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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: 1 U 100/07
Rechtsgebiete: BGB, StVO
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 | |
StVO § 41 Abs. 3 Nr. 6 |
2. Die Tatsache, dass die Fahrbahn einer Straße neben ihrem eigentlichen Zweck, dem Fahrzeugverkehr zu dienen, von Fußgängern überquert werden darf, zwingt den Verkehrsicherungspflichtigen nicht dazu, das gesamte Straßennetz in einem Zustand zu erhalten, der auch für einen Fußgänger völlig gefahrlos ist.
3. Fußgänger sind in den Schutzbereich der Ausweisung von Sperrflächen für den fließenden Verkehr (§ 41 Abs. 3 Nr. 6 StVO) zwar in der Weise einbezogen, dass sie vor Gefahren durch den fließenden Verkehr geschützt werden. Der Schutzbereich einer solchen Ausweisung von Sperrflächen umfasst aber nicht den Schutz von Fußgängern vor etwaigen Gefahren, welche sich aus dem Zustand der Straßenoberfläche ergeben.
4. Es besteht keine umfassende Straßenverkehrssicherungspflicht dahingehend, dass im Bereich eines Gesundheitszentrums allgemein auch die Fahrbahnen von Straßen einen Zustand aufweisen müssten, der ein Überqueren an jeder Stelle für einen Fußgänger völlig gefahrlos machen, sofern Fußgängerüberwege in der gebotenen Weise ausgewiesen sind.
5. Aus der Tatsache, dass ein Verkehrssicherungspflichtiger eine mögliche Gefahrenquelle beseitigt hat, ist nicht der Schluss zu ziehen, dass er hierzu im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht auch verpflichtet gewesen wäre.
Gründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Denn es ist auch auf der Grundlage des Berufungsvorbringens der Klägerin nicht ersichtlich, dass die Beklagte für den bedauerlichen Unfall der Klägerin am 21.12.2005 auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haftet. Die Klägerin war an diesem Tag nach ihrem Vorbringen gestürzt, weil ein Kanaldeckel im Bereich einer Sperrfläche für den Straßenverkehr (§ 41 Abs. 3 Nr. 6 Zeichen 298 StVO), sich um einige Zentimeter unterhalb des Fahrbahnniveaus befand; dadurch war eine Vertiefung entstanden. Der Senat sieht eine Verletzung einer der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht, welche den von der Klägerin geltend gemachten Unfall zur Folge hatte, nicht.
1. Der Umfang der jeweiligen Verkehrssicherungspflicht für eine dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Fläche richtet sich in erster Linie danach, für welche Art von Verkehr die Verkehrsfläche primär eröffnet ist. Danach sind für eine vorrangig für den Autoverkehr vorgesehene Fahrbahn andere Anforderungen - nämlich solche, die in erster Linie einen sicheren Autoverkehr gewährleisten - zu stellen als an die Gegebenheiten auf Gehwegen, Fußgängerüberwegen oder in Fußgängerzonen, in denen es vor allem um die Sicherheit der gefahrlosen Fortbewegung von Fußgängern geht. Dass die Fahrbahn einer Straße neben ihrem eigentlichen Zweck, dem Fahrzeugverkehr zu dienen, selbstverständlich auch von Fußgängern überquert werden darf, zwingt den Verkehrssicherungspflichtigen nicht dazu, das gesamte Straßennetz in einem Zustand zu erhalten, der auch für einen Fußgänger, der die Straße überquert und dabei durch die Rücksicht auf den Autoverkehr abgelenkt ist, völlig gefahrlos ist (OLG Celle, NJW-RR 1989, 159 [juris Rn. 3]; OLG Karlsruhe, VersR 1993, 332; OLG Hamm, VersR 2006, 425 [juris Rn. 6]). Deshalb sind die Anforderungen der Rechtsprechung an die Verkehrssicherungspflicht für Gehwege oder der Fußgängerzonen, auf welche die Klägerin sich in der Berufungsbegründung erneut bezieht (etwa OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1442, und insbesondere diejenige des erkennenden Senats im Urteil vom 28.07.2003 - 1 U 45/01 -, OLGR 2004, 5 f) auf die hier in Rede stehende Situation nicht übertragbar.
2. Der Senat folgt hierbei nicht der Erwägung der Klägerin auf S. 6 der Berufungsbegründung, dass die Schraffierung des Fahrbahnteils, auf dem sich der inkriminierte Schachtdeckel befindet, zum Ausdruck bringe, dass die Sperrfläche nur von Fußgängern benutzt werden solle. Die Ausweisung als Sperrfläche dient rechtlich (vgl. § 41 Abs. 3 Nr. 6 StVO mit Zeichen 298) und - wie aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich - ausschließlich der übersichtlichen Kennzeichnung der Fahrbahn für den Autoverkehr an einer Stelle, an welcher die bauliche Gestaltung der Straße in einer leichten Linkskurve - von der A-Straße in die B-Straße - für eine solche übersichtliche Kennzeichnung nicht ausreicht; die Aufzeichnung der Sperrfläche im Rahmen der derzeitigen Verkehrsführung macht die Sperrfläche rechtlich nicht zu einem besonders für Fußgänger ausgewiesenen Bereich. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15.10.2007 auf drei Urteile (BGH NJW 1992, 1227 [juris Rnr. 23]; OLG Köln NZV 1990, 72; OLG Zweibrücken MDR 1966, 438) hinweist, aus denen sich der Schutz von Fußgängern auf derartigen Sperrflächen ergebe, sind diese rechtlich nicht einschlägig. Denn sie konstatieren lediglich einen Schutz von Verkehrsteilnehmern, welche sich, wie etwa Fußgänger, auf der Sperrfläche befinden, gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern, nämlich Autofahrern, welche entgegen der Ausweisung als Sperrfläche diese befahren haben. Es geht also um den Schutzbereich der Regelungen der StVO über Sperrflächen zugunsten von Verkehrsteilnehmern gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Das Verbot für den Straßenverkehr, Sperrflächen zu befahren, dient aber nicht dazu, Fußgänger gegen etwaige Gefahren zu schützen, welche sich aus dem Zustand der Straßenoberfläche ergeben; einen derartigen Schutzbereich umfasst die Norm über die Ausweisung von Sperrflächen für den Autoverkehr nicht.
3. Selbstverständlich dürfen Fußgänger - jedenfalls sofern es die Verkehrslage erlaubt - eine Fahrbahn auch außerhalb von Fußgängerüberwegen überqueren. Nur müssen sie sich hierbei - entsprechend den vorangehenden Ausführungen zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht - darauf einstellen, dass sie selbst in stärkerem Maße Vorsorge etwa gegen Fahrbahnunebenheiten treffen müssen als in einem ausdrücklich für Fußgänger ausgewiesenen Bereich.
4. Eine ausnahmsweise erhöhte Verkehrssicherungspflicht der Beklagten gerade an der Stelle der Fahrbahn, an der die Klägerin nach ihren Angaben die Straße überquert hat und zu Fall gekommen ist, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
a) Weshalb die Klägerin die Straße "zwingend" an der Stelle habe überqueren müssen, an welcher sich der Schachtdeckel auf der Straße befand, erschließt sich dem Senat auch dann nicht, wenn sie ihr Auto an der von ihr angegebenen Stelle an der A-Straße geparkt hatte. Der "kürzeste Weg" einer Straßenüberquerung wäre - einige wenige Meter weiter in Richtung Beginn der verkehrsberuhigten Zone - an der Stelle der A-Straße gewesen, bevor der Bordstein in die Kurve geht und die Sperrfläche beginnt. Hier hätte auch eine geringere Ablenkung durch den Autoverkehr stattgefunden; denn es ist an dieser Stelle deutlich zu erkennen, welche Autos in die verkehrberuhigte Zone fahren wollen und welche - weiter links vom Standort der Klägerin beim Beginn des Überquerens der Straße aus gesehen - dem Hauptverkehrsstrom aus dem vorderen Teil der A-Straße links abknickend in die B-Straße folgen würden.
b) Eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht liegt auch nicht etwa darin, dass die Beklagte einen sich als geboten darstellenden Fußgängerüberweg nicht angelegt hätte. Mit Erwägungen der Klägerin zu einem Fußgängerüberweg im Zusammenhang mit dem neuen Gesundheitszentrum hat die hier zu beurteilende Situation nicht das Geringste zu tun; es gibt keinen auch nur ansatzweise argumentativ tragfähigen Ansatzpunkt dafür, dass für das Überqueren der Straße durch die Klägerin ein Fußgängerüberweg gefehlt hätte. Im Gegenteil hätte sie - wie sie es nach ihren Angaben vorhatte - den Markt an der B-Straße am sichersten auf Gehwegen erreichen können, indem sie - statt zwei Straßen, nämlich die A-Straße und die B-Straße, zu überqueren - die A-Straße auf dem Fußgängerüberweg vor dem Gesundheitszentrum überquerte; hinter einer Grüngruppe begann der Marktbereich. Dass - wie die Klägerin meint - allgemein im Bereich eines Gesundheitszentrums eine erhöhte Verkehrssicherungspflicht zugunsten von Fußgängern bestehe, ist rechtlich in dieser Allgemeinheit nicht geboten.
5. Aus der Tatsache, dass inzwischen der tieferliegende Schachtdeckel zugeteert worden ist, lässt sich entgegen den Erwägungen der Berufungsbegründung unter keinen Umständen ein Anerkenntnis seitens der Beklagten herleiten. Das hat selbst dann zu gelten, wenn sie selbst und nicht - wie sie behauptet - die ... als Nutzerin des Schachts - das Zuteeren des Schachtdeckels veranlasst haben sollte. Der Beklagten ist es - wie jedem Träger der Verkehrssicherungspflicht - unbenommen, Verbesserungen an Stellen vorzunehmen, die sich in der Vergangenheit - wie hier durch den von der Klägerin geltend gemachten Sturz - als möglicherweise problematisch erwiesen haben.
Kein Verkehrssicherungspflichtiger ist gezwungen, seine Bemühungen auf diejenigen Maßnahmen zu beschränken, die ihm der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht in der jeweils konkreten Situation als Mindeststandard abfordert. Deswegen folgt aus der Tatsache eines Zuteerens des Schachtdeckels nichts für den Umfang der insoweit bestehenden Verkehrssicherungspflicht.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
7. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung; auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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