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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.02.2003
Aktenzeichen: 1 U 153/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Ein Fußgänger muss auf Gehwegen mit Höhenunterschieden von etwa 2 cm rechnen. Sie stellen deshalb grundsätzlich keine vom Verkehrssicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr dar.
1 U 153/01

Verkündet am 10. Februar 2003

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht.... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23.08.2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen des Unfalles vom 5.10.2000 zu. Der Sturz, den die Klägerin an diesem Tage auf dem Gehweg in Höhe des Hauses Schulweg 1 in Wetzlar/Dutenhofen erlitt, beruht nicht auf einer Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht durch die Beklagte (§§ 823 Abs. 1, 847 BGB).

Allerdings wurde der Sturz der Klägerin dadurch verursacht, dass sie wegen der Kante stolperte, die sich auf dem Gehweg wegen der Höhendifferenz zwischen dem dort vorhandenen Asphaltbelag am Übergang zu dem im weiteren Verlauf vorhandenen Plattenbelag gebildet hatte. Jedoch konnte die von dem Höhenunterschied ausgehende Gefahr für die Benutzung des Gehweges eine Rechtspflicht der Beklagten zu ihrer Beseitigung nicht begründen.

Der Inhalt der Verkehrssicherungspflicht richtet sich nach dem Zweck, dem die Verkehrseinrichtung dient. Der Pflichtige hat einen hinreichend sicheren Zustand der Straße herbeizuführen und zu erhalten und in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise nach den Verhältnissen im Einzelfall alle, aber auch nur diejenigen Gefahren auszuräumen und erforderlichenfalls vor ihnen zu warnen, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag (BGH Vers.Recht 1979,1055; Palandt/Thomas, 61. Aufl., BGB § 823 Rn. 125). Eine vollständige Gefahrlosigkeit der Straße und ihrer Benutzung kann mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und vom Verkehrsteilnehmer nicht erwartet werden. Auch der Fußgänger muss bei Benutzung des Gehwegs mit gewissen Unebenheiten rechnen und sich darauf einstellen (BGH Vers.Recht 1967, 281, 282 m. w. N.).

Mit Höhenunterschieden auf Gehwegen von etwa 2 cm. muss ein Fußgänger im allgemeinen rechnen. Sie stellen deshalb keine vom Verkehrsicherungspflichtigen zu beseitigende Gefahr dar (OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412, 413; OLG Düsseldorf Vers.Recht 1993, 1416). Nur bei Vorliegen besonderer Umstände ist in der Rechtssprechung die Verletzung der Verkehrsicherungspflicht für einen Höhenunterschied von weniger als 2 cm bejaht worden (BGH Vers.Recht 1967, 281, 282; OLG Köln, NJW-RR 2001, 457, 458).

Hier sind besondere Umstände, die erhöhte Anforderungen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht begründen könnten, nicht ersichtlich. Die Kante, die sich am Übergang vom Asphaltbelag zum Plattenbelag auf dem Gehweg gebildet hatte, war ausweislich der Lichtbilder leicht zu erkennen. Der Gehweg hatte keine besondere Verkehrsbedeutung. Er befand sich nicht in einer Geschäftsstraße. Umstände, die - wie etwa Schaufenster - die Aufmerksamkeit des Fußgängers hätte ablenken können, sind nicht ersichtlich. Danach kommt in Betracht, dass sich Fußgänger an der Unfallstelle wegen des gut erkennbaren Höhenunterschiedes zwischen Asphaltbelag und Plattenbelag und wegen des Ausbauzustandes auf Unebenheiten von mehr als 2 cm einstellen mussten. Jedenfalls müsste mit Höhendifferenzen von mindestens 2 cm gerechnet werden. Eine derartige Höhendifferenz hat die Beweisaufnahme jedoch nicht ergeben. Zwar hat der Zeuge W. - der Ehemann der Klägerin - glaubhaft ausgesagt, dass er im August 2002 die Höhendifferenz ausgemessen und mit etwa 2,5 cm festgestellt habe. Es bestehen jedoch Zweifel, ob eine Höhendifferenz gleichen Umfangs bereits im Unfallzeitpunkt am 5.10.2000 vorlag. Denn der Zeuge B.Angestellter bei der Beklagten - hat nur kurze Zeit nach der Meldung des Unfalles bei der Beklagten im November 2002 eine Höhendifferenz von 1,5 cm festgestellt. Danach bestehen jedenfalls Zweifel, ob zum Unfallzeitpunkt eine Höhendifferenz von mehr als 2 cm vorlag. Eine nachträgliche Vergrößerung der Höhendifferenz kommt hier insbesondere deshalb in Betracht, weil der Zeuge W. im August 2002 - anders als der Zeuge B. im November 2000 - lose Platten auf dem Gehweg feststellte, die gerade im Bereich der Unfallstelle je nach Belastung zu einer größeren Unebenheit führen konnten.

Danach kann nicht festgestellt werden, dass der Gehweg im Bereich der Unfallstelle am 5.10.2000 einen Höhenunterschied aufwies, dessen unterlassene Beseitigung durch die Beklagte den Vorwurf der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht rechtfertigt. Der Umstand, dass die Beklagte Anfang Oktober 2002 den Höhenunterschied beseitigte, ist für die rechtliche Beurteilung des Unterlassens dieser Maßnahme im Unfallzeitpunkt ohne Bedeutung.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, weil das Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtsache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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