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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 07.11.2002
Aktenzeichen: 1 U 34/01
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 839
BGB § 254
BauGB § 34
Eine rechtswidrige und auf Nachbarwiderspruch aufhebbare Baugenehmigung begründet in aller Regel einen Amtshaftungsanspruch des Bauherrn.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 34/01

Verkündet am 7.11.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter.... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.9.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.1.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger wird dieses Urteil teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die AG zu zahlen

a) 25.426,01 EUR zuzüglich 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 29.7.1999,

b) weitere 27.192,16 EUR zuzüglich 6,5 % Zinsen hieraus seit dem 7.7.2000.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern zu ersetzen

a) 75 % des weiteren Schadens, der den Klägern daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Baugenehmigung vom 11.12.1996 rechtswidrig und nicht ausführbar war,

b) 75 % des weiteren Schadens, der den Klägern zusätzlich daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass auch die Nachtrags-Baugenehmigung vom 12.11.1998 rechtswidrig und nicht ausführbar war,

c) den gesamten weiteren Schaden, der den Klägern daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte sie über den Eingang des Nachbarwiderspruchs der Eheleute E. vom 20.2.1997 nicht vor dem 7.3.1997 unterrichtete.

Die Feststellung erfolgt mit der Maßgabe, dass an die Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG zu zahlen ist.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger 14 %, die Beklagte 86 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

6. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Erteilung von Baugenehmigungen in Anspruch.

Die Kläger sind als Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundene Architekten. Ausweislich des schriftlichen Gesellschaftsvertrages vom 10.4.1994 (Bl. 159 d. A.) haften sie für fehlerhafte Architektenleistungen gegenüber der Gesellschaft und einander nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Nach Gesprächen mit Mitarbeitern der Beklagten über Bebauungsmöglichkeiten kauften sie mit Vertrag vom 21.4.1994 das Grundstück , Hanau-Kesselstadt. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahmen sie bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank ein Darlehen über 375.000 DM auf. Der Kläger zu 2. übernahm die zeichnerische Darstellung des von beiden Klägern gemeinsam konzipierten Bauvorhabens und die Erstellung des Bauantrages. Diesen genehmigte die Beklagte mit Bescheid vom 11.12.1996. Gegen diese Baugenehmigung legten die Nachbarn E. der Kläger am 20.2.1997 Widerspruch ein. Zur Finanzierung der Baukosten schlössen die Kläger am 7.3.1997 einen weiteren Darlehensvertrag mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank über 570.000 DM; dieses Darlehen wurde nur in Höhe von 194.500 DM ausgezahlt. Am 2.4.1997 stellten die Eheleute E. beim Verwaltungsgericht Frankfurt/Main einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Von diesem Antrag erfuhr die Beklagte am 7.4.1997. Mit am 14.4.1997 eingegangenem Schreiben vom 7.4.1997 zeigten die Kläger der Beklagten einen am 16.4.1997 beabsichtigten Baubeginn an. Tatsächlich begannen die Kläger am 17.4.1997 mit den Bauarbeiten. Mit am 5.5.1997 zugegangenem Schreiben vom 29.4.1997 unterrichtete die Beklagte die Kläger über die eingegangenen Nachbarwidersprüche und gerichtlichen Eilanträge. Die Kläger stellten ihre Bautätigkeit bis auf Sicherungsmaßnahmen ein. Die Eilanträge der Eheleute E. hatten weitgehend Erfolg. Die Beklagte untersagte den Klägern deshalb mit Verfügung vom 23.6.1997 die Fortführung der Bauarbeiten. Auch eine den Klägern unter dem 12.11.1998 erteilte Nachtragsbaugenehmigung hielt einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung im Eilverfahren nicht stand. Die Kläger begehren von der Beklagten nunmehr als Schaden ihren Finanzierungsaufwand aus der Zeit vom 26.3.1997 (Tag des von der Beklagten verhängten Baustopps) bis zum 14.3.2000. Sie haben ihre Schadensersatzansprüche zunächst teilweise, dann insgesamt an die Bayerische Hypo- und Vereinsbank abgetreten. Ihr Bauvorhaben wurde in der Folgezeit nicht mehr genehmigt; sie verkauften das Grundstück.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die AG 57.205,42 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 29.7.1999 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die AG weitere 60.083,97 DM nebst 6,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern allen weiteren Schaden zu ersetzen, der diesen daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass

a) die Baugenehmigung vom 11.12.1996 rechtswidrig war und sich als nicht ausführbar erwiesen hat,

b) die Nachtragsbaugenehmigung vom 12.11.1998 rechtswidrig war und sich als nicht ausführbar erwiesen hat,

c) die Beklagte die Kläger über den Eingang des Nachbarwiderspruchs der Eheleute E.t vom 20.2.1997 nicht vor dem 7.3.1997 informiert hat.

Soweit die Kläger ihre Schadensersatzansprüche an die abgetreten haben, möge die Feststellung mit der Maßgabe erfolgen, dass der den Klägern entstandene und noch entstehende Schaden der zu ersetzen ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf das landgerichtliche Urteil Bezug.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 28.602,71 DM und von 30.041,98 DM jeweils zzgl. 6,5 % Zinsen verurteilt sowie festgestellt, dass die Beklagte den Klägern 50 % des Schadens zu ersetzen hat, der diesen daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Baugenehmigung vom 11.12.1996 rechtswidrig und nicht ausführbar war.

Dagegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen, die Kläger mit dem Ziel weiter gehenden Schadensersatzes, die Beklagte mit dem Ziel vollständiger Klageabweisung. Die Parteien wiederholen ihren Vortrag und ergänzen diesen insbesondere zur Vorgeschichte der Baugenehmigung vom 11.12.1996.

Die Kläger behaupten, sie hätten ihre Planung von vornherein ständig mit der Beklagten, und zwar mit dem Planungsamt, dem Bauaufsichtsamt und dem seinerzeitigen Stadtbaurat abgestimmt. Anlässlich eines Ortstermins am 27.10.1995 unter Beteiligung des Planungsamtsleiters W., des Bauaufsichtsamtsleiters G., des im Bauaufsichtsamt zuständigen Sachbearbeiters M. und des Stadtbaurats P. habe letzterer mit Zustimmung aller Anwesenden Vorgaben gemacht, an die sich der der Baugenehmigung vom 11.12.1996 zugrunde liegende Bauantrag der Kläger gehalten habe. Von danach noch erhobenen grundsätzlichen Einwänden etwa des Planungsamtes hätten die Kläger nichts erfahren. Das Unterliegen in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren beruhe vor allem darauf, dass das Nachbarhaus 52 nur 9,72 m, nicht - wie aufgrund der Baugenehmigungsunterlagen vom Sachbearbeiter M. der Beklagten den Klägern unstreitig unzutreffend mitgeteilt- 10,20 m hoch sei.

Die Kläger beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, das landgerichtliche Urteil teilweise abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die AG 49.728,96 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 29.7.1999 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die AG weitere 53.183,24 DM nebst 6,5 % Zinsen seit dem 7.7.2000 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern 75 % des weiteren Schadens zu ersetzen, der diesen daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Baugenehmigung vom 11.12.1996 rechtswidrig war und sich als nicht ausführbar erwiesen hat.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern 75 % des weiteren Schadens zu ersetzen, der diesen zusätzlich daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass auch die Nachtragsbaugenehmigung vom 12.11.1998 rechtswidrig war und sich als nicht ausführbar erwiesen hat.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den gesamten weiteren Schaden zu ersetzen, der diesen daraus entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte die Kläger über den Eingang des Nachbarwiderspruchs der Eheleute E.t vom 20.2.1997 nicht vor dem 7.3.1997 informiert hat.

Die Feststellungen erfolgen mit der Maßgabe, dass Zahlung an AG zu leisten ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Sie leugnet den Abstimmungsprozess nicht, wohl aber die von den Klägern behaupteten Vorgaben und Zusagen ihres seinerzeitigen Stadtbaurats. Ihr Planungsamt habe dem Bauvorhaben in verschiedenen an das Bauaufsichtsamt gerichteten Schreiben widersprochen, insbesondere die Genehmigungsfähigkeit nach § 34 BauGB verneint. Das habe ihr Sachbearbeiter M. den Klägern auch sinngemäß mitgeteilt. Außerdem hätten die Nachbarn S. der Kläger diesen bereits am 25.11.1995 und "offensichtlich" am 15.4.1997 Widerstand gegen ein überdimensioniertes Haus angekündigt. Die Baugenehmigung hätten die Kläger nur auf politischen Wegen erreicht. Die Bauanträge seien auch deshalb nicht genehmigungsfähig gewesen, weil das Gelände um 33 cm abfalle, woraus sich ergebe, dass das Kellergeschoss als Vollgeschoss zu qualifizieren sei; die Kläger hätten das Gelände irreführenderweise als eben gezeichnet, was sich erst kürzlich herausgestellt habe.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist begründet, die der Beklagten unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig.

1. Die Kläger sind ungeachtet dessen zur Prozessführung befugt, dass sie nunmehr sämtliche streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche an die sicherungshalber abgetreten haben. Diese hat sie zur Prozessführung ermächtigt. Das berechtigte Eigeninteresse der Kläger an der Prozessführung ist nicht ernstlich zweifelhaft, weil die Ansprüche sicherungshalber abgetreten sind (vgl. BGHZ 128, 371, 379; BGHZ 117, 159, 161; BGH NJW 1981, 678 f. [unter II 3 der Entscheidungsgründe]; BGHZ 32, 67, 71).

2. Die Feststellungsklage ist nicht wegen des Vorrangs der Leistungsklage unzulässig. Jedenfalls bei Klageerhebung war die Schadensentwicklung nicht abgeschlossen. Eine ursprünglich zulässig gewesene Feststellungsklage wird nicht dadurch unzulässig, dass - wie möglicherweise hier infolge des Verkaufs des Grundstücks - im Laufe des Verfahrens eine Bezifferung möglich wird.

II. Die Zahlungsklage ist unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG) begründet.

1. Die Bediensteten der Beklagten verletzten durch die Erteilung der Baugenehmigungen vom 11.12.1996 und vom 12.11.1998 fahrlässig Amtspflichten, die ihnen auch gegenüber den Klägern als Bauherren oblagen.

a) Beide Baugenehmigungen waren rechtswidrig und anfechtbar, weil sie die Nachbarn der Kläger in ihren Rechten verletzten. Sie verstießen gegen § 34 BauGB, denn das Bauvorhaben der Kläger fügte sich in beiden genehmigten Varianten wegen seiner Höhe und seiner im Vergleich mit der Nachbarbebauung rund doppelten Geschossflächenzahl nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Beklagte hat den ihr durch die Vorschrift eingeräumten Beurteilungsspielraum durch beide Genehmigungen überschritten. Sie stellt dies im vorliegenden Verfahren selbst nicht mehr in Abrede, ebenso wenig , dass ihre Bediensteten insoweit ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Ihren sogar auf eine vorsätzliche Pflichtverletzung hindeutenden, von den Klägern bestrittenen Einwand, jene hätten sich die Baugenehmigungen "auf politischem Wege" besorgt, hat die Beklagte nicht weiter verfolgt.

b) Die Bauaufsichtsbehörde ist auch gegenüber dem Bauherrn rechtlich verpflichtet, ihm keine rechtswidrige Baugenehmigung zu erteilen (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. z. B. BGHZ 149, 50 ff. [unter 1 der Entscheidungsgründe]; BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Baugenehmigung 15; BGH NJW 1985, 1692 f.; BGHZ 60, 112 ff., 115 ff.). Geschützt wird das durch die Baugenehmigung geweckte Vertrauen des Bauherrn darauf, dass seinem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Dem entsprechend kann eine rechtswidrige Baugenehmigung dann von vornherein - und nicht erst nach § 254 BGB - keine Amtshaftungsansprüche des Bauherrn auslösen, wenn sie aus besonderen Gründen ein solches Vertrauen ausnahmsweise nicht rechtfertigt (vgl. BGHZ 149, 50 ff. [unter 3 a der Entscheidungsgründe]; BGH NJW 1994, 2087 ff. [unter II 1 d der Entscheidungsgründe]), etwa weil die Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 3 VwVfG vorliegen (vgl. BGHZ 149, 50 ff. [unter 3 a der Entscheidungsgründe], weil ein aussichtsreicher Nachbarwiderspruch eingelegt ist, von dem der Bauherr bei Beginn oder Fortsetzung der Bauarbeiten weiß (vgl. BGHZ 149, 50 ff. [unter 3 c der Entscheidungsgründe], oder weil die Baugenehmigung in sich widersprüchlich ist (vgl. - zu § 254 BGB - BGH NJW 1985, 1692 f. [unter II 2 b, 3 a der Entscheidungsgründe]).

Solche ganz besonderen Umstände fehlen im Streitfall. Auch die Beklagte behautet nicht, die Kläger hätten bei Aufnahme des Baudarlehens und bei Baubeginn Kenntnis von eingelegten Widersprüchen gehabt, sondern lediglich, die Nachbarn S. hätten angekündigt, sie würden kein überdimensioniertes Bauvorhaben dulden. Eine derartige Ankündigung war nicht geeignet, der Baugenehmigung die Eignung als Vertrauensgrundlage völlig zu entziehen. Ein Amtshaftungsanspruch ist auch nicht allein wegen unterbliebener Abstimmung mit den Nachbarn ausgeschlossen. In seinem von den Beklagten zur Begründung ihrer gegenteiligen Rechtsansicht herangezogenen Beschluss vom 22.2.1989 (III ZR 41/87, in juris dokumentiert, Kurzwiedergabe in VersR 1989, 594) hat der BGH im Rahmen der Prüfung des § 254 BGB die Alleinverantwortung des Bauherrn nicht nur auf die fehlende Abstimmung mit den Nachbarn, sondern auch auf die Evidenz des Fehlers und die ganz besondere Sachkunde des Bauherrn, der stellvertretender Bauaufsichtsamtsleiter war, gestützt. Damit ist der Streitfall nicht zu vergleichen. Die Anfechtbarkeit der Baugenehmigungen war nicht offensichtlich. Die Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zum streitgegenständlichen Bauvorhaben (Bl. 56 ff., 196 ff. d. A.) weisen eindrucksvoll aus, dass insbesondere die Frage, ob die Nachbarn der Kläger durch die Baugenehmigungen eine Rechtsverletzung erlitten hatten, nicht einfach zu beantworten war.

2. Die Bediensteten der Beklagten verletzten weiter fahrlässig ihre gegenüber den Klägern bestehenden Amtspflichten, indem sie die Kläger nicht bis zum 7.3.1997 - dem Tag, an dem sie das Baudarlehen aufnahmen - über den Eingang des Widerspruchs der Eheleute E. unterrichteten.

a) Die Baugenehmigung soll dem Bauherrn Investitionssicherheit in dem oben unter II 1 b ausgeführten Sinne geben. Diese Funktion kann sie nicht oder doch nur höchst eingeschränkt erfüllen, wenn sie rechtzeitig angefochten ist.

Der Bauherr läuft dann Gefahr, Mittel in die Verwirklichung seines Bauvorhabens zu investieren, die sich im Falle einer Aufhebung der Genehmigung als sinnlos erweisen. Zur Unterrichtung über diese Gefahr ist er auf die Behörde angewiesen, an die der Widerspruch zu richten ist (§ 70 VwGO). Dieses Bedürfnis des Bauherrn ist für die Genehmigungsbehörde offenkundig. Seine Befriedigung erfordert keinen erheblichen Aufwand, weil formale Anforderungen an die Unterrichtung nicht zu stellen sind; auch ein Telefonanruf reicht aus. All dies muss erst recht gelten, wenn der Bauherr - wie dies im Streitfall dem Grunde nach unstreitig geschehen ist - sein Vorhaben vor Erteilung der Baugenehmigung ausführlich mit der Genehmigungsbehörde abgestimmt hat.

Er kann gerade dann erwarten, dass ihn die Behörde nicht sehenden Auges in ein hinsichtlich seiner Verwirklichung zweifelhaftes Bauvorhaben investieren lässt.

b) Die Behörde ist zur unverzüglichen Unterrichtung des Bauherrn über eingegangene Nachbarwidersprüche verpflichtet. Der Streitfall erfordert keine allgemeine Entscheidung der Frage, wie lange sich die Genehmigungsbehörde für eine solche Mitteilung Zeit lassen darf. Ebenso wenig ist klärungsbedürftig, ob der Widerspruch der Eheleute E. am 20.2.1997 - wie das Landgericht dies in Übereinstimmung mit dem Klagevortrag festgestellt hat - oder am 24.2.1997 - wie dies die Beklagte behauptet - bei dieser eingegangen ist.

Selbst wenn letzteres zuträfe, hätten der Beklagten zur Unterrichtung der Kläger noch 10 Tage zur Verfügung gestanden. Diese Zeit hätte sie jedenfalls nutzen müssen. Der Ansicht des Landgerichts, eine Unterrichtung binnen zwei Wochen sei entsprechend den Grundsätzen zur Unverzüglichkeit einer Anfechtung noch ausreichend, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Baugenehmigungsbehörde hat - anders als ein zur Anfechtung einer Willenserklärung Berechtigter - keine rechtlichen Überlegungen anzustellen, sondern schlicht eine Tatsache formlos mitzuteilen.

c) Angesichts dessen kann offen bleiben, ob eine weitere Amtspflichtverletzung der Bediensteten der Beklagten darin zu sehen ist, dass sie die Baugenehmigung den Nachbarn der Kläger nicht mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt und jenen dadurch eine Anfechtung zu diesem späten Zeitpunkt erst ermöglicht hat.

d) Der Zurechnungszusammenhang zwischen der verspäteten Unterrichtung über den Widerspruch der Eheleute E. und dem Schaden der Kläger entfällt nicht durch die angebliche Ankündigung der Nachbarn S. vom 15.4.1997 gegenüber den Klägern, sie würden ebenfalls Widerspruch einlegen. Abgesehen von der Substanzlosigkeit des Beklagtenvortrags zu dieser Ankündigung war auch der Vertrag über das Baudarlehen zu diesem Zeitpunkt längst geschlossen. Außerdem ließe die Kenntnis der Kläger von einer Ankündigung noch nicht ohne weiteres darauf schließen, dass die Kläger auch in Kenntnis eines tatsächlich eingelegten Nachbarwiderspruchs weiter gebaut hätten.

3. Der nach dem Schutzzweck der verletzten Amtspflichten zu ersetzende Schaden der Kläger besteht in deren Finanzierungsmehraufwand durch die Verlängerung des Zeitraums zwischen dem Finanzierungsbeginn und der Veräußerung bzw. Vermietung, hier die Zeit vom 23.6.1997, dem Tag des von der Beklagten verhängten Baustopps, bis zum 14.3.2000, dem von den Klägern trotz weiterhin fehlender Baugenehmigung gewählten Endzeitpunkt.

a) Der Grundansatz der Schadensberechnung, die während des Verzögerungszeitraums angefallenen Darlehenszinsen als ersatzfähig anzusehen, entspricht der Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Verzugsschadens bei verspäteter Herstellung von Miethäusern (vgl. BGHZ 121, 210 ff.; BGH NJW-RR 1990, 980 f.; für den Fall einer verspäteten Baugenehmigung BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Baugenehmigung 6). Die Obergrenze des Mietertrages spielt im Streitfall unstreitig keine Rolle.

b) Hinsichtlich der Kosten aus dem ersten, zum Grundstückskauf aufgenommenen Darlehen scheitert die Ersatzfähigkeit nach der angeführten Rechtsprechung des BGH nicht daran, dass der Darlehensvertrag lange vor Erteilung der Baugenehmigung abgeschlossen worden ist. Schaden ist die Zinsbelastung aus dem Verzögerungszeitraum, den das Landgericht zutreffend mit den Klägern auf die Zeit vom 23.6.1997 bis zum 14.3.2000 bestimmt hat. Der Endzeitpunkt ist unproblematisch, weil der Hessische Verwaltungsgerichtshof erst am 6.3.2000, also 8 Tage vorher über die Nachtragsgenehmigung entschieden hatte; erst danach hatten die Kläger Anlass, einen neuen Bauantrag für ein kleineres Haus zu stellen. Auch der Anfangszeitpunkt 23.6.1997 begegnet entgegen der Rechtsansicht der Beklagten keinen durchgreifenden Bedenken. Der Anrechnung als von der Beklagten zu entschädigender Verzögerungszeit steht nicht entgegen, dass der Bauantrag der Kläger in Wahrheit nicht genehmigungsfähig war, denn schließlich hat ihn die Beklagte genehmigt. Die Ersatzpflicht wäre nur entfallen, wenn die Kläger auf die Verweigerung der Baugenehmigung nicht mit einem neuen, genehmigungsfähigen Bauantrag reagiert hätten. Für diesen hypothetischen Kausalverlauf, der sich als Einwand eines rechtmäßigen Alternativverhaltens darstellt, ist die Beklagte beweisfällig.

c) Nämliches gilt für den Einwand der Beklagten zum Baudarlehen, die Nachbarn S. der Kläger hätten Widerstand gegen deren Bauvorhaben angekündigt. Daraus wäre noch nicht zu schließen, dass die Kläger in Kenntnis des tatsächlich eingelegten Widerspruchs gebaut und das Baudarlehen aufgenommen hätten. Eine Vernehmung des von der Beklagten für die Ankündigung angebotenen Zeugen S. erübrigt sich deshalb auch unter diesem Aspekt.

d) Wegen der Höhe der im Verzögerungszeitraum angefallenen Finanzierungskosten nimmt der Senat auf die auch im Berufungsverfahren unstreitigen tatbestandlichen Feststellungen auf Seiten 5 bis 7 des landgerichtlichen Urteils, wegen der Berechnung der ausgeurteilten Beträge auf Seite 4 f. der klägerischen Berufungsbegründung vom 26.4.2001 (Bl. 326 f. d. A.) Bezug.

4. Der Schadensersatzanspruch der Kläger ist nicht nach § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf einen Vorrang der Haftung des Klägers zu 2. gegenüber der von beiden Klägern gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts.

a) Die unterbliebene Inanspruchnahme eines Dritten und die Konsequenzen vertraglicher Abmachungen mit solchen sind Fragen des § 839 Abs. 1 Satz 2, nicht Abs. 3 BGB (vgl. MünchKomm-Papier, BGB, 3. Aufl., § 839 Rn. 328).

Die Inanspruchnahme Dritter fällt nicht unter den Begriff "Rechtsmittel".

b) Die Gesellschaft hat gegen den Kläger zu 2. keine Schadensersatzansprüche wegen fehlerhafter Architektenleistungen für das streitgegenständliche Bauvorhaben. Aus dem vorgelegten Gesellschaftsvertrag zwischen den Klägern, hier der Vertragsklausel Nr. 3 ergibt sich eindeutig, dass die für dieses Projekt erforderlichen Architektenleistungen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erbracht werden sollten. Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt nicht zur Unmöglichkeit einer solchen Abrede. Die ebendort unter Nr. 4 vereinbarte, wirksame Haftungsbeschränkung muss die Beklagte hinnehmen, weil sie unstreitig nicht gerade zwecks ihrer Benachteiligung in den Vertrag aufgenommen worden ist (vgl. BGH NJW 1979, 1600 ff.; Münch-Komm-Papier, a. a. O., § 839 Rn. 314). Von einem groben Verschulden des Klägers zu 2. kann keine Rede sein.

c) Unentschieden kann deshalb bleiben, ob der Kläger zu 2. angesichts der unstreitigen Aufgabenverteilung zwischen beiden Klägern überhaupt als in Anspruch zu nehmender Dritter im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden könnte, und ob der Kläger zu 2. der Gesellschaft eine genehmigungsfähige Planung schuldete.

5. Soweit der Schaden der Kläger auf der Rechtswidrigkeit der ihnen erteilten Baugenehmigungen beruht, ist ihr Ersatzanspruch wegen Mitverschuldens um 1/4 gemindert (§ 254 BGB); soweit ihr Schaden auf der verspäteten Unterrichtung über den eingelegten Widerspruch der Nachbarn E. beruht, besteht ihr Ersatzanspruch in vollem Umfang.

a) Eine die Anwendung des § 278 BGB ermöglichende rechtliche Sonderverbindung zwischen den Parteien wurde schon durch die im Jahre 1994 vor dem Erwerb des Grundstücks aufgenommenen Abstimmungsgespräche begründet.

b) Dass der Architekt eine genehmigungsfähige Planung schuldet, und zwar auch im Anwendungsbereich des § 34 BauGB (vgl. BGH NJW-RR 1999, 1105 ff.), hat die Rechtsprechung bislang aus dem typischen Architektenvertrag abgeleitet, in dem der Architekt eine solche Verpflichtung übernehme (vgl. BGH BauR 1999, 934 ff.; BGH NJW-RR 1998, 952 ff.). Es erscheint zweifelhaft, ob diese Grundsätze ohne weiteres auf in gesellschaftlicher Verbundenheit letztlich für sich selbst arbeitende Architekten übertragbar sind.

Jedenfalls betreffen diese Grundsätze allein das Verhältnis zwischen dem Architekten und dem Bauherrn, nicht die Frage der Haftungsverteilung zwischen dem Bauherrn und der Bauaufsichtsbehörde. Insoweit ist weiter auf die gefestigte Rechtsprechung zurückzugreifen, die der Baubehörde die Hauptverantwortung für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung und die Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung zuweist und eine Mithaftung des durch einen Architekten betreuten Bauherrn nur in besonders eindeutigen, groben Fällen annimmt, wenn sich die Unzulässigkeit des zu genehmigenden Bauvorhabens aufdrängt (vgl. BGHZ 149, 50 ff. [unter 3 b, c der Entscheidungsgründe]; BGH NJW 1994, 2087 ff.; NVwZ 1992, 911 ff.; BGHR BGB § 254 Abs. 2 Baugenehmigung 1; BGH VersR 1989, 594; NJW 1985, 1692 f.; NJW 1980, 2576 f.; OLG Zweibrücken OLGR 1998, 238 ff.; OLG Frankfurt OLGR 1993, 2 ff.; allgemein zur Hauptverantwortung des Amtsträgers auch bei sachkundigem, z. B. rechtskundigem Bürger BGH VIZ 2001, 221 ff.).

c) Es kann offen bleiben, ob hier ein derart grober Fall im Sinne einer Offensichtlichkeit vorliegt. Eine rechtliche Fehleinschätzung der Kläger zur Anfechtbarkeit der Baugenehmigungen, insbesondere zur Verletzung der Nachbarn in ihren Rechten könnte auch unter Berücksichtigung der angeblichen Widerstandsankündigung des Nachbarn S. und früh geäußerter Bedenken des Stadtplanungsamtes jedenfalls keine Mithaftung der Kläger über 25 % hinaus rechtfertigen. Die in Einzelheiten streitige Vorgeschichte der ersten Baugenehmigung, insbesondere die angeblichen Ankündigungen S.s, das Ergebnis das Ortstermins vom 27.10.1995 und die Unterrichtung der Kläger über danach noch aufrecht erhaltene Einwände des Stadtplanungsamtes sind deshalb nicht entscheidungserheblich.

Der in diesem Zusammenhang auf eine angeblich unzutreffende Darstellung der Geländeoberfläche in den Bauanträgen abstellende Einwand der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte kannte nach der Ortsbesichtigung den tatsächlichen Grundstücksverlauf. Die Baugenehmigungen scheiterten nicht an der formalen Qualifikation des Kellergeschosses als Vollgeschoss; vielmehr haben das Verwaltungsgericht Frankfurt/Main und der Hessische Verwaltungsgerichtshof jeweils eine Gesamtwürdigung vorgenommen. Auf den tatsächlichen Grundstücksverlauf kam es zudem nach § 2 Abs. 4 HBO nicht an; danach ist ein in der Baugenehmigung festgesetzter Bezugspunkt maßgebend, und ein solcher Bezugspunkt ist auch tatsächlich festgesetzt worden.

d) Soweit die Haftung der Beklagten auf einer verspäteten Unterrichtung über den Widerspruch der Nachbarn E. beruht, sind Anknüpfungspunkte für ein Mitverschulden der Kläger nicht ersichtlich. Solche haben auch das Landgericht und die Beklagte nicht aufgezeigt.

III. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich weitgehend die Begründetheit der Feststellungsklage. Für diese reicht es in der Sache aus, wenn die nicht fern liegende Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BGH NJW2001, 1431 ff. [unter II 2 der Entscheidungsgründe]; VersR 1997, 1508; NJW 1993, 648 ff. [unter C I der Entscheidungsgründe]). Diesen beschränkten Anforderungen genügt der Klagevortrag. Insbesondere liegt nahe, dass die rechtswidrige Nachtragsbaugenehmigung im Ergebnis zu einer weiteren Verzögerung des Bauvorhabens geführt hat, dass zu deren Vorbereitung eine Statik und zu deren Verteidigung Rechtsverfolgungskosten erforderlich geworden sind.

IV. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Grundsätzlich bedeutsam sind insbesondere die Fragen der Unterrichtungspflicht über eingegangene Widersprüche und der Auswirkungen der Rechtsprechung zur geschuldeten genehmigungsfähigen Planung auf die Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB.

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 144.578,88 DM (= 73.922,01 EUR) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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