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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: 1 U 239/90
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 831
BGB § 278
ZPO § 286
ZPO § 412
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 2
Auch nach groben Untersuchungs- und Behandlungsfehlern durch einen Arzt kann im Wege von Beweiserleichterungen nicht auf deren Ursächlichkeit für den späteren Gesundheitsschaden des Patienten geschlossen werden, wenn ein solcher Ursachenzusammenhang grundsätzlich unwahrscheinlich ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 239/90

7 O 1547/88 LG Hanau

Verkündet am 7.12.2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 22.10.1990 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hanau abgeändert.

Die Klage wird insgesamt auch gegenüber der Beklagten zu 1) abgewiesen.

Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung jeder der Beklagten jedoch durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 40.000,-- DM abwenden, wenn nicht der jeweilige Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert der Beschwer wird auf 145.200,-- DM festgesetzt.

Der Kostenstreitwert für die Berufungsinstanz wird auf 176.000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen als Erben Ansprüche ihres im Laufe des Rechtsstreits am 12.8. 1999 verstorbenen Vaters, des Rentners Heinz Z., geltend. Sie verlangen von den Beklagten Schadensersatz wegen Falschbehandlung eines Schlaganfalles, den der Erblasser am 11.2.1975 erlitten hatte.

Am Morgen des 11.2.1975, eines Faschingsdienstags, erlitt der Erblasser einen Schlaganfall und war dabei zumindest kurzfristig bewußtlos. Der herbeigerufene Hausarzt, der Zeuge Dr. B., ließ ihn mit dem Krankenwagen in das Stadtkrankenhaus Hanau der Beklagten zu 1) bringen, wo er in der medizinischen Ambulanz gegen 11.00 Uhr vormittags aufgenommen wurde. In dem Patienteneingangsbuch (Bl. 38 d.A.) ist in der Rubrik Anamnese vermerkt: "Lebercirrhose gestern C2 H5 OH" (= Alkohol) und in der für die Diagnose vorgesehenen Rubrik "Psychose !" (Bl. 39). Darunter steht in anderer Handschrift: "Gefäßprozeß ? Dr. A. kam später, Pat. zeigte da deutliche Spastik, Spontan-Bab. re +" (Bl. 39). Neben diesem Eintrag steht in der Rubrik Therapie M13" (= Intensivstation). Am selben Tag zu einer unbekannten Uhrzeit wurde der freipraktizierende Nervenarzt Dr. A. hinzugezogen. Dieser stellte aufgrund eines auffälligen neurologischen Befundes die Diagnose "cerebraler Gefäßprozeß oder Tumor" und bezeichnete eine Angiographie als dringend erforderlich. In dem Stadtkrankenhaus Hanau war damals weder ein Neurologe angestellt noch konnte eine Angiographie durchgeführt werden. Am 13.2.1975 wurde der Erblasser daher in das Nordwest-Krankenhaus Frankfurt am Main verlegt. Wegen des von der Beklagten zu 3), der zuständigen Oberärztin, verfaßten Verlegungsberichts vom 12.2.1975 wird auf Bl. 12 d.A. Bezug genommen. Im Nordwest- Krankenhaus wurde ein Verschluß der Arteria cerebri posterior links sowie Durchblutungsstörungen im Arteria-basilaris-Bereich diagnostiziert und mit Rheomacrodex, einer Infusion, die die Zähflüssigkeit des Blutes herabsetzen soll, therapiert. Der Erblasser blieb jedoch trotz Krankenhausaufenthalts bis 27.5.1975 und trotz eines Kuraufenthaltes vom 27.8. bis zum 8.10.1975 durch den Schlaganfall schwer geschädigt. Er wurde infolgedessen erwerbsunfähig. Im Sommer 1976 erlitt er einen Rückfall, weshalb er vom 10.7. bis 2.9.1976 erneut im Nord-West-Krankenhaus behandelt wurde. Mit der am 23.10.1987 eingereichten und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Landgerichts vom 12.10.1989 - am 23.10.1989 zugestellten (Bl. 151, 152 d.A.) Klage hat der Erblasser von den Beklagten verlangt Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 70.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.2.1975, Zahlung einer Schmerzensgeldrente von 600,-- DM monatlich ab 1. März 1975, Zahlung eines Teilbetrages von 50.000,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11.2.1975 wegen Verdienstausfalles in der Zeit vom 1.1.1976 bis zum 31.12.1986 in Höhe von insgesamt 220.414,57 DM (Bl. 10 d.A.) sowie die Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht der Beklagten.

Durch das angefochtene Grund- und Teilurteil vom 22.10.1990 hat das Landgericht die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) abgewiesen und den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) auf Ersatz des materiellen Schadens dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zu den Schmerzensgeldanträgen und dem Feststellungsantrag enthält der Urteilstenor keinen Ausspruch. Insoweit hat das Landgericht offenbar eine weitere Aufklärung über die Frage für erforderlich gehalten, ob der Erblasser ab 1975 geschäftsunfähig war.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt. Durch Urteil vom 6.8.1992 hat der Senat die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Revision des Erblassers hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 12.10.1993 das Senatsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kläger sehen eine grobe Pflichtverletzung der Beklagten darin, daß der Erblasser nicht gleich bei der Aufnahme auch neurologisch untersucht worden ist. Sie behaupten, der Erblasser, sei bei der Einlieferung bewußtlos gewesen und habe äußere Anzeichen eines Schlaganfalls aufgewiesen, so daß eine neurologische Untersuchung zwingend notwendig gewesen sei. Stattdessen habe der Aufnahmearzt der Ehefrau des Erblassers, der (inzwischen verstorbenen) Zeugin Z., und dem Sohn Volker, dem jetzigen Kläger gesagt, der Erblasser sei nur besoffen und sie könnten ihn nach Ausnüchterung wieder mitnehmen. Der Erblasser sei auch nach 16.00 Uhr nicht behandelt worden (Bl. d.A.), er sei erst am Nachmittag behandelt worden (Bl. 375 d.A.) Die Dokumentation des Krankenhauses sei gefälscht (Bl. 37 zweite Zählung, 190 zweite Zählung). Eine grobe Pflichtverletzung liege auch darin, daß der Erblasser nicht sofort, sondern erst nach zwei Tagen in das Nordwest-Krankenhaus verlegt worden sei.

Die Kläger behaupten, die Chancen für die Heilung des Erblassers wären ganz beträchtlich erhöht worden, wenn der Erblasser sofort mit Rheomacrodex behandelt worden wäre (Bl. 394; 234 zweite Zählung). Jedenfalls sei ein Besserungserfolg nicht auszuschließen; es gebe keine verläßlichen Angaben darüber, daß die Hämodilution unwirksam sei (Bl. 283/284 zweite Zählung), im Gegenteil sei Rheomacrodex nicht nutzlos (Beweis: Professor Dr. H., Bl. 303 zweite Zählung). Die Kläger meinen, die Beklagten könnten jedenfalls nicht beweisen, daß eine frühere Behandlung mit Rheomacradex völlig ungeeignet gewesen sei (Bl. 284 zweite Zählung), diese Beweislast liege aber bei den Beklagten, weil sie sich eines groben Behandlungsfehlers schuldig gemacht hätten (Bl. 37 zweite Zählung, 107 zweite Zählung).

Die Kläger behaupten, der oben erwähnte Aufnahmearzt sei der Beklagte zu 2) gewesen. Zwar habe die Ehefrau des Erblassers ihn bei ihrer Zeugenvernehmung vom 2.7.1990 nicht erkannt. Der Sohn Volker habe ihn aber bei der Verkündung des angefochtenen Urteils am 22.10.1990 wiedererkannt. Die Zeugin Z. habe dem Sohn Volker den Beklagten zu 2) am 11.2.1975 gegen 16.30 Uhr als den Aufnahmearzt gezeigt (Bl. 313, 315). Der Sohn Volker hat als Betreuer des Erblassers vor dem Senat am 14.5.1998 ausgesagt (Bl. 1201 zweite Zählung), er sei am Mittag des 11.2.1975 dabei gewesen, als der Beklagte zu 2) den Erblasser als besoffen bezeichnet habe, und habe den Beklagten zu 2) bei seinem zweiten Besuch nach 16.00 Uhr nicht gesehen. Der von den Beklagten vorgelegte Dienstplan (Bl. 37 d.A.) sei nicht beweiskräftig, weil solche Dienstpläne häufig geändert würden und außerdem darauf nicht vermerkt sei, daß er tatsächlich durchgeführt worden sei (Bl. 375, 376).

Die Kläger sehen die Pflichtverletzung der Beklagten zu 3) darin, daß sie als zuständige Oberärztin nicht kontrolliert habe, ob es bei der Aufnahme in der Ambulanz unklare Situationen gebe (Bl. 192 zweite Zählung). Ein Oberarzt müsse sich um den Patienten kümmern, wenn dieser als Notfall mit der Diagnose Schlaganfall eingeliefert werde (Bl. 233 zweite Zählung).

Die Kläger behaupten ferner, der Erblasser sei von 1975 an geschäftsunfähig gewesen. Das ergebe sich schon aus dem Privatgutachten von Prof. Bo. vom 21.10.1988 (Bl. 91- 101 d.A.) und könne durch Vernehmung von Prof. Bo. und Dr. R. bestätigt werden (Bl. 35/36 zweite Zählung; 282, 283 zweite Zählung). Außerdem könnten zahlreiche im einzelnen benannte Zeugen den damaligen Zustand des Erblassers bekunden (Bl. 283 zweite Zählung). Die Kläger meinen, die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede sei daher unbegründet.

Die Kläger haben zuletzt beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten zu 2) und 3) als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1) zu verurteilen, ein Schmerzensgeld von 70.000,-- DM nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 11.2.1975 sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente von 600,-- DM, fällig jeweils monatlich im voraus, beginnend am 1.3.1975, endend im August 1999, an die Klä er zu zahlen und

an die Kläger weitere 50.000,-- DM nebst gesetzlichen Zinsen seit dem 11.2.1975 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden Schmerzensgeldrente sowie des Feststellungsantrages haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Die Beklagten haben der Erledigungserklärung nicht widersprochen.,

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen. Die Beklagte zu 1) beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen mit der Maßgabe des neu formulierten Klagantrages.

Die Beklagten behaupten, der Erblasser sei bei der Einlieferung nicht bewußtlos gewesen. Das ergebe sich aus dem Verlegungsbericht vom 12.2.1975, der als ausreichende Dokumentation angesehen werden müsse. Die Anamnese sei bei der Ehefrau des Erblassers erhoben worden. Danach habe der Erblasser einen Leberschaden gehabt, am Vortag Alkohol genossen, am Vormittag eine kurze Bewußtlosigkeit und im letzten halben Jahr eine Wesensveränderung mit Vergeßlichkeit erlitten. Der Neurologe Dr. A. sei gegen 16.00 Uhr zugezogen worden. Das sei keine Pflichtverletzung. Der Erblasser sei entsprechend der vorgelegten "Krankengeschichte des Stadtkrankenhauses Hanau" behandelt worden. Diese Behandlung sei sachgerecht gewesen.

Die danach allenfalls anzunehmende kurzfristige Verzögerung der Behandlung mit Rheomacrodex bis 16.00 Uhr hätte auf den Krankheitsverlauf bei dem Erblasser keinen Einfluß gehabt. Die Verlegung in das Nordwest-Krankenhaus habe sich vermutlich wegen Bettenmangels verzögert. Diese Verzögerung sei für den Schaden nicht kausal, weil der Erblasser auch im Nordwest-Krankenhaus nur mit Rheomacrodex behandelt worden sei.

Der Beklagte zu 2) behauptet, er habe am 11.2.1975 keinen Dienst in der Ambulanz gehabt. Von ihm stammten daher auch die Eintragungen im Patienteneingangsbuch nicht. Vielmehr habe er den sogenannten zweiten Dienst auf der Intensivstation gehabt. Das ergebe sich aus dem Dienstplan (Bl. 37 d.A.). Dort habe er etwa gegen 16.30 Uhr seinen Dienst angetreten und dabei auch den Erblasser gesehen und den in den Kran- kenhausakten enthaltenen "Untersuchungsbefund" geschrieben. Im übrigen habe er nur die von den Oberärzten vorgeschriebene Therapie überwacht und durchgeführt (Bl. 297/298 zweite Zählung).

Die Beklagte zu 3) meint, der Erblasser habe keinen Anspruch auf Behandlung durch einen bestimmten Arzt gehabt. Sie habe als Oberärztin auch keine Verantwortung für die Dienstpläne und die Diensteinteilung. Mit der Behandlung des Erblassers sei sie am 11.2.1975 nicht befaßt gewesen. Am 12.2.1975 habe sie ihn bei der Morgenvisite gesehen, Medikamente verordnet und den Verlegungsbericht geschrieben (Bl. 288/289 zweite Zählung).

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjähung und behaupten, dem Erblasser seien die geltend gemachten Schäden und der Hergang der Behandlung schon lange vor Klageerhebung bekannt gewesen. Sie bestreiten, daß der Erblasser ab 1975,geschäftsunfähig gewesen sei.

Dem Senat haben die "Krankengeschichte des Stadtkrankenhauses Hanau", die Akte des Hausarztes Dr. B. und in Fotokopie die Akte des Krankenhauses Nordwest (bis zum 12.11.1976) vorgelegen. Darauf wird Bezug genommen.

Ferner wird Bezug genommen auf die vom Landgericht erhobenen Beweise, das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Ha. vom 10.5.1990 (Bl. 195-202), die Aussage der Zeugin Adele Z. vom 2.7.1990 (31. 21'7-221), die mündliche Erläuterung des Sachverständigen H. vom 2.1.1990 (Bl. 222-228), das Schreiben des Sachverständigen vom 5.7.1990 (Bl. 231) und die Aussage des Zeugen Dr. B. vom 10.9.1990 (Bl. 251-252 d.A.).

Schließlich hat der Senat gemäß Beschlüssen vom 2.7.1997, 4.6.1998, 23.7.1998, 1.11.1999 (Bl. 80, 81, 123-125, 154-1551 257-258, jeweils zweite Zählung) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Stellungnahmen des Sachverständigen H. vom 19.8.1997, 13.7.1998,16.8.1998 und 8.12 1999 (Bl. 87-89, 145-148, 166-167, 268-269, jeweils zweite Zählung) sowie auf die mündlichen Äußerungen vom 17.12.1998 (El. 195-198 zweite Zählung) Bezug genommen. Der Senat hat auch den Kläger Volker Z., damals noch als Betreuer des Erblassers, angehört. Wegen seiner Aussage wird auf das Protokoll vom 14.5.1998 (Bl. 119- 120 zweite Zählung) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet, die Berufung der Kläger unbegründet.

I. Berufung der Beklagten zu 1)

Die Berufung der Beklagten zu 1) führt zur Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 1) in vollem Umfange. Im Stadtkrankenhaus Hanau der Beklagten zu 1) ist der Erblasser zwar ärztlicherseits fehlerhaft behandelt worden, die Behandlungsfehler haben aber nicht zu dem geltend gemachten Gesundheitsschaden des Erblassers geführt.

1. Untersuchungsfehler

Dem Aufnahmearzt im Stadtkrankenhaus Hanau, für den die Beklagte zu 1) gemäß § 831 BGB (und § 278 BGB) haftet, ist am 11.2.1915 nach 11.00 Uhr ein grober Behandlungsfehler deswegen unterlaufen, weil er nicht umgehend durch eine neurologische Untersuchung abklärte, ob der Erblasser einen Schlaganfall erlitten hatte.

Allerdings läßt sich nicht feststellen, daß der Erblasser bei der Einlieferung in das Krankenhaus bewußtlos war, so daß sich die Untersuchungspflicht nicht schon aus dem damit angezeigten lebensbedrohlichen Zustand ergibt (Sachverständiger H. Bl. 227-, 231 d.A.). Die Zeugin Z. hat bei ihrer Vernehmung vom 2.7.1990 von einer Bewußtlosigkeit ausdrücklich nur für den Zeitraum bis zum Eintreffen des Hausarztes Dr. B. gesprochen (Bl. 217 d.A.). Für die spätere Zeit hat sie nur ausgesagt, daß er nichts gesprochen und sich auch nicht bewegt habe, während sie nicht mehr wußte, ob er auch die Augen geschlossen hatte. Diese Aussage hat der Sachverständige H., der bei der Vernehmung anwesend war und Fragen gestellt hat, dahin gewürdigt, daß diese Angaben nichts darüber aussagen, ob der Erblasser bei der Einlieferung noch bewußtlos war (Bl. 231). Auch der Zeuge Dr. B. konnte nur eine Bewußtlosigkeit des Erblassers bis zu dessen Verladen in den Krankenwagen bekunden, ohne allerdings sagen zu können, auf welche Weise er das festgestellt habe (Bl. 251, 252). Das besagt nichts Sicheres darüber, ob die Bewußtlosigkeit bei der Einlieferung noch andauerte. Dagegen könnte sprechen, daß in dem Patienteneingangsbuch darüber nichts vermerkt ist.

Eine umgehende neurologische Untersuchung war aber auch dann unter den gegebenen Umständen unbedingt erforderlich, wenn der Erblasser bei der Einlieferung nicht bewußtlos war. Die gegebenen Umstände waren dadurch gekennzeichnet, daß der Erblasser notfallmäßig eingeliefert wurde, daß er zumindest kurz vorher bewußtlos gewesen war, daß der einliefernde Hausarzt einen Schlaganfall vermutet hatte und daß sich eine spastische Parese mit positivem Babinski rechts fand. Diese Umstände waren dem Aufnahmearzt aus der Anamnese und eigener Beobachtung bekannt oder mußten ihm bekannt sein: Die Beklagte zu 1) bestreitet nicht, daß die Ehefrau des Erblassers von dessen Bewußtlosigkeit berichtet hatte (Bl. 318 f.). Der Zeuge Dr. B. hatte auf dem Einweisungsschein als Diagnose einen apoplektischen Insult vermerkt (Bl. 251). Selbst wenn der Aufnahmearzt nicht in den Besitz dieses Einweisungsscheins gekommen sein sollte, wäre der Aufnahmearzt verpflichtet gewesen, sich bei der unbedingt erforderlichen Anamnese (H. Bl. 146 zweite Zählung) nach dem Grund der notfallmäßigen Einweisung zu erkundigen. Er hätte dann von der Ehefrau erfahren, daß Dr. B. die Diagnose Schlaganfall gestellt hatte. Es lag daher auf der Hand, daß der neurologische Befund abgeklärt werden mußte. Dem steht nicht entgegen, daß weitere Symptome vorhanden waren. Insbesondere war die erhebliche Unruhe, in der sich der Erblasser befand und die der Aufnahmearzt mit "Psychose" im Patienteneingangsbuch und mit "Delir" in dem Krankenblatt der Ambulanz vom 11.2.1975 charakterisiert hatte, nicht geeignet, die sich vor allem aufgrund des Halbseitenbefundes aufdrängende Frage nach einem Schlaganfall (H. Bl. 146 zweite Zählung) mit hinreichender Sicherheit zu verneinen. Eine solche Unruhe kommt auch bei einem Schlaganfall vor (H. Bl. 198, 226).

Vor diesem Hintergrund hat auch der Sachverständige H. bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat vom 17.12.1998 es als einen schweren Fehler bezeichnet, wenn ein Patient unter den vorerwähnten Umständen nicht innerhalb von einer Stunde versorgt wird (Bl. 195 zweite Zählung). Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Ein grober Behandlungsfehler liegt dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf. Nach Ansicht des Senats darf es einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen, einen wegen Schlaganfalls notfallmäßig eingelieferten Patienten nicht daraufhin zu untersuchen, ob ein Schlaganfall vorliegt. Diese Untersuchung hätte normalerweise der Aufnahmearzt selbst vornehmen können, weil nach den Angaben des Sachverständigen H. (Bl. 227) jeder Arzt so weit ausgebildet ist, daß er zumindest einen groben neurologischen Befund erheben kann. Wenn der Aufnahmearzt, der in jedem Falle die unbedingte Notwendigkeit einer umgehenden neurologischen Untersuchung erkennen mußte, dazu nicht in der Lage war, hätte er einen anderen Arzt hinzuziehen müssen, entweder die Oberärztin, die Beklagte zu 3), die damals Dienst hatte und wenigstens einen groben Befund hätte erheben können, oder den Neurologen Dr. A., der angesichts des bedrohlichen Notfalls aus seiner Praxis hätte geholt werden müssen.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, spricht alles dafür, daß der Aufnahmearzt eine neurologische Untersuchung deswegen unterlassen hat, weil er meinte, der Erblasser sei alkoholisiert. Auch ein solcher Diagnoseirrtum, der dann das Unterlassen der neurologischen Untersuchung nach sich zog, kann das Verhalten des Arztes nicht entschuldigen. Vielmehr stellt es einen schweren Diagnosefehler dar, wenn ein Arzt sich mit der Diagnose "Trunkenheit" beruhigt, ohne die gleichzeitig gegebenen deutlichen Hinweise auf einen Schlaganfall zu beachten. 2. Behandlungsfehler

a) Die Behauptung der Kläger, der Erblasser sei überhaupt nicht behandelt worden, trifft nicht zu. Der Senat ist vielmehr der Überzeugung, daß die in den Behandlungsblättern des Stadtkrankenhauses angegebenen Maßnahmen auch durchgeführt wurden. Es ist zwar richtig, daß die "Krankengeschichte des Stadtkrankenhauses Hanau" unvollständig ist, vor allem weil die Niederlegung einer Anamnese und einer eindeutigen Eingangsdiagnose fehlt. Es bleibt daher unklar, wer die Anamnese der Ehefrau, die in dem Verlegungsschreiben der Beklagten zu 3) vom 12.2.1975 wiedergegeben wird, aufgenommen hat und zu welcher Zeit das geschah. Das ändert aber nichts daran, daß die Aufzeichnungen, soweit sie vorhanden sind, bezüglich ihres dokumentierten Inhaltes zuverlässig erscheinen. Insbesondere liegen für die von den Klägern behauptete Fälschung der Unterlagen keine Anhaltspunkte vor. Als einen solchen Anhaltspunkt kann man es nicht ansehen, wenn auf dem formularmäßigen Deckblatt, das die Behandlungsblätter und anderen Unterlagen lose umschließt, die maschinenschriftliche Eintragung des Aufnahmetages, die mit 12.2. 1975" unstreitig unrichtig war, mit dem Kugelschreiber in das richtige Datum (11.2.1975) abgeändert wurde.

Aus den Eintragungen im Behandlungsblatt der Ambulanz ergibt sich, daß zunächst vom Aufnahmearzt Untersuchungen angeordnet wurden: Blutdruck, EKG, Leberfunktionen, Harnstoffe, Kreatinkinase, Elektrolyte, Blutbild, Blutzucker (H. Bl. 223). Behandelt wurde mit Tutofusin und Haloperidol. Dabei war das Ziel, den Erblasser ruhig zu stellen (H. Bl. 196). Die Infusion von Tutofusin wurde entweder gegeben, weil man einen Zugang zum Blut haben wollte, z.B. für spätere Medikamentengabe, oder zur Stützung des Kreislaufs (H. Bl. 196 zweite Zählung), nicht aber zur Therapie des Schlaganfalls; zwar nahm man 1975 noch an, daß sich auch durch Tutofusin die Fließeigenschaft des Blutes verbessert (H. Bl. 196 zweite Zählung), die vom Aufnahmearzt angeordnete Menge von 250 ml war dazu aber bei weitem nicht ausreichend, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Vernehmung vor dem Senat am 17.12.1998 ebenfalls erklärt hat. Nachdem dem Erblasser um 13.30 Uhr - immer noch in der Ambulanzaufnahme Valium gegeben worden war, ist bis 16.00 Uhr keine weitere medizinische Betreuung dokumentiert. Ab 16.00 Uhr ist dann auf dem Behandlungsblatt der Intensivstation M13 die Infusion von Rheomacrodex dokumentiert. Diese Behandlung läßt darauf schließen, daß sie im Hinblick auf einen Schlaganfall oder. jedenfalls auf eine Krankheit vorgenommen wurde, die auf eine Störung der Gefäßdurchblutung bezogen war (H. Bl. 196). Die Behandlung mit Rheomacrodex war damals im Jahre 1975 bei einem Schlaganfall indiziert (H. Bl. 147 zweite Zählung). Daraus ist zu schließen, daß vor Beginn dieser Behandlung eine neurologische Untersuchung stattfand und die Diagnose Schlaganfall gestellt wurde. Sehr wahrscheinlich erfolgte die Diagnose und die Therapieanordnung durch Dr. A., weil nicht ersichtlich ist, welcher Arzt sonst den neurologischen Befund erhoben haben könnte. Aus dem Bericht von Dr. A. vom 11.2.1975 (Bl. 40 d.A.) ist zu folgern, daß Dr. A. den Erblasser an diesem Tage gesehen hat, aus dem Eintrag im Patienteneingangsbuch der Ambulanz "Später kam Dr. A." wird man schließen können, daß der Erblasser noch in der Ambulanz war, als Dr. A. kam. Das kann dann nur vor 16.00 Uhr gewesen sein, weil ab 16.00 Uhr der Erblasser schon in der Intensivstation, also nach der Verlegung aus der Ambulanz dorthin, behandelt wurde. Für die Beurteilung der Haftung der Beklagten zu 1) wurde es im übrigen auch keinen Unterschied machen, wenn ein anderer Arzt vor 16.00 Uhr angeordnet hätte, daß Rheamactodex gegeben werden solle.

Die Angaben der (inzwischen verstorbenen) Zeugin Z. und des Klägers zu 1) können die Überzeugungskraft des Behandlungsblattes der Intensivstation nicht erschüttern. Falls den Angaben zu entnehmen sein sollte, daß der Erblasser auch um 16.00 Uhr eine Infusion von Rheomacrodex noch nicht erhalten habe, könnte den Angaben nicht geglaubt werden.. Beide haben den Erblasser nur durch die geöffnete Zimmertür sehen können, so daß die Angabe der Zeugin Z., irgendwelche Schläuche, Infusionen oder dergleichen habe sie nicht gesehen, die entsprechende dokumentierte Behandlung des Erblassers schon aus diesem Grunde nicht sicher ausschließen kann. Der Kläger hat sich zu der Frage, ob Infusionen verabreicht wurden, nicht geäußert.

b) Aus dem vorstehend beschriebenen Behandlungsablauf ergibt sich jedoch, daß das Unterlassen der neurologischen Untersuchung (oben Nr. 1) zu einer Verzögerung der Behandlung mit Rheomacrodex geführt hat. Hätte der Aufnahmearzt umgehend Dr. A. oder die Beklagte zu 3) hinzugezogen oder selbst die Diagnose Schlaganfall gestellt, hätte die Behandlung wesentlich früher erfolgen können und müssen. Allerdings wäre auch dann eine gewisse Zeit für die Hinzuziehung von Dr. A. vergangen. Außerdem hätten die tatsächlich vorgenommenen Untersuchungen des Herzens und des Blutes auch bei Hinzuziehung des Neurologen stattfinden müssen (H. Bl. 223, 147 zweite Zählung). Nach der Einlieferung waren daher mindestens etwa 1 1/2 Stunden bis zum Beginn der Behandlung mit Rheomacrodex vergangen, so daß die Verzögerung der Behandlung mit etwa 3 1/2 Stunden zu veranschlagen ist.

c) Es spricht manches dafür, daß ein weiterer Behandlungsfehler darin zu sehen ist, daß der Erblasser erst am 13.2.1975 in das Nordwest-Krankenhaus verlegt worden ist. Die frühere Verlegung dürfte geboten gewesen sein, weil Dr. A. schon am 11.2.1975 nach den obigen Ausführungen wahrscheinlich vor 16.00 Uhr eine Angiographie (Gefäßdarstellung) für dringend erforderlich gehalten hatte und für diese Diagnosemaßnahme, die im Stadtkrankenhaus Hanau nicht durchgeführt werden konnte, die Verlegung erforderlich war.

Dieser Behandlungsfehler braucht aber nicht näher untersucht, zu werden, weil feststeht, daß die Verzögerung der Verlegung nicht zu einem Schaden des Erblassers geführt hat, weil die Behandlung im Nordwest-Krankenhaus auch nicht anders war als in Hanau (H. Bl. 201); auch in Frankfurt wurde der Erblasser ebenso wie in Hanau weiterhin mit Rheamadrodex behandelt, woran sich auch durch die dort nach der Angiographie gestellte Diagnose "Verschluß der Arteria cerebri posterior links und Durchblutungsstörungen im Arteria-basilaris-Bereich" nichts änderte. Insoweit läßt sich daher eine Haftung der Beklagten nicht begründen.

3. Kausalität

Der Schadensersatzanspruch der Kläger, der aufgrund der unter Nr.1, 2 b) festgestellten Pflichtverletzung in Betracht kommt, scheitert daran, daß nicht festgestellt werden kann, daß die Pflichtverletzung den geltend gemachten Gesundheitsschaden des Erblassers verursacht hat. Es ist im Gegenteil sehr unwahrscheinlich, daß dann, wenn Rheomacro- dex dem Erblasser etwa 3 1/2 Stunden früher gegeben worden wäre, sich der Gesundheitszustand des Erblassers nach dem Schlaganfall gebessert hätte oder eine etwaige Verschlechterung nicht eingetreten wäre.

a) Nach der Beweisaufnahme hat sich für den Senat insoweit folgender Sachverhalt ergeben (§ 286 ZPO):

Die Behandlung eines Gefäßverschlusses ist - auch heute noch - schwierig (H. Bl. 201, 224). Die Behandlungsmethoden, die heute im Vordergrund stehen (z.B. Heparin, Lysebehandlung, Operation), standen 1975 noch nicht zur Verfügung (H. Bl. 199, 200, 201 unten, 224, 167 zweite Zählung, 269 zweite Zählung). Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft im Jahre 1975 war eine Infusion mit z.B. Rheomacrodex indiziert (Bl. 147 zweite Zählung Mitte). Rheomacrodex ist eine Substanz mit stärkeähnlichen Partikeln, die die Zähflüssigkeit des Blutes verringern soll (Bl. 197 zweite Zählung Mitte). Durch diese Gabe hat man versucht, die Fließfähigkeit des Blutes zu verbessern, um auf diese Art und Weise die Umgebung des gestörten Gewebsbereiches zu optimieren (H. Bl. 224 Mitte). Inzwischen durchgeführte Studien von Asplund und Goslinga haben aber gezeigt, daß die Gaben von Rheomacrodex Infusionen der Gabe von Placebo nicht überlegen sind oder nur fragliche Effekte bringen (H. Bl. 166 zweite Zählung). Aus diesem Grunde und weil immer wieder negative Reaktionen zu beobachten waren, wird diese Therapie seit Jahren nicht mehr geübt (H. Bl. 147 zweite Zählung unten). Allerdings wenden einzelne Ärzte, wie z.B. Prof. Dr. Ha. (Homburg/Saar) diese Hämodilution noch an (H. Bl. 197 zweite Zählung Mitte), das beruht aber nicht auf günstigeren Erfolgsstudien (H. Bl. 268 zweite Zählung).

Dem stehen die von den Klägern eingereichten Arbeiten von Marx/H./Hartmnn "Hämodilutionsbehandlung des ischämischen Insultes" und von Schneider "Hämodilution beim akuten Schlaganfall ?" (Bl. 236-244 zweite Zählung) nicht entgegen. Es trifft nicht zu, wie die Kläger behaupten, daß darin festgestellt werde, daß eine rasche Behandlung des Klägers im Krankenhaus der Beklagten seine Heilungschancen jedenfalls ganz beträchtlich erhöht hätte. Im Gegenteil können auch diese Arbeiten eine verläßliche Aussage über die Wirksamkeit der Hämodilution nicht machen. Gerade der erste Aufsatz, an dem Prof. H. als Mitverfasser beteiligt war, referiert die klinischen Ergebnisse dahin, daß die isovolämische Hämodilution keine positiven, zum Teil negative Ergebnisse erbracht habe, und schlägt - unter Hinweis auf positive Ergebnisse bei moderater hypervolämischer Hämodilution nur vor, die Indikation und gegebenenfalls optimale Modalität der Hämodilution zu untersuchen (Blatt 236, 2. Zählung). Der Sachverständige H. ist daher in seiner Stellungnahme vom 8.12. 1999 (Bl. 268/269 zweite Zählung) weiterhin davon ausgegangen, daß nach der Datenlage aus heutiger Perspektive ein zu erwartender Besserungserfolg mit dieser Therapie nicht verbunden werden kann.

Im übrigen wendet Prof. Dr. Ha. die Hämodilution offenbar in einer differenzierten Art und Weise an, die1975 noch nicht bekannt war. Das läßt sich dem zitierten Aufsatz entnehmen, an dem Prof. Dr. Ha. als Mitverfasser beteiligt war, und entspricht dem Inhalt eines Telefongesprächs, das der Prozeßvertreter der Kläger nach seinen mündlichen Angaben im Senatstermin vom 26.10.2000 - mit Prof. Dr. Ha. geführt hat.

Die von den Klägern beantragte Vernehmung von Prof. Dr. Ha. als sachverständigen Zeugen oder Sachverständigen wird abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 412 ZPO liegen nicht vor. Die Begutachtung durch den Sachverständigen H. ist überzeugend. Der Sachverständige H. hat auch die Meinung von Prof. Dr. Ha. mit in Betracht gezogen. Es geht auch nicht darum,. daß in einer wissenschaftlich streitigen Frage zwei Sachverständige unterschiedliche Ansichten vertreten. Vielmehr wird auch von den Klägern nicht bestritten, daß die Ansicht von Prof. Dr. Ha. der herrschenden Meinung entspricht.

b) Aufgrund dieses Sachverhaltes kann nach Ansicht des Senats nicht davon ausgegangen werden, daß die Verzögerung der Behandlung des Erblassers mit Rheamacrodex um etwa 3 1/2 Stunden zu dem Gesundheitsschaden des Erblassers geführt hat, auch wenn den Klägern wegen des groben Behandlungsfehlers des Aufnahmearztes Beweiserleichterungen zugute kommen.

Beweiserleichterungen kommen den Klägern zugute, weil der Aufnahmearzt mit dem Unterlassen der neurologischen Befunderhebung einen groben ärztlichen Fehler begangen hat (oben Nr. 1). Dem steht nicht entgegen, daß die Verzögerung der Behandlung mit Rheomacrodex für sich genommen nicht als grober Behandlungsfehler angesehen werden könnte, weil die im Jahre 1975 bestehende ärztliche Behandlungsregel nicht "bewährt" und die medizinischen Erkenntnisse über die Behandlung von Rheomacrodex nicht "gesichert" waren, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu a) ergibt. Insoweit würde es an dem Grund für die Beweiserleichterung fehlen, der nicht darin zu sehen ist, ein schweres subjektives Verschulden des Arztes zu ahnden, sondern darin, daß die Aufklärung des Behandlungsggeschehens gerade wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderer Weise erschwert worden ist, so daß entscheidend ist, ob das ärztliche Verhalten eindeutig gegen gesicherte und bewährte medizinische Erkenntnisse und Erfahrungen verstieß (BGH NJW 1992, 754, 755 m.w.N.). Eine Erleichterung des Beweises der Ursächlichkeit des Arztfehlers für den Gesundheitsschaden kommt auch dann in Betracht, wenn allein das Unterlassen der Befunderhebung für sich genommen einen groben ärztlichen Fehler darstellt (BGH NJW 1998, 1782, 1784).

Das Aufklärungserschwernis, das durch den groben Behandlungsfehler eingetreten ist, ergibt sich daraus, daß der Erblasser nicht - wie es bei pflichtgemäßer Befunderhebung erfolgt wäre (oben Nr. 2 b) - 3 1/2 Stunden früher mit Rheomacrodex behandelt worden ist und daß daher nicht mehr festgestellt werden kann, wie sich diese Behandlung auf den Gesundheitszustand des Erblassers ausgewirkt hätte. Obwohl dieses Aufklärungserschwernis Folge des groben ärztlichen Fehlers ist, führt die sich daraus ergebende Beweiserleichterung für die Kläger nicht zu einer Feststellung der Kausalität. Unter Billigkeitsgesichtspunkten hält der Senat eine so weitgehende Beweiserleichterung nicht für gerechtfertigt, weil der Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und Schaden grundsätzlich unwahrscheinlich ist. Eine Beweiserleichterung kann dem Patienten nur insoweit gewährt werden, als wegen der besonderen Schadensneigung des Fehlers das Spektrum der für den Mißerfolg in Betracht kommenden Ursachen verbreitert oder verschoben worden ist (BGH NJW 1983, 333). Einer Beweiserleichterung steht es entgegen, wenn ein Ursachenzusammenhang zwischen Fehler und Schaden grundsätzlich unwahrscheinlich ist (BGH NJW 1998, 1780, 1782 m.w.N.). Aufgrund der Beweisaufnahme ist der Senat überzeugt, daß es grundsätzlich unwahrscheinlich war, daß durch eine um 3 1/2 Stunden früher einsetzende Behandlung mit Rheomacrodex der Zustand des Erblassers verbessert worden wäre. Der Senat folgt dabei den Bewertungen, die der Sachverständige H. aufgrund der von ihm mitgeteilten Tatsachen vorgenommen hat.

Der Sachverständige hat schon die Behandlung eines Schlaganfalls mit Rheomacrodex (auf die 1975 übliche Art und Weise) generell als nicht geeignet eingestuft. Zwar bewirkt die längere Anwendung von Rheomacrodex anscheinend eine Verringerung der Zähflüssigkeit des Blutes. Dadurch wird aber eine günstige Auswirkung auf die vom Schlaganfall betroffenen Gebiete im Gehirn nicht erreicht. Insbesondere ist eine Verhinderung eines weiteren Absterbens von Nervensubstanz im Gehirn durch die1975 zur Verfügung stehenden Maßnahmen, insbesondere die Infusion von Rheomacrodex, nicht möglich gewesen. Dies folgert die herrschende ärztliche Meinung aus den von dem Sachverständigen mitgeteilten Untersuchungen. Aus diesem Grunde wird ein Schlaganfall heute grundsätzlich nicht mehr mit Rheomacrodex behandelt, sondern versucht, mit anderen Methoden eine Besserung zu erreichen, deren Erfolg aber immer noch von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhängt. Dies hat der Sachverständige dem Senat in seinen Gutachten und vor allem bei seiner mündlichen Anhörung am 17.12.1998 überzeugend erläutert. Wenn danach schon generell ein Besserungserfolg von Rheomacrodex nicht wahrscheinlich ist, ist es erst recht unwahrscheinlich, daß allein der frühere Beginn mit der Behandlung zu einem besseren Erfolg geführt hätte als die um 3 1/2 Stunden verspätete Behandlung.

Der Sachverständige hat allerdings umgekehrt nicht ausgeschlossen, daß die Verzögerung in der Einleitung der Behandlung zu einer Ausweitung des Krankheitsgeschehens geführt hat. Diese Äußerung des Sachverständigen H. (Bl. 148, 2. Zählung) ist nach seinen weiteren Ausführungen allerdings unter dem Aspekt zu relativieren, daß sich in der Medizin für den individuellen Fall sehr selten etwas wirklich ausschließen läßt. Die Aussage ist daher nur eine theoretische Absicherung einer wissenschaftlichen Aussage und die Möglichkeit einer Besserung durch frühere Behandlung nur als eine theoretische anzusehen. Ein bloß theoretische Möglichkeit rechtfertigt aber nicht eine Beweiserleichterung (BGH NJW 1983, 3331 334). II. Berufung der Kläger

Die Berufung der Kläger, mit der sie eine Verurteilung auch der Beklagten zu 2) und 3) erstreben, ist unbegründet. Das folgt schon aus den Ausführungen zu I., wonach eine Pflichtverletzung des Aufnahmearztes nicht zu dem Gesundheitsschaden des Erblassers geführt hat. Daraus folgt, daß der Beklagte zu 2) selbst dann nicht haftet, wenn er der Aufnahmearzt gewesen wäre, und daß eine Haftung der Beklagten zu 3) entfällt, selbst wenn sie für die Handlungen des Aufnahmearztes verantwortlich gewesen wäre.

Die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) ist aber auch dann unbegründet, wenn man zugunsten der Kläger unterstellt, daß die Pflichtverletzung des Aufnahmearztes zu dem Gesundheitsschaden des Erblassers geführt hat.

1. Haftung des Beklagten zu 2)

Der Beklagte zu 2) würde als angestellter Arzt der Beklagten zu 1) in diesem Falle nur dann haften, wenn er der Aufnahmearzt gewesen wäre. Das kann jedoch nicht festgestellt werden, so daß seine Haftung auch aus diesem Grunde entfällt. Die Zeugin Z., die den Aufnahmearzt zweifelsfrei gesehen hat, hat den Beklagten zu 1) bei ihrer Vernehmung vom 2.7.1990 unstreitig nicht wiedererkannt (Kläger Bl. 191 zweite Zählung). Ein weiterer Zeugenbeweis steht den Klägern nicht zur Verfügung. Der Sohn Volker Z., der am 11.2.1975 auch im Krankenhaus war, scheidet als Zeuge aus, weil er Partei ist; er war zunächst Betreuer des Erblassers und ist jetzt selbst Kläger. Der Senat hat ihn trotzdem persönlich angehört, vermag seinen Angaben aber keinen Glauben zu schenken. Dabei geht es weniger um die Frage, ob der Kläger den Beklagten zu 2) zutreffend beschreiben und bei einer Gegenüberstellung wiedererkennen kann, worauf die Kläger entscheidend abstellen, sondern vielmehr um die Frage, ob der Beklagte zu 2) der Aufnahmearzt war, der äußerte, der Erblasser sei nur betrunken und könne nach Ausnüchterung wieder mitgenommen werden. Insofern bestehen erhebliche Zweifel, ob die Angabe des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Senat am 14.5.1998 (Bl. 119-120 zweite Zählung), er habe den Aufnahmearzt mittags gesehen und dessen Äußerung gehört, zutrifft. Der Kläger hat sich damit in Widerspruch zu der Aussage der Zeugin Z. gesetzt, die ausdrücklich ausgesagt hat, daß sie mit dem Aufnahmearzt allein gesprochen habe (Bl. 219), dann mit dem Kläger telefoniert habe, der auch ins Krankenhaus gekommen sei. In der Zeit als sie beide im Krankenhaus gewesen seien, hätten sie mit niemandem mehr gesprochen, nicht mit irgendeinem Arzt, auch nicht mit einer Krankenschwester (Bl. 220). Wenn die Aussage der verstorbenen Zeugin Z. zutrifft, kann der Kläger nichts darüber aussagen, wer der Aufnahmearzt war. Gerade in diesem springenden Punkt weicht die Angabe des Klägers vom 14.05.1998 auch von der Berufungsbegründung vom 1.2.1991 (Bl. 313) ab. Dort wurde erstmals in sein Wissen gestellt, daß er den Aufnahmearzt identifizieren könne, allerdings nur deshalb, weil seine Mutter ihm am Nachmittag den Beklagten zu 2) gezeigt habe mit der Erklärung, daß er der Aufnahmearzt gewesen sei. Diese Widersprüche haben die Kläger nicht einleuchtend erklärt, nachdem der Senat im Prozeßkostenhilfebeschluß vom 4.6.1998 darauf hingewiesen hatte (Bl. 133-136 zweite Zählung d.A.). Es ist nicht anzunehmen, daß die Zeugin Z. dann, wenn sie bei einer Gegenüberstellung mit ihrem Sohn ihre erstinstanzliche Aussage dessen Angaben angepaßt hätte, wie die Kläger offenbar erwartet haben (Bl. 189/190 zweite Zählung), zur entsprechenden Überzeugungsbildung des Senats hätte beitragen können. Den Widerspruch zu der Berufungsbegründung können die Kläger nicht dadurch erklären, daß der Erblasser, der damals noch selbst Kläger war, den Vorgang ja nur aus den Angaben seines Sohnes und seiner Ehefrau kennen konnte (Bl. 191). Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, daß die Angaben dieser Informationspersonen schwanken, wie auch die Kläger einräumen (Bl. 191 zweite Zählung). Aus der Existenz von drei Versionen der Darstellung der Zeugin Z., den Angaben des Klägers persönlich und der vermittelnden Darstellung in der Berufungsbegründung kann nur geschlossen werden, daß die Beteiligten selbst sich über den tatsächlichen Hergang nicht mehr im Klaren sind, was angesichts der Tatsache, daß der Vorgang seinerzeit schon über 15 Jahre zurücklag, nicht verwunderlich erscheint. Gerade wenn, wie die Kläger behaupten, der Vorfall vom 11.2.1975 die Familie über all die Jahre hinweg gedanklich intensiv beschäftigt hat, ist nicht auszuschließen, daß gerade wegen der damit verbundenen Emotionen sich unrichtige Erinnerungen festsetzen.

Gegen die Zeugenaussagen spricht zumindest indiziell auch der von dem Beklagten zu 2) vorgelegte Dienstplan (Bl. 37). Danach hatte der Beklagte zu 2) den sogenannten zweiten Dienst, der nicht in der Ambulanz, sondern unstreitig in der Intensivstation stattfand. Es ist zwar richtig, daß Dienstpläne möglicherweise nicht immer eingehalten werden. Auf dem vorgelegten Dienstplan sind aber handschriftliche Veränderungen und Haken zu erkennen, die darauf hindeuten, daß damit zugleich auch die Abänderung oder Einhaltung des Dienstplanes niedergelegt wurde, wenn auch nicht in einer eindeutigen Form. Da der Name des Beklagten zu 2) am 11.2.1975 mit einem Haken versehen ist, könnte das dafür sprechen, daß er den vorgesehenen Dienst auch ausgeführt hat. Dafür spricht desweiteren auch, daß er unstreitig den "Untersuchungsbefund" (Bl. 169,170) handschriftlich ausgefüllt hat, der in der Intensivstation, also nach 16.00 Uhr, erhoben wurde, und daß die Eintragungen im Patienteneinganqsbuch und im Behandlungsblatt der Ambulanz nicht in seiner Handschrift erfolgten.

Insgesamt kann der Senat daher nicht die Überzeugung gewinnen 286 ZPO), daß der Beklagte zu 2) der Aufnahmearzt war.

2. Haftung der Beklagten zu 3)

Auch die Beklagte zu 3) haftet den Klägern nicht.

Aus einem Behandlungsfehler können ihr gegenüber Ansprüche nicht hergeleitet werden, weil sie den Erblasser am 11.2.1975 nicht behandelt hat. Die Unterlassung der Behandlung kann ihr nicht vorgeworfen werden, weil der Erblasser keinen Anspruch darauf hatte, von der Oberärztin behandelt zu werden. Auch ein Organisationsfehler kann ihr nicht vorgeworfen werden, weil sie dem Patienten gegenüber für die Organisation des ärztlichen Dienstes nicht verantwortlich ist.

Schließlich scheidet auch die allein in Betracht kommende Unterlassung der Überwachung des Aufnahmearztes als Haftungsgrundlage aus. Es kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte zu 3) gerade in der Zeit zwischen 11.00 Uhr und 16.00 Uhr, als der Erblasser in der Ambulanz behandelt wurde, verpflichtet gewesen wäre, von sich aus den Aufnahmearzt zu überwachen. Nach Ansicht des Senats kann eine ständige Überwachung in kurzfristigen Zeitabständen von der Oberärztin nicht verlangt werden. Vielmehr kann die Oberärztin grundsätzlich darauf vertrauen, daß der Aufnahmearzt sie in Zweifelsfällen zu Rate ziehen wird. Es ist unklar, ob die Beklagte zu 3) sich nicht wenigstens zur Zeit der nächsten Visite überprüfend mit dem Fall des Erblassers hätte befassen müssen. Selbst wenn man das aber unterstellt, wäre der Fehler des Aufnahmearztes nicht vor 16.00 Uhr aufgedeckt worden, weil die Nachmittagsvisite nicht früher stattfindet. Ab 16:00 Uhr ist der Erblasser aber ordnungsgemäß behandelt worden.

Da die Klägerin einen anderen Haftungsgrund gegenüber der Beklagten zu 3) nicht dargelegt habe, ist die Klage gegen die Beklagte zu 3) unbegründet.

Da nach allem die Klage gegen alle drei Beklagten unbegründet ist, ist sie insgesamt abzuweisen, also auch insoweit, als das Landgericht über den Schmerzensgeldanspruch und den Feststellungsantrag gegenüber der Beklagten zu 1) noch nicht entschieden hat. Diesen Teil des Prozesses kann der Senat an sich ziehen, weil die Abtrennung in dem Teilurteil unzulässig war. Im Sinne einer Gesamtentscheidung ist auch mit den Parteien verhandelt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus 91, 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Entscheidung über den Wert der Beschwer aus § 546 Abs. 2 ZPO. Den Kostenstreitwert hat der Senat entsprechend seiner bisherigen Festsetzung vom 4.7.1991 (Bl. 344) auf 176.000,-- DM festgesetzt. Eine Veränderung des Kostenstreitwertes ergibt sich nicht daraus, daß zuletzt ein geringer Teil des Klagebegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Ende der Entscheidung

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