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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 83/05 (1)
Rechtsgebiete: GWB, VOL/A


Vorschriften:

GWB § 118 Abs. 1 Satz 3
VOL/A § 7 Nr. 4
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 1
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. c
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. d
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 2 lit. b
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1
VOL/A § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 2
VOL/A § 7a Nr. 3
VOL/A § 17
VOL/A § 17a
VOL/A § 22 Nr. 6
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 11. November 2005 - VK VOL 23/2005 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens - einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB - und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu 260.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin schrieb im Offenen Verfahren die Vergabe von Einsammeln und Befördern von Resthausmüll, Bioabfall, Sperrmüll inkl. Altmetalle/Eisenschrott auf Anforderung, Elektro- und Elektronikgeräten auf Anforderung, Weihnachtsbäumen, kommunaler Altpapieranteils gemäß Abstimmungserklärung mit DSD, Schadstoffen inkl. Leuchtstoffröhren und Ölradiatoren und Papierkorbinhalten sowie den Betrieb und Unterhalt eines Wertstoffhofes europaweit aus.

Ausweislich der Vergabebekanntmachung unter Ziffer III. 2.1.2 "Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" waren als Nachweise gefordert:

geforderte Nachweise: z.B. Vorlage von Bilanzen oder Erklärungen über den Gesamtumsatz der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre

Die Antragstellerin und die Beigeladene sowie vier weitere Bieter reichten innerhalb der Angebotsfrist Angebote ein. Im Unterfach "Bilanzen der letzten drei Geschäftsjahre" des Angebots der Antragstellerin befand sich ein verschlossener Umschlag mit der Aufschrift "Bilanzen 02/03/04". Im Begleitschreiben der Antragstellerin vom 11. August 2005 hieß es hierzu:

Die Bilanz der R. GmbH & Co. KG (ehem. Re. Entsorgungswirtschaft GmbH & Co. KG) übermitteln wir Ihnen in der Anlage in Ablichtung im versiegelten Umschlag. Wir weisen an dieser Stelle ausdrücklich daraufhin hin, dass die beiliegende Bilanz nur in unserem Beisein geöffnet werden darf.

Nach der Wertung lag die Antragstellerin mit ihrem Angebot auf Platz 2, die Beigeladene auf Platz 1 der Bieterrangliste. Mit Schreiben vom 16. September 2005 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden solle.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom selben Tage, die Beigeladene sei unter anderem deshalb nicht leistungsfähig, weil sie bisher nicht im Bereich der Bioabfallentsorgung tätig gewesen sei und eine ordnungsgemäße Leistungserbringung ab dem 1. Januar 2006 nicht gewährleisten könne, da sie die benötigten Fahrzeuge und Abfallgefäße nicht mehr in dem von ihr als öffentlicher Auftraggeberin einzuhaltenden Vergabeverfahren beschaffen könne. Ferner erfülle sie verschiedene Anforderungen der Verdingungsunterlagen nicht. Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 22. September 2005 die Rüge zurück. Mit ihrem Nachprüfungsantrag vom 27. September 2005 begehrte die Antragstellerin die Untersagung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen und hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag mit der Begründung als unbegründet zurück, in der Einreichung der Bilanzen in einem verschlossenen Umschlag mit dem Zusatz der Öffnung nur im Beisein der Antragstellerin liege eine unzulässige Veränderung der Verdingungsunterlagen, weshalb das Angebot der Antragstellerin auszuschließen sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Mit Beschluss vom 13. Januar 2006 hat der Senat den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nach §118 Abs. 1 Satz 3 GWB zurückgewiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 11. November 2005, VK VOL 23/2005 aufzuheben,

der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen,

hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, die Angebote unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu werten.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Sie treten diesem Begehren der Sache nach entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin - und damit aus Rechtsgründen auch die sofortige Beschwerde - ist unbegründet.

Das Angebot der Antragstellerin ist zwingend gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A von dem Vergabeverfahren auszuschließen. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOLA sind bei der Auswahl der Angebote, die für einen Zuschlag in Betracht kommen, nur diejenigen Bieter zu berücksichtigen, die die für die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit (Eignung) besitzen. Fordert der Auftraggeber zum Nachweis der Eignung mit dem Angebot die Vorlage geeigneter Unterlagen, sind diese mit dem Angebot einzureichen. Unterbleibt dies, unterliegt das Angebot in der zweiten Wertungsphase einem Ausschluss von der weiteren Wertung. Die Antragstellerin hat die zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geforderten Unterlagen nicht vollständig vorgelegt.

1. a) Wie der Senat bereits im Beschluss vom 13. Januar 2006 ausgeführt hat, sahen die Vergabebedingungen vor, dass die Bieter ihre finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch nach Art und Zielsetzung bezeichnete Nachweise zu belegen haben und dass diese Nachweise mit dem Angebot vorzulegen sind.

Das geht schon aus der Überschrift des Unterabschnitts III.2) der Vergabebekanntmachung - "Bedingungen für die Teilnahme" - hervor. Unterlagen, deren Vorlage vom Auftraggeber im Sinn einer Teilnahmebedingung gefordert ist, sind nach der zugrunde zu legenden Auffassung eines verständigen Bieters mit dem Angebot einzureichen. Nur so ist sicherzustellen, dass die Eignungsprüfung sinnvoll durchgeführt werden kann. Nichts anderes ergibt sich im vorliegenden Fall aus den Verdingungsunterlagen, und zwar aus den sog. Vorbemerkungen, Teil II - Besondere Vertragsbedingungen, dort Ziffern 18.1, sowie aus Teil III - Angebot, dort Ziffern 5.2. Das Erfordernis, verlangte Eignungsnachweise zugleich mit dem Angebot vorzulegen, steht im Nachprüfungsverfahren auch außer Streit. Die Rechtsgrundlage der an die am Auftrag interessierten Unternehmen gerichteten Forderung, ihre Eignung sowie namentlich ihre wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit durch Vorlage von Unterlagen nachzuweisen, ergibt sich aus § 7 Nr. 4 und § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. c und d VOL/A. Welche Eignungsnachweise vorzulegen sind, ist vom öffentlichen Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben (§ 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A).

Im Streitfall hat die Antragsgegnerin den am Auftrag interessierten Unternehmen mit den Worten: "z.B. Vorlage von Bilanzen oder Erklärungen über den Gesamtumsatz der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre" (siehe III.2.1.2) der Vergabebekanntmachung) eine Wahlmöglichkeit eingeräumt, welche Unterlagen zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit eingereicht werden sollten. Die Wahlmöglichkeit ließ die Forderung eines Nachweises zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit nicht unbestimmt oder mehrdeutig und damit im Ergebnis unbeachtlich werden. Der Auftraggeber hat - wie am Wortlaut von § 7 Nr. 4 und § 7a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A deutlich wird ("können", "kann" und "in der Regel"), bei der Festlegung, welche Angaben und/oder Nachweise in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht von Bietern gefordert werden, einen Ermessensspielraum. Im Rahmen seines Ermessens kann der Auftraggeber deswegen auf exakte Vorgaben hinsichtlich der zum Nachweis von Eignungsmerkmalen vorzulegenden Unterlagen oder abzugebenden Erklärungen verzichten, sofern - was aus der Sicht eines verständigen Bieters zu bestimmen ist - die Mittel, derer sich am Auftrag interessierte Unternehmen zu Zwecken des Nachweises bedienen dürfen, in der Vergabebekanntmachung nach ihrer Art und Zielrichtung bestimmbar angegeben sind, und darüber hinaus unmissverständlich klar gestellt ist, dass mit den einzureichenden Unterlagen oder Angaben bestimmte Eignungsmerkmale nachzuweisen sind.

Ein zwingendes Gebot, die Eignungsnachweise konkret zu benennen, ist § 7a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A weder ausdrücklich noch im Wege der richtlinienkonformen Auslegung der Vorschrift unter Heranziehung des § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 zu entnehmen (vgl. Art. 47 der Richtlinie 2004/18 EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004, Abl. L 134/145). § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A verlangt zwar eine Angabe der Nachweise und Beweismittel in der Bekanntmachung, sofern der öffentliche Auftraggeber sich für die in § 7a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A genannten oder aber für andere als die genannten Nachweise entschieden hat. Die Vorschrift geht von dem Regelfall aus, dass der Auftraggeber konkrete Eignungsnachweise ausgewählt hat. Für diesen Fall ordnet Satz 1 von § 7a Nr. 2 Abs. 3 VOL/A an, dass der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung anzugeben hat, welche Nachweise vom Bieter vorzulegen sind. Ein darüber hinausgehender Regelungsgehalt kommt der Vorschrift nicht zu. Aus dem Wortlaut des 2. Halbsatzes der Vorschrift ("...., welche (dieser) Nachweise vorzulegen sind") lässt sich nicht ableiten, dass es dem Auftraggeber verwehrt ist, es durch eine an dem Wesen und der Funktion orientierte Beschreibung der Nachweise den an der Auftragsvergabe interessierten Unternehmen zu überlassen, diejenigen Mittel zu wählen, die sie für hinreichend aussagekräftig halten, um als Nachweis für die eigene finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu dienen. Ein derartiges, eine Gebotsanordnung enthaltendes Verständnis der Vorschrift stünde im Gegensatz zum eindeutigen Wortlaut des § 7 Nr. 4 VOL/A, der dem Auftraggeber ausdrücklich ein Ermessen bei der Auswahl der in § 7a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A beispielhaft aufgezählten Nachweisen gewährt. § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A besagt nach seinem Sinn und Zweck für den Streitfall lediglich, dass der Auftraggeber die interessierten Unternehmen bereits in der Vergabebekanntmachung über die ihnen eingeräumte Wahlmöglichkeit zu informieren hat.

Ein Gebot folgt zu ausschließlich konkreter Bezeichnung der einzureichenden Nachweise nicht aus § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 2 VOL/A (vgl. Art. 47 Abs. 5 Richtlinie 2004/18 EG), wie die Antragstellerin zuletzt mit ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Januar 2006 eingewandt hat. Satz 2 der Regelung räumt dem Auftraggeber nachträglich die Möglichkeit ein, im Einzelfall von bestimmten, in der Bekanntmachung getroffenen Vorgaben zu den Nachweismitteln zugunsten eines interessierten Unternehmens abzusehen und einen gleichwertigen Nachweis verlangen, wenn dieses Unternehmen geltend macht, die Vorlage eines bestimmten Nachweises sei ihm nicht zumutbar. Dies betrifft zum Beispiel den Fall, dass technische oder handelsbezogene Betriebsgeheimnisse des bietenden Unternehmens zu offenbaren wären oder aus handelsrechtlichen Gründen die Aufstellung einer Bilanz nicht gefordert ist. Die Vorschrift eröffnet dem Auftraggeber die Möglichkeit, im Einzelfall bei Vorliegen berechtigter Gründe auf der Seite des bietenden Unternehmens von der Anforderung bestimmter Nachweise in der Vergabebekanntmachung nachträglich abzusehen und andere zum Nachweis der Leistungsfähigkeit für geeignet erachtete Belege zu akzeptieren. Dies deutet an, dass es unter bestimmten Voraussetzungen dem Auftraggeber möglich ist, von einer vorherigen konkreten Benennung der Nachweise abzusehen. Im Streitfall erübrigt sich für die Antragsgegnerin eine nachträgliche Prüfung im Einzelfall, ob die Vorlage der mit der Bekanntmachung verlangten Nachweise einem Unternehmen aus berechtigten Gründen nicht zumutbar war. Durch die Bekanntmachung hat die Antragsgegnerin es den an der Auftragsvergabe interessierten Unternehmen überlassen, diejenigen (geeigneten) Mittel zu wählen, die sie für hinreichend aussagekräftig halten, um als Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu dienen.

Ein an den Auftraggeber gerichtetes Gebot, die Nachweise konkret zu benennen, lässt sich § 7a Nr. 3 VOL/A ebenfalls nicht entnehmen. Auch diese Vorschrift geht nur von dem Regelfall aus, dass der Auftraggeber mit der Bekanntmachung konkrete Nachweise benannt hat, die im vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb mit dem Teilnahmeantrag von den interessierten Unternehmen zum Zwecke der Durchführung der vorgezogenen Eignungsprüfung einzureichen sind.

Diese Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen steht nicht im Widerspruch zum Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 28. Mai 2003, Verg 6/03, VergabeR 2003, 675, 677. Die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgericht befasste sich mit der Frage der objektiven Mehrdeutigkeit einer Nachweisanforderung in einer Vergabebekanntmachung. Gegenstand des vorliegenden Nachprüfungsverfahrens ist eine nach Art und Zielsetzung erfolgte Beschreibung der in § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. c) und d) VOL/A genannten Nachweise, die weder unklar noch mehrdeutig ist. Die Ausführungen zu § 7a Nr. 2 Abs. 3 Satz 1 VOL/A im Beschluss des Senats vom 26. Juli 2003, Verg 26/03, S. 13, befassten sich mit dem in der Bekanntmachung geforderten Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit durch ein Beweismittel im Sinne des § 7a Nr. 2 Abs. 2 lit. b VOL/A, dessen Konkretisierung erst in den Verdingungsunterlagen erfolgte. Sie stehen - entgegen der im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Januar 2006 geäußerten Rechtsauffassung der Antragstellerin - der vorstehenden Auslegung der §§ 7 Nr. 4, 7a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A im Streitfall nicht entgegen.

Die insoweit in den Verdingungsordnungen aufgestellten Regeln sollen vornehmlich willkürliche Bewertungen verhindern und die Gleichbehandlung der Bieter sicherstellen (vgl. auch Zdzieblo in Daub/ Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 7 Rn. 58; § 7a Rn. 18). Das Ziel, einen transparenten Wettbewerb zwischen den Bietern und die Gleichbehandlung der Bieter zu gewährleisten, wird durch eine in der Bekanntmachung nach Art und Zielrichtung erfolgte Beschreibung der Nachweise für die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der vom bietenden Unternehmen vorzulegenden Nachweise und Beweismittel nicht gefährdet. Die in der Bekanntmachung nach §§ 17, 17a VOL/A veröffentlichten Angaben sollen dem Unternehmen eine ausreichende Kenntnis über die zu erbringenden Leistungen und über die an ihr Unternehmen gestellten besonderen Anforderungen vermitteln und ihnen auf diese Weise ein Urteil darüber ermöglichen, ob der ausgeschriebene Auftrag für sie von Interesse ist. Auch willkürliche Anforderungen von Nachweisen durch den Auftraggeber werden bei Beschreibungen der hier vorliegenden Art vermieden.

Die Antragsgegnerin hat den an die Angabe zugelassener Nachweise zu stellenden Anforderungen genügt. Sie hat in der Vergabebekanntmachung beispielhaft angegeben, mit welchen Unterlagen der Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geführt werden konnte (z.B. Vorlage von Bilanzen oder Erklärungen über den Gesamtumsatz). Die vorzulegenden Nachweise sollten in der Art von Bilanzen oder Erklärungen über die Gesamtumsätze geeignet sein, über die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit des Bieters Aufschluss zu geben. Von daher kam statt einer Vorlage der genannten Unterlagen z.B. auch die Einreichung der schriftlichen Auskunft eines Wirtschaftsprüfers, eines Nachweises über die verfügbaren Eigenmittel, von Gewinn- und Verlustrechnungen oder aussagekräftigen Geschäftsberichten und u.U. auch eine Kombination solcher Unterlagen mit einer Vorlage von Bilanzen oder Erklärungen über die Gesamtumsätze in Betracht. Abschließende Festlegungen sind insoweit entbehrlich. Die Antragstellerin hat sich zum Nachweis ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Vorlage einer Bilanz (oder deren Mehrheit) sowie einer Erklärung über Gesamtumsätze bedient. Dass durch solche Unterlagen die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen war, unterlag keinem Zweifel. Denn die beispielhaft zu verstehende Angabe "z.B. Bilanzen oder Erklärungen ..." war in der Vergabebekanntmachung (unter III.2.1.2)) mit den Worten "Geforderte Nachweise" eingeleitet worden. Dies machte jedem verständigen Bieter unmissverständlich klar, dass die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit anhand geeigneter Unterlagen zwingend nachzuweisen war.

Die Bewerbungsbedingungen (Teil I der sog. Vorbemerkungen, dort Ziffern 7.6) schränkten die in der Vergabebekanntmachung gewährte Wahlmöglichkeit allerdings ein, da jetzt nur noch Bilanzen (bzw. Bilanzauszüge) oder Erklärungen über den Gesamtumsatz der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit zugelassen sein sollten. Ob die Antragsgegnerin sich diese Einschränkung durch den Hinweis in der Vergabebekanntmachung "Weiteres siehe Ausschreibungsunterlagen" (unter Ziffern III.2.1.2)) wirksam vorbehalten hat, ist sehr fraglich. Der öffentliche Auftraggeber darf von den für den Eignungsnachweis bekannt gemachten Vorgaben im weiteren Verlauf des Vergabeverfahrens weder abweichen noch darf er diese ändern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.11.2002 - Verg 56/02). Die dadurch aufgeworfene Rechtsfrage muss aber nicht entschieden werden. Denn die Antragstellerin hat die Vorgaben der Vergabebekanntmachung für maßgebend gehalten. Sie vertritt im Nachprüfungsverfahren den Standpunkt, sich daran gehalten zu haben. Ihrem Angebot hat die Antragstellerin Bilanz(en) und eine Erklärung über Gesamtumsätze beigefügt. Das Angebot der Antragstellerin soll hier deshalb nur an den Anforderungen gemessen werden, die in der Vergabebekanntmachung aufgestellt worden waren. Diese Anforderungen hat die Antragstellerin - wie unter Ziffer 2 darzulegen sein wird - nicht erfüllt.

b) Die Antragstellerin hat ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Januar 2006 die vergaberechtliche Zulässigkeit der Anforderung einer Erklärung zu den Gesamtumsätzen der letzten drei Geschäftsjahre in Abrede gestellt, indem sie die Ergiebigkeit und Aussagekraft der auf die Vergangenheit bezogenen Erklärungen zu den Gesamtumsätzen bezweifelt hat. Die Forderung derartiger Erklärungen über den Gesamtumsatz der vergangenen drei abgeschlossenen Geschäftsjahre ist aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers in geeigneten Fällen sachlich gerechtfertigt, weil § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. c) und d) VOL/A diese Mindestanforderungen deckt. Dabei wird in Kauf genommen, dass hierdurch der Marktzutritt neu gegründeter Unternehmen erschwert wird, soweit dies durch den Gegenstand der ausgeschriebenen Leistungen gerechtfertigt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 18. 7. 2001, Verg 16/01= VergabeR 2001, 419, 425; Beschl. v. 2. 1.2006, VII-Verg 93/05, Umdruck S. 10). Der Auftraggeber ist darin frei, diese Bestimmungen zur Auswahl geeigneter Bewerber anzuwenden. Ihm steht insoweit ein Ermessen zu. In Anbetracht der langjährigen Vertragsdauer ist der Antragsgegnerin nicht vorzuwerfen, ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt zu haben.

2. a) Die Antragstellerin hat ihrem Angebot Erklärungen über die Gesamtumsätze ihres Unternehmens in den Jahren 2003 und 2004 beigegeben. Eine Erklärung über den Gesamtumsatz im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2002, dem ersten Geschäftsjahr, fehlt. Infolgedessen hat die Antragstellerin den zur Wahl stehenden Nachweis durch Erklärung über die Gesamtumsätze ihres Unternehmens nicht vollständig geführt.

b) Die von der Antragstellerin mit dem Angebot vorgelegte Bilanz ihres Unternehmens (oder deren Mehrheit) ist im Ergebnis ungeeignet, den Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu führen. Die Bilanz(en) lassen sich ebenso wenig dazu verwenden, die bei der Erklärung über die Gesamtumsätze in Bezug auf das Geschäftsjahr 2002 bestehende Lücke auszufüllen. Denn die Antragstellerin hat die Bilanz(en) ihres Unternehmens in einem dem Angebot beigefügten versiegelten Umschlag eingereicht und dazu in ihrem Begleitschreiben (siehe das obenstehende Zitat im tatbestandlichen Teil) bemerkt, die Bilanz dürfe nur in ihrem Beisein (gemeint war: in Anwesenheit eines Vertreters) eröffnet werden. Aufgrund dieses einschränkenden Zusatzes ist eine Bilanz (oder deren Mehrheit) als von der Antragstellerin nicht vorgelegt anzusehen.

Die Antragsteller hat die Öffnung des die Bilanz(en) enthaltenden Umschlags unter eine unzulässige Bedingung gestellt. Die Bedingung verhinderte, dass die Antragsgegnerin vom Inhalt der Bilanz(en) Kenntnis nehmen konnte. Vorbehalte oder Bedingungen der vorliegenden Art sind vom öffentlichen Auftraggeber zu beachten. Der Auftraggeber ist nicht befugt, die von einem Bieter eingereichten Unterlagen oder Erklärungen gegen dessen erklärten Willen zu öffnen und einzusehen. Er ist an die diesbezüglichen Vorgaben eines Bieters - hier an die Bedingung, dass dabei ein Vertreter anwesend zu sein habe - rechtlich gebunden. Solche Vorgaben, Bedingungen und Vorbehalte sind vergaberechtlich indes nicht zugelassen und nicht hinzunehmen. Werden sie von einem Bieter dennoch gemacht, ist die mit einer Bedingung oder einem Vorbehalt belegte Angabe, Erklärung oder Unterlage im Rechtssinn als nicht eingereicht zu werten. Die eingegangenen Angebote müssen dem öffentlichen Auftraggeber in jeder durch die Vergabebekanntmachung und die Verdingungsunterlagen vorgegebenen Hinsicht zur vorbehaltlosen Kenntnisnahme und Prüfung offen stehen. Anders ist nicht sicherzustellen, dass in jeder Hinsicht vergleichbare Angebote gewertet werden und die Vergabeentscheidung das im Vergabeverfahren zu beachtende Gebot der Gleichbehandlung der Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) wahrt. Unabhängig hiervon muss der Auftraggeber - wie hier - im Fall eines offenen Vergabeverfahrens gemäß dem Inhalt der eingehenden Angebote in der Lage sein, den Zuschlag durch eine bloße Annahmeerklärung auf das Angebot zu bewirken. Das war infolge des Vorbehalts der Antragstellerin hier rechtlich ausgeschlossen. Vorbehalte der Art, wie sie von der Antragstellerin geäußert worden sind, bringen darüber hinaus die Gefahr mit sich, dass sich der Abschluss des Vergabeverfahrens über Gebühr verzögert. Auch dies ist nicht hinzunehmen. Zur Rechtfertigung ihres Vorbehalts kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf ein Geheimhaltungsinteresse berufen. Der öffentliche Auftraggeber ist nach § 22 Nr. 6 VOL/A verpflichtet, die Angebote und die Anlagen vertraulich zu behandeln, d.h. deren Inhalt niemand anderem zugänglich zu machen.

c) Die von der Antragstellerin mit ihrer Referenzliste gemachten Umsatzangaben für die Jahre 2001 bis 2003 sind ungeeignet, die in Bezug auf das Geschäftsjahr 2002 bestehende Erklärungslücke auszufüllen.

Die Referenzliste weist unter den Spaltenüberschriften "Umsatz 2001", "Umsatz 2002" und "Umsatz 2003" bezogen auf die jeweiligen Referenzgeber die bei Entsorgungsdienstleistungen erzielten Jahresteilumsätze aus.

Die Referenzliste dient aber dem Nachweis der fachlichen und technischen Leistungsfähigkeit. Sie ist damit schon vom Ansatz her nicht geeignet, die nach § 7a Nr. 2 Abs. 1 lit. d VOL/A geforderten Erklärungen über den Gesamtumsatz zu ersetzen. Die Erklärungen über den Gesamtumsatz dienen ihrerseits dem Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des bietenden Unternehmens.

Die von der Antragstellerin mit dem Angebot vorgelegte Referenzliste enthält zudem keine Erklärung über den von ihr erzielten Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2002. Die Referenzliste enthält - bezogen auf die jeweiligen Referenzaufträge - nur Erklärungen der Antragstellerin über die in den Geschäftsjahren 2001 bis 2003 mit verschiedenen öffentlichen Auftraggebern erzielten Teilumsätze. Die fehlende Erklärung über den Gesamtumsatz im Jahr 2002 kann auch nicht mittels einer Addition der angegebenen Teilumsätze des Geschäftsjahres 2002 ermittelt werden. Es bestanden aus Sicht der Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Addition der Teilumsätze den im Geschäftsjahr 2002 in allen Geschäftsbereichen erzielten Gesamtumsatz der Antragstellerin vollständig ergab. Die Beigeladene hat mit Recht in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin nicht nur Logistikdienstleistungen erbringt. Der Geschäftsbetrieb ihres Unternehmens ist oder war daneben auf das Gebiet der Abfallbehandlung, also den Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen und Deponien ausgerichtet. Mithin erlaubt die durch Addition der Teilumsätze zu erzielende Summe keinen Rückschluss darauf, dass es sich bei der berechneten Summe um den auf ein Geschäftsjahr entfallenden Gesamtumsatz der auf verschiedenen Geschäftsfeldern tätigen Antragstellerin handelt. Damit steht nicht fest, sondern ist faktisch ausgeschlossen, dass die Referenzlisten einen Gesamtumsatz ausweisen. In ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz hat die Antragstellerin dies eingeräumt.

Da die Antragstellerin davon Gebrauch gemacht hat, ihre Eignung in wirtschaftlicher Hinsicht durch Erklärungen über Gesamtumsätze nachzuweisen, war sie gehalten, dies gemäß der gestellten Anforderung auch vollständig zu tun. Die Antragsgegnerin hat durch die beispielhafte Benennung der Erklärung über die Gesamtumsätze der letzten drei Geschäftsjahre in der Vergabebekanntmachung zu erkennen gegeben, dass - sollte der Bieter diesen Nachweis wählen - er die Gesamtumsätze der vergangenen drei Geschäftsjahre ausweisen muss. Ein ausschnittweiser Nachweis genügt nicht, weil dieser nicht aussagekräftig ist, die finanzielle und wirtschaftliche Leistungskraft zu belegen.

3. Da die zum Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erforderlichen Unterlagen von der Antragstellerin nicht vorgelegt worden sind, ist ihr Angebot gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zwingend von einer weiteren Wertung auszunehmen, und zwar ungeachtet des Umstands, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit Entsorgungsleistungen im Auftrag der Antragsgegnerin durchgeführt hatte. Dies befreite sie nicht davon, die im nunmehr stattfindenden Vergabeverfahren gestellten Anforderungen an den Nachweis der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfüllen, zumal die früheren finanziellen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sich geändert haben konnten. Einem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin steht ebenso wenig entgegen, dass die Antragsgegnerin sich hierauf erst im Nachprüfungsverfahren berufen hat. Die Ausschlussfolge ist im Rechtssinn zwingend. Die Berufung auf einen Vertrauensschutz ist ausgeschlossen.

4. Im Hinblick auf das neue tatsächliche Vorbringen der Antragstellerin in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20. Januar 2006 bestand für den Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO analog).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO analog.

Ende der Entscheidung

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