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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 1 UF 166/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 516
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Kosten der Anschlußberufung nach Rücknahme der Berufung analog § 91 a ZPO zu verteilen sind.
Gründe:

Der Beklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts vom 6.5.2004 zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 250,00 EUR ab Januar 2004 an die Klägerin verurteilt worden unter Abweisung deren weitergehender Klage, gerichtet auf insgesamt laufend monatlich 332,98 EUR ab Januar 2004 und Rückstand für die Monate November und Dezember 2003.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Die Berufungsschrift enthält weiterhin den Zusatz "Die Berufung wird von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht". Innerhalb der Begründungsfrist hat sie die Zuerkennung weiteren laufenden Unterhalts ab Januar 2004 in Höhe von weiteren monatlich 82,98 EUR, wie erstinstanzlich verlangt, beantragt.

Die Berufungsbegründung ist dem Beklagten am 8.7.2004 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 9.8.2004, per Fax bei der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts eingegangen am selben Tage, hat er Anschlussberufung eingelegt und Herabsetzung des ausgeurteilten Unterhalt auf monatlich 23,30 EUR, ebenfalls ab Januar 2004, verlangt.

Die Klägerin hat nach Verweigerung der beantragten Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht mit Beschluss vom 16.8.2004 schriftsätzlich erklärt, dass sie die eigene Berufung nicht weiter verfolge. Sie weist darauf hin, dass sie die Berufung von der Gewährung von Prozesshilfe abhängig gemacht habe. Hinsichtlich der Anschlussberufung, die sie demnach als selbständige Berufungseinlegung bewertet, beantragt sie deren Verwerfung als unzulässig, da verfristet, hilfsweise Zurückweisung als unbegründet.

Der Senat deutet den Zusatz in der Berufungsschrift der Klägerin, dass die Berufung von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht werde, nicht als Bedingung, sondern als Ankündigung, die Berufung nur im Falle und im Umfang bewilligter Prozesskostenhilfe verfolgen zu wollen und sie andernfalls nicht durchzuführen, also zurückzunehmen. Die Auslegung nach dem Wortlauf als Bedingung hätte die Unzulässigkeit der Berufung zur Folge, die nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden kann (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 519 Rdnr. 1). Da im Zweifel bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten diejenige den Vorzug verdient, die mit der Verfahrensordnung in Einklang steht, andererseits der eindeutige Wortlaut eine Auslegung als bloßen Entwurf, verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag für eine noch einzulegende Berufung, verbietet, ist die Prozesshandlung als unbedingte Berufungseinlegung in dem eingangs dargestellten Sinne auszulegen.

Daraus folgt zugleich, dass die in dem Schriftsatz vom 30.8. 04 enthaltene Wendung, die eigene Berufung nicht weiter zu verfolgen, als Rücknahme der Berufung auszulegen ist.

Diese Rücknahme hat die Kostenfolge aus § 516 Abs. 3 ZPO.

Mit der Berufungsrücknahme ist zugleich die rechtzeitig (§ 524 Abs. 2 ZPO) eingelegte und auch sonst zulässige Anschlussberufung wirkungslos geworden (§ 524 Abs. 4 ZPO).

Nach einer verbreiteten Meinung hat die Rücknahme der Berufung, deren Wirksamkeit nicht von einer Zustimmung des Berufungsbeklagten abhängig ist, zugleich die Verpflichtung zur Folge, auch die Kosten der unselbständigen Anschlussberufung zu tragen. Demgegenüber vertritt der Senat in ständiger Rechtsprechung (FamRZ 1989, 993 und ständig) die Auffassung, dass über die Kosten der unselbständigen Anschlussberufung in entsprechender Anwendung von § 91a ZPO und Erledigungsgesichtspunkten zu entscheiden ist (ebenso 2. Familiensenat in Kassel, FamRZ 1993, 544 und 6. Familiensenat in Darmstadt, FamRZ 1995, 945). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest. Die Begründung der Gegenansicht, die Anschlussberufung sei kein eigenständiges Rechtsmittel, sondern nur unselbständiger Teil des Hauptrechtsmittels (BGHZ 4, 229, betr. die Anschlussrevision). erscheint sehr formal, die hiervon abweichende Kostenfolge im Fall der unzulässigen Anschließung oder Anschließung an ein unzulässiges Hauptrechtsmittel willkürlich. Demgegenüber ermöglicht der Rechtsgedanke aus § 91a ZPO eine sachgerechte Lösung, als nämlich der Anschlussberufungskläger durch die Rechtsmittelrücknahme ohne sein Zutun sein rechtliches Begehren nicht weiter verfolgen kann. Dies entspricht im Kern einer Erledigung der Hauptsache.

Der Senat sieht sich jedoch veranlasst, zur Klärung dieser Streitfrage die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Die danach veranlasste Bewertung der Erfolgsaussicht der Anschlussberufung führt dazu, dass sie nur zu einem geringen Teil Erfolg gehabt hätte.

Auszugehen ist von dem vom Amtsgericht angenommenen Nettoeinkommen des Beklagten von monatlich 1.357,82 EUR, gegen das von keiner Seite substantiierte Einwände erhoben worden sind. Hiervon abzugsfähig ist die Bedienung eines während der Ehe aufgenommen Darlehens zur Finanzierung des von dem Beklagten benutzten PKW in Höhe von monatlich 141,39 EUR. Daneben macht der Beklagte Fahrtkosten für den Weg zur Arbeit im eigenen PKW in Höhe von 146,06 EUR geltend, von dem das Amtsgericht nur einen Teilbetrag von 33,95 EUR in Höhe von geschätzten 2,5 % des Nettoeinkommens berücksichtigt hat. Hiergegen hält die Anschlussberufung an den Kosten für die Benutzung eines privateigenen Pkws fest und begründet dies damit, dass der Beklagte in seinem Unternehmen Vorarbeiterfunktion habe und deshalb vor Arbeitsbeginn an seiner Arbeitsstelle sein müsse. Dies sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich.

Dies erscheint dem Senat im Grunde nach berechtigt. Jedoch können die hierzu ermittelten Pauschalen für Entfernungskilometer nicht uneingeschränkt angewandt werden, da der Beklagte bereits die Kreditraten für die Anschaffung des Fahrzeugs gesondert abgezogen hat, die in der üblichen Kilometerpauschale enthalten sind. Der Senat schätzt deshalb die notwendigen verbleibenden Fahrtkosten auf 5% des unstreitigen Nettoeinkommens, mithin auf monatlich 67,85 EUR.

Das Amtsgericht hat dem Beklagten in seiner Berechnung 100,00 EUR monatlich geschätzte Steuervorteile zugerechnet, was die Anschlussberufung bekämpft. Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen ergibt sich jedoch, dass der Beklagte für einen davor liegenden Zeitraum eine Steuererstattung in Höhe von 2.414,18 EUR (betr. das Veranlagungsjahr 2002) erhalten hat, die vom Amtsgericht nur deshalb nicht dem laufenden Einkommen zugerechnet worden ist, weil sie die Klägerin vereinnahmt und zum Lebensunterhalt in den Monaten November und Dezember 2003 verbracht hat. Letzteres hat zur unangefochtenen Abweisung ihrer Klage für diesen Zeitraum geführt. Von daher erscheint die Schätzung des Amtsgerichts auf künftige Steuervorteile in der angegebenen Höhe zutreffend und wird vom Senat geteilt.

Damit errechnet sich bis dahin ein Einkommen von 1.248,58 EUR, wovon der unstreitige und durch Jugendamtsurkunde titulierte Kindesunterhalt in Höhe von (Tabellenbetrag) 199,00 EUR in Abzug zu bringen ist. Es verbleiben damit 1.049,58 EUR.

Der Quotemunterhalt der Klägerin in Höhe von 3/7 dieses Betrages beträgt damit rund 450,-- EUR.

Diesen Betrag kann der Beklagte neben dem titulierten Kindesunterhalt jedoch nicht ohne Unterschreitung seines Selbstbehaltes aufbringen. Eine förmliche Mangelberechnung unter Einbeziehung auch des Kindesunterhalts ist nicht veranlasst, da die Parteien den Kindesunterhalt in titulierter Höhe nicht in Zweifel ziehen, was dahin auszulegen ist, dass die Klägerin insoweit auf ihren Gleichrang gegenüber dem von ihr betreuten Kind verzichtet. Der Mangelfall führt danach nur zu einer Kürzung ihres zuvor errechneten Quotenunterhalts. Auf sie entfallen damit 1.248,58 EUR - 840,00 EUR Selbstbehalt - 192,00 EUR Zahlbetrag Kindesunterhalt = 216,58 EUR, gerundet 217,00 EUR monatlich.

Die Anschlussberufung, gerichtet auf Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich (rund) 23,00 EUR hat damit nur in Höhe eines Teilbetrages von (250 - 217 =) 33,00 EUR monatlich Erfolg. Hinzu kommt der Erfolg der abgewehrten Berufung der Klägerin in Höhe von monatlich 83,00 EUR, zusammen 116,00 EUR. Demgegenüber unterliegt der Beklagte mit monatlich (217 - 23 = ) 194,00 EUR Dies entspricht einer Kostenquote von 3/8 zu 5/8 zu Lasten des Beklagten.

Der Wert der Berufung errechnet sich aus der Mehrforderung in Höhe von monatlich 82,98 EUR, hiervon Jahresbetrag plus ein Monat Rückstand (Januar 2004), also x 13 = 1.078,74 EUR. Der Wert der Anschlussberufung ergibt sich aus der Differenz zwischen dem ausgeurteilten Betrag von 250,00 EUR zu dem mit ihr erstrebten Betrag von 23,30 EUR, entsprechend monatlich 226,70 EUR, ebenfalls x 13 = 2.947,10 EUR. Da die Anträge gegenläufig sind, sind die Werte zusammenzurechnen, zusammen 4.025,84 EUR.

Ende der Entscheidung

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