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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 1 Ss 244/99
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 244 Abs. 1 Nr. 1 a
StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 a
Über die Eigenschaft eines von dem Täter bei einem Raub mitgeführten Gegenstandes als gefährliches Werkzeuzg entscheidtet neben der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes eine generelle, von der konkreten Tat losgelöste Bestimmung des Gegenstandes zur gefährlichen Verwendung seitens des Täters, die noch nicht die konkrete Verwendungsabsicht erreicht haben muss (§§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a, 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In der Strafsache

wegen Diebstahls mit Waffen u.a.

hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 5.5.1999 durch die Richter ... beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Schuldspruch wegen Diebstahls mit Waffen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat festgestellt, der Angeklagte habe im Kaufhaus W. in Frankfurt der Auslage zwei Uhren zum Gesamtverkaufspreis von 59,98 DM entnommen und in die Hosentasche gesteckt. Zu diesem Zeitpunk habe er ein Messer mit einer Klingenlänge von ca. 8,5 cm einstecken gehabt, dieses aber nicht bei der Tat benutzen wollen. Er habe das Geschäft verlassen, ohne die Uhren zu bezahlen.

Es hat deswegen den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs.1 Nr.1 a StGB)zu einer Einsatzstrafe von 6 Monaten verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,--DM verhängt und aus beiden Strafen eine Gesamtstrafe von 6 Monaten und 2 Wochen gebildet. Diese hat es zur Bewährung ausgesetzt.

Dagegen richtet sich die statthafte und auch sonst in zulässiger Weise eingelegte und mit der Sachrüge begründete Revision. Sie macht geltend, der Angeklagte habe nur eine geringwertige Sache im Sinne des § 248 a StGB entwendet und dabei in seiner Hosentasche ein zusammengeklapptes Taschenmesser bei sich getragen, das er nicht habe benutzen wollen. § 244 Abs. 1a StGB habe hier nicht angewandt werden dürfen, weil diese Vorschrift den Begriff der Waffe im technischen Sinne verstehe, wozu Fahrten- und Taschenmesser gerade nicht gehörten.

Das Rechtsmittel ist zwar nach seinem Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung des ganzen Urteils gerichtet, doch ergibt sich aus der Rechtsmittelbegründung, die sich allein mit der Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 a StGB) auseinandersetzt, dass eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den entsprechenden Schuldspruch und die Gesamtstrafe gewollt ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 344, RN 6).In diesem Umfang hat es (vorläufigen) Erfolg. Allerdings kann dem Schuldspruch wegen Diebstahls mit Waffen nicht schon der Umstand entgegengehalten werden, dass die Tatbeute von geringem Wert (§ 248 a StGB) war. Der Verkaufspreis lag zwar mit 59,98 DM in der Nähe der zur Tatzeit mit etwa 50,--DM angenommenen Grenze der Geringwertigkeit (vgl. Tröndle/Fischer, 49. Aufl., § 248 a StGB, RN 5 m.w. Nachweisen). Doch gilt § 248 a StGB im Falle des § 244 StGB nicht(Tröndle/Fischer, a.a.O., RN 22), auch ist darin eine dem § 243 Abs.2 StGB entsprechende Vorschrift nicht enthalten.

Dem Schuldspruch kann auch nicht entgegengehalten werden, bei dem vom Angeklagten mitgeführten Messer handele es sich nicht um eine Waffe im technischen Sinne. Zwar ist diese Einordnung für sich genommen zutreffend (vgl. Potrykus-Steindorf, WaffG, 7. Aufl., § 1, RN 38), doch gilt § 244 Abs.1 Nr. 1 a StGB nach seinem Wortlaut nicht nur für Waffen im technischen Sinne, sondern auch für "andere gefährliche Werkzeuge". Allerdings tragen die Feststellungen des angefochtenen Urteils die Bewertung des vom Angeklagten mitgeführten Messers als "gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB nicht. Der 1.Strafsenat des BGH hat in seinen Urteilen vom 1.7.1998 (NJW 98,3130 und 3131) ausgeführt, dass nach der Neufassung der §§ 244 Abs.1 Nr.1 a StGB und 250 Abs.1 Nr.1 a StGB durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts(6.StrRG) vom 26.1.1998 durch dass Begriffspaar "Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug" nunmehr alle Tatmittel erfaßt sein sollen, die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen (entsprechende Definitionen finden sich in Entscheidungen anderer Senate des BGH, zitiert im Beschluss des 3.Strafsenats <NStZ 99,301 f.>; auch der 4. Strafsenat des BGH, NStZ 2000,43, sowie das BayObLG, OLGSt. § 244, Nr.1 - und das OLG Hamm, StV 2001, 352 m. krit. Anm. v. Kinderhäuser/Wallau, heben darauf ab).

Der Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" ist vom Gesetzgeber § 223 a StGB a.F. entnommen worden, wie sich aus den Materialien ergibt (BT-Drucks.13/9064, S.18). Dabei wurde indessen nicht bedacht, das § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB auf das bloße "Beisichführen" des gefährlichen Werkzeugs abstellt. Die Einsatzkomponente verliert damit ihre Funktion (Schlothauer/Sättele, StV 98,505 f.; Kudlich, JR 98, 357 f.; Hörnle, Jura 98, 169/172; Dencker, JR 99, 35). Daraus wird folgerichtig der Schluss gezogen, dass der Begriff des "gefährlichen Werkzeugs" einer über die bloße objektive Eignung des Gegenstandes hinausgehenden restriktiven definitorischen Komponente bedarf. Dazu gibt es im Schrifttum eine ganze Reihe von Vorschlägen zu Abgrenzungskriterien (vgl. Tröndle/Fischer, StGB,49.Aufl., § 244, RN 4 und 50.Aufl., RN 6). Der Senat orientiert sich in diesem Zusammenhang an der Entscheidung des 3.Strafsenats des BGH (NStZ 99, 301 f.). Dort wird auf die Kritik des Schrifttums an der vom Gesetzgeber angeregten Orientierung an § 223 a StGB a.F. hingewiesen, die sowohl für § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB als auch für § 250 Abs.1 Nr.1 a StGB gilt. In einem abschließenden "obiter dictum" läßt der Senat seine Neigung erkennen, neben der objektiven Beschaffenheit des Gegenstandes eine generelle, von der konkreten Tat losgelöste Bestimmung des Gegenstandes zur gefährlichen Verwendung seitens des Täters hinzutreten zu lassen, die noch nicht die konkrete Verwendungsabsicht erreicht hat .Das trägt der h.M. in der Literatur Rechnung, dass bei der Auslegung des Begriffes "gefährliches Werkzeug" im Sinne des § 244 Abs.1 Nr.1 a StGB nur objektive Kriterien herangezogen werden können ( Dencker, Schroth, Schlothauer/Sättele und Hörnle, jeweils a.a.O.), vermeidet aber andererseits unabsehbare Ausweitungen des Anwendungsbereichs der Vorschrift die zum Teil zu absurden Ergebnissen führen könnten (vgl.Schlothauer/Sättele, a.a.O.). Für die nach alledem gebotene restriktive Auslegung der Neufassung sprechen ungeachtet des systematisch unzutreffenden Hinweises auf § 223 a StGB in den Materialien (a.a.O.) nicht zuletzt auch die dort genannten Beispiele bisher nicht erfaßter Tatmittel (Handgranate, Salzsäure u.a.), auf welche die Definition des 3.Strafsenats des BGH zutreffen würde: Die generelle, von der konkreten Tat losgelöste Bestimmung des Gegenstandes zur gefährlichen Verwendung des Täters, welche noch nicht die konkrete Verwendungsabsicht erreicht. Das Amtsgericht hat zur Beschaffenheit des Messers festgestellt, der Angeklagte habe bei Tatbegehung ein Messer mit einer Klingenlänge von ca.8,5 cm einstecken gehabt (UA S.2) bzw. bei sich getragen (UA S. 3), ohne es benutzen zu wollen (dass es sich um ein zusammengeklapptes Taschenmesser handelte und in der Hosentasche mitgeführt wurde, wird erst in der Revisionsbegründung mitgeteilt, kann also vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden). Die allein maßgebenden Urteilsfeststellungen tragen die Bewertung des Messers des Angeklagten als "gefährliches Werkzeug" unter Berücksichtigung der gebotenen restriktiven Auslegung gemäß BGH NStZ 99, 301 f. nicht. Neben der konkreten Beschaffenheit des Messers wird unter anderem zu klären sein, zu welchem Zweck der Angeklagte es mitführte, wie er es einstecken hatte und wie schnell es ggf. gebrauchsfertig war. Solche Feststellungen dürften noch möglich sein. Deswegen ist das angefochtene Urteil im Schuldspruch- wegen Diebstahls mit Waffen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere, Abteilung des Amtsgerichts Frankfurt/Main zurückzuverweisen. Die eingangs erwähnten Entscheidungen des OLG Hamm (StV 2001, 352 f.) und des BayObLG (OLGSt. § 244 Nr.1) geben unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts keine Veranlassung zur Vorlage nach § 121 Abs.2 GVG.

Ende der Entscheidung

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