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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 26.07.2004
Aktenzeichen: 1 W 38/04
Rechtsgebiete: InsVV, ZPO, ZVG


Vorschriften:

InsVV § 2
InsVV § 7
ZPO § 938 II
ZPO § 942
ZVG § 15
1. Zuständig als "Prozessgericht" für die Festsetzung der Vergütung eines Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bestellten Sequesters ist das Gericht, welches die einstweilige Verfügung erlassen hat. Dies gilt auch dann, wenn das Amtsgericht der belegenen Sache tätig geworden ist.

2. Die Vergütung für den Sequester hat im Verhältnis zu diesem Gläubiger, welcher mit der einstweiligen Verfügung Herausgabe einer Sache begehrt, zu tragen. Dies schließt einen späteren Rückgriff des Gläubigers beim Schuldner nicht aus.

3. Für die Höhe der Vergütung ist es bei der Sequestration einer beweglichen Sache sachgerecht, auf § 2 InsVV zurückzugreifen und die konkrete Bemessung der Vergütung neben dem Wert der Sache auf Umfang, Dauer und Bedeutung der Tätigkeit des Sequesters, den Grad seiner Verantwortlichkeit, das Risiko verschärfter Haftung sowie die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

1 W 38/04

Entscheidung vom 26.07.2004

In der Beschwerdesache

hier: Antrag des gerichtlich bestellten Sequesters, Rechtsanwalt ... A, ...Straße ..., O1, auf Festsetzung der ihm als Sequester zu erstattenden Vergütung und Auslagen

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch ...

am 26.07.2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 26.04.2004 abgeändert.

Die Vergütung des Sequesters und seine Auslagen sind vom Verfügungskläger zu zahlen.

Diese werden an Vergütung und für den Zeitraum bis 20.07.2004 an Auslagen auf 4.445,12 € festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verfügungskläger.

Der Beschwerdewert wird auf 6.217,60 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Eigentumsverhältnisse an einem Pkw der Marke X. Auf Antrag vom 22.08.2003 erließ das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.08.2004 eine einstweilige Verfügung auf Herausgabe des Pkw an den vom ihm bestellten Sequester, Rechtsanwalt A. Diese einstweilige Verfügung wurde vom Amtsgericht mit Urteil vom 16.12.2003 bestätigt. Rechtsanwalt A nahm den Pkw am 30.09.2003 in Gewahrsam. Mit Schreiben vom 14.01.2004 hat der Sequester um Festsetzung seiner Vergütung und seiner ihm zu erstattenden Auslagen gebeten. Als Grundlage für die Anknüpfung der Bemessung seiner Vergütung sieht er mangels spezieller Kostenordnungen die InsVV, die er für sachlich einschlägiger hält als die VO über die Geschäftsführung und die Vergütung des Zwangsverwalters (§ 153 ZVG). Außerdem macht er Stellplatzkosten für den Pkw geltend; wegen der Einzelheitenwird am Bl. 79 f. d.A. verwiesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 26.04.2004, der Verfügungsbeklagten zugestellt am 29.04.2004, die Vergütungspflicht der Verfügungsbeklagten auferlegt und den von dieser zu entrichtenden Betrag an Vergütung und Stellplatzkosten für die Zeit bis 26.04.2004 auf 6.217,60 € festgesetzt. Wegen der Höhe der Vergütung hat es den Regelsatz des § 2 InsVV zugrunde gelegt. Dagegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer am 13.05.2004 eingelegten sofortigen Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschwerdeschriftsatz (Bl. 95 ff d.A.) verwiesen. Der Senat hat die Parteien des Beschwerdeverfahrens und den Sequester mit Verfügung vom 28.06.2004 (Bl. 107 ff d.A.) auf seine Sicht der Sach- und Rechtslage hingewiesen. Mit Schreiben vom 15.07.2004 hat der Sequester gebeten, im Falle der Beschlussabänderung weitergehende Stellplatzkosten für den Zeitraum 01.05. bis 20.07.2004 in Höhe von 751,68 € hinzuzusetzen.

II.

Das Oberlandesgericht ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts berufen, da der Verfügungskläger im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Verfügungsantrags seinen allgemeinen Gerichtsstand nicht im Geltungsbereich des GVG hatte, da er im Dez. 2002/Jan. 2003 nach O2 ausgereist war.

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten ist zulässig und begründet. Denn die Pflicht zur Zahlung der Vergütung des Sequesters ist nicht - wie durch das Amtsgericht erfolgt - der Verfügungsbeklagten, sondern dem Verfügungskläger aufzuerlegen; darüber hinaus steht dem Sequester eine Vergütung nicht in der von ihm geltend gemachten Höhe zu.

1. Allerdings fiel die Entscheidung über die Vergütung des Sequesters in die Zuständigkeit des Amtsgerichts Wetzlar. Denn es ist dasjenige Prozessgericht, welches den Sequester eingesetzt und damit das rechtliche Verhältnis zwischen Partei und Sequester begründet hat (OLG Saarbrücken OLGR 2000, 497). Dazu gehört auch die Festsetzung einer Sequestervergütung, da es sich insoweit um eine Annexkompetenz zur Bestellung eines Sequesters bei einer einstweiligen Verfügung gemäß § 938 Abs. 2 ZPO handelt. Zuständig ist der Richter und nicht der Rechtspfleger (allg. Meinung, vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 938 Rn. 10). Vom "Prozessgericht" in diesem Sinn zu unterscheiden ist das Gericht der Hauptsache, welches sachlich mit der erlassenen einstweiligen Verfügung und folglich auch mit der Bestellung eines Sequesters nichts zu tun hat; ihm fällt daher auch nicht die Aufgabe zu, im Rahmen der Annexkompetenz des den Sequester bestellenden Gerichts über die Sequestervergütung zu entscheiden. "Gericht der Hauptsache" gemäß § 937 ZPO ist hier allerdings nicht das Amtsgericht Wetzlar, da sich der Zuständigkeitsstreitwert für "die Hauptsache" nicht an dem reduzierten Streitwert für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der hier auf 2.250 € festgesetzt wurde, zu orientieren hat, sondern am Wert der Herausgabeklage im Hauptsacheverfahren; dieser ist hier mit 9.200 € angesetzt worden, und dem entsprechend ist die Herausgabeklage beim Landgericht Limburg rechtshängig. Soweit dem Beschluss des Landgerichts Saarbrücken (DGVZ 1995, 187) zu entnehmen sein sollte, dass für die Festsetzung der Sequestervergütung stets das Gericht der Hauptsache und nicht das Amtsgericht, welches - wie hier - als Gericht der belegenen Sache gemäß § 942 ZPO tätig geworden ist, zuständig sein soll, folgte der Senat dem aus den genannten Gründen nicht.

2. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts ist die festzusetzende Vergütung für den Sequester nicht von der Verfügungsbeklagten als der im Verfügungsverfahren Unterlegenen, sondern vom Verfügungskläger zu tragen. Bei dieser Vergütung handelt es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung i.S.d. § 788 ZPO (Gleußner, DGVZ 1996, 33, 37). Auch eine analoge Anwendung der §§ 91 ff, 788 ZPO im Verhältnis Sequester - Vergütungsschuldner kommt nicht in Betracht. Denn durch die gerichtliche Einsetzung eines Sequesters kommt zwischen dem Antragsteller der einstweiligen Verfügung und dem Sequester ein dienstvertragsähnliches Verhältnis zustande (OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Köln, MDR 1986, 768). Dieses wird durch den Hoheitsakt der Bestellung durch das Gericht begründet (OLG Saarbrücken a.a.O.), ist aber im Verhältnis zwischen Partei und Sequester privatrechtlicher Natur, und zwar auch dann, wenn zwischen Partei und Sequester kein ausdrücklicher Sequestrationsververtrag geschlossen wurde (vgl. BGH 146, 17 unter 1. und 2.a der Gründe); dem entsprechend ist auch der Vergütungsanspruch privatrechtlicher Natur. Auf die Erwägungen des Verfügungsklägers, dass er sich den Sequester habe nicht aussuchen dürfen, und dass das den Sequester bestellende Gericht nicht als Bote des Verfügungsklägers bei der Abgabe einer Willenserklärung auf Abschluss eines Sequestrationsvertrages anzusehen sei, kommt es rechtlich nicht an. Ebenso wenig ist es rechtlich von Bedeutung, dass es hier nicht um Vorschusspflichten, sondern um Erstattungspflichten gegenüber dem Sequester geht. Für die Vergütung erstattungspflichtig im Innenverhältnis zum Sequester ist damit derjenige, welcher die vom Gericht ausgesprochene Sequestration beantragt hat, also der Gläubiger (Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 938 Rn. 10; Stein/Jonas-Grunsky, ZPO, 22. Aufl. 2002, § 938 Rn. 22; Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl. 1999, § 938 Rn. 25; Gleußner, a.a.O.). Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Sequestrationskosten beim Gläubiger, also hier dem Verfügungskläger letztlich verbleiben müssten. Zum einen wird teilweise vertreten, dass der Gläubiger seinerseits diese Kosten nach § 103 ff ZPO als Kosten des Verfügungsverfahrens festsetzen lassen könne; zum anderen ist nicht ausgeschlossen, dass der Gläubiger einen materiellen Ersatzanspruch hinsichtlich der Sequestrationskosten, etwa aufgrund Verzugs nach § 286 BGB, gegenüber dem Schuldner geltend machenkann (Nachweise im einzelnen bei Gleußner, a.a.O.).

3. Bezüglich der Höhe der festzusetzenden Vergütung besteht im Ausgangspunkt Einigkeit, dass sie sich mangels eigenständiger Vorschriften für die Tätigkeit des Sequesters wegen der Vergleichbarkeit der Tätigkeit an den für Zwangsverwalter üblichen Sätzen (§ 153 ZVG analog i.V.m. den Vorschriften der VO über die Geschäftsführung und Vergütung für Zwangsverwalter) zu orientieren haben, wobei die Grundsätze über die Vergütung der Insolvenzverwalter (§ 65 InsO i.V.m. der InsVV) mit berücksichtigt werden können (OLG Köln, MDR 1986, 768 f; MDR 1997, 690, 691; OLG Saarbrücken, OLGR 2000, 497; Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 10). Dabei erscheint es in Fällen wie dem vorliegenden, bei dem es um die Inbesitznahme und die Verwahrung beweglicher Sachen geht, sachgerecht, statt auf die Vorschriften über die Vergütung des Zwangsverwalters, die an Jahresbeträgen von Miet- und Pachtzinsen anknüpfen, auf diejenigen für den Insolvenzverwalter (§ 2 InsVV) zurückzugreifen (OLG Köln, MDR 1997, 690; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Ausgangspunkt ist damit die Regelvergütung des § 2 Abs. 1 InsVV, welche für die ersten 25.000 € 40 % des Wertes der sequestrierten Vermögensgegenstände (§ 1 InsVV: des Wertes der Insolvenzmasse) beträgt. Wegen der nur analogen Anwendung der Vorschriften des InsVV ist neben dem Wert auf Umfang, Dauer und Bedeutung der Tätigkeit des Sequesters, den Grad seiner Verantwortlichkeit, das Risiko verschärfter Haftung sowie die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen (OLG München, MDR 1985, 855). Diese Abwägung führt hier dazu, eine Vergütung in Höhe von 40 % der regelmäßigen Insolvenzverwalter-Vergütung für angemessen zu erachten. Zu den Aufgaben eines Sequesters gehört typischerweise die Verwahrung und Verwaltung einer Sache, geht also meist über das bloße Verwahren deutlich hinaus (Schuschke/Walker, a.a.O., Rn. 20). Hier hat zwar das Amtsgericht eine Sequestration angeordnet, sachlich hatte der Sequester aber als Leistung die Sicherstellung des Pkw durch Herausgabe an ihn und Insbesitznahme sowie dessen Verwahrung zu erbringen. Eine "Verwaltung" des sequestrierten Pkw fällt nur insoweit an, als der Sequester für die Fortdauer einer sachgerechten Verwahrung zu sorgen hat. Auf der anderen Seite ist es als zusätzliches Tätigwerden zu berücksichtigen, dass der Sequester persönlich eine Herausgabe des Pkw in seine Obhut bewirkt hat, statt einen Gerichtsvollzieher damit zu beauftragen, der Verfügungsbeklagten den Pkw im Wege der Zwangsvollstreckung wegzunehmen (vgl. Schuschke/Walker, a.a.O.). Dieses Herausgabeverlangen gegenüber der Verfügungsbeklagten und ihrer Familie geltend zu machen, erforderte für den Sequester einen gehobenen Aufwand im Hinblick zu einfach gelagerten Fällen, in denen der Schuldner an der zunächst angegebenen Adresse anzutreffen und ohne Komplikationen zu einer Herausgabe der Sache bereit ist. Dies alles rechtfertigt letztlich den genannten Prozentsatz der Regelvergütung; ob ein geringerer Prozentsatz in Fällen einer einfacheren Inbesitznahme anzusetzen ist, ist hier aufgrund der Besonderheiten des Falles nicht zu entscheiden.

4. Die dem Sequester danach hier zuzuerkennde Vergütung ist wie folgt zu berechnen: Auszugehen ist von einem Wert des sichergestellten Pkw in Höhe von 9.200 €, dem Wert, der auch dem Hauptsacheverfahren zugrunde gelegt wird. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Wert aufgrund des Alters und der Laufleistung des Fahrzeugs unangemessen wäre; auch der Sequester geht in seiner ursprünglichen Kostenrechnung vom 14.01.2004 von diesem Wert aus. Die Regelvergütung gemäß § 2 InsVV beträgt 40 % hiervon, also 3.680 €. Aus den genannten Gründen sind hier davon 40 % anzusetzen, so dass sich ein Betrag von 1.472 € ergibt. Dem ist die gesetzliche Umsatzsteuer von 16 % (vgl. § 7 InsVV) hinzuzusetzen, so dass sich die zu zahlende Vergütung auf 1.707,52 € beläuft.

Hinzu kommen die vom Sequester vorgelegten besonderen Auslagen, die hier in Stellgebühren von 8,00 € pro Tag für den Pkw bestehen. Diese hat er in seiner ursprünglichen Kostenrechnung vom 14.01.2004 für die Zeitraum ab 30.09.2003 bis zum Ergehen der erstinstanzlichen Entscheidung am 26.04.2004 geltend gemacht. Gegen die Geltendmachung von weitergehenden, inzwischen angefallenen Stellplatzkosten für die Zeit ab 27.04. bis 20.07.2004 bestehen in analoger Anwendung des § 533 ZPO keine rechtlichen Bedenken. Sie entsprechen in der Höhe den bereits vom Amtsgericht für den davor liegenden Zeitraum zugesprochenen Stellplatzkosten von 8,00 € täglich, geltend gemacht für 214 und 81, mithin 295 Tage. Dies ergibt einen Netto-Betrag von 2360 . Einschließlich der auch insoweit zuzusetzenden Umsatzsteuer von 16 % belaufen sich die Auslagen brutto auf 2737,60 €.

Als Gesamtbetrag ist demnach an den Sequester eine Summe von 4.445,12 € zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO analog.

Der Beschwerdewert hatte sich gemäß § 3 ZPO am Interesse der Verfügungsbeklagten an der Beseitigung der sie belastenden Entscheidung des Amtsgerichts zu orientieren und ist mithin auf 6217,60 € festzusetzen.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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