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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: 1 U 103/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234
Besteht das Hindernis für die Fristwahrung darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Berufungsklägers verkennt, das die Berufungsbegründungsfrist zwei Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils endet, ist dies Hindernis spätestens dann behoben, wenn der Prozessbevollmächtigte bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung erkennen musste, dass die Begründungsfrist versäumt war.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 U 103/04

Entscheidung vom 07.07.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... am 7. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der First zur Begründung der Berufung gegen das am 23.03.2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden und seine Berufung gegen das vorbezeichnete Urteil werden auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.163,33 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht Wiesbaden hat den Beklagten durch am 23.03.2004 verkündetes Urteil zur Zahlung von 13.163,33 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt. Dieses Urteil ist dem Beklagten am 1.04.2004 zugestellt worden. Die mit Schriftsatz vom 23.04.2004 vom Beklagten hiergegen eingelegte Berufung ist am 5.05.2004 bei Gericht eingegangen. Mit Verfügung vom 10.05.2004, dem Beklagten zugestellt am 12.05.2004, ist er vom Eingangsdatum der Berufung benachrichtigt worden. Am 4.06.2004 ist der die Berufung begründende Schriftsatz des Beklagten vom gleichen Tage bei Gericht eingegangen. Der Vorsitzende des Senats hat den Beklagten mit Verfügung vom 24.06.2004 auf die Verfristung der Berufung und der Berufungsbegründungsfrist hingewiesen. Am 2.07.2004 ist der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist bei Gericht eingegangen.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs trägt der Beklagte vor, dass die Berufung entweder am 23.04.2004 oder spätestens am 26.04.2004 in den Postlauf gelangt sei und der ungewöhnlich lange Postlauf ihm nicht zugerechnet werden könne. Nach Bestätigung des Eingangsdatums der Berufung sei von der bei ihm seit 5 Jahren beschäftigten und außerordentlich zuverlässigen Rechtsanwaltsfachangestellten Frau A versehentlich als Begründungsfrist der 10.06.2004 ­ berechnet als Monatsfrist ab dem 10.05.2004, dem Tag der Versendung der Benachrichtigung über das Eingangsdatum der Berufung ­ in den Fristenkalender eingetragen worden. Grundsätzlich erfolge die Eintragung der Berufungsbegründungsfrist erst nach Bestätigung des Eingangs der Berufung durch das angerufene Gericht, da bei einer Einlegung der Berufung vor Ablauf der Monatsfrist sich die Begründungsfrist entsprechend verkürze.

II.

Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der am 1.06.2004 abgelaufenen Frist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO begründet worden ist.

Es kann offen bleiben, ob das Wiedereinsetzungsgesuch des Beklagten wegen der Versäumung der Berufungsfrist rechtzeitig gestellt und auch begründet ist. Denn das Wiedereinsetzungsgesuch ist jedenfalls hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist unzulässig, weil es nicht binnen 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses (§ 234 Abs. 1 und 2 ZPO) angebracht worden ist.

Das Hindernis für die rechtzeitige Begründung der Berufung bestand hier darin, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagten verkannte, dass diese Frist 2 Monate nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils ­ also mit Ablauf des 1.06.2004 ­ endete. Ein Hindernis ist im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO schon dann behoben, wenn sein Fortbestehen nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann. Das ist regelmäßig der Fall, sobald die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist bzw. Begründungsfrist versäumt war (BGH NJW 2000, 592 m. w. N.).

Hier hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten spätestens bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung am 4.06.2004 erkennen können und müssen, dass die Begründungsfrist versäumt war. Ein Rechtsanwalt hat den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer Frist gebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden (ständige Rechtsprechung, etwa BGH VersR 2002, 211; NJW 1992, 1632). Spätestens bei Unterzeichnung der Berufungsbegründung muss der Rechtsanwalt selbst prüfen, ob mit ihr die zu wahrende Frist noch eingehalten werden kann (BGH VersR 1993, 205). Wenn dies nicht der Fall ist, muss er jedenfalls binnen 2 Wochen nach diesem Zeitpunkt Wiedereinsetzung beantragen (BGH VersR 1990, 543).

Danach hätte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten spätestens am 4.06.2004 erkennen müssen, dass die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen war, und binnen 2 Wochen für den Beklagten einen Wiedereinsetzungsantrag einreichen müssen. Die Nichteinhaltung dieser Frist führt zur Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs nach § 234 Abs. 1 ZPO.

Im Übrigen ist das Wiedereinsetzungsgesuch wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch nicht begründet. Aus der Rechtfertigung des Wiedereinsetzungsgesuchs durch den Beklagten ergibt sich, dass die organisatorischen Anweisungen seines Prozessbevollmächtigten zur Wahrung der Berufungsbegründungsfrist mangelhaft waren. Nach dem am 1.01.2002 in Kraft getretenen ZPO-Reformgesetz beträgt die Frist für die Berufungsbegründung 2 Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Danach ist der Eingang der Berufung für die Berechnung der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr von Bedeutung. Die an dem bis zum 31.12.2001 geltenden Prozessrecht ausgerichtete Handhabung der Fristenberechnung im Büro des Prozessbevollmächtigen des Beklagten birgt ­ wie der Fall zeigt ­ ein erhebliches Risiko für die Falschberechnung der Berufungsbegründungsfrist. Der organisatorische Mangel bei der Fristenberechnung beruht ersichtlich auf nicht sachgerechten Anweisungen des Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden der Beklagte sich gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.

Ende der Entscheidung

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