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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 15.04.2002
Aktenzeichen: 1 U 75/01
Rechtsgebiete: BGB, StVG
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 847 | |
StVG § 7 | |
StVG § 17 | |
StVG § 18 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 15.04.2002
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2002 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.03.2001 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche wegen der Folgen des Sturzes am 19.04.2000 in dem von dem Beklagten zu 2) gesteuerten Linienbus der Beklagten zu 1) zu.
Die Klägerin hat wegen der Folgen des Sturzes vom 19.04.2000 keinen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB. Der Sturz beruht nicht auf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, die der Busfahrer gegenüber den Fahrgästen zu beachten hatte. Der Beklagte zu 2) hatte den Linienbus der Beklagten zu 1) ohne Fahrfehler insbesondere ohne unangemessen heftiges Abbremsen an der Bushaltestelle angehalten. Davon geht auch die Klägerin aus. Auch die von den Zeugen als Ruck" beschriebene Bewegung des Busses unmittelbar im Anschluss an das Anhalten, die zum Sturz der Klägerin führte, stellt keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht dar. Wegen der Sturzgefahr für die Fahrgäste des Busses war der Beklagte zu 2) verpflichtet, nach dem Anhalten des Busses Fahrzeugbewegungen zu vermeiden, die nach der Verkehrssituation nicht veranlasst waren und mit denen die Fahrgäste zu diesem Zeitpunkt oder im Ausmaß der Heftigkeit nicht rechnen mussten. Von einer derartigen Bewegung des Busses kann hier nicht die Rede sein. Der Ruck des Busses entstand dadurch, dass der Beklagte zu 2), nachdem er den Bus im Bereich der Steigungsstrecke mit der Fußbremse angehalten hatte, die Haltestellenbremse betätigte und nach Behauptung der Klägerin sodann die Fußbremse löste. Die Bewegung des Busses bei diesem Vorgang wird von den Zeugen als Ruck, wie ein Bus halt immer so ruckt" und als ein ganz normaler Ruck" beschrieben. Mit einer derartigen Fahrzeugbewegung auch bei Stillstand der Räder muss jeder Fahrgast insbesondere bei einer Steigungsstrecke rechnen und selbst für den notwendigen Halt sorgen, um einen Sturz zu vermeiden.
Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch dann nicht, wenn das von der Klägerin behauptete Lösen der Fußbremse nach dem Betätigen der Haltestellenbremse typischerweise zu einer vermeidbaren Verstärkung der Bewegung der Fahrzeugkarosserie U 75/01 - 3 - führen sollte. Denn im vorliegenden Fall kann eine vermeidbar gewesene und die Sturzgefahr erhöhende Verstärkung der federnden Bewegung des Busses nach dem Anhalten nicht festgestellt werden. Danach ist eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beklagten zu 2), die für die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes vorauszusetzen ist, zu verneinen.
Die Klägerin kann von den Beklagten auch nicht den Ersatz des ihr entstanden materiellen Schadens verlangen. Ein Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) aus dem entgeltlichen Personenbeförderungsvertrag scheidet mangels Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) aus. Schließlich bestehen auch keine Ersatzansprüche nach den §§ 7, 8a, 17, 18 StVG. Den Beklagten zu 2) trifft an dem Unfall der Klägerin wie ausgeführt kein Verschulden. Auch aus dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung (§ 8a Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 7 StVG) steht der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen materiellen Schadens zu. Es kann offen bleiben, ob das Unfallereignis auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen ist. Selbst wenn man diese Frage verneint, steht der Klägerin kein Anspruch zu, weil das erhebliche Verschulden der Klägerin eine Berücksichtigung der Betriebsgefahr des Linienbusses zu Lasten der Beklagten ausschließt. Jeder Fahrgast ist grundsätzlich selbst dafür verantwortlich, dass er durch typische und zu erwartende Bewegungen des Busses nicht zu Fall kommt (vgl. auch OLG Köln, Versicherungsrecht 2000, 1120 bis 1121). Hier hätte die Klägerin mit der von den Zeugen als Ruck" bezeichneten Bewegung des Busses nach dem Anhalten wie ausgeführt rechnen müssen. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte die Klägerin ohne weiteres den Sturz verhindern können. Nach den Angaben bei ihrer Anhörung im Termin am 4.03.2002 stand die Klägerin im Mittelgang des Busses und lehnte sich hierbei zwar an einen der Sitze an, unterließ es jedoch, sich mit der freien Hand festzuhalten. Danach verdrängt das erhebliche Eigenverschulden der Klägerin am Unfall die Anrechnung der Betriebsgefahr zu Lasten der Beklagten.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen, da ihr Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts U 75/01 - 4 - ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO n. F.).
Da die Beschwer der Klägerin 20.000 * nicht übersteigt, mithin die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht zulässig ist (§ 26 Nr. 8 EG ZPO) ist das Urteil rechtskräftig. Demgemäß beruht die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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