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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 1 U 257/04
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 249 | |
BGB § 254 | |
BGB § 823 I | |
BGB § 823 II | |
BGB § 909 |
2. Die mangelhafte Standfestigkeit des beschädigten Gebäudes kann die Anrechnung eines Mitverursachungsanteils von 50 % rechtfertigen.
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen Schäden, die in Folge von Tiefbauarbeiten an seinem Hausgrundstück entstanden sind.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Xstraße in O1. Das Grundstück wurde im Jahre 1947 vom Voreigentümer des Klägers mit einem Einfamilienwohnhaus bebaut. Es ist auf Streifenfundamente gegründet, die aus unvermörtelten Bruchsteinen hergestellt wurden. Über Ringanker verfügt das Gebäude nicht. Der Gutachterausschuss der Beklagten zu 1) schätzte in dem Verkehrswertgutachten vom 01.09.1999 zum Stichtag 1.02.1998 den Zeitwert des Gebäudes auf 149.226 DM, die Außenanlagen pauschal auf 7.000 DM und den Bodenwert auf 163.645 DM, den Sachwert insgesamt somit auf 319.871 DM (Blatt 147 bis 151 der Akten).
Die Beklagte zu 1) ist Eigentümerin des in ihrem Gemeindegebiet gelegenen Straßengrundstücks Xstraße. Dort wurden im Jahre 1998 im Auftrag des Beklagten zu 2) Tiefbauarbeiten zur Erneuerung der Kanalisation und eines Regenüberlaufbeckens ausgeführt. Im Vorfeld der Baumaßnahme war im Jahre 1995 ein Bodengutachten der Firma A GmbH eingeholt worden (Blatt 232 bis 244 der Akten), welches auch Empfehlungen zur Baugrubensicherung enthält. Im Februar 1998 begannen die Tiefbauarbeiten, die von der Firma B - einer Fachfirma für Hoch- und Tiefbau - ausgeführt wurden. Die Bauleitung wurde seitens der Beklagten zu 2) von Dipl.-Ing. C wahrgenommen, der zugleich Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Beklagten zu 1) ist.
Der Kanalgraben wurde zunächst - entsprechend den statischen Berechnungen des vom Beklagten zu 2) beauftragten Dipl.-Ing. S1 - mit sogenannten Verbaukörben gesichert. Für die Baugrube zur Erneuerung des im Straßenbereich vor dem Grundstück des Klägers vorhandenen Regenüberlaufbeckens war ein Spundwandverbau vorgesehen. Als die Tiefbauarbeiten näher an das Grundstück des Klägers heranrückten und von dessen Gebäude noch etwa 10 Meter entfernt waren, sich auch an Vorgärten und Grundstückseinfriedigungen benachbarter Grundstücke des Klägers Schäden gezeigt hatten, teilte der Kläger dem Tiefbauamt der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 4.06.1998 mit, dass in seinem Wohnhaus Risse entstanden seien (Blatt 22 der Akten). Zur Feststellung eventueller Schäden am Gebäude des Klägers beauftragte der Beklagte zu 2) den Sachverständigen S2, der für den 10.06.1998 einen Ortstermin anberaumte. Mit Schreiben vom 10.06.1998 teilte der Beklagte zu 2) dem Kläger mit, dass nach Angaben des Sachverständigen S2 die Risse aus vergangener Zeit stammten (Blatt 52 der Akten). Neben der Untersuchung durch den Sachverständigen S2 veranlasste der Beklagte zu 2) eine Neuberechnung der Statik für den Verbau durch Dipl.-Ing. S1 sowie Bodenuntersuchungen durch die Bau- und Bodenprüfstelle O1. Unabhängig von der statischen Überprüfung wurde von der Bauleitung ab sofort der Verbau mit Kanaldielen angeordnet, die höheren seitlichen Drücken Stand hielten. Die Baustoff- und Bodenprüfstelle O1 empfahl in der Stellungnahme vom 16.06.1998 zum Zwecke der Schadensbegrenzung Kanaldielen zu verwenden, die ausreichend tief in die Baugrubensohle einbinden und so lang sind, dass auch die Auffüllung im obersten Profilabschnitt der Baugrube mitgestützt wird (Blatt 180 bis 181 der Akten). Aufgrund dieser Untersuchungen wurden zur Absicherung der Baugrube und des Anwesens des Klägers 8 Meter tiefe Kanaldielen eingebracht und Spundbohlen eingerüttelt.
Der Kläger ließ sich bzgl. der Ordnungsmäßigkeit der Absicherung des Kanalgrabens sachverständig beraten und zur Beweissicherung Schäden an seinem Grundstück feststellen. Hierzu beauftragte er den Dipl.-Ing. S3, der mit Beweissicherungsgutachten vom 19.06.1998 (Blatt 54 bis 59 der Akten) entstandene Risse des Gebäudes feststellte und die gesetzten Spundwände als nicht hoch genug bezeichnete. Im Verlauf der Tiefbauarbeiten am Kanalgraben entstanden Verschiebungen des Erdreiches, die massive Risse im Wohnhaus des Klägers verursachten. Dadurch entstand eine akute Einsturzgefahr, die durch eine Umgurtung des Gebäudes provisorisch behoben wurde.
Mit Schreiben vom 7.07.1998 teilte der Beklagte zu 2) dem Kläger mit, dass er als Verursacher für die Behebung der Schäden verantwortlich sei und dass wegen des Umfanges der Schäden der Rat eines Gutachters eingeholt werde (Blatt 7 der Akten). Der Beklagte zu 2) beauftragte den Dipl.-Ing. S1 mit der Erstellung eines Gutachtens, welches Möglichkeiten der Sanierung und die dabei entstehenden Kosten ermitteln sollte. Das Gutachten S1 vom 20.04.1999 (Blatt 81 bis 113 der Akten) kam zu dem Ergebnis, dass die aus unvermörtelten Bruchsteinen bestehenden Streifenfundamente in Verbindung mit den fehlenden Ringankern den bei Errichtung des Bauwerks im Jahre 1947 geltenden konstruktiven Anforderungen der DIN 1053 von 1937 nicht entsprächen und dass es sich bei dem Gebäude um eine extrem setzungsempfindliche Konstruktion handele. Die Kosten für die Sanierung des Gebäudes einschließlich der erforderlichen Nachgründung bezifferte er auf insgesamt 546.000 DM (Standsicherheit 111.000 DM, Gebrauchstauglichkeit 358.000 DM und Innen- und Außenrenovierung 77.000 DM) einschließlich Mehrwertsteuer.
Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz wegen der Kosten des von ihm hinzugezogenen Dipl.-Ing. S3 gemäß Rechnungen der Fa. D GmbH vom 30.10.1998 in Höhe von 3.146,84 DM (Blatt 10 der Akten), 19.06./25.06.1998 in Höhe von 1.215,56 DM (Blatt 11 der Akten) und vom 30.06.1999 in Höhe von 2.252,60 DM (Blatt 119 der Akten). Ferner verlangt er Schadensersatz in Höhe der im Gutachten S1 vom 20.04.1999 genannten Sanierungskosten von 546.000 DM abzgl. erhaltener 100.000 DM. Schließlich begehrt er die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren Schäden.
Er hat behauptet, die Planung, Ausführung und Überwachung der Tiefbauarbeiten seien mangelhaft gewesen, insbesondere sei die Sicherung der Baugrube unzureichend gewesen. Die Beklagten treffe auch deshalb ein Verschulden, weil sie trotz Information über die entstandenen Schäden die Arbeiten fortgesetzt und dabei weitere Schäden verursacht hätten. Die Tiefbaufirma habe den Verbau des Kanalgrabens zu schwach ausgeführt. Erst auf seine - des Klägers - Intervention seien zusätzliche Versteifungen eingebracht worden. Hierdurch hätten die Schäden jedoch nicht mehr verhindert werden können. Die Schäden am Gebäude wären auch dann entstanden, wenn eine Betongründung und Ringanker vorhanden gewesen wären. Ein Mitverschulden könne ihm nicht zur Last gelegt werden. Da das Haus, welches er nicht gebaut habe, 50 Jahre lang ohne Schaden gestanden habe, seien allein die Tiefbauarbeiten schadensursächlich. Der Feststellungsantrag sei gerechtfertigt, weil weitere Setzungsschäden zu befürchten seien.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 231.417,35 € (452.613 DM) nebst 4% Zinsen seit dem 22.10.1999 auf 228.036,17 € (446.000 DM) sowie 4% Zinsen aus 279.165,36 € (546.000 DM) für die Zeit vom 6.05.1999 bis 21.10.1999 und 4% Zinsen aus 621,51 € (1.215,56 DM) seit dem 10.09.1998 sowie 4% Zinsen aus 1.608,96 € (3.146,84 DM) seit dem 24.03.1999 sowie 4% Zinsen aus 1.150,71 € (2.250,60 DM) seit dem 1.07.1999 zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, jeden weiteren Schaden zu tragen, der durch die Grabungsmaßnahmen der Beklagten verursacht ist.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben behauptet, die von Anfang an geplant gewesenen und nach Bekanntwerden drohender Schäden am Gebäude des Klägers umgehend zusätzlich veranlassten Maßnahmen zur Absicherung der Baugrube hätten den Regeln der Baukunst und dem Stand der Technik entsprochen. Die am Haus des Klägers entstandenen Schäden beruhten maßgeblich darauf, dass die Streifenfundamente aus Natursteinen ohne jeden Bindemittelzusatz hergestellt wurden und die erforderlichen Ringanker fehlten. Wäre das Wohnhaus im Jahre 1947 entsprechend dem damaligen Stand der Technik errichtet worden, wären die Schäden nicht entstanden. Das ergebe sich auch daraus, dass bei den übrigen Anliegern Setzungsschäden nur an den Außenanlagen entstanden seien mit Ausnahme des Nachbarhauses des Klägers, bei welchem die gleichen Gründungsmängel wie beim Haus des Klägers vorhanden seien. Deshalb komme allein eine verschuldensunabhängige Haftung für den Schaden des Klägers in Betracht. Es sei jedoch nicht nur der Mitverursachungsanteil wegen der setzungsgefährdeten Konstruktion des Hauses zu berücksichtigen, sondern zusätzlich auch ein Vorteilsausgleich, der bei den Kosten eines Neubaues (neu für alt) vorgenommen werden müsse.
Das Landgericht hat schriftliche Sachverständigengutachten der Sachverständigen S4 und S5 eingeholt, die jeweils mündlich erläutert wurden. Der Sachverständige S4 hat in seinem Gutachten vom 12.07.2001 ausgeführt, dass ein Planungsmangel nicht erkennbar sei. Die Ausschreibung habe die Ergebnisse des Bodengutachtens der Firma A berücksichtigt. Auch während des Bauablaufs seien alle den Regeln der Technik entsprechenden Vorkehrungen getroffen worden, um gravierende Schäden im Nachbarbereich auszuschließen. Der Sachverständige S5 hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 24. Juni 2003 die Kosten für den Abriss des Hauses des Klägers, die Unterbringung während der Bauphase und den Neuaufbau eines Hauses vergleichbaren Zuschnitts mit insgesamt 225.000 € angegeben.
Im Übrigen wird wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die schriftlichen Gutachten vom 12.07.2001 (Blatt 285 ff.) und vom 24.06.2003 (Blatt 407 ff.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 30.01.2002 (Blatt 335 ff.) und 5.04.2003 (Blatt 644 ff.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 121.001,98 € nebst Zinsen sowie dem Feststellungsantrag durch am 29.09.2004 verkündetes Urteil stattgegeben (Blatt 657 - 667 der Akten). Gegen dieses Urteil haben sowohl der Kläger als auch die Beklagten Berufung eingelegt.
Der Kläger verfolgt sein ursprüngliches Klageziel uneingeschränkt weiter. Er rügt mit der Berufung, dass das Landgericht zu Unrecht eine Verschuldenshaftung der Beklagten verneint habe. Den Ausführungen des Sachverständigen S4 zum fehlenden Verschulden sei schon deshalb nicht zu folgen, weil es sich hierbei um eine rechtliche Bewertung handele, die der Sachverständige nicht habe vornehmen dürfen. Der Sachverständige habe auch selbst ausgeführt, dass die Verfüllung des Kanalgrabens mit nicht bindigem Material eine Drainagewirkung für die Umgebung hervorrufe. Das sei nicht fachgerecht. Zu Unrecht habe der Sachverständige ferner einen kompletten Verbau des Kanalgrabens als nicht notwendig bezeichnet und den Hilfsverbau zum Lückenschluss zwischen Kanaldielen als Arbeitschutzmaßnahme bezeichnet. Der Verbau des Kanalgrabens hätte anstelle mit Verschiebeplatten mit Spundbohlen ausgeführt werden müssen. Ein weiteres Sachverständigengutachten werde ergeben, dass schon die Planung und Ausschreibung Fehler und Fehleinschätzungen enthalte, dass die bauausführende Firma gegen die Regeln der Tiefbaukunst verstoßen und auch der aufsichtsführende Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Beklagten zu 1) seine Pflichten verletzt habe. Im Bereich des zu erneuernden Regenüberlaufbauwerkes vor dem Grundstück des Klägers seien nicht von vorn herein Spundbohlen zur Sicherung der Baugrube verwendet worden. Vielmehr sei erst auf Intervention des Klägers ein Statikbüro mit der Berechnung des Verbaus beauftragt worden; als dann die Statik vorgelegen habe und mit dem Verbau begonnen worden sei, habe der Kläger feststellen müssen, dass das verwendete Verbaumaterial nicht ausreichend bemessen gewesen sei. Erst am nächsten Tag sei auf seine Rüge hin der Verbau verstärkt worden (Beweis: Zeugnis E, S1, NN Blatt 711). Das Unterlassen zusätzlicher Maßnahmen zur Sicherung des Kanalgrabens sei den Beklagten auch deshalb vorzuwerfen, weil während der Ausführung der Arbeiten an den Nachbargrundstücken Schäden entstanden seien, und der Aushub habe erkennen lassen, dass man wegen des weichen und wasserhaltigen Untergrunds nicht ohne besondere Maßnahmen weiter bauen durfte. Die auf die Äußerungen des Sachverständigen S1 gestützte Annahme des Landgerichts, die Schadensursache liege in fehlender Steifigkeit des Gebäudes des Klägers, sei fehlerhaft. Die Annahme des Sachverständigen, die Ausführung der Streifenfundamente und das Fehlen von Ringankern habe nicht den damals geltenden Regeln der Technik entsprochen, sei falsch. Maßgeblich sei die Baupolizeiverordnung vom 15.08.1932, welche einen Ringanker nicht vorschreibe. Die ordnungsgemäße Errichtung des Gebäudes ergebe sich aus dem Baugesuch vom 30.10.1946, dem Bauschein vom 1.04.1947 und dem Rohbauabnahmeschein vom 12.02.1948 (Blatt 729, 728, 731 der Akten).
Hinsichtlich der vom Landgericht zuerkannten Höhe des Schadensausgleichs rügt der Kläger, dass ihm ein Restitutionsanspruch zustehe und er deshalb uneingeschränkt die vom Sachverständigen S1 ermittelten Sanierungskosten beanspruchen könne. Die Schätzung der Kosten für eine Neuerrichtung des Gebäudes durch den Sachverständigen S5 sei fehlerhaft, da sie nicht an Hand eines detaillierten Leistungsverzeichnisses und ohne Orientierung an den örtlichen Verhältnissen an Hand statistisch überholter Werte ermittelt worden sei. Die vom Landgericht vorgenommene Anrechnung eines Mitverursachungsanteiles zu seinen Lasten sei fehlerhaft, weil das Haus nicht von ihm, sondern vom Voreigentümer gebaut worden sei.
Das Verschulden der Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Beklagten zu 1) liege darin, dass diese die Arbeiten für den Beklagten zu 2) überwacht hätten. Hierbei hätten sie die Amtspflicht verletzt, die sie zum Schutz der Bürger und des dem Anschluss- und Benutzungszwang unterliegenden Klägers als Eigentümer des Grundstückes hatten. Schließlich stehe ihm auch ein Anspruch aus § 1004 BGB zu. Die Beschädigung des Grundstücks bestehe als Störung fort. Insofern verlange er einen Kostenvorschuss für die Störungsbeseitigung.
Zinsen könne er nicht erst ab Rechtshängigkeit, sondern bereits seit Eintritt der Schädigung beanspruchen. Da die gesetzliche Verzinsung während des Rechtsstreits auf 5% über dem Basiszinssatz umgestellt worden sei, könne er den höheren gesetzlichen Zins seit Inkrafttreten der Neuregelung beanspruchen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 110.415,37 € zzgl. gesetzlicher Zinsen auf 228.036,17 € seit 22.10.1999 sowie auf 279.165,36 € für die Zeit vom 6.05.1999 bis 21.10.1999 sowie auf 621,51 € seit dem 11.09.1998 sowie auf 1.608,96 € seit 24.03.1999 sowie auf 1.150,51 € seit 1.02.2000 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
2. das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Zu Recht habe das Landgericht die Haftung der Beklagten allein auf einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gestützt. Im Ansatz zutreffend gehe das Landgericht ferner von einer Mitverursachung des Schadens wegen der unzureichenden Standfestigkeit des Gebäudes aus. Der Mitverursachungsanteil müsse jedoch mit mindestens 50% bemessen werden, weil der Sachverständige S4 dargelegt habe, dass am Wohnhaus keine sichtbaren Schäden aufgetreten wären, wenn es entsprechend den bereits 1947 geltenden Bauregeln errichtet worden wäre. Die vom Kläger nun zitierte Baupolizeiverordnung von 1932 sei Vorläufer der Hessischen Bauordnung; sie bestimme in § 11, dass bauliche Anlagen in allen Zeiten nach den Erfahrungen der Baukunst aus guten zweckentsprechenden Baustoffen herzustellen seien. Somit hätte die DIN 1053 von 1937 angewendet werden müssen.
Zu Unrecht habe das Landgericht ferner einen Abzug wegen Vorteilsausgleichs (neu für alt) abgelehnt. Das Landgericht habe verkannt, dass der Kläger wegen der gravierenden bautechnischen Mängel des Gebäudes und den unangemessen hohen Sanierungskosten von Anfang an nur ein Interesse an einer Neuherstellung, nicht aber an der Erhaltung des Gebäudes gehabt habe. Im Hinblick auf die Bezifferung der Sanierungskosten durch den Sachverständigen S1 auf ca. 280.000 €, den Grundstückswert nach dem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses von insgesamt ca. 164.000 € und einem Gebäudewert von lediglich ca. 75.000 € sei ein wirtschaftlicher Totalschaden eingetreten, so dass ein Schadensersatzanspruch von vorn herein lediglich auf Neuerrichtung gerichtet gewesen sei. Die im Rahmen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruches anzuwendenden Grundsätze der Enteignungsentschädigung erstreckten sich auch auf die Regeln über den Vorteilsausgleich. Das Grundstück erreiche durch einen Neubau eine erhebliche Wertsteigerung. Da nach dem Verkehrswertgutachten die Restnutzungsdauer des Gebäudes ca. 30 Jahre betragen habe, das neue Gebäude hingegen eine Nutzungsdauer von 70 Jahren haben werde, sei ein entsprechender Abzug als Vorteilsausgleich vorzunehmen. Ohnehin sei als Schadensobergrenze der Verkehrswert des Gebäudes mit 75.000 €, allenfalls der Grundstückswert mit 164.000 € heranzuziehen.
Hinsichtlich der Sachverständigenkosten habe das Landgericht die Mitverursachung dieser Schäden durch den Kläger übersehen. Auch der Ausspruch zur Feststellungsklage übergehe den Mitverursachungsanteil des Klägers.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
I.
Die Berufung der Beklagten hat weitgehend Erfolg. Die Klage ist mit Ausnahme eines Teiles des Feststellungsantrages unbegründet.
1. Ein Amtshaftungsanspruch gegen den Beklagten zu 2) gemäß Artikel 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB scheidet aus. Die Errichtung eines Abwasserkanals ist, obwohl hoheitliche Aufgabe, dann als privatwirtschaftliche Nutzung anzusehen, wenn sich die errichtende Körperschaft hierfür privatrechtlicher Formen bedient wie etwa der vertraglichen Beauftragung von Bauunternehmern und Tiefbauingenieuren (BGHR BGB § 909 Haftung, privatrechtlich 1; BGH NJW-RR 1988, 136 ff.). So liegt es hier.
2. Dem Kläger steht gegen den Beklagten zu 2) auch kein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 909 BGB zu. Das Landgericht hat ein Verschulden der handelnden Mitarbeiter des Beklagten zu 2) zu Recht verneint. Der Beklagte zu 2) genügte seinen Sorgfaltspflichten zum Schutz des klägerischen Grundstücks hier wie regelmäßig schon dadurch, dass er sorgfältig ausgewählte, fachkundige Ingenieure und Bauunternehmer mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäßer Durchführung betraute (BGHZ 147, 45, 48). Jedenfalls kann eine Pflichtwidrigkeit, die Voraussetzung des Verschuldens ist, den zuständigen Mitarbeitern des Beklagten zu 2) im Rahmen der Ausschreibung der Baumaßnahme und der Überwachung ihrer Ausführung nicht vorgeworfen werden.
Die Ausschreibung war an den sich aus dem Gutachten A ergebenden Bodenverhältnissen ausgerichtet. Die ursprünglich vorgesehene Sicherung des Kanalgrabens und des Regenüberlaufbeckens vor dem Grundstück des Klägers war nach den Regeln der Technik ausreichend, ebenso die Anpassung der Sicherungsmaßnahmen nach dem Auftreten von Setzungserscheinungen. Diese Tatsachen, die das Landgericht entsprechend dem Sachverständigengutachten S4 festgestellt hat, sind der Beurteilung durch das Berufungsgericht zu Grunde zu legen. Konkrete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung bestehen nicht (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist umfassend und widerspruchsfrei. Sie verstößt auch nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze. Das Gutachten des Sachverständigen S4, auf das das Landgericht seine Beurteilung stützt, ist weder unvollständig noch widersprüchlich. Insbesondere hat der Sachverständige berücksichtigt, dass im Laufe der Bauausführung Setzungsschäden auftraten und der Aushub einen weichen und wasserhaltigen Untergrund ergab. Gerade wegen dieser Gründe wurde für die Weiterarbeit ein Baugrubenverbau mit Kanaldielen empfohlen (Gutachten Seite 4, Blatt 288 der Akten). Soweit der Kläger rügt, dass bei Fortsetzung des Verbaus, nachdem Setzungserscheinungen aufgetreten waren und zusätzliche statische Berechnungen zur Sicherung des Kanalgrabens veranlasst worden waren, die verwendeten Träger nicht ausreichend dimensioniert gewesen seien, sondern erst auf seine Rüge hin am folgenden Tag verstärkt worden seien, kommt möglicherweise ein Ausführungsmangel der Tiefbaufirma in Betracht; ein Mangel der Bauaufsicht des Beklagten zu 2), soweit diese bei ihm verblieben war, ergibt sich daraus noch nicht. Eine Pflichtwidrigkeit des zuständigen Mitarbeiters des Beklagten zu 2) kann ferner nicht darin gesehen werden, dass für die Verfüllung des Kanalgrabens - wie in der Ausschreibung vorgesehen - Schotter und nicht das Aushubmaterial verwendet wurde. Der Sachverständige S4 hat hierzu ausgeführt, dass darin zwar grundsätzlich ein Fehler gesehen werden könne, weil hierdurch eine langsame Entwässerung des umliegenden Erdreiches herbeigeführt werde, die auch noch etliche Jahre später zu Setzungserscheinungen beim benachbarten Boden führen könne. Gleichwohl hat der Sachverständige wegen der der Ausschreibung zu Grunde liegenden Angaben des Gutachtens A - welches den Aushub nur als bedingt geeignet zum Wiedereinbau bezeichnete und für die Rückverfüllung bindigkeitsarme Steinerde empfahl (Blatt 240 der Akten) - die Ausschreibung der Verfüllung mit dem Ursprungsmaterial nicht als erforderlich angesehen (Blatt 339 unten, 340 oben der Akte). Im Übrigen hat das Landgericht entsprechend den Angaben des Sachverständigen S4 in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Drainagewirkung zwar als Gefährdungspotential für Setzungserscheinungen anzusehen ist, die noch Jahre später eintreten können, die sich aber auf den Schaden am Wohnhaus des Klägers nicht ausgewirkt hat.
3. Ein Anspruch des Klägers aus § 1004 BGB kommt nicht in Betracht. Der Kläger verlangt von dem Beklagten nicht Störungsbeseitigung, sondern Schadensersatz in Geld. Einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Störungsbeseitigung durch den Geschädigten im Wege der Ersatzvornahme gewährt § 1004 BGB nicht.
4. Danach kommt allein ein nachbarrechtlicher Entschädigungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2) entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht. Dessen Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht bejaht. Durch die im Auftrag des Beklagten zu 2) ausgeführten Kanalbauarbeiten wurde das Straßengrundstück der Beklagten zu 1) entgegen § 909 BGB in der Weise vertieft, dass der Boden des Nachbargrundstückes des Klägers die erforderliche Stütze verlor, so dass für das Wohnhaus Einsturzgefahr entstand. Die Frage, ob eine Stütze im Sinne von § 909 BGB erforderlich ist, beurteilt sich danach, welche Befestigung das Nachbargrundstück nach seiner tatsächlichen Beschaffenheit benötigt. Unzulässig ist in der Regel eine Vertiefung demnach auch, wenn die Beeinträchtigungen des Nachbarhauses durch dessen angesichts der schlechten Bodenverhältnisse weniger tragfähige Fundamente begünstigt werden. Selbst eine - wie hier gegebene - besondere Schadensanfälligkeit des Nachbarhauses beseitigt das Vertiefungsverbot des § 909 BGB nicht (BGHZ 101, 290, 293 m. w. N.). Der Kläger musste diese Beeinträchtigung seines Grundstücks nicht dulden. Aus tatsächlichen Gründen war er jedoch gehindert, einen Abwehranspruch geltend zu machen. Zwar sind erste Risse im Wohnhaus des Klägers schon entstanden, als die Tiefbauarbeiten sein Grundstück noch nicht erreicht hatten. Die Ursache dieser Risse war jedoch - jedenfalls zunächst - unklar und musste erst durch einen Sachverständigen begutachtet werden. Auch durfte der Kläger darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 2) die nach dem Bekanntwerden der ersten Setzungserscheinungen erforderlichen Überprüfungen bzw. ergänzende Sicherungsmaßnahmen für den Verbau des Kanalgrabens veranlasste. Der Beklagte zu 2) war auch "Benutzer" des Straßengrundstücks, da die Kanalbauarbeiten in seinem Auftrag ausgeführt wurden, er mithin die Nutzungsart des Straßengrundstückes bestimmte (BGHZ 101, 290, 294).
5. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist auf einen Nachteilsausgleich nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung gerichtet und kann je nach Art und Weise der Einwirkung auf vollen Schadensersatz gehen. Der Ausgleich beschränkt sich auf die Beseitigung der durch die Störung eingetretenen Vermögenseinbußen (BGHZ 147, 45, 53; NJW 1992, 2884 m. w. N.).
Soweit die störende Einwirkung - wie hier - zu einer Substanzschädigung führt, kann der Betroffene grundsätzlich die Beseitigungskosten einschließlich der Planungskosten und eines gegebenenfalls verbleibenden Minderwertes ersetzt verlangen (BGH NJW-RR 1997, 1374, 1375 m. w. N.). Eine am Wiederherstellungsaufwand ausgerichtete Berechnung der Entschädigung scheidet jedoch entsprechend § 251 Abs. 2 BGB dann aus, wenn die Wiederherstellung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde (BGHZ 102, 322, 330). So liegt es hier. Die Wiederherstellung des Wohnhauses des Klägers würde einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Wiederherstellung sind dem Verkehrswert des Hausgrundstücks vor der Beschädigung die um einen gegebenenfalls gebotenen Abzug "neu für alt" bereinigten Wiederherstellungskosten gegenüberzustellen. Ein Abzug "neu für alt" vom Herstellungsaufwand kommt dabei nur insoweit in Betracht, als die Wiederherstellung zu einem vom Betroffenen auszugleichenden Wertzuwachs des Gebäudes, zu dessen erhöhter Lebensdauer oder zur Ersparung von Aufwendungen durch Hinausschieben künftiger Reparaturen führt (BGH a. a. O., Seite 322, 331).
Hier übersteigen die zu berücksichtigenden Wiederherstellungskosten den Verkehrswert (Wiederbeschaffungswert) des Grundstücks des Klägers um mehr als 50%. Der Verkehrswert des Grundstücks des Klägers belief sich vor dem Schadenseintritt entsprechend dem Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses der Beklagten zu 1) vom 1.09.1999 auf 320.000 DM. Dieser Betrag ergibt sich aus dem Bodenwert von 163.645 DM, Gebäudewert von 149.226 DM und Wert der Außenanlagen von 7.000 DM.
Die Wiederherstellungskosten ergeben sich aus dem Gutachten S1 vom 20.04.1999, auf welches sich der Kläger zur Begründung seiner Klageforderung bezieht und dessen Richtigkeit auch die Beklagten nicht angreifen. Die in diesem Gutachten genannten Kosten zur Wiederherstellung der Standsicherheit von 111.000 DM und zur Gebrauchstauglichkeit von 358.000 DM sind in vollem Umfang anzusetzen. Sie beinhalten die Kosten für die erforderliche Nachgründung und für das Ersetzen der nicht vorhandenen Ringanker auf Höhe der Decken über dem Kellergeschoss und dem Erdgeschoss durch vergleichbare Konstruktionen (Gutachten S1, Blatt 93, 94 der Akten). Die im Gutachten S1 für die Innen- und Außenrenovierung angesetzten Kosten von insgesamt 63.000 DM netto enthalten Renovierungskosten in Höhe von 42.000 DM (Fenster- und Türeninstandsetzung, Erneuerung von Tapeten, Fußböden, abgehängten Decken, Fliesen; Verschließen von Rissen im Mauerwerk, Reinigung und Neuanstrich des Außenputzes). Diese Renovierungskosten führen für den Kläger zu einer Ersparung von Aufwendungen durch Hinausschieben künftiger Reparaturen, so dass insoweit ein Abzug "neu für alt" vorzunehmen ist. Bemisst man diesen Abzug im Wege einer Schätzung gemäß § 287 ZPO großzügig zu Gunsten des Klägers auf 2/3 (zu Gunsten des Klägers deshalb, weil sich dadurch die Wiederherstellungskosten in stärkerem Maße reduzieren, diese Berechnung also der Annahme einer Unverhältnismäßigkeit des Wiederherstellungsaufwandes entgegenwirkt), verbleiben anzurechnende Renovierungskosten von 14.000 DM netto. Der im Gutachten S1 errechnete Wiederherstellungsaufwand reduziert sich somit um 28.000 DM nebst 5 % Zuschlag und Mehrwertsteuer, insgesamt also um 34.104 DM auf 511.896 DM. Ein weiterer Abzug "neu für alt" ist zwar nicht wegen einer längeren Lebensdauer des instandgesetzten Gebäudes vorzunehmen. Eine längere Lebensdauer wird von den Beklagten nur für den Fall der Neuerrichtung eines (anderen) Wohnhauses geltend gemacht, nicht aber für die Instandsetzung des alten Gebäudes. Auch die vorliegenden Sachverständigengutachten geben keinen Anhalt für eine verlängerte Lebensdauer des alten Gebäudes.
Ein weiterer Abzug "neu für alt" ist jedoch wegen der mit der Wiederherstellung verbundenen Werterhöhung des Wohnhauses angebracht. Das Verkehrswertgutachten berücksichtigt bei der Ermittlung des Gebäudewertes ausdrücklich auch die fehlenden Ringanker und die mangelhaft ausgeführten Fundamente als gravierende Mängel. Die Rohbausubstanz, die bei der Wertermittlung in etwa gleichen Teilen wie der Innenausbau berücksichtigt wird, wurde deshalb ausdrücklich einem einfachen Standard zugeordnet. Diese Beurteilung führte in Verbindung mit dem mittleren Standard des Innenausbaus zu dem Ansatz von 350 DM pro m³ für Normalherstellungskosten bei Standard einfach bis mittel. Hingegen beseitigen die nach dem Gutachten S1 vorgesehenen Baumaßnahmen die Mängel der Rohbausubstanz weitgehend, so dass auch insofern ein mittlerer Standard anzusetzen ist.
Das führt dann - ausgehend von Normalherstellungskosten bei Standard mittel 375 DM/m³ - zu folgender Berechnung:
Herstellungswert: 680 m³ x 375 DM 255.000 DM Baunebenkosten: 14% von 255.000 DM 35.700 DM Summe: 290.700 DM Wertminderung wegen Alters bei 70 Jahren Gesamtnutzungsdauer und 30 Jahren Restnutzungs- dauer um 45%; diese Berechnung folgt zugunsten des Klägers dem Verkehrswertgutachten, da der sich aus diesem Gutachten ergebende ursprüngliche Gebäudewert zwischen den Parteien unstreitig ist; rechnerisch richtig wäre ein Abzug von 58 % - 130.815 DM Zeitwert des Gebäudes: 159.885 DM
Die Differenz zu dem im Verkehrswertgutachten errechneten Gebäudewert (149.226 DM) beträgt 10.659 DM. Um diesen Abzug "neu für alt" sind die Wiederherstellungskosten von 511.896 DM zu kürzen. Danach belaufen sich die um den Abzug "neu für alt" bereinigten Herstellungskosten auf mehr als 500.000 DM. Dieser Betrag übersteigt den Verkehrswert des Grundstücks vor seiner Beschädigung (320.000 DM) um deutlich mehr als 50 %.
Bei dieser Sachlage scheidet der als Zahlungsanspruch ausgekleidete besondere Herstellungsanspruch aus § 249 Satz 2 BGB aus. Vielmehr ist der Verkehrswert des Hausgrundstücks unmittelbar vor dem Schadensereignis der richtige Ansatz für die Bemessung der Ersatzleistung (BGHZ 102, 322, 329).
6. Ausgleich des ihm entstandenen Schadens kann der Kläger allerdings nicht in vollem Umfang verlangen. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass der Gebäudeschaden dadurch mit verursacht wurde, dass die Streifenfundamente aus unvermörtelten Bruchsteinen hergestellt wurden und die notwendigen Ringanker fehlten, so dass das Gebäude extrem setzungsempfindlich war. Auch im Rahmen eines verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist § 254 Abs. 1 BGB anwendbar, und zwar nicht nur im Falle des Mitverschuldens, sondern auch im Falle bloßer Mitverursachung (BGH NJW-RR 1988, 136, 138). Das bedeutet, dass nicht nur in dem Fall, dass der mitursächliche Umstand von dem Geschädigten zu vertreten ist, eine Anspruchsminderung in Betracht kommt. Vielmehr kann schon der schadensanfällige Zustand des Grundstücks, das durch die Vertiefung des Nachbargrundstücks geschädigt wird, ein im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB berücksichtigungsfähiger Umstand sein (BGH NJW 1992, 2884, 2885). Ein solcher Umstand lag hier vor. Bereits der Dipl.-Ing. S1 führte in seinem Gutachten vom 20.04.1999 aus, dass sowohl die Decke über dem Erdgeschoss als auch über dem Kellergeschoss nicht den konstruktiven Anforderungen in der DIN 1053 von 1937 entspricht und das Gebäude nach dem Stand der Technik bei seiner Errichtung im Jahre 1947 über Ringanker hätte verfügen müssen, Ringanker jedoch nicht vorhanden sind. Der Dipl.-Ing. S1 hat ferner ausgeführt, dass die Verwendung unvermörtelter Bruchsteine für die Streifenfundamente nicht zulässig gewesen ist, es sich bei dem Gebäude mithin um eine extrem setzungsempfindliche Konstruktion handelt (Blatt 92, 93 der Akten). Diese Beurteilung hat der gerichtliche Sachverständige S4 bestätigt. In der abschließenden Beurteilung des schriftlichen Gutachtens führte er aus, dass die Schäden am Gebäude mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darauf zurückzuführen seien, dass die Konstruktion des Gebäudes nicht den Regeln der Technik entspreche (Blatt 197 der Akten). Diese Einschätzung hat der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung dahin ergänzt, dass das Wohnhaus des Klägers, wenn Ringanker und ein durchgehendes Fundament nicht vorhanden waren, gegenüber Setzungen besonders gefährdet war (Blatt 337 der Akten), und dass bei einem nach den Regeln der Technik errichteten Gebäude bei solchen Setzungen für einen Laien überhaupt keine sichtbaren Risse auftreten (Blatt 138 der Akten unten).
Zu Unrecht versucht die Berufung des Klägers das Fehlen der Ringanker und den Zustand der Fundamente in Zweifel zu ziehen mit der Begründung, dass der Dipl.-Ing. S1 sein Gutachten nur auf entsprechende Annahmen, nicht aber auch Untersuchungen gegründet habe. Abgesehen davon, dass dieser Vorwurf nicht zutrifft - vgl. Gutachten S1 Seite 6 zur Untersuchung der Streifenfundamente (Blatt 86 der Akten) und Seite 9 zur Untersuchung auf etwa vorhandene Ringanker (Blatt 89 der Akten) - ist das erstmalige Bestreiten des baulichen Zustandes des Wohnhauses in der Berufungsinstanz neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Zu Unrecht macht der Kläger geltend, dass dem Sachverständigen S4 die zur Beurteilung der fehlenden Steifigkeit des Gebäudes erforderliche Sachkunde fehle. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Sachverständiger für Tiefbau (Straßenbau, Erdbau, Wasserbau, Kanalisation, Kulturtechnik) wie der Sachverständige S4 nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, um auf der Grundlage der im Gutachten S1 festgestellten Tatsachen eine besondere Setzungsempfindlichkeit des Gebäudes festzustellen. Im Übrigen ergibt sich die Mitverursachung des Schadens am Wohnhaus bereits aus dem Gutachten S1, gegen dessen Richtigkeit der Kläger im ersten Rechtszug nichts eingewandt hat.
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, dass das Fehlen der Ringanker und die Ausführung der Streifenfundamente mit unvermörtelten Bruchsteinen dem bei der Errichtung des Gebäudes im Jahre 1947 geltenden Stand der Technik entspreche. Das erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegte Baugesuch vom 30.10.1946 (Blatt 728 der Akten), der Bauschein vom 1.04.1947 (Blatt 729 der Akten) und der Rohbauabnahmeschein vom 12.02.1948 (Blatt 731 der Akten) sind keine geeigneten Indizien für die Einhaltung der seinerzeit geltenden Regeln der Technik. Auch die Baupolizeiverordnung für den Regierungsbezirk Wiesbaden vom 15.08.1932 (Blatt 741 der Akten) rechtfertigt keine Zweifel an der Feststellung des Dipl.-Ing. S1, soweit er die Bauausführung als nicht den damaligen Regeln der Technik entsprechend beurteilte. Die Baupolizeiverordnung regelte lediglich - vergleichbar mit der Hessischen Bauordnung - allgemeine Anforderungen an die Ausführung eines Bauwerkes, nicht aber im Einzelnen die allgemein anerkannten Regeln der Technik, die sich nach der technischen Entwicklung im Laufe der Zeit ändern und wandeln.
Nach Abwägung aller Umstände wäre es nicht zu rechtfertigen, dass der Beklagte zu 2) dem Kläger ohne Verschulden Ersatz zu leisten hat, dessen eigener - ebenfalls unverschuldeter - Beitrag zu dem schädigenden Ereignis aber unberücksichtigt bliebe. Daher ist der Schadensausgleich dem Grunde nach auf 50 % beschränkt.
7. Danach errechnet sich der dem Kläger auszugleichende Schaden wie folgt:
Ausgangspunkt ist der Verkehrswert des Grundstücks vor Schadenseintritt von 320.000 DM. Nach dem Schaden verbleibt dem Kläger allein der Bodenwert von 163.645 DM. Der im Verkehrswertgutachten für die Außenanlagen angesetzte Betrag von pauschal 7.000 DM fällt ebenso wie der Gebäudewert weg, weil der Wert der Außenanlagen durch die befestigten und angelegten Flächen, Ver- und Entsorgungsleitungen auf dem Grundstück sowie Einfriedigungen bestimmt wurden. Der Wert der Außenanlage geht somit wegen der Erforderlichkeit des Abrisses des Gebäudes gegen null. Somit beträgt der am Grundstück eingetretene Schaden 156.355 DM, das sind 79.943,04 €. Hinzu treten die Kosten für den erforderlichen Abriss des Gebäudes, die sich nach der Kostenschätzung des Sachverständigen S5 (Blatt 451 der Akten) auf 8.187,50 € belaufen. Danach ergeben sich insgesamt 88.130,54 €. Hiervon konnte der Kläger 50%, das sind 44.065,27 €, beanspruchen. Dieser Anspruch ist durch die empfangene Zahlung von 100.000 DM erloschen.
8. Die Klage ist auch wegen der vom Kläger geltend gemachten Sachverständigenkosten aus der Hinzuziehung des Sachverständigen Dr. S3 unbegründet. Die geltend gemachten Forderungen aus den Rechnungen ergeben insgesamt 6.615 DM (3.382,20 €). Auch wenn der Kläger Ausgleich dieser Kosten in vollem Umfang beanspruchen könnte, wäre eine entsprechende Forderung durch die bereits empfangene Zahlung erloschen.
9. Der Feststellungsausspruch des Landgerichts wegen der zukünftig entstehenden weiteren Schäden ist nicht zu beanstanden. Jedoch ist wegen der am Wohnhaus eingetretenen Schäden die Mitverursachung des Klägers zu berücksichtigen. Hiermit zusammenhängende weitere Schäden erscheinen durchaus möglich, z. B. für Umzugskosten.
10. Die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger für den entstandenen und den noch entstehenden Schaden in gleichem Umfang wie der Beklagte zu 2).
Ein verschuldensabhängiger Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) kommt nicht in Betracht. Die Kanalbaumaßnahme wurde allein aufgrund eines Auftrages des Beklagten zu 2), nicht aber auch der Beklagten zu 1) ausgeführt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Bauüberwachung der Beklagten zu 1) oblag oder von ihr tatsächlich wahrgenommen wurde. Der Umstand, dass der für die Bauüberwachung zuständige Mitarbeiter des Beklagten zu 2) zugleich auch Mitarbeiter des Tiefbauamtes der Beklagten zu 1) war, begründet noch nicht seine Stellung als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 1) (§ 831 BGB). Im Übrigen würde eine verschuldensabhängige Haftung der Beklagten zu 1) aus den gleichen Gründen wie sie gegenüber dem Beklagten zu 2) gelten ausscheiden.
Die Beklagte zu 1) haftet dem Kläger jedoch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, weil sie Eigentümerin des Straßengrundstücks ist, in welchem die Kanalbaumaßnahme ausgeführt wurde. Die Eintrittspflicht der Beklagten zu 1) besteht unabhängig davon, ob sie die Ausführung der Vertiefungsarbeiten konkret in Auftrag gegeben hat oder nicht. Als Eigentümerin des Straßengrundstückes hatte sie die Möglichkeit, auf Art und Umfang der durchgeführten Bauarbeiten Einfluss zu nehmen. Entsprechend den zur mittelbaren Störerhaftung entwickelten Grundsätzen rechtfertigt sich deshalb eine an die Stelle der nicht durchsetzbaren Abwehrbefugnisse tretende Ausgleichspflicht analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (BGHZ 147, 45, 52 m. w. N.). Dagegen wendet sich die Beklagte zu 1) auch nicht.
Für den Haftungsumfang gelten die den Beklagten zu 2) betreffenden Gründe entsprechend.
Daraus folgt zugleich, dass die Berufung des Klägers nicht begründet ist.
Da der Erfolg des Klägers verhältnismäßig gering ist und keine besonderen Kosten verursacht hat, hat er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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