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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.01.2001
Aktenzeichen: 1 UF 217/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1361 | |
BGB § 1574 Nr. 4 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
1 UF 217/00 Az.
In der Familiensache
hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. am 26. Januar 2001 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Berufungsklägerin, ihr Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Berufung gemäß ihrem Schriftsatz vom 05.09.2000 gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Gelnhausen vom 04.07.2000 zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung von Ehegattenunterhalt für die Dauer des Getrenntlebens in Höhe von monatlich 806,80 DM ab dem 01. 12. 1998.
Die Parteien haben im Jahr 1982 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe stammt der am 12.11.1983 geborene Sohn M., der seit der Trennung der Parteien beim Vater lebt. Mit einem Schriftsatz vom 03.02.1998 hat die Klägerin dem Beklagten mitteilen lassen, daß sie beabsichtige, im gemeinsamen Haus getrennt zu leben, und neben Kindesunterhalt auch Ehegattenunterhalt geltend mache. Nach Anmietung einer Wohnung ab Juli 1998 zog die Klägerin aus der gemeinsamen Ehewohnung aus. Der Beklagte betreibt ein landwirtschaftliches Anwesen. Nachdem die Klägerin zunächst auf dem Hof mitgearbeitet hatte, begann sie vor etwa vier Jahren eine Teilzeittätigkeit bei der Deutschen Post mit monatlichen Nettoeinkünften von rund 1.200,00 DM. Von Mai 1999 bis zum 31.01.2000 war sie arbeitslos und erhielt ein Arbeitslosengeld von monatlich rund 775,00 DM. Seit dem 01.02.2000 arbeitet sie erneut in Teilzeit bei einem privaten Postdienst mit einem monatlichen Nettoeinkommen von rund 1.452,00 DM. Inzwischen ist auch das Scheidungsverfahren zwischen den Parteien rechtshängig.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, da die Klägerin einen dem Grunde nach denkbaren Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten wegen der Aufnahme eines ehewidrigen Verhältnisses vor der Trennung der Parteien und wegen des Verschweigens des eheähnlichen Zusammenlebens mit dem neuen Partner verwirkt habe. Hinsichtlich des Sachverhalts und der Begründung im einzelnen wird auf das Urteil des Amtsgerichts vom 04.07.2000 verwiesen (Bl. 161-167 d.A.).
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 806,80 DM weiter. Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs nicht vorlägen und bestreitet insbesondere ein eheähnliches Zusammenleben mit einem neuen Partner. Auch habe sie die aus dem zum 01.02.2000 begonnenen neuen Arbeitsverhältnis erzielten Einkünfte dem Beklagten keineswegs zu spät mitgeteilt. Wegen des Vorbringens der Berufungsklägerin im einzelnen wird auf die Berufungsbegründung vom 05.09.2000 (Bl. 200-203 d.A.) sowie den Schriftsatz vom 21.12.2000 (Bl. 258-262 d.A.) verwiesen.
Der zur Durchführung des Rechtsmittels gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist zurückzuweisen. Die im Prozeßkostenhilfeprüfungsverfahren zugunsten der Berufungsklägerin gebotene summarische Prüfung führt unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivorbringens, der jeder Partei obliegenden Darlegungs- und Beweislast sowie des Ergebnisses der vom Amtsgericht durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, daß die Berufungsklägerin einen Unterhaltsanspruch für die Dauer des Getrenntlebens mit hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht verlangen kann.
Da der Beklagte als selbständiger Landwirt tätig ist, ist sein Durchschnittseinkommen aus dem Gewinn der letzten drei aufeinander folgenden Jahre zu ermitteln. Unter Zugrundelegung der vom Beklagten für die Abrechnungsjahre 1996/97, 1997/98 und 1998/99 vorgelegten Einnahme-Überschußrechnungen ergibt sich für drei Jahre ein Gesamteinkommen von 82.378,24 DM (23.386,01 + 26.615,30 + 32.376,93). Diese Einkünfte sind entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht um den Betrag der vom Beklagten für diesen Zeitraum geltend gemachten Abschreibungen auf landwirtschaftliche Nutzungsgeräte sowie auf landwirtschaftlich genutzte Gebäuden zu erhöhen. Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin ist völlig pauschal und unsubstantiiert, zumal der Beklagte in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 07.04.1999 ausführlich zu den von ihm geltend gemachten Abschreibungen Stellung genommen hat (vgl. Bl. 67-70 d.A.). Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach zu unterscheiden, ob sich der durch die Abschreibung pauschal berücksichtigte Verschleiß mit der tatsächlich eingetretenen Wertminderung deckt oder nicht, wobei im letzteren Fall der Abschreibungsbetrag zu kürzen oder sogar ganz außer Acht zu lassen ist (vgl.: BGH, FamRZ 1997, S. 357 [359]; zur Problematik vgl.: Kleinle, FamRZ 1998, 1346 [1347] m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung begegnen die vom Beklagten im einzelnen geltend gemachten Abschreibungen auf die von ihm als betriebsnotwendig angeschafften Geräte und Fahrzeuge in unterhaltsrechtlicher Hinsicht keinen Bedenken. Daß die tatsächliche jährliche Wertminderung erheblich von der vom Beklagten geltend gemachten Wertminderung abweichen würde, ist nicht erkennbar. So hat der Beklagte etwa für einen Ladewagen im Wert von 53.700,00 DM, eine Melkmaschine im Wert von 21.000,00 DM und einen Traktor mit einem Anschaffungspreis von 143.000,00 DM eine jeweilige Nutzungsdauer von 10 Jahren veranschlagt. Bezogen auf die jeweilige tatsächliche Lebensdauer erscheint dies ebenso realitätsgerecht wie die vom Beklagten für die Abschreibung auf verschiedene landwirtschaftliche Gebäude (Stallanbauten, Maschinenhalle und Siloneubau) zugrunde gelegte Nutzungsdauer von jeweils 40 Jahren.
Ebensowenig kann dem Beklagten ein erhöhtes Einkommen zugerechnet werden, weil er nach dem Vorbringen der Klägerin von ihm erhaltenes Milchgeld verschweige. Berücksichtigt man das vom Beklagten für den Dreijahreszeitraum als Betriebseinnahmen angegebene Milchgeld von 136.356,00 DM, 151.958,00 DM und 145.621,00 DM, so ist das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin nicht verständlich. Ebenso unzutreffend ist die klägerische Behauptung, der Beklagte rechne seinen privaten PKW und die Aufwendungen für sein Wohnhaus in der für seinen landwirtschaftlichen Betrieb erstellten Einnahme-Überschußrechnung ab. Unzutreffend ist auch die Behauptung der Klägerin, die vom Beklagten gezahlten Monatsprämien an die landwirtschaftliche Krankenkasse und die landwirtschaftliche Alterskasse seien in der Einnahme-Überschußrechnung enthalten.
Soweit die Klägerin dem Beklagten aus dem lastenfreien Wohnen in dem auf dem landwirtschaftlichen Anwesen gelegenen Wohnhaus einen Wohnvorteil von 800,00 DM monatlich zurechnen will, erscheint dieser Betrag weit überhöht. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß das vom Beklagten und dem gemeinsamen Sohn der Parteien bewohnte Bauernhaus aufgrund des notariell beurkundeten Übergabevertrages vom 14.11.1978 (Bl. 83-92 d.A.) auch von den Eltern des Beklagten bewohnt wird, die neben einem lebenslänglichen unentgeltlichen Wohnungsrecht und einem Mitbenutzungsrecht an verschiedenen Räumen ein Recht auf Pflege und Wartung in gesunden und kranken Tagen sowie ein Recht auf Verpflegung haben; hinzu kommen für zwei Brüder des Beklagten unentgeltliche Wohnungsrechte und Mitbenutzungsrechte für die Dauer des ledigen Standes. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände erscheint dem Senat hier die Annahme eines Betrages von monatlich 500,00 DM als angemessen.
Einkommensmindernd sind auf seiten des Beklagten seine monatlichen Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse in Höhe von 203,00 DM und die monatlichen Zahlungen an die landwirtschaftliche Krankenkasse in Höhe von 478,13 DM zu berücksichtigen. Das diesbezügliche Bestreiten der Klägerin ist schon im Hinblick auf die vom Beklagten für die einzelnen Jahre vorgelegten Bescheide der landwirtschaftlichen Alterskasse und in Kopie vorgelegten Kontoauszüge für Mai 1999 und für September 2000 unsubstantiiert.
Soweit die Klägerin vorträgt, der Beklagte habe jährliche Einnahmen aus Viehverkauf in einer Größenordnung von 40.000,00 DM bis 50.000,00 DM, ist dieser in das Wissen des Zeugen M. gestellten Behauptung nicht nachzugehen, da dies auf eine unzulässige Ausforschung hinausliefe.
Danach ist hier von einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.288,00 DM auszugehen (82.378,24 DM : 36 Monate). Hinzuzurechnen ist ein Wohnvorteil von 500,00 DM, abzuziehen sind die monatlichen Prämien von 233,00 DM für die landwirtschaftliche Alterkasse und 478,00 DM für die landwirtschaftliche Krankenkasse, so daß sich ein bereinigtes Nettoeinkommen des Beklagten von 2.077,00 DM monatlich ergibt.
Setzt man von dem ermittelten Einkommen des Beklagten von 2.077,00 DM den tabellarischen Bedarf für das vom Beklagten betreute gemeinsame Kind der Parteien in Höhe von 510,00 DM ab, so verbleiben dem Beklagten 31,00 DM bis zum notwendigen Selbstbehalt, so daß er im Ergebnis für Unterhaltsansprüche der Klägerin nicht leistungsfähig ist.
Für eine reguläre Unterhaltsberechnung wäre allerdings zweifelhaft, ob eine solche Betrachtungsweise dem Gleichrang des Kindes und der getrennt lebenden Ehefrau entspräche. Hier läge es nahe, den eheangemessenen Bedarf der Klägerin ohne Berücksichtigung des Bedarfs des Kindes aus den beiderseitigen eheprägenden Einkünften zu ermitteln und diesen unter Wahrung des Selbstbehalts anteilig mit dem Unterhaltsbedarf des Kindes zu kürzen.
Einer derartigen Berechnung im einzelnen bedarf es jedoch vorliegend nicht. Denn angesichts der hier gegebenen Umstände greift bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Verwirkungseinwand des § 1579 Nr. 4 BGB durch. Die Klägerin hat sich nämlich mutwillig über schwerwiegende Vermögensinteressen des Beklagten hinweggesetzt, indem sie im erstinstanzlichen Verfahren verschwiegen hat, daß sie jedenfalls seit Mai 1999 mit einem neuen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt, und indem sie dies trotz der insoweit hinreichend eindeutigen Aussage des vom Amtsgericht vernommenen Zeugen Bröscher auch im Berufungverfahren weiterhin leugnet. Nach der Aussage des Zeugen ist davon auszugehen, daß die Klägerin diesem zumindest einige Versorgungsleistungen erbringt, indem sie ihm teilweise die Wäsche macht und jedenfalls die Bügelarbeiten allein erledigt. Setzt man für diese dem Zeugen erbrachten Versorgungsleistungen auch nur einen monatlichen Betrag von 200,00 DM an, so ist dieser Betrag im Hinblick auf die sehr beengten Einkommensverhältnisse der Parteien bereits als erheblich anzusehen.
Darüber hinaus hat die Klägerin sich über schwerwiegende Vermögensinteressen des Beklagten dadurch mutwillig hinweggesetzt, daß sie nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ab 01.01.2000 trotz entsprechender Verpflichtung zur unverzüglichen Offenlegung der Erwerbseinkünfte diese nicht nur bis zur Vorlage des am 13.04.2000 beim Gericht eingegangenen Schriftsatzes vom 04.04.2000 verschwiegen , sondern im Schriftsatz vom 25.02.2000 den begehrten Unterhalt ohne Abstriche verlangt und auch im Schriftsatz vom 20.03.2000 die am 01.02.2000 aufgenommene Erwerbstätigkeit mit keinem Wort erwähnt hat, obwohl sie aus dieser anstelle des bis dahin bezogenen Arbeitslosengeldes von 774,00 DM monatlich nunmehr knapp 1.452,00 DM monatlich netto erhielt.
Ob dieses Verhalten der Klägerin, das teilweise als versuchter Prozeßbetrug zu Lasten des Beklagten zu werten ist, auch die Schwelle des Verwirkungstatbestands des § 1579 Nr. 2 BGB überschritten hat, kann hier offen bleiben, da jedenfalls der Verwirkungstatbestand des § 1579 Nr. 4 BGB als erfüllt anzusehen ist.
Wenn auch der notwendige Bedarf der Klägerin während der Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld nur teilweise und erst seit Aufnahme der Teilzeittätigkeit ab 01.01.2000 nahezu vollständig gedeckt ist, darf nicht außer Betracht bleiben, daß der Beklagte bei Befriedigung von Unterhaltsansprüchen der Klägerin im Rahmen einer Mangelbedarfsberechnung nicht in der Lage wäre, auch nur den Mindestbedarf des von ihm betreuten gemeinsamen Kindes der Parteien zu bedienen. Es kommt noch hinzu, daß die Klägerin für das gemeinsame Kind keinerlei Unterhalt zahlt.
In Ansehung aller Umstände überschreitet die Inanspruchnahme des Beklagten auf Getrenntlebendenunterhalt die Opfergrenze, weshalb die Klägerin bei den gegebenen Einkommensverhältnissen der Parteien derartige Unterhaltsansprüche nicht geltend machen kann.
Ende der Entscheidung
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