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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.03.2004
Aktenzeichen: 1 U 275/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91
Beantragt der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten die Zurückweisung der Berufung, bevor die Berufung begründet worden ist, so ist dem Berufungsbeklagten nach der Zurücknahme des unbegründet gebliebenen Rechtsmittels nur die halbe Prozessgebühr zu erstatten.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 275/03

Verkündet am 22.03.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09. Februar 2004 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29.07.2003 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die im Tatbestand genannte Kündigung des Treuhandverhältnisses und der eigentlichen Beteiligung erklärte der Kläger mit Schreiben vom 07.01.2002 auch gegenüber den Beklagten zu 2. bis 5. sowie gegenüber der A, B & C GmbH (Anlagen A 8 bis 12).

Das Landgericht hat die Klage durch am 29.07.2003 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 214-227 d.A.). Gegen das ihm am 31.07.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.08.2003 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 30.10.2003 am 29.09.2003 auf die Beklagten zu 1. bis 4. beschränkt und begründet.

Mit seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seine Darlegung, dass die Beklagten zu 1. bis 4. zum Schadensersatz verpflichtet seien, weil der Prospekt nicht hinreichend über das Risiko aufkläre, dass bei einer nicht ausreichenden Rendite der Wertpapieranlagen etwaige Mietüberschüsse nicht ausgeschüttet werden. Zu Unrecht verlange das Landgericht von dem Anleger, den Kontext aller Angaben im Prospekt zu interpretieren und nicht ausdrücklich mitgeteilte Risiken zu erkennen. Soweit das Landgericht das Urteil auf nicht mit den Parteien erörterte Prospektstellen gestützt habe, liege ein Verstoß gegen § 139 ZPO vor. Das Landgericht habe ferner übersehen, dass die Klage gegen die Beklagte zu 4. auch auf die Kündigung der Beteiligung gestützt worden sei. Die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses sei gerechtfertigt, weil der Kläger durch arglistige Täuschung zum Beitritt veranlasst worden sei. Da der Kläger als Treugeber wirtschaftlicher Vertragspartner der Beklagten zu 4. sei, sei er dieser gegenüber auch zur Kündigung der Beteiligung berechtigt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu 1. bis 4. zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 53.685,65 € nebst 4% Zinsen seit dem 09.03.1999 aus 26.842,83 € und seit dem 08.04.1999 aus weiteren 26.842,82 € zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung des Klägers hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 1. keine Schadensersatzansprüche wegen seiner Beteiligung als Anleger zu.

a. Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. aus typisierter Prospekthaftung scheitert daran, dass die Beklagte zu 1. nicht zu dem Personenkreis gehört, der für unrichtige oder unvollständige Prospektangaben verantwortlich ist.

Ihre Stellung als Treuhandkommanditistin ergibt nicht, dass sie zu den Initiatoren, Gründern und Gestaltern der Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen, gehört, oder besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausübt (BGHZ 115, 213, 218; NJW 2001, 436, 437). Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1. aufgrund ihrer besonderen beruflichen und wirtschaftlichen Stellung oder aufgrund ihrer Fachkunde eine Garantenstellung einnimmt und durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes

Mitwirken am Emissionsprospekt einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BGH NJW 1995, 1025 m.w.N.). An der Konzeption des Projekts war sie nicht beteiligt. Auch eine gewichtige Einflussnahme auf den Inhalt des Prospekts ist nicht dargetan. Ihre namentliche Nennung im Prospekt als Treuhänder kann eine Prospektverantwortlichkeit nicht begründen. Damit hat die Beklagte zu 1. weder vertrauensbegründende Erklärungen bezüglich des Prospekts abgegeben noch ist hier durch eine Mitwirkung an der Prospektgestaltung nach außen hervorgetreten (BGH NJW 1995, 1025; Frisch, Haftung bei Immobilienanlagen, Rn. 471 m. w. N.).

b. Allerdings kommt grundsätzlich eine Haftung der Beklagten zu 1. wegen persönlich in Anspruch genommenen Vertrauens in Betracht.

Die Beklagte zu 1., die dem Immobilienfonds - der Beklagten zu 4. - auch selbst als Gesellschafterin beigetreten ist, ist Treuhandkommanditistin und somit direkte Vertragspartnerin der Anleger des Fonds. Sie ist den Anlegern des Fonds nach den Grundsätzen vorvertraglicher Haftung schadensersatzpflichtig, wenn und soweit sie ihrer Verpflichtung zur Aufklärung der Anleger als ihren künftigen Vertragspartnern über alle für einen Beitritt wesentlichen Punkte, insbesondere auch die negativen Umstände der Anlage, schuldhaft nicht genügte (BGH ZIP 2003, 1536, 1537; NJW 2002, 1711; 1995, 130).

Ein derartiger Anspruch nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verjährt nach der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des BGB, welche hier nach Art. 229 § 6 EGBGB Anwendung findet, erst nach 30 Jahren (BGH a.a.O.).

Die schuldhafte Verletzung einer Aufklärungspflicht der Beklagten zu 1. ist jedoch nicht dargetan. Der Grund dafür, dass es im Jahre 2001 nicht zu einer Barausschüttung an die Anleger kam, lag in der ausbleibenden Wertsteigerung des Wertpapierdepots der Beklagten zu 4. Die Darlehensverträge mit den kreditgebenden Banken setzten eine Wertsteigerung des Wertpapierdepots von mindestens 6% p.a. voraus und verpflichteten die Beklagte bei Unterschreitung des unterstellten Wertzuwaches zu einem Nachschuss in entsprechender Höhe. Danach konnte Gegenstand der vom Kläger geltend gemachten Aufklärungspflicht der Beklagten zu 1. allein das hier Wirklichkeit gewordene Risiko sein, dass bei Ausbleiben der erforderlichen Wertsteigerung des Wertpapierdepots die als Sicherheit zu Gunsten der kreditgebenden Banken vereinbarte Nachschusspflicht die in Aussicht gestellte Barausschüttung an die Anleger von 6% p.a. gefährdete. Auf dieses konkrete Risiko weist der Prospekt nicht hin. Dieser beschränkt sich vielmehr auf die Nennung eher allgemeiner Risiken wie die Abhängigkeit der zukünftigen Ertragslage des Immobilienfonds von den zukünftigen wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, von Veränderungen der Markt- und Wettbewerbssituation und das Risiko, dass die geplanten Resultate der Bewirtschaftung, die in der Prognoserechnung angenommen worden sind, tatsächlich nicht erreicht werden. Allein im Zusammenhang mit dem zuletzt genannten Risiko weist der Prospekt darauf hin, dass "im Extremfall Ausschüttungen nicht oder nicht plangemäß erfolgen". Im Zusammenhang mit der Finanzierung findet sich lediglich der Hinweis, dass der bei Ablauf der Zinsfestschreibungsdauer eingesetzte effektive Zinssatz je nach dem gegebenen Kapitalmarktniveau zu diesem Zeitpunkt über- oder unterschritten werden kann und dies zu erheblichen Kürzungen der Ausschüttungen führen kann. Hingegen fehlt der Hinweis, dass die kreditgebenden Banken bei unzureichender Wertsteigerung des Wertpapierdepots entsprechende Nachschusszahlungen verlangen, so dass für diesen Fall selbst bei Erwirtschaftung der prognostizierten Mieterträge fraglich war, ob eine Barausschüttung von 6% p.a. auf die übernommene Einlage gezahlt werden kann. Dieses Risiko ergibt sich nicht aus dem Prospekt, sondern aus den Kreditverträgen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Beklagten zu 1. die Kreditverträge bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Danach ist eine schuldhafte Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten zu 1. zu verneinen.

c. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist gegen die Beklagte zu 1. schließlich auch nicht wegen der Kündigung des Treuhandvertrages begründet. Die Kündigung, zu der der Kläger nach § 16 Nr. 5 des Treuhandvertrages jederzeit berechtigt war, begründet nach § 17 Nr. 2 vielmehr einen Anspruch auf Übertragung des von der Beklagten zu 1. treuhänderisch gehaltenen Kommanditanteils auf sich.

2. Unbegründet ist auch die Berufung hinsichtlich der Klageabweisung gegen die Beklagten zu 2. und 3. Der in diesem Zusammenhang allein in Betracht kommende Anspruch aus typisierter Prospekthaftung scheitert daran, dass die Beklagten zu 2. und 3. nicht zu dem Personenkreis gehören, der für den Prospektinhalt haftet. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die bloße Nennung der Beklagten zu 2. und 3. als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 1. im Prospekt genügt nicht.

3. Unbegründet ist die Berufung schließlich auch insoweit, als sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 4. wendet.

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 4. aus dem Gesichtspunkt typisierter Prospekthaftung oder aus Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens scheidet aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung aus (Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., Anhang § 177 a Rn. 64).

Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 4. auch kein Zahlungsanspruch wegen der Kündigung der Beteiligung gemäß Schreiben vom 07.01.2002 zu. Die Kündigungserklärung ist wirkungslos, weil zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 4. kein gesellschaftsrechtliches Verhältnis besteht. Vielmehr ist der Kläger an der Beklagten zu 4. nur indirekt über die Beklagte zu 1. als Treuhänderin beteiligt. Nur die Beklagte zu 1., nicht aber der Kläger, ist Kommanditist der Beklagten zu 4. Der Umstand, dass der Kläger einzelne Verwaltungsrechte wahrnehmen kann (Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung, Ausübung des Stimmrechts), ändert daran nichts (vgl. Lüdicke/Arndt/Götz, Geschlossene Fonds, 2. Aufl., S. 16).

Die vom Kläger zum Beleg für seine Auffassung, dass er zur Kündigung seiner Beteiligung gegenüber der Beklagten zu 4. berechtigt sei, in Bezug genommene Entscheidung BGH NJW 2001, 2718 ist nicht einschlägig. Es ist schon zweifelhaft, ob der Kläger als wirtschaftlicher Vertragspartner der Beklagten zu 4. angesehen werden kann. Anders als nach dem Sachverhalt der Entscheidung BGH NJW 2001, 2718 erbrachte der Kläger die ihm nach dem Treuhandvertrag obliegenden Leistungen nicht an die Fondsgesellschaft, sondern an die Beklagte zu 1. als Treuhänderin. Es ist nicht ersichtlich, dass die Fondsgesellschaft ihrerseits die sich aus dem Gesellschaftsverhältnis ergebenden Leistungen unmittelbar gegenüber den Anlegern und nicht der Beklagten zu 1. als Treuhänderin erbringt und dass sie sich selbst als maßgeblicher Partner der Anleger sah. Vor allem aber ist die Entscheidung BGH NJW 2001, 2718 dem hier zu Grunde liegenden Fall deshalb nicht vergleichbar, weil der Bundesgerichtshof über die Geltendmachung des Widerrufsrechts nach § 3 Abs. 1 HWiG zu entscheiden hatte. Dieses Recht ist von der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Treugebers nicht abhängig. Hier hingegen geht es mit der Ausübung des Kündigungsrechts um ein höchst persönliches Mitgliedschaftsrecht, welches nur im Rahmen eines auch rechtlich bestehenden Gesellschaftsverhältnisses von einem Gesellschafter ausgeübt werden kann.

Selbst wenn man dem Kläger das Recht einräumen wollte, wegen unvollständiger Aufklärung des Verkaufsprospekts über die Risiken der Anlage gegenüber dem Beklagten zu 4. die Kündigung seiner Beteiligung aus wichtigem Grund zu erklären, würde ihm derzeit kein fälliger Zahlungsanspruch zustehen. In diesem Falle könnte der Kläger nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages (S. 29 des Prospekts) eine Abfindung in Höhe des wirklichen Wertes seiner Beteiligung verlangen. Zu diesem Zwecke müsste eine Auseinandersetzungsbilanz aufgestellt werden. Ein evtl. positiver Saldo zu Gunsten des Klägers würde innerhalb von 4 Monaten seit Feststellung fällig.

Danach hat die Berufung des Klägers insgesamt keinen Erfolg.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich gegenüber den Beklagten zu 1. bis 4. aus der Erfolglosigkeit des Rechtsmittels (§ 97 Abs. 1 ZPO), gegenüber dem Beklagten zu 5. aus der Zurücknahme des Rechtsmittels (§ 516 Abs. 3 ZPO). Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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