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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 02.12.2002
Aktenzeichen: 1 UF 166/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91a | |
ZPO § 92 Abs. 2 |
2) Das Teilunterliegen durch eine Befristung des Unterhalts kann "verhältnismäßig geringfügig" im Sinne des § 92 Abs. 2 ZPO sein.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 02.12.02 beschlossen:
Tenor:
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Berufungswert: bis zur Erledigungserklärung 5.514,60 EUR, danach bis 1.200,-- EUR.
Gründe:
Mit der im Juli 2001 eingegangenen Klage hat der Kläger aus übergegangenem Recht gemäß § 91 Abs. 2 BSHG rückständigen (seit 14.08.2000) und laufenden Unterhalt geltend gemacht. Mit am 31.05.2002 verkündetem Urteil hat das Amtsgericht nach den gestellten Klageanträgen erkannt (den im Laufe des Verfahrens bis Mai 2002 aufgelaufenen Unterhalt allerdings betragsmäßig zusammengefasst) und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Urteilstenor enthält unter Ziffer 1 (betreffend Hauptforderung) den Zusatz 'im übrigen wird die Klage abgewiesen' und in den Entscheidungsgründen am Schluß der Berechnung und vor den Ausführungen zur Kostenentscheidung einen Absatz, wonach der Unterhaltsanspruch bis zum Ablauf des 24.09.2003, dem Zeitpunkt der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes der Rechtsvorgängerin des Klägers und des Beklagten, zu befristen sei, da zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen sei, ob und inwieweit die besonderen Voraussetzungen für eine Erstreckung des Unterhaltsanspruchs über diesen Zeitraum hinaus vorlägen.
Mit seiner Berufung hat sich der Beklagte gegen die Verurteilung zu künftigem Unterhalt, soweit den Zeitraum ab Juni 2002 betreffend, gewandt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Rechtsvorgängerin des Klägers entsprechend vorheriger Ankündigung aus dem Bezirk des Klägers weggezogen und mit ihrem Lebensgefährten zusammengezogen sei, weshalb der Kläger in diesem Zeitraum die Leistung von Sozialhilfe eingestellt habe. Hilfsweise rügt er, dass die in den Gründen ausgesprochene Befristung des künftigen Unterhalts im Tenor nicht enthalten sei und dass dieses darin liegende teilweise Unterliegen bei der Kostenentscheidung fehlerhaft nicht berücksichtigt worden sei.
Der Kläger hat inzwischen wegen der erfolgten Wohnsitzverlegung der Hilfebedürftigen mit Bescheid vom 11.07.2002 die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung ab 01.06.2002 eingestellt und im Hinblick hierauf mit der Berufungsbegründung auf die Geltendmachung von Unterhalt gegenüber dem Beklagten ab diesem Zeitpunkt verzichtet.
Die Parteien haben daraufhin die Hauptsache im Umfang der Berufung für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenantrag gestellt.
Nach Erledigungserklärung war über die Kosten, soweit Gegenstand der Berufung, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu befinden (§ 91 a Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß ergehen (§ 128 Abs. 3 ZPO).
Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers war die Berufung allerdings nicht unzulässig, soweit sie sich auf ein Ereignis gründete, das erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung (hier: Verhandlungsschluß im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO) eingetreten ist. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Änderung der Einkommensverhältnisse mit Auswirkungen auf die Höhe des zu beurteilenden Unterhalts, die nach Schluß der mündlichen Verhandlung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung eingetreten ist, nach Wahl der hierdurch beschwerten Partei entweder im Wege des Rechtsmittels, oder, nach abgewarteter Rechtskraft, im Wege der selbständigen Abänderungsklage geltend gemacht werden kann. Entsprechendes gilt, wenn, wie hier, der Anspruch nach Verhandlungsschluß gänzlich entfällt, lediglich mit der Maßgabe, dass dann anstelle der alternativen Abänderungsklage die Vollstreckungsabwehrklage tritt. Wählt die hierdurch beschwerte Partei allerdings den Wege des Rechtsmittels, trägt sie das Kostenrisiko, wenn der Gegner entsprechend der geänderten Rechtslage seine Anträge anpasst. Dies führt zur Kostenbelastung der Partei, die ohne das erledigende Ereignis in der Sache unterlegen wäre.
Nach diesen Grundsätzen hat hier der Beklagte die Kosten zu tragen, da er ohne das erledigende Ereignis, nämlich den Wegfall des Sozialhilfebezugs, mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO in der Hauptsache unterlegen wäre. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verhandlungsschlusses am 10.05.2002 war die Klage noch begründet, da der Wegfall des Unterhaltsanspruchs infolge der Einstellung der Sozialhilfeleistungen erst danach erfolgt ist. Allerdings kam dieses Ereignis nicht überraschend, sondern war bereits angekündigt, als dies der Beklagte in der dem Verhandlungsschluß vorausgehenden mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht als Absicht mitgeteilt hat. Auch der Kläger selbst hatte, wie sich aus dem zur Akte gereichten Einstellungsbescheid vom 11.07.2002 ergibt, Kenntnis von dieser Absicht. Diese bevorstehende Änderung hatte sich jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt (Schluss der mündlichen Verhandlung) noch nicht in einer Weise zur Gewissheit verdichtet, dass der Kläger bereits jetzt die Klage hätte beschränken müssen, oder andernfalls - bei notwendiger aber unterbliebener Beschränkung - das Gericht die Klage für diesen Zeitraum hätte abweisen müssen. Zu diesem Zeitpunkt lag die Verwirklichung der angekündigten Absicht der Hilfsbedürftigen, aus dem Bezirk des Klägers wegzuziehen, allein in ihrem, von keiner Prozesspartei beeinflussbaren Willen. Bei der Frage der Notwendigkeit der Anpassung und der Anträge ist zu bedenken, dass die Klage des Sozialhilfeträgers auf künftige Leistungen gemäß § 91a Abs. 3 Satz 2 BSHG stets unter der stillschweigenden Rechtsbedingung fortwährender Hilfegewährung steht. Daraus folgt, dass der Sozialhilfeträger von einem von ihm erwirkten Titel über künftigen Unterhalt ab dem Zeitpunkt, ab dem er die Leistung einstellt, keinen Gebrauch mehr machen kann. Im konkreten Fall bestehen keinerlei Anzeichen, dass der Kläger als Träger der Sozialhilfe über den Zeitraum bewilligter Sozialhilfe hinaus von dem Beklagten weiterhin Leistung verlangt hätte. Tatsächlich hat der Kläger auch alsbald nach Wegfall seiner Leistungen auf seine Rechte aus diesem Titel verzichtet. Es liegt nahe, dass diese Erwägungen das Amtsgericht dazu veranlasst haben, von einer ihm sonst zu Gebote stehenden Möglichkeit, durch Teilurteil die Vergangenheit zu bescheiden und die Weiterentwicklung dem Schlussurteil vorzubehalten, keinen Gebrauch gemacht hat. Diese Entscheidung lag jedoch allein im Ermessen des Amtsgerichts und hat keine kostenrechtliche Auswirkung.
Nachdem der Kläger zum nächstmöglichen Zeitpunkt der veränderten Rechtslage, nämlich dem Wegfall seiner Sachbefugnis, Rechnung getragen hat, hat nach Erledigungsgesichtspunkten der Beklagte die Kosten (auch) für diesen Teil des Rechtsstreits zu tragen.
Auch die Hilfserwägung des Beklagten betreffend die (nur) in den Gründen ausgesprochene Befristung des Unterhalts bis zum 3. Lebensjahres des Kindes rechtfertigt keine Änderung der Kostenentscheidung. Das Amtsgericht hat die vollständige Kostenlast des Beklagten trotz dieses Teilerfolgs damit begründet, dass die Abweichung vom Klageantrag verhältnismäßig geringfügig sei und keine besonderen Kosten verursacht habe. Letzteres ist unzweifelhaft, da der den Streitwert bestimmende Jahresbetrag hierdurch nicht berührt wird. Weniger eindeutig ist, inwieweit das Teilunterliegen im Verhältnis zu dem Obsiegen im übrigen verhältnismäßig geringfügig ist. Insoweit hat das Amtsgericht für seine Entscheidung mit Recht die Erwägung herangezogen, dass die Befristung des Unterhalts keine rechtskraftfähige Abweisung eines Unterhaltsanspruchs für die Zukunft beinhaltet, sondern lediglich die Frage betrifft, wer von den Parteien nach Ablauf der Befristung bei fortbestehender Unterhaltsbedürftigkeit die Last der Initiative hat, nämlich im Fall der Befristung der Kläger mit einer Neuklage, sonst der Beklagte im Wege der Abänderungsklage, was von geringerem Gewicht ist. Hinzu kommt die Erwägung, dass die Frage einer Befristung des Unterhalts ohnehin theoretischer Natur war, als sich ein Ende des Sozialhilfebezugs durch den Kläger und damit ein Ende des klagegegenständlichen Anspruchs bereits abzeichnete.
Ebensowenig ergab die unzulängliche Tenorierung dieser Befristung eine hinreichende Beschwer für eine nur darauf gestützte Berufung. Die in den Gründen eindeutig ausgesprochene und ausgeführte Befristung des Unterhaltsanspruchs verbunden mit dem Teil des Tenors, wonach die Klage im übrigen abgewiesen werde, was angesichts der Zuerkennung der gesamten Klageforderung sonst unverständlich wäre, gab Anlaß für eine Urteilsberichtigung nach § 319 ZPO. Dieser Weg wäre wohl vom Beklagten auch beschritten worden, wenn nicht ohnehin aus anderen Gründen Berufung eingelegt worden wäre, in welchem Zusammenhang die erforderliche Berichtigung hätte miterledigt werden können.
Der Berufungswert entspricht dem Jahresbetrag des künftigen Unterhalts gemäß dem ursprünglichen Berufungsantrag, danach, nach Erledigungserklärung, dem Kosteninteresse.
Ende der Entscheidung
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