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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.11.2007
Aktenzeichen: 1 W 78/07
Rechtsgebiete: GKG, ZPO
Vorschriften:
GKG § 40 | |
GKG § 44 | |
ZPO § 91 a | |
ZPO § 93 | |
ZPO § 254 |
Gründe:
I. Die Klägerin als Pflichtteilsberechtigte hat im Wege der Stufenklage die Beklagte als Erbin auf Auskunft über den Stand der Erbschaft sowie auf Wertermittlung eines Hausgrundstücks in Anspruch genommen und gleichzeitig eine noch unbezifferte Zahlungsklage erhoben; den Streitwert hat sie vorläufig mit 10.000 € angegeben. U.a. wegen der Auskunftserteilung und der Wertermittlung erging Anerkenntnisurteil, der noch unbezifferte Zahlungsantrag wurde nicht gestellt. Drei Tage nach Vorliegen des Wertgutachtens hat die Klägerin die Leistungsstufe aufgerufen und die Leistungsklage auf 77.476,45 € beziffert. Hierauf hat die Beklagte, ohne dass über die bezifferte Zahlungsklage mündlich verhandelt worden wäre, innerhalb einer Frist von weniger als einem Monat 75.900,10 € bezahlt, die restlichen 1.576,35 € waren streitig; insoweit hat die Klägerin die Klage zurückgenommen. Im Hinblick auf den gezahlten Teil haben die Parteien die Klage übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenantrag gestellt. Wegen der Einzelheiten der Argumentation wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 10.10.2007 sowie der Beklagten vom 21.09.und 25.10.2007 Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 31.10.2007, zugestellt am 06.11.2007, die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt; auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 17.11.2007 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin mit dem Ziel, die gesamten Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegen zu lassen; auf die Beschwerdebegründung wird Bezug genommen. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Denn es entspricht gem. § 91 a ZPO nach übereinstimmender Erledigungserklärung billigem Ermessen, die Kosten des Rechtsstreits nach der aus dem Tenor ersichtlichen Quote zu teilen.
1. Maßstab für die Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO - eine Ermessensentscheidung des Gerichts - ist zum einen der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärungen. Dies bedeutet zwar, dass im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben wird; allerdings ist das Gericht nicht schlechthin gehalten, sich allein an diesem Kriterium zu orientieren (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 91 a Rn. 24). Vielmehr können im Rahmen der Billigkeitsentscheidung auch Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt werden, insbesondere kann in einer "reziproken" Anwendung des Grundgedankens des § 93 ZPO berücksichtigt werden, inwieweit der jeweilige Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben hat (Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rn. 25). Anhand dieser rechtlichen Kriterien war die Beklagte mit denjenigen Kosten zu belasten, die sich aus der Notwendigkeit der Klageerhebung durch die Klägerin ergeben haben; allerdings ist der Klägerin derjenige Kostenanteil aufzuerlegen, der sich streitwerterhöhend aus ihrem ohne hinreichende Veranlassung durch die Beklagte erfolgten Übergang auf eine nunmehr bezifferte Leistungsklage ergeben hat.
2. Zunächst ist festzuhalten, dass die Beklagte zur Auskunftsklage Anlass gegeben hat, ihr also jedenfalls insoweit nicht die Kostenentlastung des § 93 ZPO zugute kommen kann. Die Klägerin hat, was streitig geblieben ist, behauptet, die Beklagte habe ihr gegenüber in einem persönlichen Gespräch jede Auskunftserteilung und jede Zahlung verweigert. Selbst wenn man demgegenüber der Darstellung der Beklagten vom Inhalt des Gesprächs folgen wollte, bleibt doch übrig, dass sie die Frage einer Zahlung hinauszögernd behandelt hat; auf die anwaltliche Aufforderung zur Auskunft drei Monate nicht zu reagieren, selbst wenn sie meinte, mit der Einschaltung ihres Steuerberaters, den sie um Rat fragen wollte, etwas unternommen zu haben, war keine sachangemessene Vorgehensweise, um eine etwaige Klage abzuwenden. Andererseits lässt sich nicht erkennen, dass es seitens der Klägerin eine hinreichende in der Sache liegende Veranlassung gab, drei Tage nach Vorlage des Wertgutachtens die Leistungsklage zu beziffern, ohne die Beklagte vorher nochmals zur Zahlung aufzufordern. Zwar hat die Beklagte nach der Behauptung der Klägerin anfangs auch jede Zahlung abgelehnt. Aus dem weiteren Verhalten der Beklagten nach Erhebung der Stufenklage ist aber deutlich geworden, dass die nunmehr anwaltlich beratene Beklagte bereit war, sich ihren Pflichten als Erbin zu stellen und zunächst Auskunft zu geben sowie den Wertermittlungsvorgang zügig zu fördern; angesichts dessen gab es keinerlei sachlichen Grund, für die Durchsetzung der nunmehr bezifferten Leistungsklage gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte hat auch den Zahlungsanspruch durch umgehende Zahlung sofort i.S.d. § 93 ZPO, nämlich bei erster sich bietender prozessualer Möglichkeit vor einer mündlichen Verhandlung über den Zahlungsanspruch (vgl. zum Maßstab Stein/Jonas-Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 93 Rn. 6) anerkannt.
3. Für die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 a ZPO bedeutet dies: Mit der Erhebung der Stufenklage ist auch die noch unbezifferte Leistungsklage rechtshängig geworden; über die Kosten des gesamten Rechtsstreits kann nur einheitlich entschieden werden. Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91 a ZPO ist es nicht als angängig anzusehen, dem in der ersten Stufe einer Stufenklage obsiegenden Kläger nachträglich die in dieser Stufe entstandenen Kosten aufzuerlegen (OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1454; OLG Frankfurt - 21. ZS - OLGR 2000, 49,50). Allerdings besteht - wie ausgeführt - im vorliegenden Fall im Unterschied zu der letztgenannten Entscheidung die Besonderheit, dass die Klägerin noch auf die Stufe der bezifferten Leistungsklage übergegangen ist, ohne dass dies durch das Verhalten der Beklagten veranlasst war. Soweit durch diesen Übergang zur bezifferten Leistungsklage zusätzliche Kosten entstanden sind, entspricht es der Billigkeit, diese in reziproker Anwendung des § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Ob solche zusätzlichen Kosten entstanden sind, hängt jedenfalls hier allein davon ab, wie der Streitwert der Stufenklage bei unbeziffert bleibender Leistungsklage und nach Bezifferung der Leistungsklage anzusetzen ist. Gem. § 44 GKG ist der Gebührenstreitwert nach dem höchsten der durch die Stufenklage verbundenen Ansprüche anzusetzen. Das ist in der Regel der Leistungsanspruch (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 44 GKG Rn. 8; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007 Rn. 5120). Solange der Leistungsanspruch noch unbeziffert ist, und ebenso, falls die Stufenklage "stecken bleibt", also nach Auskunftserteilung nicht weiter betrieben wird, ist dessen Wert nach § 3 ZPO zu schätzen, und zwar gem. § 40 GKG bezogen auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung (Hartmann, a.a.O., Rn. 4 und 7; Schneider/Herget, a.a.O., Rn. 5126 und 5152); dabei ist anhand des Tatsachenvortrags des Klägers zu ermitteln, welche Leistungen er aufgrund der Sach- und Rechtslage, die er zur Klagbegründung vorgetragen hat, nach Auskunftserteilung objektiv zu erwarten hatte (BGH NJW 1997, 1016; Schneider/Herget, a.a.O., Rn. 5154). Stellt der Kläger nach Auskunftserteilung einen gegenüber der bei Klageeinreichung zum Ausdruck gebrachten Erwartung höheren bezifferten Antrag auf Leistung, dann erhöht sich auch für das übrige Verfahren der Streitwert (Hartmann, a.a.O., Rn. 8; Schneider/Herget, a.a.O., Rn. 5161 m.w.N.). Dagegen verbleibt es - um es noch einmal zu betonen - bei dem für den Zeitpunkt der Klageeinreichung geschätzten Streitwert, wenn es im Rahmen der Stufenklage nicht zur Bezifferung des Zahlungsantrags kommt (KG JB 2006, 594, 595 m.w.N. = KGR 2006, 964).
4. Daraus folgt für den vorliegend zu beurteilenden Rechtsstreit: Nach Bezifferung des Zahlungsantrags hat das Landgericht den Streitwert für das gesamte Verfahren zutreffend auf 77.476,45 € festgesetzt. Wäre dieser Übergang zur bezifferten Zahlungsklage nicht erfolgt, wäre es bei dem bis dahin anzunehmenden Streitwert ab Klageeingang geblieben. Diesen setzt der Senat mit 10.000 € an. Zwar war Gegenstand der Auskunfts- und Wertermittlungsklage auch ein Hausgrundstück, dessen Wert und etwaige Passiva des Erbes waren aber gänzlich unklar. Mangels hinreichender sonstiger Anhaltspunkte ist daher der Angabe der Klägerin in der Klageschrift zu folgen, welche für die Stufenklage einen Wert von vorläufig 10.000 € angegeben hat. Wäre es bei diesem Streitwert geblieben, wären Kosten des Rechtsstreits von ca. 3.535 € entstanden. Dagegen hat der durch die Beklagte nicht veranlasste Übergang zur bezifferten Zahlungsklage die Kosten des Rechtsstreits auf rund 9.170 € getrieben. Es entspricht der Billigkeit, die Quote der zusätzlich von der Klägerin herbeigeführten Kosten dieser aufzuerlegen, mithin 3/5 der Kosten des Rechtsstreits. Bei dieser Kostenverteilung konnte in analoger Anwendung des Rechtsgedankens des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin in geringem Umfang ihre bezifferte Leistungsklage zurückgenommen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Es kann dahinstehen, ob eine Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts in Sachen eines Beschlusses nach § 91 a ZPO überhaupt statthaft ist, also vom Oberlandesgericht zugelassen werden kann (mit erheblichen Gründen zweifelnd, aber die Frage letztlich offen lassend BGH NJW-RR 2003, 1075).
Jedenfalls war hier eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO für eine Zulassung keinesfalls erfüllt sind.
Der Beschwerdewert war gemäß § 3 ZPO entsprechend den Kosten des Rechtsstreits, welcher von der Klägerin nach dem von ihr angefochtenen Beschluss zu tragen gewesen wäre, zu schätzen. Diesen Wert schätzt der Senat auf 9.160 €.
Ende der Entscheidung
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