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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.07.2006
Aktenzeichen: VII-Verg 97/05
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 5
GKG § 12 Abs. 1 S. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 9. Dezember 2005, VK 2 -114/03, wird zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 9. Dezember 2005, VK 2-114/05, wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 794,36 € festge-setzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller reichte Angebote für die beabsichtigte Vergabe von zwei berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (Förderlehrgänge F1 und F2) ein. Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. Oktober 2003 mit, dass sie beabsichtige, die Zuschläge bezüglich der Förderlehrgänge F1 und F 2 einem anderen Bieter zu erteilen. Dies rügte der Antragsteller mit zwei gleichlautenden Schreiben vom 16. Oktober 2003 als vergaberechtsfehlerhaft und reichte einen Nachprüfungsantrag bei der 2. Vergabekammer des Bundes ein, mit dem er das Vergabeverfahren bei beiden Förderlehrgängen beanstandete. Mit Beschluss vom 19. November 2003, VK 2-114/05, untersagte die Vergabekammer der Antragsgegnerin, den Zuschlag aufgrund ihrer bisherigen Wertung zu erteilen und ordnete die Wiederholung der Angebotswertung an. Sie ordnete ferner an, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens und die zu zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragstellers zu tragen habe.

Der Antragsteller beantragte, die ihm zu erstattenden Auslagen auf einen Betrag von insgesamt 3.714,04 € festzusetzen. Die Vergabekammer setzte mit Beschluss vom 9. Dezember 2005 die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Auslagen auf einen Betrag von 2.964,68 € fest.

Gegen den ihm am 12. Dezember 2005 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 9. Dezember 2005 hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 (richtig: 27.12.2005) sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, weitere Auslagen in Höhe von 749,36 € gegen die Antragsgegnerin festsetzen zu lassen. Der Schriftsatz ging am 28. Dezember 2005 per Telefax beim Oberlandesgericht Düsseldorf ein. Die per Telefaxschreiben übersandte Beschwerdeschrift wies eine falsche Vorwahl-Nummer von Düsseldorf zum Telefax-Anschluss des Oberlandesgerichts auf. Der vom Senat über Zulässigkeitsbedenken unterrichtete Antragsteller hat am 10. Januar 2005 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gestellt.

Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsteller gegen die von der Vergabekammer bei der inzidenten Streitwertermittlung zu Grunde gelegte Addition der Angebotssummen für beide Förderlehrgänge. Er vertritt die Auffassung, die Angebotssummen hätten nicht zusammengerechnet werden dürfen. Es seien Geschäfts- und Besprechungsgebühren aus dem Wert des jeweiligen Angebots zum Förderlehrgang F1 und zum Förderlehrgang F2 angefallen.

Der Antragsteller beantragt,

ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

die Antragsgegnerin über den Kostenfestsetzungsbeschluss der zweiten Vergabekammer des Bundes vom 9. Dezember 2005 hinaus zu verpflichten, an ihn, den Antragsteller, weitere 749,36 € zu zahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Beschwerde sei wegen der Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren. Dem Bevollmächtigten des Antragstellers hätte bei der Unterzeichnung des Schriftsatzes auffallen müssen, dass die angegebene Faxnummer nicht stimmen könne.

Die Beschwerde sei aber auch unbegründet. Der Beschwerdeführer habe einen einzigen Nachprüfungsantrag gestellt, der sich auf die Förderlehrgänge F1 und F2 bezogen habe. Beim Nachprüfungsbegehren hinsichtlich der Förderlehrgänge F 1 und F 2 handele es sich um eine Angelegenheit.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die vom Antragsteller eingereichten eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 2. Vergabekammer des Bundes ist zwar statthaft. Die Beschwerde ist aber unzulässig, weil sie verspätet, nämlich erst am 28. Dezember 2005, eingelegt worden ist, obwohl die Beschwerdefrist am 27. Dezember 2005 ablief. Dem Antragsteller ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Beschwerdefrist auf seinen zulässigen Antrag vom 10. Januar 2006 nicht zu gewähren (§§ 233 ZPO ff.), da die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde auf einem Verschulden seines Bevollmächtigten beruht, das sich der Antragsteller zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO analog).

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Antragsteller ausgeführt: Sein Bevollmächtigter verwende das Rechtsanwaltsprogramm D..., mit dem eine elektronische Akte angelegt werde, in welche die Beteiligten mit Anschrift und Telekommunikationsdaten eingetragen würden. So geschehe es auch mit den Gerichten. Der mit der Anlegung der Akte betrauten Mitarbeiterin sei bei der Eingabe der Vorwahl der Telefaxnummer des Beschwerdegerichts ein Fehler unterlaufen. Statt der zutreffenden Vorwahl "0211" sei die Zahl "0221" eingegeben worden. Am 27. Dezember 2005 habe der Bevollmächtigte die seit einiger (längerer) Zeit bei ihm beanstandungsfrei tätige Mitarbeiterin J. M... angewiesen, die Beschwerdeschrift nach seinem Diktat zu schreiben und mit der (richtigen) Anschrift und der Telefaxnummer zu versehen. Der Rechtsanwalt habe den Schriftsatz am selben Tage unterschrieben ohne zu erkennen, dass die Vorwahl nicht stimmte. Er habe die Mitarbeiterin angewiesen, ihm den Sendebericht am nächsten Tag vorzulegen. Unter Zuhilfenahme der Wahlwiederholungsfunktion des Telefaxgerätes sei bis zum Büroschluss und danach erfolglos versucht worden, das Telefaxschreiben abzusetzen. Die zuständige Mitarbeiterin habe anhand der EDV die Richtigkeit der eingegebenen Telefaxnummer überprüft. Erst am Morgen des 28. Dezember 2005 habe sie den Fehler der Vorwahl bemerkt und die Beschwerdeschrift - dieses Mal mit richtiger Vorwahl - als Telefax an das Oberlandesgericht versandt. Es bestehe bei fristgebundenen Schriftsätzen, die am letzten Fristtage vorab per Telefax eingereicht würden, in der Kanzlei eine Anweisung, nach Vorliegen des Sendeberichts die mit der Sache befasste Mitarbeiterin beim Empfangsgericht anrufen zu lassen, um den Eingang zu prüfen. Da das Faxgerät kein Sendeprotokoll erzeugt habe, sei ein Kontrollanruf unterblieben.

1.

a) Die Fristversäumung beruht nach eigenem Vortrag des Antragstellers auf einem Organisationsverschulden seines Verfahrensbevollmächtigten.

Der Rechtsanwalt hat sich - dem Antragsteller zurechenbar - schuldhaft verhalten, da er seinem Büropersonal nach eigenem Vortrag keine allgemeine organisatorische Anweisung erteilt hat, wie zu verfahren ist, wenn bei der Telefax-Übermittlung des am letzten Tag der Rechtsmittelfrist bei Gericht einzureichenden Schriftsatzes Übermittlungshindernisse eintreten. Der Rechtsanwalt hat seinem Personal insofern Anweisungen zu erteilen, wie zu verfahren ist. Ob und mit welchem Inhalt in der Kanzlei des Verfahrensbevollmächtigten Büroanweisungen bestehen, wie bei Übermittlungshindernissen insbesondere dann zu verfahren sei, wenn eine Übermittlung an das Gericht während der Bürozeiten der Anwaltskanzlei nicht erfolgen kann, ist dem Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu entnehmen. Es ist ferner nicht dargelegt und nicht glaubhaft gemacht worden, zu welchem Zeitpunkt die Bürokraft mit der Übermittlung der Beschwerdeschrift begonnen hatte, und ob sie bei Büroschluss nicht bereits hätte erkennen können, dass eine Telefax-Verbindung dauerhaft nicht zustande kommen konnte. Eine allgemeine Anordnung, bei Büroschluss per Wahlwiederholungstaste des Faxgeräts die Übermittlung weiter zu versuchen, hätte als organisatorische Anweisung nicht ausgereicht sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingeht. Wenn eine Telefax-Übermittlung fehlschlägt und deshalb Anlass zu zweifeln besteht, ob ein Schriftsatz dem Gericht innerhalb einer Rechtsmittelfrist noch übermittelt werden kann, muss in der Anwaltskanzlei durch eine allgemeine Anweisung sichergestellt werden, dass der Sendevorgang innerhalb der Frist mit der erforderlichen Gewissheit erfolgreich abgeschlossen werden kann. Auch von ansonsten zuverlässigen Bürokräften kann nicht erwartet werden, zu beurteilen, welche Maßnahmen geeignet sind, in solchen Fällen Fristversäumungen zu vermeiden.

b) Dem Rechtsanwalt fällt auch insoweit ein Organisationsverschulden zur Last, als er nicht durch organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge getragen hat, dass die per Hand in die elektronische Akte eingegebenen Telefaxnummern beizeiten überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Es ist durch geeignete organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass in jedem Fall, insbesondere in fristgebundenen Sachen, die zutreffende Telefaxnummer des Gerichts verwendet wird.

Dieser Anforderung ist der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers nach eigener Darstellung nicht nachgekommen. Insbesondere dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - in einer fristgebundenen Sache eine Telefax-Übermittlung fehlschlägt, genügt nicht die allgemeine Anweisung, die Telefax-Nummer des Gerichts mit der in das EDV-Programm eingegebenen Telefax-Nummer abzugleichen. Die Übertragung von Zahlenkombinationen in elektronische Datenverarbeitungsanlagen ist erfahrungsgemäß fehleranfällig. Zudem ist eine Überprüfung anhand der in die EDV eingegebenen Telefax-Nummer allenfalls geeignet, eine fehlerhafte Übernahme der Nummer in den fristgebundenen Schriftsatz aufzudecken. Dagegen ist eine derart beschränkte Prüfung ungeeignet zu ermitteln, ob die zutreffende Telefax-Nummer des Gerichts in die Datenverarbeitungsanlage eingegeben und bei der Telefax-Versendung des Schriftsazes verwendet wurde. Für den Fall, dass die Telefax-Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes fehlschlägt und nicht zuverlässig beurteilt werden kann, ob der Schriftsatz dem Gericht innerhalb der Frist noch zugehen wird, bedarf es deshalb einer Anweisung des Rechtsanwalts an sein Büropersonal, die sicherstellt, dass die verwendete Telefax-Nummer anhand einer objektiven Erkenntnisquelle, d.h. z.B. anhand eines allgemein zugänglichen Verzeichnisses oder eines gerichtlichen Schreibens, auf ihre Richtigkeit überprüft wird. Dies hat jedenfalls dann zu gelten, wenn die Telefax-Nummer nicht aus einem marktüblichen EDV-Programm aktueller Fassung abgerufen wurde (vgl. BGH NJW 2000, 14; Beschl. v. 6.6.2005 - II ZB 9/04, Umdruck S. 4). Das eine derartige Anweisung im Zeitpunkt der fraglichen Telefax-Übersendung bestand, ist nicht vorgetragen worden.

Im Rahmen eines Wiedereinsetzungsgesuchs hat der Verfahrensbeteiligte ein nach den Umständen nicht ausschließbares Verschulden auszuräumen (vgl. § 233 ZPO). Gelingt dies nicht, ist die nachgesuchte Wiedereinsetzung zu versagen.

2. Ungeachtet dessen hätte die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Ob es sich - worauf der Antragsteller maßgebend abgestellt wissen will - bei den einer Nachprüfung der Vergabeentscheidungen hinsichtlich der Förderlehrgänge F 1 und F 2 geltenden Begehren um jeweils besondere Angelegenheiten mit verschiedenen Streitgegenständen handelte, ist nicht von Belang. Der Antragsteller selbst hat die gegen zwei Vergabevorhaben gerichteten Beanstandungen jedenfalls zu einem Nachprüfungsantrag verbunden. Die Vergabekammer hat die Verbindung aufrechterhalten, was nicht als ermessenfehlerhaft zu qualifizieren ist (analog § 93 VwGO; vgl. zur analogen Anwendung der VwGO OLG Düsseldorf NZBau 2000, 440, 444). Für die der Vergabekammer im Rahmen der Kostenfestsetzung obliegende inzidente Gegenstandswertermittlung hatte dies zur Konsequenz, dass analog § 5 ZPO, § 12 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. die Streitwerte der Nachprüfungsanträge zusammenzurechnen waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 97, Abs. 1, 238 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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