -, Haupt - und weiterführenden Schulen in Deutschland üblicherweise zugrunde gelegt. Dass auch im Bereich der Berufsausbildung, insbesondere bei den fachpraktischen Übungen eine Unterrichtsstunde immer mit 45 Minuten angesetzt werden muss, lässt sich dagegen nicht feststellen und erscheint insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis, praktische Fertigkeiten zu vermitteln, die der Einübung bedürfen, auch nicht sinnvoll.

Die speziellen Bedürfnisse des Teilnehmerkreises zwingen ebenfalls nicht zu der von der Vergabekammer vorgenommenen Auslegung der Verdingungsunterlagen. Zwar besteht die Zielgruppe der ausgeschriebenen Fördermaßnahmen gemäß Ziffer B.2.2 der Verdingungsunterlagen aus Lernbeeinträchtigten und sozial benachteiligten Personen, so dass die Bieter bei der Konzeption ihres Unterrichtsangebotes von einer unterdurchschnittlichen Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer ausgehen mussten. Dieser Schwäche der Teilnehmer kann aber nicht nur durch die Dauer des Unterrichts begegnet werden. Es sind neben der zeitlichen Gestaltung, insbesondere auch durch die Einplanung von Pausen, andere methodische und didaktische Ansätze vorstellbar, durch die auf die besonderen Bedürfnisse der Teilnehmer eingegangen werden kann. Der verständige Bieter musste demnach nicht davon ausgehen, dass ausschließlich in 45-minütigen Unterrichtseinheiten die eingeschränkte Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer hinreichend berücksichtigt werden kann.

Ein Bewertungsfehler kann schließlich auch nicht darin gesehen werden, dass - wie die Antragstellerin vorträgt - bei der Wertung des Angebotes der Beigeladenen zu Los 31 ungeprüft blieb, ob ihr Konzept einer geringen Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer angemessen Rechnung trägt. Allein der Umstand, dass die Prüfgruppe offensichtlich gegen die zugrunde gelegte Unterrichtsdauer von 60 Minuten keine grundsätzlichen Bedenken hatte, belegt nicht, dass sie den Gesichtspunkt der eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit außer Betracht gelassen hat. Aus den voranstehenden Überlegungen folgt vielmehr, dass auch eine 60-minütige Unterrichtseinheit den Bedürfnissen des Teilnehmerkreises gerecht werden kann.

Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass bei der Überprüfung des von der Beigeladenen vorgestellten Konzeptes auf Schlüssigkeit und Eignung dessen Vereinbarkeit mit der geringen Konzentrationsfähigkeit der Teilnehmer nicht geprüft wurde, sind weder ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen.

Insbesondere die in den Gründen des Beschlusses wiedergegebene Äußerung von Frau P... als Mitglied der Prüfgruppe in der mündlichen Verhandlung, das von der Beigeladenen in ihrem Angebot zu Los 28 zu dem Kriterium IV.7 vorgestellte Konzept sei unter methodisch-didaktischen Gründen als schlüssig bewertet worden, versteht der Senat abweichend von der Vergabekammer nicht als Hinweis darauf, dass der Aspekt der geringen Konzentrationsfähigkeit nicht ausreichend Beachtung gefunden hat. Vielmehr kann die Prüfung eines Unterrichtskonzepts auf seine Schlüssigkeit nur anhand der durch die konkreten Bedürfnisse der Teilnehmer geprägten Erfordernisse - zu denen auch die Rücksicht auf deren Konzentrationsfähigkeit gehört - erfolgen. Dass die Bewertungsgruppe dieselben und damit die zutreffenden Maßstäbe auch bei der Prüfung des Angebotes der Beigeladenen zu Los 31 angelegt hat, kann demnach angenommen werden.

Eine Kostenentscheidung ist erst im Zusammenhang mit der Hauptsacheentscheidung zu treffen.

Ende der Entscheidung

Zurück