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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.03.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 56/07
Rechtsgebiete: GWB, GWB, VOL/A
Vorschriften:
GWB § 2 | |
GWB § 107 Abs. 3 S. 1 | |
GWB § 128 Abs. 3 | |
GWB § 128 Abs. 4 | |
VOL/A § 7a Nr. 3 Abs. 3 | |
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 27. November 2007 (VK - 34/2007 - L) teilweise aufgehoben.
Dem Antragsgegner wird untersagt, in dem mit Bekanntmachung im EU- Amtsblatt unter Nr. 2007/S 145-180250 begonnenen Vergabeverfahren den Zuschlag zu erteilen, ohne den Bietern die Möglichkeit zu eröffnen, neue Angebote einzureichen.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer tragen einerseits die Antragstellerin und andererseits der Antragsgegner und die Beigeladene - diese als Gesamtschuldner - je zur Hälfte.
Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils zu 25 %. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen trägt die Antragstellerin zu 50 %. Im Übrigen trägt jeder Verfahrensbeteiligte seine Aufwendungen selbst.
Die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter war für die Antragstellerin und die Beigeladene zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 50 % und der Antragsgegner sowie die Beigeladene zu jeweils 25 %. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen der Antragsgegner und die Beigeladene zu jeweils 25 %. Die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners sowie der Beigeladenen trägt die Antragstellerin zu 50 %. Im Übrigen trägt jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe:
A.
Das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Antragsgegners schrieb im Juli 2007 die "einmalige Beschaffung OCR/ICR Software einschl. Komponenten und einer einjährigen Wartung" im Offenen Verfahren aus. Dabei wurde zunächst eine "Basis-Software" ausgeschrieben, die später durch Erweiterungsmodule ergänzt werden sollte. Die Erweiterungsmodule waren nicht Gegenstand des Auftrages, allerdings sollte "die Zukunftseignung der angebotenen Produktlösung für weitere Ausbaustufen ... garantiert" sein. Die Verdingungsunterlagen sahen daher u.a. die Erbringung eines Nachweises darüber vor, dass das Gesamtpaket bereits mehrfach erfolgreich im produktiven Einsatz sei, wobei Kunden als belastbare Referenzen anzugeben seien, "die mit dem LBV in der Größe und Aufgabenstellungen vergleichbar [seien] (z.B. private Krankenversicherungen, Berufsgenossenschaften o.ä.). "
Die Vergabebekanntmachung sowie die Verdingungsunterlagen enthielten zur wirtschaftlichen und finanziellen sowie zur technischen Leistungsfähigkeit bestimmte Angaben. Unter "Ausschlussbedingung" wurde u.a. die Rückgabe der Bewertungsmatrix ("diese sind auf der letzten Seite mit Firmenstempel und Unterschrift dem Angebot beizulegen") angegeben. Als Schlusstermin für den Eingang des Angebots war zunächst der 11. September 2007 bestimmt; dieser Termin wurde am 12. September 2007 auf den 18. September 2007 verlegt. Bei dem Antragsgegner gingen insgesamt 5 Angebote ein, darunter das der Antragstellerin und der Beigeladenen, letzteres jedoch erst innerhalb der verlängerten Frist. Das Angebot der Antragstellerin enthielt die unterzeichnete Bewertungsmatrix nicht, ihren Angaben zufolge deshalb nicht, weil sie mit der Bewertungsmatrix nicht einverstanden gewesen sei. Aus diesem Grunde wurde ihr vom Antragsgegner am 02. Oktober 2007 mitgeteilt, dass ihr Angebot ausgeschlossen werde, ein Zuschlag sei auf das Angebot der Beigeladenen vorgesehen. Zwei weitere Bieter sind aus formalen Gründen ausgeschlossen worden.
Am 11. Oktober 2007 rügte die Antragstellerin gegenüber der Vergabekammer, das Angebot der Beigeladenen entspreche nicht der Ausschreibung. Nach Hinweis der Vergabekammer, für eine vorherige Rüge gegenüber der Vergabestelle sei nichts ersichtlich, rügte sie inhaltlich entsprechend gegenüber dem Antragsgegner, bat aber die Vergabestelle um Fortsetzung des Verfahrens.
Im Verfahren vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots angegriffen; es handele sich dabei um eine unzumutbare Erklärung, deren Fehlen zudem einen Ausschluss nicht rechtfertige. Das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen, weil eine Erklärung zur Beteiligung an "einem Kartell gem. § 2 GWB" nicht abgegeben sei, die vorgelegten Referenzen seien unzureichend, das Angebot entspreche nicht der Ausschreibung.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Der Ausschluss ihres Angebots nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a) VOL/A sei gerechtfertigt, weil die Vergabestelle die Abgabe der unterzeichneten Wertungsmatrix habe verlangen können; dadurch werde der spätere Einwand ausgeschlossen, ihre Bedeutung nicht erkannt zu haben. Die Antragstellerin dringe auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung durch. Zwar habe sie etwaige Mängel des Angebots der Beigeladenen rechtzeitig gerügt, gleichartige Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Senats lägen aber nicht vor. Dass sie keine Erklärung zu § 2 GWB abgegeben habe, sei unerheblich, weil der Antragsgegner den Vertrag nur zu eigenen Bedingungen abschließen wolle und damit Konditionen des Bieters irrelevant seien. Soweit die Antragstellerin fehlende Referenzen zu den Erweiterungsmodulen beanstande, seien diese nicht wirksam verlangt worden, weil dies in der Vergabebekanntmachung nicht hinreichend deutlich angekündigt worden sei. Die übrigen Beanstandungen lägen nicht vor, die Bewertungsmatrix könne die Antragstellerin mangels rechtzeitiger Rüge nicht mehr angreifen.
Dagegen wendet sich die Antragstellerin. Sie ist weiterhin der Auffassung, ihr Angebot könne nicht ausgeschlossen werden, weil sich die verlangte Erklärung nicht auf den Vertrag oder seine Durchführung beziehe; sie habe ihren ungerechtfertigen Ausschluss frühzeitig mündlich gerügt. Soweit die Vergabekammer demgegenüber nicht beanstande, dass die Beigeladene keine Erklärung nach § 2 GWB abgegeben habe, sei dies nicht verständlich. Das Angebot der Beigeladenen erfülle die Anforderungen der Verdingungsunterlagen nicht. Die Ankündigungen in der Vergabebekanntmachung reichten für einen fachkundigen Bieter aus, um zu erkennen, dass auch hinsichtlich etwaiger Erweiterungsmodule Referenzen gefordet würden. Das K.O.-Kriterium 2.1.2 der Rahmenbedingungen sei nicht erfüllt. Darauf könne sich die Antragstellerin berufen, entgegen der Auffassung der Vergabekammer erfordere der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur die Berücksichtigung gleichartiger Mängel bei Angeboten von Mitbietern. Sie habe, wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt habe, entsprechende Rügen rechtzeitig ausgebracht, zudem habe sie Rügen bereits telefonisch und in einem Gespräch mit der Vergabestelle erhoben. Schließlich sei zu beanstanden, dass der Termin, bis zu dem Angebote hätten eingehen können, verlängert worden sei. Nach Akteneinsicht hat sie weitere Rügen erhoben; u.a. beanstandet sie, dass die Beigeladene und die weiteren Unternehmen keine Erklärung abgegeben hätten, wonach sie mit den "Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen - EVB-IT" einverstanden seien. Sie beantragt daher,
1. die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,
2. die Vergabestelle zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, das Angebot der Antragstellerin zu werten und in ihrem Angebot als dem einzig zuschlagsfähigen in diesem Verfahren den Zuschlag zu erteilen,
3. hilfsweise, die Vergabestelle zu verpflichten, das unter 2007/S 145- 180250 im EU-Amtsblatt bekannt gemachte Offene Verfahren aufzuheben und den Auftrag in einem neuen Vergabeverfahren unter Beteiligung der Antragstellerin neu zu vergeben;
4. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache neu zu entscheiden,
5. die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Antragsgegner und Beigeladene beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweisen darauf, dass der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin aus formalen Gründen von ihr nicht rechtzeitig gerügt worden sei. Spätere Rügen zu anderen Punkten seien verspätet. Im Übrigen sei die Entscheidung der Vergabekammer nicht zu beanstanden. Die Erklärung zu § 2 GWB könne bereits deshalb keine Rolle spielen, weil die in Bezug genommene Vorschrift bereits aufgehoben gewesen sei.
Die Beigeladene macht außerdem geltend, sich mit den EVB-IT einverstanden erklärt zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen der Vergabekammer und den Akteninhalt Bezug genommen.
B.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat nur teilweise Erfolg.
I.
Antragsgegner ist nicht das - nicht rechtsfähige - Landesamt für Besoldung und Versorgung (vgl. § 6 Abs. 2 LOG NRW), sondern der Rechtsträger, das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 2 Hs. VwGO).
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses der Vergabekammer an die Bevollmächtigten der Antragstellerin am 04. Dezember 2007 beim Senat eingelegt worden. Die Antragstellerin bzw. ihre Bevollmächtigten haben zwar bereits durch Faxübersendung am 30. November 2007 von dem Beschluss Kenntnis erlangt, diese Übersendung erfolgte aber, wie aus Anlage Bf 25 hervorgeht, ohne Zustellungswillen.
III.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nur teilweise begründet.
1.
Das Angebot der Antragstellerin ist zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden.
a) Der Auffassung der Beigeladenen, das Angebot der Antragstellerin sei bereits wegen fehlender Angaben zur Haftpflichtversicherung auszuschließen, schließt sich der Senat allerdings nicht an.
Zwar enthielt die Bekanntmachung unter "Teilnahmebedingungen, Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" unter dem Obersatz "Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:" auch den Punkt "Nachweis über die Haftpflichtversicherung und deren Deckungsrisiken und Deckungssummen bei einem in der EU zugelassenen Versicherungsunternehmen", was grundsätzlich für eine gehörige Bekanntmachung von Mindestanforderungen gemäß Art. 44 Abs. 2 UA 3 VKR, § 7a Nr. 3 Abs. 3 VOL/A ausreichte; durch den Nachsatz "Möglicherweise geforderte Mindeststandards: Siehe hierzu die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Anforderungen" wurde jedoch unklar, ob die zuvor genannten Erklärungen bzw. Nachweise wirklich zwingend sind; die Vergabestelle hatte sich damit ihre Entscheidung gerade offen gehalten, ob und welche Mindeststandards (= Mindestanforderungen) sie stellen wollte: Dies ist unzulässig; wie der Senat bereits ausgesprochen hat (Beschluss vom 12.12.2007 - VII-Verg 34/07), muss sich die Vergabestelle bereits bei der Vergabebekanntmachung darüber klar geworden sein, ob und welche Nachweise sie von den Bietern verlangen will; in den Verdingungsunterlagen kann sie diese Anforderungen nur konkretisieren, ob und welche der in der Bekanntmachung angegebenen Unterlagen sie mit dem Angebot beigebracht sehen oder ob sie hinsichtlich bestimmter Unterlagen auf eine solche Beibringung verzichten und sich vorbehalten will, diese zu gegebener Zeit nachzufordern (oder auf die Vorlage ganz zu verzichten). Keinesfalls kann die Vergabestelle in den Verdingungsunterlagen über die bereits eindeutig in der Bekanntmachung verlangten Nachweise hinausgehen, Unklarheiten gehen zu Lasten des Auftraggebers (vgl. Beschluss des Senats vom 12.12.2007 - VII-Verg 34/07).
Dementsprechend brauchte die Antragstellerin einen Nachweis über die Haftpflichtversicherung nicht vorzulegen, ungeachtet dessen, dass ein solcher in den Verdingungsunterlagen - und zwar nach ihrem systematischen Aufbau - auch von mit dem Antragsgegner in Geschäftsbeziehung stehenden Unternehmen wie der Antragstellerin verlangt wurde. Hinzu kommt, dass in der Leistungsbeschreibung unter "9. Ausschlussbedingungen" die zum Ausschluss führenden Mängel des Angebots aufgeführt wurden, wozu das Fehlen eines Nachweises nicht gehörte. Ein Bieter konnte mangels anderweitiger Angaben daraus schließen, dass die Aufzählung abschließend war und nicht aufgeführte Mängel nicht zum Ausschluss führen würden (vgl. Beschluss des Senats vom 12.12.2007 - VII-Verg 34/07).
Dementsprechend ist unerheblich, dass die Antragstellerin in ihrem Angebot zwar eine Angabe zur Haftpflichtversicherung gemacht, jedoch keinen Nachweis vorgelegt hat.
b) Jedoch ist die Entscheidung des Antragsgegners, das Angebot der Antragstellerin wegen fehlender Unterzeichnung der Bewertungsmatrix auszuschließen, letztlich nicht zu beanstanden.
Dabei kann offen bleiben, ob die Vergabestelle die Unterzeichnung der Bewertungsmatrix zulässigerweise verlangen konnte. Soweit der Antragsgegner dies erklärtermaßen so verstanden wissen wollte, dass damit Rügen gegen die Bewertungsmatrix von vornherein ausgeschlossen seien, wäre dies unzulässig gewesen. Ein Bieter kann nicht vertraglich daran gehindert werden, Rügen innerhalb des Vergabeverfahrens auszusprechen. Die Grenzen des Rügerechts werden ausschließlich durch das Gesetz gezogen (vgl. auch Beschluss des Senats vom 21.11.2007 - VII-Verg 32/07 - zur Unwirksamkeit einer Klausel über eine Ausschlussfrist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens).
Einen Sinn hätte die Unterzeichnung nur insoweit gehabt, als der Antragsgegner damit eine tatsächliche Kenntnisnahme des Bieters von der Matrix vor Abgabe seines Angebots hätte dokumentieren können; der Senat weist allerdings vorsorglich darauf hin, dass diese Kenntnisnahme nicht mit dem Beginn der Rügefrist im Sinne des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB gleichgesetzt werden kann, da die Kenntnis eines Vergabefehlers nicht nur die tatsächliche Kenntnis, sondern auch die - wenigstens laienhafte - rechtliche Bewertung als Vergabefehler voraussetzt.
Einer näheren Erörterung der mit der Erklärung verbundenen Rechtsprobleme bedarf es aber nicht. Die Antragstellerin ist nämlich mit der Rüge, die Unterzeichnung der Bewertungsmatrix hätte zulässigerweise nicht verlangt werden können, jedenfalls nach § 107 Abs. 3 S. 1 GWB ausgeschlossen. Ihr war die Bewertungsmatrix und ihre Bedeutung bereits infolge der Verdingungsunterlagen klar; aus diesem Grunde hat sie sich nach ihren eigenen Angaben geweigert, sie unterschrieben an die Antragsgegnerin zurück zu senden. Aus den Verdingungsunterlagen ging eindeutig hervor, dass das Fehlen einer unterschriebenen Bewertungsmatrix einen Ausschlussgrund darstellte. Wenn sie dennoch die Bewertungsmatrix nicht unterschrieben zurück sandte, ging sie bereits zur damaligen Zeit davon aus, dass die betreffende Anforderung in den Verdingungsunterlagen unzulässig war (andernfalls hätte sie bewusst ein unvollständiges Angebot abgegeben, wofür nichts ersichtlich ist). Dann hätte sie dies aber spätestens mit der Abgabe des Angebots vor dem 11. September 2007 oder kurz danach rügen müssen. Die nunmehr behauptete Rüge am 02. Oktober 2007 war dann zu spät.
Allein in der Einreichung eines Angebots ohne die verlangte Erklärung liegt nicht eine schlüssige Rüge (vgl. OLG Dresden, VergabeR 2007, 549).
2.
Damit kann der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur dann Erfolg haben, wenn auch sämtliche anderen Angebote auszuschließen sind (vgl. BGH NZBau 2006, 800) oder aus sonstigen Gründen das Vergabeverfahren neu zu beginnen ist. Im Hinblick auf die Bemerkungen der Vergabekammer zu diesem Punkt sei klarstellend darauf hingewiesen, dass auf Grund der vorgenannten Entscheidung des BGH - entgegen der früheren Rechtsprechung des Senats - nicht mehr zu verlangen ist, dass die anderen Angebote an einem gleichartigen Mangel leidet, sondern dass es ausreicht, dass die anderen Angebote derart mangelbehaftet sind, dass sie zwingend auszuschließen sind.
Das ist der Fall.
a) Soweit allerdings die Antragstellerin meint, das Angebot der Beigeladenen habe bereits wegen fehlender Kartellerklärung ausgeschlossen werden müssen, greift diese Rüge nicht durch. Die verlangte Erklärung war gegenstands- und inhaltslos, nachdem der in Bezug genommene § 2 GWB (a.F.) aufgehoben worden war.
b) Auch wegen angeblich fehlender Referenzen konnte das Angebot der Beigeladenen nicht ausgeschlossen werden. Derartige Referenzen waren nämlich nicht wirksam als Eignungskriterium aufgestellt worden. Nach Art. 44 Abs. 2 UA 3 VKR, § 7a Nr. 3 Abs. 3 VOL/A hätte nämlich bereits in der Vergabebekanntmachung enthalten sein müssen, welche Eignungsnachweise vorzulegen waren. Zur Technischen Leistungsfähigkeit hieß es in der Vergabebekanntmachung:
Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen: Angesprochen werden mit dieser Ausschreibung Hersteller und/oder deren gelistete Businesspartner ( z.B. Systemintegratoren). Es werden geeignete Nachweise in schriftlicher Form über die Leistungsfähigkeit des Unternehmens (wie z.B. Zertifizierungsurkunden, Bestätigungen über die Listung des Unternehmens bei Distributionen bzw. beim Hersteller, Referenzen) erwartet.
Weiterhin ist nicht nur die termingerechte und vollständige Lieferung der angebotenen Software zuzusichern, sondern mit dem Angebot sind auch entsprechende Dokumente und Belege zu Art und Qualität der zugesicherten Leistungen (hier: u.a. Gewährleistungszeitraum des Herstellers, Software-Pflegekonzept einschließlich der Serviceinhalte) vorzulegen.
Möglicherweise geforderte Mindeststandards: Sie hierzu die in den Verdingungsunterlagen beschriebenen Anforderungen.
Soweit danach geeignete Nachweise angesprochen wurden (die auch nur "erwartet", nicht verlangt wurden), wurden nur ausdrücklich als solche bezeichnete Beispiele genannt; danach blieb den Bietern selbst überlassen, welche Nachweise sie vorlegen wollten. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann dem Text nicht entnommen werden, dass sämtliche in der Klammer genannten Nachweise verlangt würden.
Nach dem letzten Satz blieb sogar offen, ob die Vergabestelle überhaupt Mindeststandards, und wenn ja, welche, fordern würde ("möglicherweise geforderte Mindeststandards"); insofern unterscheidet sich diese Fallgestaltung von derjenigen, die dem Beschluss des Senats vom 09. Juli 2003 (Verg 26/03) zugrunde lag. Ein derartiges Vorgehen ist mit den genannten Vorschriften der VKR und der VOL/A nicht vereinbar; der potentielle Bieter muss der Bekanntmachung entnehmen können, ob die Vergabestelle Mindestanforderungen stellt, und wenn ja, in welcher Richtung; lediglich die Einzelheiten können den Verdingungsunterlagen überlassen bleiben. Soweit die Antragsgegnerin in den Ausschreibungsunterlagen (erstmals) verbindlich Referenzen verlangte, war dies durch die Bekanntmachung nicht gedeckt.
c) Soweit die Antragstellerin des Weiteren geltend macht, das Angebot der Beigeladenen erfülle nicht das "K.O.-Kriterium" nach 2.1.2 der Rahmenbedingungen, wonach eine zusätzliche Abrechnungsprüf-Anwendung integrierbar sein müsse, trifft dies nicht zu. Gefragt war allein nach der Integrierbarkeit, nicht danach, ob gegenwärtig eine derart integrierte Leistung bereits laufe. Nach den Angaben der Beigeladenen im Schriftsatz vorm 07.11.2007 vor der Vergabekammer liegt dieses Erfordernis jedoch vor. Konkrete Anhaltspunkte für das Gegenteil gibt auch die Antragstellerin nicht; sie verweist nur darauf, eine solche Lösung sei bisher nicht praktiziert worden.
d) Die Rügen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 15.02. 2008, die weitere Erklärungen der Beigeladenen in den Rahmenbedingungen vermisst, greifen nicht durch; es handelte sich nicht um K.O.-Kriterien.
Es sei allerdings angemerkt, dass in den Fällen, in denen der Bieter nicht rechtzeitig Angaben gemacht hat, das Angebot in diesem Punkt nur mit 0 Punkten bewertet werden darf; nachträgliche Erklärungen der Bieter nach Ablauf der Angebotsfrist dürfen nicht berücksichtigt werden.
e) Wenn die Antragstellerin den Ausschluss des Angebots der Beigeladenen bereits deshalb verlangt, weil - angeblich - inzwischen die Bindefrist abgelaufen sei, trifft dies nicht zu. Insoweit wird auf den Beschluss des Senats vom 20.02.2007 (VII-Verg 3/07) verwiesen.
f) Auch ein Ausschluss der Beigeladenen wegen Bieterwechsels kommt nicht in Betracht. Es handelte sich um eine bloße Umfirmierung.
g) Zu Recht rügt jedoch die Antragstellerin eine fehlende Erklärung zur EVB-IT.
Mit dieser Rüge ist sie nicht ausgeschlossen, weil ihr die tatsächlichen Grundlagen erst durch die Akteneinsicht im Beschwerdeverfahren bekannt geworden sind.
Die Beanstandung ist auch berechtigt. In der Tat haben die Beigeladene und die weiteren Bieter keine Erklärung zur EVB-IT abgegeben. In den Verdingungsunterlagen hieß es dazu:
Weitere Ausschlusskriterien sind:
- der Anbieter ist nicht bereit, einen Vertrag gemäß den "Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen - EVB-IT - "hier EVB-IT Überlassung für die zeitlich unbefristete Überlassung von Standardsoftware gegen Einmalvergütung (EVB-IT Überlassung Typ .... )" abzuschließen.
Ein Angebot, dass eines der geforderten Ausschlusskriterien nicht erfüllt, wird von der weiteren Wertung ausgeschlossen.
Diese Anforderung hat der Antragsgegner zwar nicht in besonders übersichtlicher Form gestellt, weil sie nur als Aussschlusskriterium - im Gegensatz zu anderen Erklärungen (z.B. "Anerkennung der Vertragsbedingungen des Landes NRW" sowie der "Bewerbungs- und Vergabebedingungen des Landes NRW") - nicht auch unter dem Stichwort "Anlagen" aufgeführt ist: Das beeinträchtigt die Wirksamkeit der Anforderung nicht; allerdings konnte die Anerkennung mehr oder minder formlos erfolgen, weil sie - im Gegensatz zu den vorbezeichneten Erklärungen - nicht auf einem vom Geschäftsführer (Stellvertreter) zu unterschreibenden Geschäftsbogen zu erfolgen brauchte.
Dem genügen die Erklärungen der Beigeladenen und der übrigen Bieter (("... bestätigt, dass sie im Rahmen dieser Leistungserbringung die Vertragsbedingungen des Landes NRW sowie die Bewerbungs- und Vergabebedingungen des Landes NRW anerkennt und einhalten wird") nicht. Die Verdingungsunterlagen verlangten - neben der Anerkennung der Vertragsbedingungen sowie der Bewerbungs- und Vergabebedingungen) - eine gesonderte Erklärung zur EVB-IT. Damit reichte die allgemeine Erklärung entgegen der Auffassung der Beigeladenen nicht aus.
h) Auf die Frage, ob die Antragstellerin zu Recht die Verlängerung der Angebotsfrist gerügt hat, kommt es danach nicht mehr an.
3.
Dies hat zur Folge, dass das Vergabeverfahren - bei fortdauernder Beschaffungsabsicht des Antragsgegners - jedenfalls in den Stand nach Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen ist. Die Bieter werden dadurch in die Lage versetzt, neue Angebote einzureichen; allerdings wird in jedem Falle die Setzung einer neuen Angebotsfrist notwendig. Ohne eine neue Vergabebekanntmachung und dieser angepasste Verdingungsunterlagen können von den Bietern allerdings nur die Anforderungen entsprechend den Erläuterungen unter 1. und 2. gestellt werden. Es bleibt dem Antragsgegner überlassen, ob er aus den aufgezeigten erheblichen Diskrepanzen zwischen Vergabebekanntmachung und Verdingungsunterlagen und den weiteren im Verfahren zu Tage getretenen Unklarheiten (die jedenfalls zum Teil ersichtlich auf völlig veraltete Muster zurückzuführen sind) weitergehende Konsequenzen zieht.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen, soweit sie das Verfahren auf der Vergabekammer betreffen, auf § 128 Abs. 3, 4 GWB. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag keinen Erfolg gehabt hat. Die Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligen, da sie auf Seiten des Antragsgegners den Anträgen der Antragstellerin entgegen getreten ist (vgl. BGH, a.a.O.).
Die Entscheidung über die Kosten der Beschwerde beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Beschwerdewert wird gemäß § 50 Abs. 2 GWB auf 16.065,00 Euro festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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