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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 138/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 206 a
StPO § 354
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 12.11.1997 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11.7.2007 (Az.: 995 Ds 114 Js 9798/07 - 1018) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt und das sichergestellte Rauschgift eingezogen. Auf die Berufung des Angeklagten wurde das Urteil dahin abgeändert, dass die Vollstreckung der erstinstanzlichen Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, die Berufung im Übrigen verworfen.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 7.2.2007 - außer einem Schlagring - auf und unter dem Couchtisch insgesamt 27,35 gr. Heroinzubereitung mit 5,33 gr. Heroinhydrochlorid gefunden, das den Angaben des Angeklagten nach zu etwa 1/3 für den Eigenbedarf und zu 2/3 zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt gewesen sei. Der Schlagring lag auf einem Rollcontainer neben der Couch. Das Rauschgift und der Schlagring wurden sichergestellt. Der Angeklagte gab zunächst an, den Schlagring zu Dekorationszwecken zu besitzen, in einer noch am selben Tag durchgeführten Kurzvernehmung dann, der Schlagring befinde sich, seit er ihn vor ca. zwei Jahren geschenkt bekommen habe, in seinem Besitz; er habe sich zu jeder Zeit in der Wohnung befunden, außerhalb der Wohnung habe er den Schlagring nie geführt oder in sonstiger Weise genutzt.

Durch das einbezogene Urteil vom 11.7.2007 wurde der Angeklagte wegen des unerlaubten Besitzes des Schlagrings zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Als Tatzeitraum ist in der Anklage "bis zum 7.2.2007" angegeben. Dass in dem Urteil von einem Tatzeitraum vor dem 7.2.2007 ausgegangen wurde, findet sich in den Gründen nicht. Wiedergegeben wird als Einlassung des Angeklagten, er habe den Schlagring geschenkt bekommen und nicht gewusst, dass es verboten sei, etwas Derartiges zu besitzen. Letzteres wird als unglaubhaft beurteilt, da das Verbot in weiten Bevölkerungskreisen bekannt sei, der Angeklagten zudem schon sehr oft mit Polizei und Justiz Kontakt gehabt habe, so dass er bei der Auswahl der in seiner Wohnung befindlichen Waffen hätte vorsichtig sein müssen. Das Urteil ist seit dem 19.7.2007 rechtskräftig.

Der Angeklagte hat in erster und in zweiter Instanz die Einstellung des Verfahrens wegen des Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs beantragt. Ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils ist dazu von der Verteidigung vorgebracht worden, der Angeklagte habe den Schlagring bei seinem Rauschgiftverkäufen stets in greifbarer Nähe gehabt (auf dem Rollcontainer neben der Couch), um sich gegen etwaige tätliche Übergriffe seiner Kunden erfolgreich zur Wehr setzen können. Das habe er im Ermittlungsverfahren geleugnet, um einer Anklage und Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu entgehen. Das Landgericht hat das waffenrechtliche Vergehen und das Rauschgiftverbrechen als zwei Taten im prozessualen Sinn (§ 264 StPO) beurteilt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das "prozesstaktische" Vorgehen des Angeklagten nicht geeignet sei, die Überzeugung der Kammer von der Richtigkeit seiner spontanen Angaben im Ermittlungsverfahren zu erschüttern, "zumal ein sichtbar und zugriffsbereit auf dem Rollcontainer liegender Schlagring dann zur Verteidigung ungeeignet sei, wenn er auch von einem rabiaten Kunden des Angeklagten ergriffen und zu Verteidigungszwecken eingesetzt werden könne." Der einzige Zusammenhang zwischen den Taten bestehe darin, dass die Tatmittel (Schlagring und Heroin) bei ein - und der selben Wohnungsdurchsuchung gefunden worden seien.

Gegen das Urteil richtet sich die form - und fristgerecht eingelegte und in gleicher Weise begründete Revision. Mit ihr wird erneut das Prozesshindernis des Strafklageverbrauchs geltend gemacht.

Die Revision hat Erfolg.

Das Verfahren ist wegen des Verfahrenshindernisses des Strafklageverbrauchs auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes eines Schlagrings, damit eines nach dem Waffengesetz verbotenen Gegenstands, durch das angeführte Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 11.7.2007 einzustellen (§ 354 Abs. 1 i. V. m. § 206 a Abs. 1 StPO).

Das Verfahrenshindernis ist in jeder Lage des Verfahrens, damit auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu beachten (z. B. BGH StV 1991, 8). Bei der Prüfung gilt der Grundsatz des Freibeweises. Das Revisionsgericht ist weder auf die vom Tatrichter getroffenen Feststellung beschränkt, noch an dessen Beweiswürdigung gebunden (vgl. z. B. BGHSt 16, 165/166; Meyer-Goßner, StPO, Einleitung Rdnr. 152 m. w. N.). Die Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist vorliegend durch den Besitz des Angeklagten an der am 7.2.2007 sichergestellten Menge Heroin von 27,35 gr. in der Absicht, davon 2/3 gewinnbringend zu verkaufen, verwirklicht. Als Verstoß gegen das Waffengesetz rechtskräftig abgeurteilt ist der Besitz des Schlagrings jedenfalls am 7.2.2007, dem Zeitpunkt der Sicherstellung, ob auch im Zeitraum davor - wie angeklagt - wird - wie bereits angeführt - in den Gründen des Urteils vom 11.7.2007 nicht dargelegt. Das mag letztlich offen bleiben. Ebenso kann dahinstehen, ob der Angeklagte den Schlagring bei Rauschgiftverkäufen in greifbarer Nähe haben wollte, um sich gegebenenfalls wehren zu können, oder aber, ob der Angeklagte den ihm vor zwei Jahren geschenkten Schlagring außerhalb der Wohnung nie geführt oder "in sonstiger Weise genutzt" hat. Die Behauptung, dass er ihn als "Dekorationsgegenstand" betrachtet habe, entbehrt allerdings - so nicht bereits im Ermittlungsverfahren nicht mehr aufrecht erhalten - jeglicher Glaubhaftigkeit. Vielmehr spricht für die Richtigkeit der letzten Einlassung des Angeklagten, dass nur sie plausibel erklärt, weshalb der Schlagring auf dem Rollcontainer und in sozusagen direkter Nachbarschaft des Rauschgifts lag. Wäre der Schlagring für den Angeklagten ohne jeglichen Gebrauchswert gewesen, so hätte er ihn nicht jederzeit griffbereit deponiert, sondern weggeräumt an einem dafür vorgesehenen Platz - etwa in einem Schrank - aufbewahrt. Das gilt umso mehr, als es sich um einen verbotenen Gegenstand handelte, wie dem Angeklagten bewusst war. Darauf kommt es indessen nicht entscheidend an. Der Verstoß gegen das Waffengesetz durch Besitz des Schlagrings jedenfalls auch am 7.2.2007 und die am selben Tag begangene Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge stellen sich auch dann als eine Tat im Sinne des § 264 StPO dar, wenn die nunmehr geltend gemachte Einlassung des Angeklagten, den Schlagring erforderlichenfalls bei Rauschgiftverkäufen einsetzen zu können, nicht zutrifft. Auch dann hätte sich der Angeklagte angesichts des Sachverhalts am 7.2.2007 der Straftat des unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit dem Verstoß gegen das Waffengesetz schuldig gemacht. Der Angeklagte hat - wie vorstehend bereits ausgeführt - mit den zum Gewinn bringenden Verkauf in seinem Besitz befindlichen 2/3 der auf und unter dem Couchtisch sichergestellten Heroinmenge unerlaubt Handel getrieben und dabei mit dem auf dem Rollcontainer neben der Couch liegenden Schlagring einen sonstigen Gegenstand bei sich geführt, der seine Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt war. Zu den Gegenständen zählen auch Schlagringe (vgl. Körner, BtMG, § 30 a Rdnr. 53). Die Gefahr, der § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begegnen will, ist nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls dann stets gegeben, wenn der Täter Betäubungsmittel und Schusswaffen - z. B. in einer Wohnung - zugleich verfügungsbereit hat (z. B. Urteil v. 20.6.2000 - 2 StR 123/2000; NStZ 1997, 344). Das Schutzgut der Volksgesundheit ist besonders gefährdet, wenn sich der Täter mittels des gefährlichen Gegenstandes im Besitz des zum Verkauf bestimmten Rauschgifts halten kann (BGH Urteil v. 20.6.2000 a. a. O.). Der Tatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist dann objektiv erfüllt. Für die subjektive Seite genügt das Bewusstsein, über den gefährlichen Gegenstand jederzeit verfügen zu können. Der Wille des Täters, die Waffe gegebenenfalls einzusetzen, ist nicht erforderlich (BGH Urteil v. 20.6.2000 a. a. O.; NStZ 2000, 433)

Dass sich der Angeklagte hier jedenfalls der jederzeitigen Gebrauchsmöglichkeit des Schlagrings bewusst war, ergibt sich daraus, dass das zum Verkauf bestimmte Rauschgift und der Schlagring in unmittelbarer räumlicher Nähe - sozusagen nebeneinander - aufbewahrt wurden. Der rechtskräftig abgeurteilte Verstoß gegen das Waffengesetz und die Tat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (vgl. Körner a. a. O. § 30 a Rdnr. 103). Sie stellen bereits deshalb auch eine Tat im Sinne des § 264 StPO dar (BGH StV 1991, 8). Ist ein Geschehen materiell-rechtlich zur Tateinheit verbunden, so liegt grundsätzlich auch nur eine Tat im prozessualen Sinn vor, denn der dem Gericht unterbreitete Sachverhalt muss alle Tatsachen umfassen, für die nach sachlichem Recht eine einheitliche Rechtsfolge zu verhängen ist (vgl. BGH StV 1999, 643). Eine Würdigung und Aburteilung in Abtrennung des die Qualifikation des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verwirklichenden Besitzes als Mitführen eines verbotenen Gegenstandes kommt von daher nicht in Betracht. Sie würde sich auch als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs darstellen, dessen Unrechts- und Schuldgehalt nur einheitlich richtig gewürdigt werden könnte. Treffen Waffen- und Betäubungsmitteldelikt in einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz zusammen, so bilden sie eine Tat (vgl. hierzu auch BGH StV 1989, 48; StV 1991, 8; OLG Braunschweig NStZ - RR 1997, 80 und StV 2002, 2041; OLG Frankfurt StV 1994, 119; LG Freiburg StV 91, 17). Dem steht nicht entgegen, dass der abgeurteilte Verstoß gegen das Waffengesetz - falls von dem Urteil ein Tatzeitraum wie angeklagt vor dem 7.2.2007 erfasst sein sollte, was nicht festzustellen ist - eine Dauerstraftat darstellen würde und die Rechtsprechung unter Umständen bei einer Dauerstraftat verfahrensrechtlich von zwei Taten ausgeht, wenn die aus anderen Motiven erworbene Waffe aufgrund neugefassten Entschlusses bei der Begehung eines Verbrechens eingesetzt wird, da die Dauerstraftat des Waffenbesitzes dann durch die auf einem neuen Willensentschluss beruhende schwerere Tat unterbrochen werde (vgl. BGH StV 1999, 643/644; Meyer-Goßner, a. a. O. Einleitung Rdnr. 175). Das gilt nicht, wenn der Täter gerade wegen des (Mit) Führens - vorliegend gleich Besitzes - der Waffe bei dieser Gelegenheit - in Unkenntnis des dabei begangenen Verbrechens - bereits verurteilt ist (Meyer-Goßner a. a. O.). So aber verhält es sich hier.

Mithin ist mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen Besitzes des Schlagrings der Verbrauch der Strafklage wegen des tateinheitlich damit begangenen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln eingetreten (Art. 103 Abs. 3 GG). Das Verfahren ist somit einzustellen (§§ 354 Abs. 1, 206 a StPO).

Die Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten folgt aus § 467 Abs. 1 StPO. Von einer Freistellung der Staatskasse von den notwendigen Auslagen des Angeklagten war abzusehen. Zwar wäre der Angeklagte ohne das Vorliegen des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit verurteilt worden. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist jedoch weiter zu prüfen, ob die Belastung der Staatskasse mit den Auslagen des Angeklagten als unbillig erscheint. Diese Umstände dürfen nicht in der voraussichtlichen Verurteilung des Angeklagten gefunden werden, sie müssten in einem vorwerfbaren prozessualen Fehlverhalten liegen (Senatsbeschl. v. 20.5.2008 - 1 Ss 152/08; Karlsruher Kommentar - Franke, StPO, § 467 Rdnr. 10 b mit Nachweisen). Daran fehlt es hier. Zu dem Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs hat geführt, dass nach gleichzeitiger Sicherstellung von Heroin und Schlagring in der Wohnung des Angeklagten, die dort sozusagen nebeneinander liegend aufgefunden wurden, von Anfang an zwei getrennte Verfahren, einmal wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, zum anderen wegen des Betäubungsmitteldeliktes, geführt wurden, aus welchem Grund, kann nicht nachvollzogen werden. Dass der Angeklagte nicht mit dem Vorbringen der späteren Einlassung selbst die Aufmerksamkeit darauf lenkte, dass der Straftatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt sein könnte, gereicht ihm nicht zum Vorwurf. Vielmehr hätte das unbefriedigende Ergebnis der Einstellung von den Justizorganen ohne weiters vermieden werden können.

Ende der Entscheidung

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