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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: 1 U 52/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 459 I
BGB § 463 S. 2
ZPO § 50
1. Wenn der eine Eigentumswohnung betreffende Erwerbsvertrag als Kaufvertrag zu qualifizieren ist, kann der einzelne Erwerber nach Kaufrecht der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung unabhängig von einem Ermächtigungsbeschluss der Eigentümergemeinschaft wegen am Gemeinschaftseigentum aufgetretener Mängel keinen Schadensersatz fordern.

2. Die Überdimensionierung einer im Keller eines größeren Mehrfamilienhauses belegenen Trafostation begründet nicht ohne weiteres einen erheblichen Mangel einzelner Wohnungen.

3. Auch wenn die überdimensionierte Trafostation einen Fehler begründet, erfordert die Annahme eines arglistigen Verschweigens konkrete Anhaltspunkte.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 52/04

Verkündet am 20. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.8.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.12.2003 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger zu tragen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 1. und 2. 63 %, die Kläger zu 3. und 4. 37 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klageforderungen bestehen nicht.

I. Das Landgericht hat die Kläger im Ergebnis zu Recht als prozessführungsbefugt angesehen, obwohl der zur Begründung der Klage angeführte vermeintliche Mangel der erworbenen Wohnungen - die Existenz einer nur zu etwa 10 % für die Stromversorgung des Hauses erforderlichen, im Übrigen zur Versorgung benachbarter Grundstücke genutzten Trafostation der Streithelferin im Keller des Mehrfamilienhauses - das Gemeinschaftseigentum betrifft.

1. Für das Werkvertragsrecht gilt nach ständiger Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidung darüber, ob wegen Mängel am Gemeinschaftseigentum Minderung oder kleiner Schadensersatz gewählt werden soll, der Eigentümergemeinschaft zusteht; der einzelne Erwerber darf danach nicht ohne Ermächtigungsbeschluss mindern (vgl. BGH BauR 2004, 1148 ff. [juris-Rn. 24]). Im (alten) Kaufrecht bestand keine vergleichbare Gemeinschaftsbindung der Mängelrechte einzelner Erwerber, weil es die Gewährleistungsstufe der Nachbesserung nicht gab (vgl. W enzel, in: Hagen/Brambring, Immobilienrecht 1998, 51, 68; ähnlich Fritsch, in: Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Teil 15 Rn. 182; offen lassend BGHZ 108, 156 ff. [juris-Rn. 13]). Für die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht kommt es im Kern darauf an, ob der Veräußerer neubauähnliche Bauleistungen erbracht hat und dies dem Erwerbsvertrag zugrunde liegt (vgl. BGH BauR 1988, 464 f. [juris-Rn. 11]; BGHZ 100, 391 ff. [juris Rn. 25 f., 33]).

2. Nach diesen Grundsätzen bedurften die Kläger keines Ermächtigungsbeschlusses. Ihre Erwerbsverträge waren als Kaufverträge einzuordnen. Die Beklagten hatten unstreitig keine neubauähnlichen Bauleistungen erbracht, sondern lediglich weniger bedeutsame Ausbau- und Renovierungsarbeiten an anderen Teileigentumseinheiten. Diese Arbeiten waren nicht Grundlage der mit den Klägern geschlossenen Erwerbsverträge.

3. Dass die Eigentümergemeinschaft gegen die Streithelferin der Kläger keinen Anspruch auf Beseitigung der Trafostation, sondern deren Bestand und Betrieb weiterhin zu dulden hat, ist danach nicht entscheidungserheblich.

II. Das Landgericht hat den vermeintlichen Mangel der Kaufsachen zu Recht unter dem Gesichtspunkt der Sachmängelgewährleistung (§§ 459 ff. BGB a. F.) und nicht als Rechtsmangel gewürdigt. Die Sozialbindung konkretisierende Beschränkungen - wie hier solche zur Aufrechterhaltung der Stromversorgung - können keinen Rechts-, sondern allenfalls einen Sachmangel begründen (vgl. Staudinger[1995]-Köhler § 434 Rn. 19). Für eine Einordnung als Sachmangel spricht auch, wenn die Beschränkung ihren Grund in der Beschaffenheit der Sache selbst hat und der Besitzer von ihr typischerweise aufgrund des Besitzes erfahren kann (vgl. Staudinger[1995]-Köhler aaO Rn. 21). Die Kläger hätten die Trafostation bei der dem Kauf voran gegangenen Besichtigung, spätestens bei der Übergabe sehen können. Ein Rechtsmangel wird nicht dadurch begründet, dass ein Voreigentümer des Hauses der Streithelferin vor geraumer Zeit die Errichtung und den Betrieb der Trafostation vertraglich gestattet hat. Die Eigentümergemeinschaft ist an diese vertragliche Verpflichtung nicht gebunden. Ihre Duldungspflicht folgt vielmehr allein aus § 11 AVBEltV, einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift.

III. Die Klage scheitert daran, dass die Kläger den ihnen obliegenden Beweis für das arglistige Verschweigen eines Mangels der ihnen verkauften Wohnungen nicht geführt haben.

1. Die Existenz der von der Streithelferin betriebenen Trafostation begründet bereits objektiv keinen erheblichen Fehler der den Klägern verkauften Wohnungen im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB a. F. Die Anlage entspricht unstreitig allen einschlägigen technischen Vorschriften. Es fehlen objektive Anhaltspunkte dafür, dass von ihr gesundheitliche oder sonstige Gefahren für die Bewohner des streitgegenständlichen Hauses, insbesondere die der klägerischen Wohnungen, ausgehen könnten. Sie ist unstreitig erforderlich, um die Energieversorgung des Hauses sicher zu stellen, wenn auch in dem Sinne überdimensioniert, dass eine kleinere Anlage ausreichen würde. Ein Fehler ließe sich dementsprechend allein auf die übermäßige Größe der Anlage stützen.

Da diese jedoch - objektiv betrachtet - keine Gefährdung bewirkt und nach den Ausführungen des Sachverständigen, auf die sich das Landgericht stützt, allenfalls zu einer Wertminderung in Höhe von 1,5 % bzw. 3 % führt, ist die Erheblichkeitsschwelle unterschritten.

2. Jedenfalls entbehrt die landgerichtliche Annahme eines arglistigen Verhaltens der Beklagten einer tatsächlichen Grundlage.

a) Arglist erfordert, dass der Verkäufer seine Hinweispflicht bedingt vorsätzlich verletzt, also (vgl. BGH WM 1992, 1028, 1029; NJW 1990, 42)

(1) den Fehler mindestens für möglich hält und

(2) weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Fehler nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder so nicht schließen würde.

b) Dafür fehlen hinreichende Anhaltspunkte. Die Kläger haben sich insoweit auf Empfehlungen der Strahlenschutzkommission, auf die öffentlichen Diskussionen zum allgemeinen Problem des "Elektrosmogs" sowie darauf berufen, dass sich die Beklagten auf dem Immobiliensektor gewerblich betätigen. Diese Gesichtspunkte erlauben es nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass die Beklagten den Fehler als solchen, dessen Entscheidungserheblichkeit für die Kaufinteressenten und ihre Aufklärungspflicht verkannten; all dies war keineswegs offensichtlich. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass - wenn überhaupt ein Fehler vorliegt - dieser bescheidenes Gewicht und nahezu zu vernachlässigende Bedeutung für den Wert der verkauften Wohnungen hat.

IV. Es bedarf keiner Entscheidung, ob den Beklagten die fahrlässige Verletzung einer auf die Trafostation bezogenen Aufklärungspflicht zur Last fällt. Ein Rückgriff auf die Grundsätze der culpa in contrahendo scheitert am Vorrang des Gewährleistungsrechts bezüglich Mängel der Kaufsache.

V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 2, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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