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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 54/06
Rechtsgebiete: GWB, VOB/A


Vorschriften:

GWB § 118 Abs. 1 S. 3
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 1
VOB/A § 25 Nr. 3 Abs. 2
VOB/A § 26
VOB/A § 26 Nr. 1 a
VOB/A § 26 Nr. 1 b
VOB/A § 26 Nr. 1 c
VOB/A § 30 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 30. Oktober 2006 (VK VOB 33/2006) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens, des Verfahrens über den Antrag nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB und die dem Antragsgegner in diesen Verfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten und Auslagen werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 155.000 Euro

Gründe:

I. Der Antragsgegner schrieb 2006 im Zuge des Ausbaus der Bundesautobahn 4 zwischen den Anschluss-Stellen E. und W. die Errichtung eines Lärmschutzwalls und den Abbruch von drei Brücken europaweit im offenen Verfahren aus. Den Auftragswert (einschließlich Umsatzsteuer) schätzte er unter Heranziehung der Ergebnisse früherer Ausschreibungen auf rund 2,1 Mio Euro. Im Leistungsverzeichnis waren für die Herstellung des Lärmschutzwalls unter Ordnungsziffern 00.02.0002. die Bodengruppen vorgesehen:

GX, kiessteinig ...

GE, Kies ...

GW, kiessandig ...

GW, Kies ...

Zusätzlich war angegeben:

Reibungswinkel mindestens 40,9°.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die vorgegebene Bodenqualität zu hohe Angebotspreise erwarten ließ, änderte der Antragsgegner die Angaben nach Ordnungsziffern 00.02.0002. unter Benachrichtigung der Unternehmen, die die Verdingungsunterlagen angefordert hatten, wie folgt ab:

Material = Boden nach Wahl des AN. ...

Der Standsicherheitsnachweis ist für den geplanten Wall mit Angebotsabgabe einzureichen. Benötigte Sicherheit nach DIN 4084 beträgt mindestens ?= 1,4 (Bemerkung: was einem Standsicherheitsmaß von 140 % entsprach).

Ersatzreibungswinkel mindestens 40,9 Grad.

Die Antragstellerin bot an, den Lärmschutzwall aus Kies und/oder kieshaltigen Böden herzustellen. Der Angebotspreis belief sich auf gut 3 Mio Euro (einschließlich Umsatzsteuer - Hauptangebot und erstes Nebenangebot). Nachdem andere, namentlich zwei preislich günstigere und in der Nähe der Kostenschätzung liegende Angebote aus formalen Gründen (Fehlen geforderter Verpflichtungserklärungen) von der Wertung ausgeschlossen worden waren, blieben das Angebot der Antragstellerin sowie ein teureres Angebot eines weiteren Bieters allein in der Wertung. Dennoch versagte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Hinweis darauf, nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben zu haben, einen Zuschlag (Schreiben vom 26.7.2006). Mit Schreiben vom 31.7.2006 gab der Antragsgegner seine Absicht bekannt, das Vergabeverfahren aufzuheben. Mit weiterem Schreiben vom 2.8.2006 hob er die Ausschreibung aus anderen schwerwiegenden Gründen nach § 26 Nr. 1 c VOB/A auf und teilte zur Begründung mit:

Die Kostenschätzung der Vergabestelle zu der o.a. Maßnahme beträgt 2.100.000 € und basiert im Wesentlichen auf Vergleichspreisen zeitnaher vorangegangener Maßnahmen. Das Submissionsergebnis zeigt, dass die Annahmen der Kostenschätzung zutreffend sind.

Im Zuge der Angebotsprüfung mussten nach der 1. Wertungsstufe ... von insgesamt sechs Angeboten vier Angebote aus formalen Gründen von der weiteren Wertung ausgeschlossen werden. Es verbleiben damit nur noch zwei Angebote in der Wertung, wobei die Preisdifferenz zur Kostenschätzung 59 % und mehr beträgt und damit deutlich über den geschätzten Kosten liegt. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Preise in der 3. Wertungsstufe kam die Vergabestelle zu dem Ergebnis, dass diese Angebote nicht angemessen sind.

Gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A darf auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden. ...

Der Antragsgegner schrieb die Baumaßnahme daraufhin erneut aus. Die erneute Ausschreibung brachte Angebotspreise sowie beim Liefern und Einbauen des Bodens für den Lärmschutzwall u.a. Einheitspreise hervor, welche der Schätzung des Auftragswerts und den vergleichsweise herangezogenen Preisen früherer Ausschreibungen entsprachen. Auch die Antragstellerin, die sich an der neuen Ausschreibung beteiligt, ermäßigte den diesbezüglichen Einheitspreis um etwa 35 %.

Einstweilen strebt die Antragstellerin mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag aber eine Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung und eine erneute Wertung ihres Angebots durch den Antragsgegner an. Zudem will sie den Antragsgegner verpflichtet sehen, die erneute Ausschreibung aufzuheben.

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsgegner habe den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin wegen eines unangemessen hohen Angebotspreises verweigern dürfen und das Vergabeverfahren mit Recht aufgehoben. Das Angebot der Antragstellerin habe die Kostenschätzung um rund 46 % überschritten. Auf die geänderten Materialvorgaben lasse sich der Lärmschutzwall hingegen zu deutlich geringeren Kosten errichten. Zwar habe die Antragstellerin die Verwendung teureren Kiesmaterials als solche zu keinem unangemessenen Preis angeboten. Der Antragsgegner sei jedoch nicht gezwungen, die von der Antragstellerin angebotene überteuerte Ausführung zu akzeptieren.

Den Beschluss der Vergabekammer hat die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde angefochten. Die Antragstellerin hält ihre erstinstanzlich eingenommenen Standpunkte aufrecht und macht u.a. geltend:

Die Änderung des Leistungsverzeichnisses zu Ordnungsziffern 00.02.0002. habe beim Lärmschutzwall zu keiner bedeutsamen Herabsetzung der Anforderungen an das Bodenmaterial geführt. Vielmehr habe gerade die Forderung eines Standsicherheitsnachweises in Verbindung mit einem Ersatzreibungswinkel von 40,9 Grad aus Sicht eines verständigen Bieters dazu gezwungen, höherwertiges und entsprechend teures Bodenmaterial vorzusehen. Der Antragsgegner habe ihr Angebot daher zu Unrecht wegen eines unangemessen hohen Preises ausgeschlossen, dies zumal deshalb, weil er über die Angemessenheit zuvor nicht aufgeklärt habe. Die Ergebnisse früherer Ausschreibungen könnten aus sachlichen Gründen zu einem Preisvergleich im Übrigen nicht herangezogen werden. Im Ergebnis sei das Vergabeverfahren zu Unrecht aufgehoben worden.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, die am 2.8.2006 ausgesprochene Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, das Vergabeverfahren fortzusetzen und ihr, der Antragstellerin, Angebot unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu werten,

3. den Antragsgegner darüber hinaus zu verpflichten, die erneute Ausschreibung derselben Baumaßnahme aufzuheben.

Hilfsweise beantragt die Antragstellerin,

festzustellen, dass sie infolge der Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt sei.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst den Anlagen Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet, weil der Antragsgegner das Vergabeverfahren aus einem anderen schwerwiegenden Grund im Sinne von § 26 Nr. 1 c VOB/A wirksam aufgehoben hat. Die dahingehende Entscheidung des Antragsgegners ist frei von Ermessensfehlern.

a) Die Antragstellerin hat die ausgeschriebenen Bauleistungen, die nach zutreffender Kostenschätzung des Antragsgegners etwa 2,1 Mio Euro kosten sollten, zu einem um nahezu 50 % höheren Gesamtpreis angeboten. Die Höhe des Angebotspreises der Antragstellerin erklärt sich - wie außer Streit steht - dadurch, dass der Lärmschutzwall nach ihrer Vorstellung aus hochwertigem, zugleich aber erheblich teurerem Kies- und kieshaltigem Material errichtet werden sollte. Wenngleich dieses Angebot ausschreibungskonform war und an dem dafür verlangten Preis als solchem - so auch schon die Vergabekammer - nichts auszusetzen ist, war eine derart hochwertige Ausführung durch die Leistungsbeschreibung nicht gefordert. Genauso wenig war es objektiv notwendig, Kies oder kieshaltige Böden in den Lärmschutzwall einzubauen, um den werkvertraglich geschuldeten Erfolg eintreten zu lassen.

Der Antragsgegner hat die in den Verdingungsunterlagen ausgewiesene Forderung, wonach Kies und kieshaltiges Bodenmaterial zu liefern und in den Lärmschutzwall einzubauen war, noch vor Ablauf der Angebotsabgabefrist aufgegeben und den Bietern in diesem Punkt (Ordnungsziffern 00.02.0002. des Leistungsverzeichnisses) gestattet, Bodenmaterial nach ihrer Wahl anzubieten. Es sollte nur ein Standsicherheitsnachweis nach DIN 4084 mit einer Sicherheit von mindestens ? = 1,4 (gleich 140 %) geführt und ein (der Scherfestigkeit einzubauender Böden geltender) Ersatzreibungswinkel von wenigstens 40,9 Grad eingehalten werden. Die Änderung der Leistungsbeschreibung war eindeutig und für einen verständigen Bieter dahin aufzufassen, dass in den Lärmschutzwall Boden von geringerem Wert als Kies eingebaut werden durfte und auch eine kombinierte Verwendung verschiedener Bodenarten zugelassen sein sollte, sofern nur ein Standsicherheitsnachweis dafür geführt wurde und der vorgegebene Ersatzreibungswinkel gewährleistet war.

Allerdings hat die Antragstellerin geltend gemacht, gerade die in der geänderten Leistungsbeschreibung vorgenommene Kombination des geforderten Standsicherheitsnachweises (bei einem Sicherheitsmaß von 140 %) mit einem Ersatzreibungswinkel von mindestens 40,9 Grad - insbesondere die letztgenannte Forderung - habe im aufgehobenen Vergabeverfahren auch nach der Änderung der Materialvorgaben zu einer Verwendung "höherwertigen" oder "besonders hochwertigen Materials" gezwungen. Dies hat die Antragstellerin unter Sachverständigenbeweis gestellt. Jedoch hat sie die Behauptung, die genannten Anforderungen hätten einen Einsatz höherwertigen Materials geboten, in den vorbereitenden Schriftsätzen hinsichtlich konkret zugelassener, höherwertiger Bodenarten nicht präzisiert. Dafür kommt technisch nicht allein Kies, sondern auch eine Kombination verschiedener Böden in Betracht. Die Antragstellerin hat ebenso wenig behauptet, die Vorgaben des Antragsgegners hinsichtlich Standsicherheit und Ersatzreibungswinkel ließen sich nur erreichen, wenn in den Lärmschutzwall ausschließlich - so wie sie im aufgehobenen Vergabeverfahren angeboten hat - Kies, kiessteinige und kiessandige Böden verbaut werden. Der diesbezügliche Vortrag der Antragstellerin ist unsubstanziiert. Durch den Vortrag, es müsse höherwertiges Material verwendet werden, ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die durch den Ersatzreibungswinkel geforderte Scherfestigkeit technisch auch durch eine Kombination von Böden unterschiedlicher Materialqualität sichergestellt werden kann. Dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens ist deshalb nicht zu nachzugehen. Er ist auf die Bestätigung einer rechtlich unerheblichen, da nicht in prozessual gebotener Weise konkretisierten, Tatsachenbehauptung gerichtet.

Zwar hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, nämlich im Rahmen der Erörterung dieses Punktes, vorgetragen, die vom Antragsgegner an den Standsicherheitsnachweis und den Ersatzreibungswinkel (Reibungswiderstand) gestellten Anforderungen ließen sich - so wie in ihrem Angebot vorgesehen ist - nur bei (ausschließlichem) Einsatz von Kies als Baumaterial erfüllen. Diese vom Antragsgegner in Abrede gestellte Behauptung, zu der sich die Antragstellerin nach Erörterung der Sache erst in der mündlichen Verhandlung verstanden hat, ist nach den Umständen jedoch widerlegt. Gegen ihre Richtigkeit sprechen die beiden zur aufgehobenen Ausschreibung eingereichten Angebote, die sich im Rahmen der Kostenschätzung des Antragsgegners hielten, nicht auf einer ausschließlichen Verwendung von Kies oder kieshaltigen Böden als Baumaterial beruhten, und von denen die Antragstellerin gleichwohl nicht behauptet hat, sie genügten nicht dem vorausgesetzten Reibungswiderstand. Die Antragstellerin hat insbesondere nicht behauptet, die genannten Angebote erfüllten nicht den geforderten Ersatzreibungswinkel. Dass sie den statischen Anforderungen entsprechen, steht außer Streit. Es soll nur der verlangte Standsicherheitsnachweis beim Angebot gefehlt haben.

Unabhängig davon ist die - im Tiefbau fachkundige - Antragstellerin eine schlüssige Darlegung dafür schuldig geblieben, weshalb der Aufbau eines Lärmschutzwalls, der bei einem Einsatz weniger hochwertigen Materials als Kies, auch einer Kombination verschiedenartiger Böden (gegebenenfalls unter teilweiser Verwendung von Kies) und eines schichtweisen und entsprechend verdichteten Aufbaus die verlangte Standsicherheit bietet, nicht zugleich auch die gebotene Scherfestigkeit gewährleistet. Zwischen beiden Anforderungen (Standsicherheit und Scherfestigkeit/Ersatzreibungswinkel) besteht ein technischer Zusammenhang. Denn eine Bauweise, die durch einen kombinierten Einbau von für ein Abscheren mehr oder weniger anfälligen Böden nicht verhindert, dass sich die verbauten Materialien gegeneinander verschieben können, und die mithin nicht die erforderlichen Reibungswiderstände aufweist, gefährdet zugleich die Standsicherheit des Bauwerks. Dies kann der Senat aufgrund eigener Sachkunde feststellen. Danach ist festzuhalten: Die Leistungsbeschreibung forderte nicht, dass bei der Errichtung des Lärmschutzwalls ausschließlich Kies oder kieshaltige Böden verwendet werden. Ebenso wenig ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass aus technischen Gründen ausschließlich Kies oder kieshaltiges Material in den Lärmschutzwall eingebaut werden konnte, um den an die Reibungs- und die Standsicherheit gestellten Anforderungen zu genügen.

Der Vortrag der Antragstellerin zur Ausführungsfrist und zu den bei der Ausführung angeblich zu erwartenden ungünstigen Wetterverhältnissen gebietet keine andere rechtliche Beurteilung. Dass deswegen unbedingt Kies oder kieshaltiges Material zu verbauen war, ist nicht schlüssig vorgetragen worden. Mit Blick auf die in der Vergabebekanntmachung angegebene Ausführungsfrist von 190 Werktagen, auf welche die Bauarbeiten verteilt werden konnten, ist aufgrund des Vortrags der Antragstellerin nicht zu erkennen, welche Behinderungen, insbesondere welche konkreten zeitlichen Verzögerungen, im Baubetrieb ernsthaft zu befürchten waren, so dass kieshaltiges Material verbaut werden musste. Darüber hinaus sollte - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - der Lärmschutzwall auf einer vorhandenen Fahrbahndecke als Untergrund errichtet werden, was geeignet ist, den Auftragnehmer von gewissen, jahreszeitlich einzukalkulierenden Leistungserschwernissen sogar freizustellen.

b) Gemessen an den vorstehenden Ausführungen hat die Antragstellerin das Angebot der Antragstellerin allerdings zu Unrecht wegen eines unangemessen hohen Preises von der Wertung ausgeschlossen (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A). Die Angemessenheit des Angebotspreises ist durch eine Betrachtung des Preis-Leistungs-Verhältnisses innerhalb des vom Ausschluss bedrohten Angebots zu ermitteln. Der Gesamtpreis des Angebots ist in eine Relation zum Wert der angebotenen Leistung zu stellen. Nur wenn sich ergibt, dass der Wert der Leistung zum Betrag der Gegenleistung, d.h. zum Gesamtpreis, in einem erheblichen Missverhältnis steht, kann von einer Unangemessenheit des Preises gesprochen werden. Steht ein unangemessen hoher Preis in Rede, ist mithin zu prüfen, ob - in Relation zur angebotenen Leistung - der verlangte Gesamtpreis erheblich übersetzt ist (genauso Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, 15. Aufl., § 25 VOB/A Rn. 62). Dies ist im Streitfall zu verneinen. Denn auf der Grundlage, dass die Antragstellerin angeboten hat, den Lärmschutzwall unter Verwendung von hochwertigem Kies und kieshaltigem Material zu errichten, streiten die Verfahrensbeteiligten nicht über die Angemessenheit des Angebotspreises. Wird der Lärmschutzwall aus derart hochwertigen Materialien hergestellt, entspricht der von der Antragstellerin offerierte Preis vielmehr unstreitig den Marktverhältnissen und ist angemessen.

Bei dieser Rechtslage bedarf keiner Erörterung, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen es hat, dass der Antragsgegner die Angemessenheit des von der Antragstellerin angebotenen Preises nicht in einem Zwischenverfahren nach § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A geprüft hat. Allerdings ist dazu zu bemerken, dass der Wortlaut der Norm eine derartige Prüfung nur vorschreibt, sofern ein Angebotspreis unangemessen niedrig erscheint.

c) Der Umstand, dass sich der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin nach § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A als ungerechtfertigt erweist, lässt den Nachprüfungsantrag freilich nicht begründet werden. Denn der Antragsgegner hat das Vergabeverfahren außerdem aus anderen schwerwiegenden Gründen nach § 26 Nr. 1 c VOB/A aufgehoben. Die Aufhebung erfolgte rechtlich unabhängig vom Ausschluss des Angebots der Antragstellerin. Sie ist in der Sache nicht zu beanstanden, so dass die Antragstellerin mit ihren Hauptanträgen keinen Erfolg haben kann.

1. Die für die Aufhebung des Vergabeverfahrens herangezogenen Gründe ergeben sich aus der (u.a.) an die Antragstellerin gerichteten und zu den Vergabeakten genommenen schriftlichen Mitteilung des Antragsgegners vom 2.8.2006 über die Aufhebung der Ausschreibung. Die Aufhebungsentscheidung und die Begründung sind aufgrund dessen in den Vergabeakten dokumentiert. Die Mitteilung vom 2.8.2006 hatte Dokumentationswert im Sinne von § 30 Nr. 1 VOB/A. Ihr Inhalt musste in keinem besonders anzufertigenden Vergabevermerk niedergelegt werden, da sich die Entscheidung und die Gründe gleichwertig aus jener Mitteilung ergeben. Die Entscheidungsbegründung genügt auch den in formeller Hinsicht zu stellenden Anforderungen. Sie lässt insbesondere die Ermessenerwägungen, die für die Entscheidung ausschlaggebend waren, erkennen. Insoweit gilt der Grundsatz, dass lediglich die für die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers wesentlichen Erwägungen in den Vergabeakten zu dokumentieren sind.

Der Antragsgegner hat das Vergabeverfahren mit der Begründung aufgehoben, es liege - nachdem preislich in der Nähe seiner Kostenschätzung liegende Angebote aus formalen Gründen von der weiteren Wertung ausgeschlossen worden waren - kein (wirtschaftlich) angemessenes und annehmbares Angebot vor. Das Angebot der Antragstellerin sowie dasjenige eines weiteren in der Wertung verbliebenen Bieters überschritten die Kostenschätzung beträchtlich. Unter Berücksichtigung des Gebots zu wirtschaftlicher und sparsamer Verwendung der Haushaltsmittel werde das Vergabeverfahren deshalb aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird auf den im tatbestandlichen Teil des Beschlusses auszugsweise wiedergegebenen Wortlaut der Mitteilung vom 2.8.2006 verwiesen. Die Begründung trägt die auf § 26 Nr. 1 c VOB/A gestützte Aufhebungsentscheidung. Sie ist ermessensfehlerfrei ergangen.

2. Als Teil einer Ausnahmevorschrift unterliegt § 26 Nr. 1 c VOB/A indes einer engen Auslegung. Es handelt sich um eine die Aufhebung des Vergabeverfahrens ermöglichende Auffangbestimmung, an deren Anwendung schon deswegen, weil die Bieter in die Vorbereitung von Angeboten Zeit- und Kostenaufwand investiert haben und sie in der Regel auf eine ordnungsgemäße Beendigung des Vergabeverfahrens durch Erteilung des Auftrags vertrauen dürfen, strenge Maßstäbe anzulegen sind (BGH VergabeR 2001, 293; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.1.2005 - VII-Verg 45/05, VergabeR 2005, 374; Beschl. v. 19.11.2003 - VII-Verg 59/03). Andere schwerwiegende Gründe im Sinne von § 26 Nr. 1 c VOB/A müssen in ihren Auswirkungen auf das Vergabeverfahren den Aufhebungstatbeständen in § 26 Nr. 1 a und b VOB/A deshalb gleichzuerachten sein. Die Gründe dürfen für den Auftraggeber - ihm nicht zurechenbar - erst nach Beginn des Vergabeverfahrens erkennbar geworden sein (BGH BauR 1998, 1232, 1238) und müssen, wenn ihnen nicht durch eine Aufhebung der Ausschreibung begegnet wird, das Vergabevorhaben maßgebend beeinträchtigen. Davon abgesehen ist die Aufhebungsentscheidung stets von einer Abwägung der im Einzelfall beteiligten Interessen abhängig zu machen, aus der sich ergeben muss, dass wegen des Gewichts des Aufhebungsgrundes eine Bindung des Auftraggebers an die Ausschreibung von den Teilnehmern am Vergabeverfahren trotz schutzwürdigen Vertrauens auf eine planmäßige Beendigung des Verfahrens nicht erwartet werden kann (vgl. BGH VergabeR 2001, 293, 298; NJW 2001, 3698). An diesem Vorverständnis gemessen können auch wirtschaftliche Überlegungen eine Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtfertigen, etwa dann, wenn die Ausschreibung zu keinem wirtschaftlich akzeptablen Ergebnis geführt hat (vgl. insofern auch die identische Wertung in § 26 Nr. 1 c VOL/A), z.B. nur beträchtlich überteuerte Angebote gewertet werden können oder feststeht, dass die ausgeschriebene Leistung in anderer als der angebotenen Weise erheblich kostengünstiger ausgeführt werden kann (vgl. Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, § 26 VOB/A Rn. 19, 22, 8. und 9. Gedankenstrich). In derartigen Fällen ist dem öffentlichen Auftraggeber eine Aufhebung der Ausschreibung aus dem Grund des § 26 Nr. 1 c VOB/A vor allem mit Rücksicht auf das Gebot zu sparsamer und wirtschaftlicher Verwendung der Haushaltsmittel (vgl. BGH BauR 1993, 214) jedenfalls dann nicht zu verwehren, wenn solche Wirtschaftlichkeitsüberlegungen auf von ihm zutreffend ermittelten Kosten beruhen.

3. Im Streitfall übertraf das Preisangebot der Antragstellerin die Kostenermittlung des Antragsgegners um annähernd 50 %. Die Kostenschätzung war - jedenfalls nachdem die Anforderungen an die Bodenqualität beim Lärmschutzwall herabgesetzt worden waren - im Punkt "Lieferung und Einbau von Boden" (Ordnungsziffern 00.02.0002. des Leistungsverzeichnisses) richtig, soweit darin für die Erdbauarbeiten ein Einheitspreis von etwa 5 Euro/m3 angenommen worden war. Das geht aus einem Vergleich mit den vom Antragsgegner herangezogenen früheren Ausschreibungen, aus den besser plazierten Angeboten im aufgehobenen Vergabeverfahren und aus Ergebnissen der erneuten Ausschreibung derselben Leistung hervor. Angebote zu unstreitig zeitnahen früheren Ausschreibungen wiesen bei dem für die Kostenüberschreitung ursächlichen Liefern und Einbauen von Bodenmaterial für Lärmschutzwälle Einheitspreise zwischen 5,29 bis 7,02 Euro je m3 auf (so z.B die Ausschreibungen A 4, Abschnitt E. - W., Los 1; A 4, Abschnitt Luchem - Hoven; B 264 n, Ortsumgehung W.). Dass in jenen Verfahren keine mit der aufgehobenen Ausschreibung exakt identischen Bedingungen gestellt waren, beseitigt nicht die Vergleichbarkeit der Einheitspreise.

Zwei von sechs Angeboten im aufgehobenen Ausschreibungsverfahren hielten sich darüber hinaus im Rahmen der Kostenschätzung des Antragsgegners oder übertrafen sie nur um Weniges. Jene Konkurrenzangebote dürfen zu einer vergleichenden Betrachtung herangezogen werden, obwohl sie vom Vergabeverfahren ausgeschlossen worden sind. Der Antragsgegner hat die genannten Angebote aus formalen Gründen von der Wertung ausgeschlossen (Fehlen verlangter Verpflichtungserklärungen beim Angebot). Aufgrund des Ausschlusses von der Wertung ist jenen Angeboten eine Indizwirkung bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Angebote indes nicht abzusprechen. Ausgeschlossene Angebote dürfen bei einer solchen Prüfung verwertet werden, sofern mit der erforderlichen Gewissheit verneint werden kann, dass der Ausschlussgrund die Preisbildung im Ergebnis maßgebend beeinflusst hat (so - wenngleich im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A - auch OLG München, Beschl. v. 2.6.2006 - Verg 12/06, VergabeR 2006, 802, 807 f.). Dies ist im Streitfall zu verneinen. Dass geforderte Verpflichtungserklärungen den Angeboten nicht beigefügt waren, hatte keine, jedenfalls keine nennenswerte, Relevanz für die Preisbildung. Derartiges hat auch die Antragstellerin nicht behauptet. Zwar war bei einem ausgeschlossenen Angebot außerdem auf die Vorlage - und ersichtlich auch schon auf die Beschaffung - eines den Lärmschutzwall betreffenden Standsicherheitsnachweises verzichtet worden, wobei angenommen werden kann, dass die Beschaffung eines solchen Nachweises kalkulationserheblich war, m.a.W. die angebotene Leistung verteuert hätte. Jedoch schließt der Senat aufgrund seiner durch langjährige Erfahrung bei Bauvergaben erworbenen Sachkunde aus, dass sich - wäre ein Standsicherheitsnachweis beigebracht worden - infolgedessen das Preisgefüge auch nur nennenswert verschoben hätte.

Nicht zuletzt findet sich die Kostenschätzung des Antragsgegners - was Gegenstand der Erörterung der Sach- und Rechtslage im Senatstermin war - in den Ergebnissen der neuen Ausschreibung bestätigt. Die Erdbauarbeiten sind hierbei von einigen Bietern zu Einheitspreisen um 4 Euro je m3 angeboten worden. Die Antragstellerin hat zwar darauf hingewiesen, dass in den Ausschreibungsunterlagen nicht mehr ausdrücklich die Einhaltung eines Ersatzreibungswinkels von 40,9° beim Lärmschutzwall gefordert worden sei - wenngleich bei Verwendung anderen Bodenmaterials als Kies oder kieshaltiger Böden vom Bieter ein Standsicherheitsnachweis zu führen war. Der Verzicht auf die Vorgabe einer bestimmten Scherfestigkeit hebt die Vergleichbarkeit der Einheitspreise indessen nicht auf. Vorstehend ist der technische Zusammenhang zwischen Ersatzreibungswinkel und Standsicherheitsnachweis bereits deutlich gemacht worden (oben S. 8). Daraus ist zu folgern, dass eine nachweislich standsichere Ausführung des Lärmschutzwalls im Schichtenaufbau zugleich die gebotene Scherfestigkeit bietet. Der Verzicht auf die Vorgabe eines Ersatzreibungswinkels von 40,9° wirkt sich unter diesen Umständen auf die Kalkulation nicht wesentlich aus.

Auf das Kalkulationsergebnis wirkte sich freilich aus, dass die Antragstellerin für die Herstellung des Lärmschutzwalls ausschließlich Kies oder kieshaltige Böden vorgesehen hat und infolgedessen zu einem Einheitspreis von mehr als 10 Euro je m3 gelangt ist. Die Antragstellerin hat eine Ausführung angeboten, die vom Leistungsverzeichnis zwar gedeckt, in der angebotenen Qualität jedoch nicht gefordert war. Infolgedessen wurde die Kostenermittlung des Antragsgegners erheblich überschritten. Dagegen war es nicht erforderlich, den Lärmschutzwall in der von der Antragstellerin angebotenen hochwertigen Ausführung zu errichten, um die gestellten technischen Vorgaben zu erfüllen. Der Lärmschutzwall konnte erheblich kostengünstiger, nämlich unter Verwendung weniger teuren Bodenmaterials, errichtet werden.

Bei dieser Sachlage durfte der Antragsgegner von der Möglichkeit einer Aufhebung des Vergabeverfahrens aus wirtschaftlichen Gründen Gebrauch machen. Die Angebote der Antragstellerin und des weiteren, abermals teureren Bieters waren unwirtschaftlich. Auf das Angebot der Antragstellerin traf dies wegen der durch die Ausschreibungsbedingungen nicht geforderten hochwertigen Ausführungsweise zu. Ihr Angebot überschritt infolgedessen die zutreffende Kostenermittlung von etwa 2,1 Mio Euro um annähernd 50 %, d.h. im Betrag von knapp einer Million Euro. Nachdem die Ausschreibungsbedingungen mit dem Ziel einer Zulassung von kostengünstigeren Ausführungen überarbeitet worden waren, erwies sich erst am Angebot, dass die Antragstellerin an der inzwischen aufgegebenen Vorgabe, wonach im Lärmschutzwall nur Kies und kieshaltige Böden verbaut werden sollten, festgehalten und die durch die Änderung des Leistungsverzeichnisses eröffnete Möglichkeit zu einer Kosteneinsparung nicht ausgenutzt hatte.

Allerdings hat der Antragsgegner nicht dargelegt, die insgesamt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ließen eine Vergabe des Auftrags zu den preislichen Konditionen des Angebots der Antragstellerin nicht (mehr) zu. Es soll entsprechend der Kostenermittlung nur für die ausgeschriebenen Leistungen ein Betrag von rund 2,1 Mio Euro in die Haushaltsplanungen eingestellt worden sein. Dass die für die gesamte Baumaßnahme, von der die hier in Rede stehende Ausschreibung lediglich einen Teil bildet, bereitgestellten Haushaltsmittel durch einen Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin überschritten zu werden drohen, hat der Antragsgegner jedoch nicht behauptet. Demgegenüber können die für einzelne Ausschreibungen im Haushalt eingeplanten Kostenansätze nach den haushaltsrechtlichen Bestimmungen revidiert und angepasst werden.

Dennoch steht fest, dass - würde der Auftrag auf das Angebot der Antragstellerin erteilt werden - die Kostenkalkulation des Antragsgegners und die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe durch eine hohe Mehrausgabe durchkreuzt würden. Die Mehrausgabe in der Größenordnung von einer Million Euro ist sowohl absolut gesehen als auch im Verhältnis zum Wert der ausgeschriebenen Leistungen beträchtlich und unter dem Gebot zu sparsamer und wirtschaftlicher Verwendung der ohnedies knappen staatlichen Haushaltsmittel schon unter diesen Gesichtspunkten kaum zu verantworten. Hinzu kommt, dass die - mit dem Nachprüfungsantrag beanspruchte - Mehrausgabe technisch nicht gerechtfertigt ist und darum ohne Not erfolgte. Die durch die Neuausschreibung entstehenden Kosten fallen im Vergleich zur eintretenden Ersparnis hingegen nicht ins Gewicht. Auf die dargestellten, insbesondere die wirtschaftlichen Erwägungen ist wegen ihrer Bedeutung von Bietern Rücksicht zu nehmen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Antragsgegners für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden. Sie ist sachlich gerechtfertigt und vertretbar, auch soweit sie den Belangen des öffentlichen Haushalts den Vorzug vor dem Interesse der Antragstellerin an der Erteilung des Auftrags gegeben hat. Das Interesse der Antragstellerin ist vom Antragsgegner ersichtlich weniger hoch bewertet worden. Darin ist kein Ermessensfehlgebrauch zu erkennen. Denn die Antragstellerin hat eine nach den Ausschreibungsunterlagen nicht erforderliche und beträchtlich teurere Bauausführung angeboten. Aus diesem Grund ist sie für nicht schutzwürdig zu halten, sich mit dem Interesse an einer Auftragserteilung gegenüber dem anzuerkennenden und im öffentlichen Haushaltsrecht begründeten wirtschaftlichen Interesse an einer erheblich kostengünstigeren Ausführung durchzusetzen.

Ist die Aufhebung des Vergabeverfahrens nicht zu beanstanden, ist es auch nicht die erneute Ausschreibung. Darüber hinaus hat der auf die Feststellung einer Rechtsverletzung gerichtete Hilfsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg. Ist die Ausschreibung nach § 26 VOB/A beanstandungsfrei aufgehoben worden, scheidet eine Rechtsverletzung aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG. Der Berechnung liegt das zur aufgehobenen Ausschreibung eingereichte Angebot der Antragstellerin zugrunde.

Ende der Entscheidung

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