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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.06.2002
Aktenzeichen: 1 U 55/01
Rechtsgebiete: BGB, AGBG
Vorschriften:
BGB § 651 a Abs. 4 | |
AGBG § 9 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 03.06.2002
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch die Richter am Oberlandesgericht... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2002 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 8.03.2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert.
Der Beklagten wird bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 255.645,94 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - zu vollziehen an den Geschäftsführern - für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, in Bezug auf Reiseverträge folgende und diesen inhaltsgleiche allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden, ausgenommen gegenüber einer Person, die in ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmen):
(Ziffer 4.3) Preisänderungen sind nach Abschluss des Reisevertrages im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Fluggebühren in dem Umfang möglich, wie sich die Erhöhung der Beförderungskosten oder Abgaben für bestimmte Leistungen pro Kopf bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, wenn zwischen dem Zugang der Reisebestätigung/Rechnung und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate liegen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahrnimmt und in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 22 a AGBG, §§ 4, 16 Abs. 4 UKlaG eingetragen ist. Das beklagte Reiseunternehmen verwendet gegenüber ihren Kunden allgemeine Geschäftsbedingungen, die unter anderem folgende Klausel enthalten:
" 4.3. Preisänderungen sind nach Abschluss des Reisevertrages im Falle der Erhöhung der Beförderungskosten oder der Abgaben für bestimmte Leistungen wie Hafen- oder Fluggebühren in dem Umfang möglich, wie sich die Erhöhung der Beförderungskosten oder Abgaben für bestimmte Leistungen pro Kopf bzw. pro Sitzplatz auf den Reisepreis auswirkt, wenn zwischen dem Zugang der Reisebestätigung/Rechnung und dem vereinbarten Reiseantritt mehr als 4 Monate liegen ...".
Gegen diese Klausel wendet sich der Kläger mit der Unterlassungsklage. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 8.03.2001 abgewiesen (Blatt 107 bis 111 der Akten). Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Unterlassungsantrag weiter.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8.03.2001 abzuändern und die Beklagte wie tenoriert zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt hierzu aus, dass die für den Kunden nachvollziehbare Darlegung einer Kostenerhöhung bei der Umsetzung eines konkreten Erhöhungsverlangens, nicht aber im Rahmen der allgemeinen Geschäftsbedingungen gefordert werden könne. Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden sei jedenfalls deshalb zu verneinen, weil diesem für den Fall einer Preiserhöhung von mehr als 5% ein Kündigungsrecht zustehe.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet. Die beanstandete Klausel ist unwirksam, weil sie den Reisekunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 9 AGBG). Für die rechtliche Überprüfung der Klausel ist gem. Artikel 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 16 Abs. 1 UKlaG weiterhin das AGBG zugrunde zulegen (BGH, Urteil vom 9.04.2002, XI ZR 245/01).
Die Begründung für den Verstoß der beanstandeten Klausel gegen § 9 AGBG ergibt sich aus den Erwägungen des Urteils des OLG Düsseldorf 6 U 103/01 vom 22.11.2001 (RRa 2002, 32ff), denen sich der Senat anschließt. Nach § 651 a Abs. 4 Satz 1 BGB kommt eine Erhöhung des Reisepreises nur dann in Betracht, wenn dies mit genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises im Vertrag vorgesehen ist. Diesen Anforderungen wird die Klausel nicht gerecht, weil sie nicht die maßgeblichen Berechnungskriterien zur Ermittlung des neuen Preises benennt und damit den Kunden nicht in die Lage versetzt, die Preiserhöhung nach Grund und Höhe nachzuvollziehen. Hierzu hat das OLG Düsseldorf a. a. O. ausgeführt:
"Diesen Anforderungen wird die beanstandete Klausel nicht gerecht. Zwar bezeichnet sie ... die Kostenpositionen, die als Grundlage einer Preiserhöhung in Betracht kommen. Es fehlt jedoch die Angabe der Bezugszeitpunkte für die Ermittlung der an den Kunden weiterzureichenden Kostensteigerungen. Insbesondere bleibt unklar, ob alle seit der Preisbildung oder der Drucklegung des Prospektes eingetretenen Mehrbelastungen der Beklagten oder nur diejenigen nach Vertragschluss mit dem Kunden in die Berechnung einzubeziehen sind. Im ersten Fall währe ein gerechter Interessenausgleich zwischen den Vertragspartnern nicht mehr gewahrt... Die Unklarheit lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung beheben. Das Gebot der "unverzüglichen" Unterrichtung des Kunden von Nachforderungen hindert die Beklagte nur, die Entscheidung über eine Preiserhöhung längere Zeit hinauszuschieben, nicht jedoch in eine rechtzeitig mitgeteilte Erhöhung frühere, selbst vorvertragliche Kostensteigerungen einzuschließen. Damit verbleibt ihr schon im Ansatz ein erheblicher Gestaltungsraum, der sich auch auf unangemessene Berechnungsweisen erstreckt, während der Kunde weder die möglichen Preiserhöhungen überblicken noch diese anhand vorgegebener Berechnungskriterien nachvollziehen kann. Schon dies führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zu Unwirksamkeit der Klausel gem. § 9 Abs. 1 AGBG ...
Darüber hinaus enthält die Klausel keine ausreichenden Angaben zu den für die einzelnen Kostenpositionen heranzuziehenden Verteilungsmaßstäben. Reiseveranstalter buchen bei den Leistungsträgern in der Regel nicht Einzelleistungen für jede einzelne Pauschalreise, sondern bestimmte - unter Umständen variable - Kontingente.
Kommt es dabei zu Kostensteigungen, müssen diese auf die einzelnen Pauschalreiseverträge umgelegt werden. Zwar liegt es nahe, insoweit den auch der ursprünglichen Preiskalkulation zugrundeliegenden Maßstab anzuwenden. Dieser ist dem Kunden aber regelmäßig nicht bekannt. Zudem werden häufig mehrere Verteilungsmaßstäbe in Betracht kommen. So können erhöhte Beförderungskosten etwa für jeden einzelnen Transport (Flug-, Bahn- oder Schiffsreise, Bustransfer etc.) auf die jeweiligen Teilnehmer, alternativ aber auch die Gesamtkosten eines Reiseveranstalters auf alle betroffenen Kunden umgelegt werden. Sie können nach der Zahl der vom Reiseveranstalter gebuchten Plätze (Gesamtkontingent) aber auch nach der voraussichtlichen Auslastung verteilt werden, so dass der Reiseveranstalter unter Umständen den auf nicht verkaufte Reisen entfallenden Eigenanteil auf die gewonnenen Kunden verlagern kann..."
Dem tritt der Senat bei.
Danach enthält die Klausel nicht die nach § 651 a Abs. 4 Satz 1 BGB erforderlichen genauen Angaben zur Berechnung des neuen Preises. Sie ermöglicht vielmehr dem Reiseveranstalter eine den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Preisbildung.
Es mag zutreffen, dass die Formulierung von allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Regelung der Preiserhöhung - wie die Beklagte meint - erhebliche Schwierigkeiten bereitet, wenn die Klausel den Anforderungen des § 651 a Abs. 4 Satz 1 BGB sowie dem Verbot unangemessener Benachteiligung des Kunden nach § 9 AGBG, insbesondere dem Transparenzgebot, gerecht werden soll. Dieser Umstand kann indes nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Klausel führen.
Da die Beklagte unterliegt, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. n. F.
Die Zulassung der Revision beruht darauf, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n. F.).
Ende der Entscheidung
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