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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 55/07
Rechtsgebiete: VOL/A


Vorschriften:

VOL/A § 24 Nr. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 3. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 230.000 Euro

Gründe:

I. Die Vergabestelle schrieb einen Dienstleistungsauftrag betreffend Lagerung, Versand, Inkasso und Verwaltung von Informationsmaterialien im offenen Verfahren aus. Der Zuschlag sollte auf das Angebot der Beigeladenen ergehen. Nach erfolgloser Rüge brachte die Antragstellerin dagegen einen Nachprüfungsantrag an, mit dem sie insbesondere die Eignung der Beigeladenen, den Auftrag ordnungsgemäß durchzuführen, in Abrede stellte. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück.

Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde wiederholt und ergänzt die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin zu untersagen,

1. auf der Grundlage des bisherigen Vergabeverfahrens einen Zuschlag zu erteilen,

2. eine eventuelle Neuwertung der Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats vorzunehmen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Vortrag der Antragstellerin entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist von der Vergabekammer mit Recht abgelehnt worden.

1. Das bei der Wirtschaftlichkeitsbewertung besser als die Offerte der Antragstellerin beurteilte Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen formaler Mängel von der Wertung auszuschließen.

a) Ein Ausschluss des Angebots wegen unklarer Preisangaben scheidet aus (vgl. § 25 Nr. 1 Abs. 1 a; § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A). Die Preisangaben der Beigeladenen waren nicht unbestimmt oder widersprüchlich. Sie konnten von der Vergabestelle durch Auslegung des Angebots eindeutig ermittelt werden. Dies geht aus dem Vergabevermerk vom 29.10.2007 hervor. Die Vergabestelle hat sich von der Beigeladenen lediglich die Richtigkeit des Auslegungsergebnisses bestätigen lassen. Um eine nach § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A unstatthafte Nachverhandlung handelt es sich dabei nicht.

b) Mit Rücksicht darauf, dass keine Angaben zu dem als Kurierdienst einzusetzenden Nachunternehmer gemacht worden waren, ist das Angebot der Beigeladenen ebenso wenig unvollständig (vgl. § 21 Nr. 1 Abs. 1 S. 1 VOL/A). Die Vergabebekanntmachung verhielt sich nur insoweit über Nachunternehmern geltende Angaben, als mit dem Angebot bestimmte Eignungsnachweise für Nachunternehmer eingereicht werden sollten. Dagegen war in der Vergabebekanntmachung nicht verlangt worden, dass Nachunternehmer namhaft zu machen waren. Eine dahingehende Forderung hat die Vergabestelle erst in den Verdingungsunterlagen aufgestellt. Und zwar sollten Nachunternehmer benannt sowie Art und Umfang der ihnen zu übertragenen Leistungen beschrieben werden, sofern und soweit sie mindestens wesentliche Teile der Vertragsleistung ausführen sollten. Als wesentlich zu gelten hatten - so die Verdingungsunterlagen - Lagerung, Versandfertigmachen, Inkasso und Verwaltung. Der Einsatz eines Kurierdienstes zählt nicht dazu. Folglich war die Beigeladene nicht gehalten, den von ihr heranzuziehenden Kurierdienst im Angebot namhaft zu machen. Art und Umfang von Kurierdienstleistungen hat sie im Angebot im Übrigen beschrieben.

c) Für die Annahme, das Unternehmen der Beigeladenen sei auf eine Verwaltung vorzumerkender Bestellungen nicht eingerichtet, mit der Folge, dass diese Leistung nicht angeboten worden sei, gibt das Angebot der Beigeladenen nichts her. Von einer unzulässigen Änderung an den Verdingungsunterlagen kann deshalb nicht gesprochen werden (vgl. § 21 Nr. 1 Abs. 4, § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A). Das Angebot der Beigeladenen sieht eine Verwaltung von Vormerkungen vor. Ungeachtet dessen: Der diesbezügliche Vortrag ist von der Antragstellerin ins Blaue hinein angebracht worden. Er ist unzulässig und unbeachtlich (vgl. BGH, Urt. v. 25.4.1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111; Beschl. v. 26.9.2006 - X ZB 14/06, VergabeR 2007, 59 Rn. 39).

2. Die Beigeladene ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht als ungeeignet anzusehen, den ausgeschriebenen Dienstleistungsauftrag auszuführen.

a) Eignungsnachweise für den von der Beigeladenen als Nachunternehmer einzusetzenden Kurierdienst mussten nicht mit dem Angebot eingereicht werden. Wenn - wie oben nachgewiesen worden ist - in unwesentlichen Teilbereichen der Vertragsausführung einzusetzende Nachunternehmer nicht einmal namhaft zu machen waren, dann oblag - so die Vergabekammer mit Recht - Bietern erst recht nicht, die Eignung so zum Einsatz kommender Nachunternehmer nachzuweisen. Die in der Vergabebekanntmachung aufgestellte Forderung, wonach Eignungsnachweise für Nachunternehmer mit dem Angebot vorgelegt werden sollten, ist von der Vergabestelle nicht abgeändert worden. Diese Forderung ist im Zusammenhang mit der in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Vorgabe zu lesen und zu verstehen, dass nur für solche Nachunternehmer ein Eignungsnachweis geführt werden sollte, denen mindestens wesentliche Teile der Vertragsleistung übertragen werden sollten.

Davon abgesehen kann das Angebot der Beigeladenen auch dann nicht scheitern, wenn man die Bieter als gehalten ansehen wollte, einen Eignungsnachweis für jeden Nachunternehmer zu führen. Der Auftraggeber darf nämlich von der in der Vergabebekanntmachung enthaltenen Forderung, wonach Eignungsnachweise mit dem Angebot vorzulegen sind, in den mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots zu übersendenden Verdingungsunterlagen in zeitlicher Hinsicht abrücken und regeln, dass bestimmte Nachweise erst zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere auf Anforderung, vorzulegen sind (vgl. Senat, Beschl. v. 12.12.2007 - VII-Verg 34/07, BA 7 ff., 9). Dies ist im Streitfall geschehen.

Wollte man dies anders sehen, gelangte man im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Auftraggeber, der in der Vergabebekanntmachung mit dem Angebot vorzulegende Eignungsnachweise benennt, eine solche Forderung im Zusammenhang mit der Angebotsaufforderung jedoch nicht in gleicher Weise erneuert, sondern Abstriche daran vornimmt, und dadurch den Eindruck erweckt, bestimmte Unterlagen müssten nicht schon mit dem Angebot beigebracht, sondern könnten nachgereicht werden, verhält sich mindestens unklar und setzt sich infolgedessen in einen Widerspruch zu dem Rechtssatz, wonach nur die Nichtbefolgung einer vom Auftraggeber unzweideutig und unmissverständlich aufgestellten und von einem fachkundigen Bieter so zu verstehenden Forderung nach einer Einreichung von Unterlagen zum Anlass genommen werden darf, das betreffende Angebot, sofern die Unterlagen nicht vorgelegt worden sind, von der weiteren Wertung auszuschließen. Verbleibende Unklarheiten gehen dagegen zu Lasten des öffentlichen Auftraggebers (vgl. statt vieler Senat, Beschl. v. 9.6.2004 - VII-Verg 11/04, BA 11).

b) Geforderte Referenzen über vergleichbare Leistungen sind von der Beigeladenen eingereicht worden. Das diesbezügliche Bestreiten der Antragsteller ist durch das Ergebnis der Überprüfung der Referenzen durch die Vergabestelle widerlegt.

c) Die vorgelegten Referenzen sind der Beigeladenen zuzurechnen, auch wenn sie teilweise aus der Zeit vor ihrer Gründung im Jahr 2005 stammen. Außer Streit steht: Die Beigeladene ist aus der I... GmbH hervorgegangen. Der Versandservice ist im Wege einer Ausgründung auf die Beigeladene als Tochterunternehmen übertragen worden.

d) Die technische Leistungsfähigkeit der Beigeladenen wird von der Antragstellerin zu Unrecht angezweifelt. Die Beigeladene hat die von ihr verwendete Lagertechnik und die Auftragsbearbeitung in den Schriftsätzen vom 21.12.2007 (S. 4, 6), vom 21.1.2008 (S. 2) und vom 29.2.2008 (S. 2, 3) beschrieben. Den von der Antragstellerin an der Leistungsfähigkeit angebrachten Einwendungen liegt nicht das von der Beigeladenen dargestellte und praktizierte Warenwirtschaftssystem zugrunde. Mit jenem hat sich die Antragstellerin nicht auseinandergesetzt. Von daher gehen die Einwendungen an der Sache vorbei. Dafür und für die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen spricht nicht zuletzt auch, dass sie (oder ihre Rechtsvorgängerin) in der Vergangenheit Aufträge in einer mit dem in Rede stehenden Auftrag vergleichbaren Größenordnung und Laufzeit beanstandungsfrei abgewickelt hat.

e) Soweit die Antragstellerin die finanzielle Leistungsfähigkeit der Beigeladenen in Abrede stellt, ist ihr Vorbringen ins Blaue hinein aufgestellt und prozessual unzulässig (vgl. BGH a.a.O.). Zumal sie (oder ihre Rechtsvorgängerin) in der Vergangenheit gleichgelagerte umfangreiche Aufträge bedient hat, sind keinerlei Anhaltspunkte zu Zweifeln an einer hinreichenden finanziellen Ausstattung der Beigeladenen hervorgetreten.

f) Die Antragstellerin beanstandet die Eignungsprüfung ohne Erfolg als intransparent. Eine Eignungsprüfung hat ausweislich des Vergabevermerks vom 27.10.2007 stattgefunden. Ihr liegt insbesondere das Ergebnis einer Besichtigung des Betriebs der Beigeladenen zugrunde, worüber sich der Vermerk vom 25.10.2007 verhält. Aus dem Vermerk geht hervor, wie die Vergabestelle bei der Betriebsbesichtigung vorgegangen ist und aufgrund welcher Erkenntnismittel sie sich einen Eindruck von der Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen verschafft hat. Es sind Informationsmaterialien der Beigeladenen zu Rate gezogen worden. Man hat sich die Arbeitsabläufe erläutern lassen und hat diese anhand des Betriebs überprüft und mit den Angaben im Angebot der Beigeladenen abgeglichen. Der Gegenstand der Prüfung, die Vorgehensweise und das wesentliche Ergebnis sind im Vermerk vom 25.10.2007 festgehalten worden. Mehr musste - so mit Recht auch die Vergabekammer - nicht dokumentiert werden. Auch dabei ist zu bedenken, dass die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen bereits aufgrund der eingereichten Referenzen nahegelegt war. Ersichtlich und zutreffend hat die Vergabestelle der Eignungsprüfung zugrundegelegt, dass sich das Ergebnis der Betriebsbesichtigung und der Inhalt der Referenzen gegenseitig stützten und bestärkten.

3. Das Angebot der Beigeladenen ist nicht wegen eines Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung von der Wertung auszuschließen (§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A). Schon das von der Antragstellerin behauptete Unterkostenangebot ist zu verneinen (§ 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A). Der dahingehende Vortrag der Antragstellerin fußt auf Berechnungen, die nicht das von der Beigeladenen angewandte Warenwirtschaftssystem betreffen und nicht darauf eingehen.

Unabhängig davon entfaltet der Ausschlussgrund eines Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung nach der Rechtsprechung des Senats einen bieterschützenden Charakter nur dann, wenn das Gebot, wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A), vom Auftraggeber den Ausschluss des betreffenden Angebots fordert. Dies kann anzunehmen sein, wenn Angebote durch einen ungewöhnlich niedrigen Preis auf eine Marktverdrängung abzielen - was hier von der Antragstellerin nicht geltend gemacht wird - oder der Auftragnehmer aufgrund seiner unauskömmlichen Preisgestaltung bei der Ausführung des Auftrags voraussichtlich in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, dass er die Ausführung abbrechen muss. Die wettbewerbsbeschränkende Wirkung ist in den zuletzt genannten Fällen in der begründeten Besorgnis zu erkennen, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber, die die Leistung zu einem angemessenen Preis angeboten haben, aus welchen Gründen auch immer dann nicht mehr in die Ausführung des Vertrages eintreten können (vgl. Senat VergabeR 2001, 128 f.; NZBau 2002, 627 f.). Andere Oberlandesgerichte haben ihre gegenteiligen Auffassungen inzwischen aufgegeben (vgl. BayObLG NZBau 2003, 105, 107; 2004, 743, 745; OLG Celle VergabeR 2004, 397, 405; OLG Koblenz VergabeR 2006, 392, 401 f.) bzw. lassen diese Frage offen (vgl. OLG München, Beschl. v. 11.5.2007, Verg 4/07, Tz. 39, VergabeR 2007, 536-542).. Indes trägt bereits der eigene Vortrag der Antragstellerin nicht die Schlussfolgerung, dass im Streitfall die angesprochene Wettbewerbsbeschränkung droht. Denn die Antragstellerin hat lediglich vorgetragen, s i e werde nicht in der Lage sein, in die Auftragsausführung einzutreten. Darauf kommt es aber nicht ausschließlich an. Maßgebend ist, ob keiner der am vorliegenden Vergabeverfahren beteiligten Wettbewerber die Ausführung übernehmen kann. Darüber verhält sich der Vortrag der Antragstellerin nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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