Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.04.2004
Aktenzeichen: 1 W 26/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 45
ZPO § 568 Abs. 1
ZPO § 572
1. Zur Entscheidung über Ablehnungsgesuch gegen einen Richter am Landgericht ist auch dann die Kammer in voller Besetzung berufen, wenn der Einzelrichter in der Hauptsache allein zur Entscheidung berufen wäre.

2. Hat über das Befangenheitsgesuch fälschlicherweise der Einzelrichter des Landgerichts entschieden und wird gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, ist diese Entscheidung durch den Einzelrichter des Oberlandesgerichts aufzuheben und an das Landgericht zur anderweitigen Entscheidung zurückzuverweisen; denn die fehlerhafte Besetzung des Landgerichts wirkt sich auch auf die Besetzung des Senats im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts aus.

3. Der ZPO ist nicht zu entnehmen, dass der Senat in voller Besetzung zwecks Entscheidung in der Sache an die Stelle des gemäß § 568 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen Einzelrichters treten dürfte, wenn die Entscheidung des Landgerichts durch die Kammer hätte ergehen müssen und dies zu einer Zuständigkeit des Senats in voller Besetzung geführt hätte. Dies hat auch dann zu gelten, wenn der Senat kraft Sachzusammenhangs auch für eine neuerliche Beschwerde in der Sache zuständig wäre, wenn nicht sicher absehbar ist, dass nach der Geschäftsverteilung des Senats dieselben Senatsmitglieder zur Entscheidung auch über die neue Beschwerde berufen wären.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 W 26/04

Entscheidung vom 26.04.2004

In der Ablehnungssache

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ... am 26.04.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beklagten werden der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom ...02.2004 und der Nichtabhilfebeschluss vom ...03.2004 über die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs der Beklagten gegen den Richter am Landgericht X aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Landgericht Limburg zurückverwiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Kläger wenden sich mit einer Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckung durch die Beklagte aufgrund einer notariellen Urkunde, welche einen Hausverkauf durch die Beklagte zum Gegenstand hat. Sie machen geltend, das verkaufte Hausgrundstück weise einen versteckten Mangel auf, welchen die Beklagte arglistig verschwiegen habe (Einzelheiten Bl. 1 ff d.A.). Einem zugleich mit der Klageschrift gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde gab der ... Richter am Landgericht X, durch Beschluss vom ...01.2004 gegen Sicherheitsleistung statt; wegen der Formulierung des Beschlusses wird auf Bl. 43 d.A. verwiesen. Die Beklagte hat den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, da sie dem zweiten Satz des Beschlusses entnehmen will, dass der Richter bereits in diesem Stadium des Rechtsstreits von falschen und verharmlosenden Äußerungen der Beklagten aus gehe (Einzelheiten Bl. 46 f d.A.)

Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch mit Beschluss des Einzelrichters vom ...02.2004 zurückgewiesen (Bl. 70 d.A.). Der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde vom 17.03.2004 hat das Landgericht durch Beschluss des Einzelrichters nicht abgeholfen.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur anderweitigen Entscheidung; denn das Verfahren leidet an einem erheblichen Mangel, der einer endgültigen Entscheidung des Beschwerdegerichts entgegensteht.

Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 568 Abs. 1 ZPO der Einzelrichter berufen, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde.

Allerdings leidet die angefochtene Entscheidung insofern unter einem Verfahrensmangel, als über das Befangenheitsgesuch der Einzelrichter des Landgerichts entschieden hat. Richtigerweise hätte über das Befangenheitsgesuch die Kammer in voller Besetzung entscheiden müssen. Denn unter "dem Gericht" i.S.d. § 45 Abs. 1 ZPO ist der durch seinen geschäftsplanmäßigen Vertreter ergänzte Spruchkörper des Abgelehnten zu verstehen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 45 Rn. 2). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der abgelehnte Richter in der Hauptsache allein zur Entscheidung berufen ist (Musielak-Smid, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 45 Rn. 2).

Die Sache ist an das Landgericht zu einer anderweitigen Entscheidung durch die Kammer in voller Besetzung zurückzuverweisen, da sich der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert sieht, obwohl er die Beschwerde in der Sache für entscheidungsreif ansieht. Zwar hat nach der ZPO-Novelle auch bei einem wesentlichen Verfahrensfehler das Beschwerdegericht grundsätzlich selbst zu entscheiden (Zöller-Gummer, a.a.O., § 572 Rn. 27). Einer eigenen Sachentscheidung steht aber hier entgegen, dass das Tätigwerden des nicht zur Entscheidung über das Befangenheitsgesuch berufenen Einzelrichters des Landgerichts zugleich Auswirkungen auf die Besetzung des Senats bei seiner Entscheidung im Beschwerdeverfahren und damit auf den gesetzlichen Richter des Beschwerdegerichts hat (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O.; OLG Celle, MDR 2003, 523). Wäre der angefochtene Beschluss über das Befangenheitsgesuch nämlich - richtigerweise - durch die Kammer erlassen worden, wäre im Beschwerdeverfahren zur Entscheidung in der Sache der Senat in voller Besetzung berufen, während gegenüber dem beim Landgericht fehlsam tätig gewordenen Einzelrichter gemäß § 568 Abs. 1 ZPO der originäre Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheiden hat.

Allerdings vermag auch nicht - wenn man unterstellt, dass bei zutreffender Sachbehandlung die Kammer entschieden hätte - entgegen § 568 Abs. 1 ZPO ohne Weiteres der Senat in voller Besetzung an die Stelle des Einzelrichters des Beschwerdegerichts zu treten; denn eine solche Möglichkeit der Korrektur des gesetzlichen Richters oder der Nichtbeachtlichkeit eines die Besetzung des Beschwerdegerichts beeinflussenden Verfahrensfehlers sieht die ZPO nicht vor. Ebenso wenig folgt aus der Tatsache, dass bei einer etwaigen erneuten Beschwerde, welche nunmehr gegen die Entscheidung der Kammer gerichtet wäre, die Sache nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgrund Sachzusammenhangs mit einer früheren, anderen Beschwerde im vorliegenden Rechtsstreit erneut dem 1. Zivilsenat zugewiesen werden wird, dass der Senat bereits jetzt in der Sache in voller Besetzung entscheiden könnte.

Denn der Senat ist mit drei Beisitzern besetzt, und es ist derzeit nicht absehbar, welche der Senatsmitglieder entsprechend dem für die neue Beschwerde zu vergebenden Aktenzeichen aufgrund der Geschäftsverteilung des Senats zur Entscheidung über eine etwaige neuerliche Beschwerde berufen sein werden.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht erfüllt sind.



Ende der Entscheidung

Zurück