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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.05.2006
Aktenzeichen: 1 U 203/05
Rechtsgebiete: BGB, GG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
1. Die in § 839 BGB niedergelegte persönliche Haftung des Beamten schließt die allgemeinen Bestimmungen der §§ 823 ff. BGB aus.

2. Die den Amtsträger persönlich treffende Schadensersatzverpflichtung aus § 839 BGB wird für den hoheitlichen Bereich nach Art. 34 S. 1 GG auf den Hoheitsträger verlagert.


Tatbestand:

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagte, der als Richter beim Amtsgericht in Handel- und Registersachen tätig war, ihm zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil er die Eintragung eines Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung einer AG zu einem Unternehmensvertrag in das Handelsregister ohne Prüfung von Aussetzungsanträgen verfügt habe.

Der Senat hat dem Kläger nach § 522 Abs. 2 Satz 1, 2 ZPO den nachfolgenden Hinweis erteilt, worauf der Kläger die Berufung zurückgenommen hat.

Der Senat weist den Kläger darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Die Berufung dürfte keine Aussicht auf Erfolg bieten.

Die gegen den Beklagten zu 2) erhobene Klage ist unbegründet.

Gründe:

Er ist dem Kläger nach dem in § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG geregelten Haftungskonzept nicht persönlich zum Schadensersatz verpflichtet. Sollte er schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) eine ihm gegenüber einem Dritten obliegende Amtspflicht verletzt haben, trifft die Verantwortlichkeit hierfür nach Art. 34 S. 1 GG vielmehr grundsätzlich das beklagte Land.

Die persönliche Haftung des Beamten, der unter Verletzung seiner Amtspflicht eine unerlaubte Handlung begeht, ist in § 839 BGB niedergelegt. Es handelt sich hierbei um eine erschöpfende Regelung der Haftung aus schuldhafter Amtspflichtverletzung, die die allgemeinen Bestimmungen der §§ 823 ff BGB, also auch die Haftungstatbestände des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz und des § 826 BGB, ausschließt (BGH NJW 1996, 3208, 3209; Staudinger/Wurm (2002), § 839 Rn. 37; Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, § 839 Rn. 1).

Diese den Amtsträger persönlich treffende Schadensersatzverpflichtung aus § 839 BGB wird für den hoheitlichen Bereich nach Art. 34 S. 1 GG auf den Hoheitsträger verlagert. Es handelt sich um eine verfassungsrechtlich verbürgte befreiende Schuldübernahme (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl 1998, 2. Teil, II. S. 10). Eine persönliche Haftung des Beamten kommt nur in Betracht, sofern er im privatrechtlichen Bereich des öffentlich - rechtlichen Dienstherrn gehandelt hat (BGH NJW 2001, 2626, 2628, 2629; 434, 435; Palandt/ Sprau, a. a. O., § 839 RdNr. 26).

Der Kläger wirft dem Beklagten zu 2) indessen eine Amtspflichtverletzung bei hoheitlicher Tätigkeit vor.

Der Kläger kann seine Auffassung, eine Haftungsübernahme durch den Staat finde nicht statt, sofern die dem Amtsträger vorzuwerfende Amtspflichtverletzung auch den Tatbestand des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 339 StGB erfülle, nicht auf die in JW 1906, 745 abgedruckte Entscheidung des Reichsgerichts stützen, in der dieses eine Eigenhaftung des Beamten wegen Körperverletzung im Amt - § 340 StGB - aus § 839 BGB erörtert. Eine allgemeine Staatshaftung im hoheitlichen Bereich war seinerzeit noch nicht eingeführt (vgl. BVerfG NJW 1983, 25, 27). Ausführungen in der genannten Entscheidung dazu, der dort geltend gemachte Anspruch könne auch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 340 StGB hergeleitet werden, sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs überholt. Danach ist § 823 BGB im Allgemeinen nicht neben § 839 BGB anwendbar. Dies gilt nur dann nicht, wenn sich eine in Ausübung eines öffentlichen Amtes begangene Amtspflichtverletzung zugleich als unerlaubte Handlung innerhalb des bürgerlichrechtlichen Geschäftskreises des öffentlichen Dienstherrn darstellt (BGH NJW 1996, 3208, 3209).

Der von dem Kläger dem Beklagten zu 2) gegenüber erhobene Vorwurf erfüllt die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes jedoch nicht (s. o.).

Eine persönliche Haftung des Beklagten zu 2) kann schließlich auch nicht daraus hergeleitet werden, dass den Staat die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen in Ausübung hoheitlicher Gewalt nach Art. 34 S. 1 GG nur "grundsätzlich" trifft. Diese Einschränkung der Haftung des Staates ist so zu verstehen, dass sie ergänzende und beschränkende gesetzliche Regelungen unberührt lässt (vgl. BVerfG a. a. O., 25, 29; BGH NJW 1988, 129). Eine solche gesetzliche Regelung ist vorliegend nicht einschlägig.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hätte oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderten.

Ende der Entscheidung

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