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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 08.07.2002
Aktenzeichen: 1 U 113/01
Rechtsgebiete: StVO, StVG, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

StVO § 9 Abs. 1 S. 4
StVG § 17
StVG § 17 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 91 a
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
EGZPO § 26 Nr. 8
Zur Haftungsverteilung bei einem Linksabbiegerunfall ((hier 75% zu 25% zu Lasten des Linksabbiegers), StVG §§ 7, 18 17; PflVersG § 3.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 113/01

Verkündet am 8.7.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter .... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.6.2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Gießen abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.566,75 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 10.6.2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagten 75 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat in geringem Umfang Erfolg. Die Beklagten haften für den Unfallschaden der Klägerin nicht in vollem Umfang, sondern gemäß den §§ 7,18,17 StVG, 3 PflVersG dem Grunde nach zu 75 %.

Der Unfall beruht auf dem Verschulden des Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 1) hat die Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO, nochmals vor dem Abbiegen auf den nachfolgenden Verkehr zu achten, nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sorgfalt wahrgenommen. Die Pflichtverletzung ergibt sich aus der eigenen Einlassung des Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung im Termin am 3.6.2002. Danach habe er unmittelbar vor dem Abbiegen zwar in den Spiegel geschaut, jedoch nichts gesehen. Der Umstand, dass er das überholende Fahrzeug der Klägerin nicht wahrnahm, beruht nach seiner Annahme darauf, dass es sich im "toten Winkel" seines Spiegels befand. Hätte der Beklagte zu 1) mit der erforderlichen Sorgfalt gehandelt und entweder frühzeitiger auf den nachfolgenden Verkehr geachtet oder unmittelbar vor dem Abbiegen nicht nur in den Außenspiegel geschaut, sondern sich gleichzeitig auch umgedreht, hätte er das überholende Fahrzeug der Klägerin bemerkt. Das Verschulden des Beklagten zu 1) hat erhebliches Gewicht. Bereits beim Einbiegen in die Kreisstrasse hatte er das sich nähernde Fahrzeug der Klägerin bemerkt. Er mußte damit rechnen, dass sich dieses Fahrzeug mit erheblicher Geschwindigkeit von hinten näherte, als er seine Geschwindigkeit vor Erreichen des Feldweges, in welchen er nach links abbiegen wollte, verlangsamte. Der Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs mußte er deshalb besondere Sorgfalt widmen. Wenn der Beklagte zu 1) das überholende Fahrzeug der Klägerin wahrgenommen hätte, hätte er den Unfall dadurch leicht vermeiden können, dass er sein eigenes, bereits sehr langsam fahrendes Fahrzeug anhielt und das Fahrzeug der Klägerin vorbeifahren ließ.

Ein die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin erhöhendes Mitverschulden des Zeugen U. ist der Klägerin nicht anzurechnen. Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 StVG dürfen nur bewiesene Tatsachen berücksichtigt werden (BGH NJW 1995,1029 m.w.N.). Ein schuldhafter Fahrfehler des Zeugen U. kann nicht festgestellt werden.

Allerdings ist davon auszugehen, dass der Beklagte zu 1) vor dem Abbiegen nach links die Abbiegeabsicht durch Blinkzeichen ankündigte. Hierfür spricht die glaubhafte Aussage des Zeugen F. und ebenso die glaubhafte Äußerung des Beklagten zu 2) bei seiner persönlichen Anhörung. Daraus folgt indes nicht schon das Verschulden des Zeugen U. Ein Pflichtenverstoß beim Überholen könnte dem Zeugen U. nur dann vorgeworfen werden, wenn das Fahrzeug des Beklagten zu 1) bereits in dem Zeitpunkt nach links blinkte, in welchem der Zeuge, U. den Überholvorgang begann und auf die Gegenfahrspur ausscherte. Das kann aber nicht festgestellt werden. Weder der Zeuge F. noch der Beklagte zu 1) konnten angeben, wo sich das Fahrzeug der Klägerin befand, als der Blinker des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) betätigt wurde. Wegen der erheblichen Geschwindigkeitsdifferenz zwischen beiden Fahrzeugen liegt nicht fern, dass der Zeuge U. das Fahrzeug der Klägerin bereits in geräumigem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug des Beklagten zu 1) auf die Gegenfahrbahn lenkte und dass in diesem Zeitpunkt noch kein Blinkzeichen am Fahrzeug des Beklagten zu 1) zu erkennen war. Danach ist ein Verschulden des Zeugen U. nicht bewiesen.

Im Rahmen der Haftungsverteilung nach § 17 Abs. 1 StVG, muss sich die Klägerin jedoch die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen. Im Hinblick auf die Verkehrssituation bei dem Überholvorgang erscheint es angemessen, die Betriebsgefahr zu Lasten der Klägerin mit 25 % zu bewerten.

Der der Klägerin aus dem Unfall entstandene Schaden beträgt insgesamt 10.101,24 DM. Die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts greifen die Parteien nicht an. Entsprechend ihrer Haftungsquote haben die Beklagten der Klägerin 75 % des Schadens, also 7.575,93 DM, zu erstatten. Von diesem Betrag ist die geleistete Zahlung von 2.555,81 DM abzusetzen. Nach dem Abrechnungsschreiben der Beklagten zu 2) vom 31.8.2000 wurde die Zahlung ausdrücklich auf die Hauptforderung geleistet. Wegen dieser Tilgungsbestimmung scheidet eine Anrechnung der Zahlung zunächst auf die Zinsen aus (§ 367 Abs. 2 BGB). Danach verbleibt eine offene Forderung der Klägerin von 5.020,121 DM, das sind 2.566,75 Euro.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts über die Zinsforderung bringt die Berufung nichts vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a ZPO. Sie berücksichtigt den Anteil des Obsiegens und Unterliegens der Parteien. Im Umfang der im Berufungsrechtszug übereinstimmenden Erledigungserklärungen haben die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Kostenbelastung der Beklagten entspricht deshalb billigem Ermessen, weil die Zahlung von 2.555,81 DM zwar vor Rechtshängigkeit, aber nach dem Eintritt des Verzuges geleistet wurde, so dass der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des Verzuges ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch insoweit zustand.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Ein Rechtsmittel findet gegen das Urteil nicht statt, weil die Rechtsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 26 Nr. 8 EGZPO ausgeschlossen ist.

Ende der Entscheidung

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